Freitag, 26. April 2013

Tschernobyl - Kein Sarg für die Ewigkeit

Die wahre Geschichte von Tschernobyl (Thomas Johnson, Dokumentarfilm 2007)

Heute vor 27 Jahren, in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986, explodierte der Atomreaktor des Blocks 4 in der Atomkraftanlage "Tschernobyl" (Ukraine, damals Teil der Sowjetunion). Eine der umfassendsten Dokumentationen über den Super-GAU, dessen Auswirkungen auch heute noch - 27 Jahre danach und 1400 Kilometer vom Ort der Atomkatastrophe entfernt - selbst in Teilen Deutschlands präsent sind, ist der Dokumentarfilm "Die wahre Geschichte von Tschernobyl" von Thomas Johnson (Original: "The Battle of Chernobyl").

Anhand von Augenzeugenberichten, persönlichen Erinnerungen Herrn Gorbatschows (UDSSR, ehemaliger Präsident), den eindringlichen Bildern von Igor Kostin, Archivaufnahmen, Originaldokumentationen und neuesten Forschungsergebnissen zeigt der Dokumentarfilm eine Chronologie der damaligen Ereignisse und versucht die langfristigen Konsequenzen des Unglücks für Mensch und Umwelt aufzuzeigen.


Kein Sarg für die Ewigkeit

Um zumindest weitere radioaktive Emissionen aus der total zerstörten Anlage zu verhindern, wurde damals in aller Eile aus Stahlbeton der sogenannte "Sarkophag" um die Atomruine herum errichtet. Sarkophage sind eigentlich Särge aus dauerhaften Materialien, in denen Tote bestattet werden. Die Atomruine in der Ukraine ist aber nicht wirklich tot. Das, was dort begraben wurde, ist ein lebender Feind, dessen Radioaktivität zum Teil noch in Millionen von Jahren eine tödliche Gefahr darstellen wird.

Und auch der gigantische "Betonsarg" für das zerstörte Reaktorgebäude hat sich nicht gerade als sehr dauerhaft erwiesen. Schon seit längerem ist bekannt, dass das Schutzgebäude, das inzwischen von außen provisorisch abgestützt wurde, irgendwann einstürzen wird. Aufgrund der gefährlichen Strahlung, die direkt am Sarkophag herrscht, ist es aber so gut wie unmöglich, das Schutzgebäude selbst nachträglich zu verstärken.


Eine neue Schutzhülle für den Sarkophag (3sat, nano-spezial, Sendung vom 26.04.2011)

Deshalb wurde zu Beginn des letzten Jahres, 300 Meter vom Sarkophag entfernt, mit dem Bau einer neuen Schutzhülle begonnen. Nach ihrer Fertigstellung soll die derzeit mit 1,75 Milliarden Euro veranschlagte, 29000 Tonnen schwere Konstruktion auf Schienen über den Sarkophag gefahren und anschließend verschlossen werden. Medienberichten zufolge wird das neue Bauwerk für 100 Jahre Schutz bieten. Die Ruine wird aber auch dann noch gefährlich strahlen. Auch der neue "Sarg" wird kein Bauwerk für die Ewigkeit werden!

Dass die Gefahr, die derzeit von dem "Sarkophag" und seinem tödlichen Inhalt ausgeht, unkalkulierbar ist, zeigt aktuell der Einsturz eines ehemaligen Maschinengebäudes im Februar dieses Jahres, das etwa 50 Meter vom Reaktor entfernt stand. Nach Auskunft der ukrainischen Katastrophenschutzbehörde hatten Schneemassen das Dach und einen Teil der Mauer zum Einsturz gebracht. Ein Anstieg von Radioaktivität sei nicht festgestellt worden. Dieser Vorfall hat jedoch gezeigt, dass die Gefahr, die weiterhin von der Atomruine ausgeht, noch lange nicht gebannt ist.


Deutschland, 27 Jahre nach dem Super-GAU

Auch in Deutschland sind die Folgen des Super-GAUs weiterhin feststellbar. Es ist erst gut einen Monat her, seit die Süddeutsche Zeitung über die radioaktive Kontamination von 37 Wildschweinen berichtete, die kurz zuvor bei einer Jagd in der Nähe von Augsburg geschossen worden waren. Messungen ergaben Cäsium-137-Werte von mehr als 10000 Becquerel (Bq) pro Kilogramm! Bereits ab 600 Bq/kg darf Wildfleisch nicht mehr verwertet werden.

Auch Waldpilze weisen in einigen Gegenden Bayerns immer noch sehr hohe Cäsium-137-Messwerte auf. So sind im Oktober des letzten Jahres in vier Proben sogarWerte zwischen 1320 und 7380 Bq/kg festgestellt worden:
  • 18.10.2012, Garmisch-Partenkirchen
    Weißer Rasling (Lyophyllum connatum)
    7.380 Bq/kg(FM)
  • 18.10.2012, Garmisch-Partenkirchen
    Birkenpilz (Leccinum scabrum)
    Garmisch-Partenkirchen, 2630 Bq/kg(FM)
  • 09.10.2012, Hof (Stadt)
    Pfifferling (Cantharellus cibarius)
    1490 Bq/kg(FM)
  • 09.10.2012, Weilheim-Schongau
    Maronenpilz (Xerocomus badius)
    1320 Bq/kg(FM)
  • ...
(Daten: Interaktive Tabelle des Bayerischen Landesamtes für Umwelt)

Der Super-GAU, der vor 27 Jahren in "Tschernobyl" begann, ist noch lange nicht vorbei und wird auch unsere Kinder, Enkel und deren Kinder und Kindeskinder noch beschäftigen.


Zum Weiterlesen:


(Quellen: Stuttgarter-Zeitung vom 24.04.2013, Süddeutsche Zeitung vom 12.03.2013, taz vom 17.02.2013, Die Zeit vom 15.02.2013, contrAtom vom 14.02.2013, Tagesschau vom 13.02.2013, Spiegel vom 13.02.2013, Die Welt vom 18.01.2013, Bayerischer Rundfunk vom 11.07.2012, Tagesschau vom 26.04.2012, Bayerischer Rundfunk von 26.04.2012, Greenpeace vom 25.04.2012, Spiegel vom 05.03.2012, Öko-Institut e.V. - Hintergrundpapier vom März 2011, Bayerisches Landesamt für Umwelt )

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