Auf der Petitionsplattform des demokratischen Netzwerks "Campact" wenden sich ein Rabbiner, ein Pfarrer und ein Imam aus Berlin mit einem Aufruf - über alle Religionen und Grenzen hinweg - gegen den Hass. Angesichts des Blutbads in Brüssel sagen sie: "Wir wollen und dürfen nicht sprachlos bleiben. Der Terror darf nicht das letzte Wort haben."
Mit ihrem Aufruf treten sie ein für Frieden und Dialog - gegen Terror und Gewalt, gegen die Vorverurteilung und Instrumentalisierung der Religionen! (Zitat):
Wir gedenken der Opfer der schrecklichen Terroranschläge von Brüssel. Unser Platz ist an der Seite der Opfer in ihrem unfassbaren Leid – bei den Toten und Verletzten und allen, die um sie und mit ihnen trauern, in Brüssel und in der ganzen Welt. Brüssel, Ankara, Abidjan oder Paris – es macht sprachlos, dass Terroristen in die Mitte der Gesellschaft eindringen, um Menschen im Namen einer Ideologie, die die Religion zur Unkenntlichkeit entstellt, zu ermorden. Doch wir wollen und dürfen nicht sprachlos bleiben. Terror darf nicht das letzte Wort haben. Wir setzen dem Terror deshalb ein Zeichen des Friedens und der Verständigung zwischen den Menschen entgegen. Gemeinsam mit allen friedliebenden Menschen fordern wir: Unterzeichnen Sie diesen Aufruf und setzen Sie damit ein Zeichen für Frieden und Dialog – gegen Terror und Gewalt – gegen die Vorverurteilung und Instrumentalisierung der Religionen.
Die drei Geistlichen haben sich einiges vorgenommen. Im Herzen Berlins soll nach ihren Vorstellungen etwas weltweit einmaliges entstehen: Juden, Christen und Muslime errichten ein gemeinsames Haus, das "House of One" - das Haus des Einen. Unter seinem Dach werden eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee vereint sein. In seiner Mitte soll ein zentraler Raum entstehen, der zur Begegnung und zum friedlichen Dialog der Religionen und Kulturen einlädt.
Finanziert wird das Projekt über eine Crowdfunding-Kampagne. Mit der ersten Bauphase kann begonnen werden, wenn 10 Millionen Euro zusammengekommen sind. Wer weiß, ob die Gründer die Vollendung des House of One noch erleben werden - aber ihre Botschaft findet bereits Gehör.
Drei Religionen, ein Gott
Die drei großen monotheistischen Religionen haben den gleichen Ursprung. Ihre Mitglieder glauben an den gleichen Gott. Sie nennen ihn Den Ewigen oder Jahwe, Gott oder Vater und Allah.
Ich bin in einem christlich geprägten Umfeld aufgewachsen. Auf den Punkt gebracht ist die Vorstellung, die mir als Kind von diesem Gott vermittelt wurde, die eines "guten Vaters aller Menschen", der selbst denen vergibt, die schwere Schuld auf sich geladen haben. Juden, Christen und Muslime sind Brüder und Schwestern, die Kinder des "guten Vaters". Es wäre fatal, wenn sie es zuließen, dass machthungrige Fanatiker einen Keil zwischen sie treiben.
Ich denke, das "House of One" ist ein Projekt, das - wenn es gelingt, es über die Grenzen Berlins hinaus wachsen zu lassen - Brücken zwischen Juden, Christen und Muslimen bauen kann. Es könnte so zum sinnbildlichen Samenkorn werden. Aus dem gemeinsam von einem Rabbiner der Juden, einem Pfarrer der Christen und einem Imam der Muslime in die Erde gelegten Samen könnte eine starke Bewegung für den Frieden in der Welt wachsen. Die Antwort auf Hass, Krieg und Gewalt sind Friede, Toleranz und die gerechte Verteilung der Güter dieser Erde, dem gemeinsamen Haus aller Menschen und ihrer Mitgeschöpfe.
In einem Newsletter des "Publik-Forums" vom 24.03.2016 heißt es (Zitat): "Auferstehen aus dem Terror, zu einem neuem Leben ohne Angst: Das wünschen sich in diesen Tagen viele Menschen, nicht nur Christen, die auf das Osterfest zugehen."
In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen,
die in diesen Tagen hier vorbeischauen,
"Frohe Ostern"
PS: Wer möchte, kann sich dem Aufruf gegen Terror, Gewalt und gegen die Instrumentalisierung der Religionen auf der Internetseite von Campact anschließen. Der Aufruf wird die Terroristen nicht davon abhalten, weiteren Anschläge zu verüben, die weiteren unschuldigen Menschen das Leben kosten werden. Aber er setzt der sinnlosen Gewalt ein Zeichen des Friedens und der Toleranz entgegen.
Nach den gestrigen Terroranschlägen auf den Flughafen und eine U-Bahn Station in Brüssel ist heute von mehr als 30 Toten und etwa 270 Verletzten aus vielen Nationen die Rede. Namenlose Zahlen, abstrakte Worte ...
Zahlen ... - wir werden damit rechnen müssen, dass weitere Anschläge der Islamisten, weitere unschuldige Menschen das Leben kosten werden - wahrscheinlich auch in Deutschland. Gegen Selbstmörder, die mit versteckt am Leib getragenen Bomben aus dem Hinterhalt inmitten vieler Menschen zuschlagen, gibt es keinen absoluten Schutz.
Worte helfen nicht, weder den Toten noch den Hinterbliebenen. Vielleicht hilft Solidarität, Anteilnahme - Solidarität insbesondere auch mit den Muslimen, die unter uns leben und mit den Kriegsflüchtlingen, die bei uns Schutz suchen. Wer diese Menschen aus unserer Gesellschaft ausgrenzt und unter Generalverdacht stellt, der spielt den islamistischen Terroristen in die Hände.
Gestern habe ich das zweite (und letzte) Mal in dieser Saison an einer "Grünkohltour" teilgenommen. Dieses Mal ging es bei bedecktem Himmel, kaltem Wind aber immerhin ohne Regen etwa zwei Stunden lang durch den Fischereihafen.
Gegessen wurde dann in privater Atmosphäre. Der Kohl und die reichhaltigen Beilagen waren von einem Partyservice geliefert worden. Für einige der Teilnehmer war es die erste Grünkohltour ihres Lebens. Mir gegenüber am Tisch saß ein junger Mann aus Sachsen. Er war hellauf begeistert von der leckeren "Grützwurst". Es dauerte zwar eine gewisse Zeit, aber nachdem wir "Alteingesessenen" ihn mehrmals darüber aufgeklärt hatten, überwand er sich schließlich irgendwann und nannte die "Wurst" bei ihrem Namen: "Pinkel".
Es versteht sich wohl von selbst, dass man einem solchen "Frischling" nicht die schwere Last der Krone eines Grünkohlkönigs aufbürden kann. Im Gegensatz zu dem aufwändigen, "raffiniert eingefäldeten Ausschlussverfahren", mit dem man mich während meiner ersten Kohltour in diesem Jahr zum König gekürt hatte, war das Auswahlverfahren, das gestern zur Anwendung kam, geradezu simpel. Als unter dem Kohl so langsam die Teller zum Vorschein kamen hieß es, fortan solle die Krone tragen, wer/welche unter seinem/ihrem Teller einen Streifen grünes Klebeband fände.
Ich hatte meinen Teller gerade kurz zuvor mit einer zweiten Portion Kohl und Pinkel gefüllt und hatte Bedenken, dass ich alles auf dem Tisch verstreut wiederfände, wenn ich sofort versuchen würde, von unten unter meinen Teller zu schauen. Das von mir als "möglicherweise riskant" eingestufte Manöver erwies sich jedoch schnell als unnötig: Kaum dass die denkwürdigen Worte der Wahlleitung verklungen waren, erscholl vom anderen Ende des Tisches auch schon der Jubel des neuen Königs. Dem armen, frisch gekürten Kohl-Monarchen wird in diesem Moment wohl noch nicht bewusst gewesen sein, was da möglicherweise alles auf ihn zukommen könnte.
Weitere Teller wurden - vorsichtig in der Waage gehalten - langsam in die Höhe gehoben. Erleichterte Blicke lösten sich von unbeklebten Tellerunterseiten. Bald stand auch der letzte Teller wieder auf dem Tisch. Nach und nach verstummte das Klappern der Gabeln und Messer auf den restlichen Tellern. Alles wartete voller Spannung darauf, dass die neue Kohlkönigin sich endlich outen würde. Aber nichts geschah.
Endlich wurden die erlösenden Worte gesprochen: Jeder (also nicht jede) möge doch noch einmal unter seinem (also nicht ihrem) Teller nachschauen. Mich traf der Schlag: Ausgerechnet unter meinem Teller, klebte - für einen kurzen Augeblick meinte ich gar ein hämischen Grinsen auf seinem natürlich nicht vorhandenen Gesicht gesehen zu haben: Ein grüner Streifen Klebeband!
Damit lasten nun zwei Kronen auf meinem Haupt. Nachdem ich mich von dem ersten Schock erholt hatte, wurde mir plötzlich bewusst, dass es keine Königin an meiner Seite, dafür aber zwei Könige an der Spitze der neuen Kohlmonarchie geben würde. Aus der Geschichte ist mir kein Fall bekannt, der ein gutes Ende genommen hat, wenn zwei Könige Anspruch auf den Thron eines Königreichs erhoben haben. In der Regel endeten derartige Konstellationen mit Mord und Totschlag.
Ich glaube ich hatte es schon einmal erwähnt, dass ich mit der Monarchie eigentlich "nichts am Hut" habe. Ich weiß schon warum. Außerdem bin ich Pazifist. Na ja, notfalls müsste ich mich eben auf Notwehr berufen. Einfach abdanken kann man als Kohlkönig nämlich auch nicht. Damit würde man sich unabwendbar dem geballten Zorn seiner Untertanen aussetzen.
Ich denke, ich werde erst einmal versuchen, den anderen König von einer - in der Geschichte der Monarchien wohl einzigartigen - Regentschaftskoalition zu überzeugen.
Außerdem muss ich so langsam wohl aufpassen, das mir irgendwelche Neidhammel aus dem niederen Volke keine Ämterhäufung vorwerfen - seufz:
In der Woche vom 25. bis zum 29. April findet die Hannover-Messe 2016 2016 statt. Große, multinationale Konzerne werden die internationale Bühne der Messe nutzen, um für das sogenannte "Frei"-Handelsabkommen TTIP zwischen den USA und der Europäischen Union zu werben.
Die Konzernlenker in den Chefetagen behaupten, TTIP werde das Wohl der Menschen steigern. Immer mehr Menschen, sowie viele kleinere und mittlere Unternehmen, sehen jedoch unsere Demokratie und ihre Interessen in Gefahr und lehnen TTIP deshalb ab.
Das Partnerland der diesjährigen Hannover-Messe sind die USA. Deshalb wird Herr Obama (USA, Präsident) die Messe gemeinsam mit Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) eröffnen. Gemeinsam wollen sie die Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP voranbringen.
Unmittelbar vor der Ankunft Herrn Obamas werden deshalb am Samstag, 23. April, - sozusagen zum inoffiziellen Auftakt der Messe - viele tausend Menschen ebenfalls nach Hannover fahren um ihm einen bunten und lautstarken Empfang zu bereiten. Damit werden sie ihm zeigen, was sie von dem sogenannten "Frei"-Handelsabkommen TTIP und der damit drohenden Aushebelung unserer Demokratie halten:
Gar nichts!
Die Europäische Kommission will - ebenfalls in diesem Jahr - dem Rat und dem Europäischen Parlament das bereits fertig verhandelte Handelsabkommen mit Kanada, CETA, zur Ratifizierung vorlegen. Über Tochtergesellschaften in Kanada wären multinationale Konzerne aus den USA bereits damit in der Lage, Mitgliedsstaaten der europäischen Union auf Schadensersatz zu verklagen, sobald sie befürchten, dass neue Gesetze ihre Profite schmälern könnten. Das gleiche trifft natürlich auch auf kanadische Konzerne und Konzerne anderer Nationalitäten mit Tochtergesellschaften in Kanada zu.
Im Folgenden gebe ich den gemeinsamen Aufruf der Initiative aus dem Trägerkreis "TTIP und CETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel!" und des regionalen Bündnisses in Hannover im Wortlaut wieder:
Aufruf zur überregionalen Demonstration am 23. April 2016 in Hannover
Obama und Merkel kommen: TTIP undCETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel!
Die Hannover Messe 2016 wird zusammen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama eröffnet: Ihr Ziel ist es, die TTIP-Verhandlungen gemeinsam voranzubringen. Doch das Handels-und Investitionsabkommen der EU mit den USA droht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.
Ebenfalls in diesem Jahr will die Europäische Kommission das CETA-Abkommen mit Kanada dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Ratifizierung vorlegen. Es dient als Blaupause für TTIP. Schon mit ihm könnten Großunternehmen über kanadische Tochtergesellschaften EU-Mitgliedsstaaten auf Schadensersatz verklagen, wenn neue Gesetze ihre Profite schmälern.
Dagegen tragen wir unseren Protest auf die Straße! Getragen von einem breiten Bündnis demonstrieren wir mit zehntausenden Menschen am Samstag, den 23. April in Hannover – unmittelbar vor dem Besuch Obamas.
Dabei sind wir Teil einer transnationalen Protestbewegung: Auf beiden Seiten des Atlantiks streiten wir zusammen mit unseren Freund/innen und Partner/innen in Kanada und USA gegen Abkommen, die vor allem mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppen dienen. Hier wie dort treten wir für eine Handels-und Investitionspolitik ein, die auf hohen ökologischen und sozialen Standards beruht und nachhaltige Entwicklung in allen Ländern fördert. Sie muss insbesondere
Demokratie und Rechtsstaat fördern sowie die Gestaltungsmöglichkeiten von Staaten, Ländern und Kommunen für die Zukunft sichern,
nationale wie internationale Standards zum Schutz von Mensch und Umwelt stärken sowie
die Entwicklung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung fördern.
Wir brauchen soziale und ökologische Leitplanken für die Globalisierung. Doch TTIP und CETA gehen in die falsche Richtung: Der „Wert“ des Freihandels wird über die Werte ökologischer und sozialer Regeln gestellt. Sonderklagerechte für Investoren gefährden parlamentarische Handlungsfreiheiten.
Beide Abkommen setzen öffentliche und gemeinnützige Dienstleistungen und Daseinsvorsorge, kulturelle Vielfalt und Bildungsangebote unter Druck. Sie ziehen die falschen Lehren aus der Finanzkrise, stärken transnationale Konzerne und schwächen kleine und mittelständische Unternehmen, auch in der Landwirtschaft. TTIP und CETA grenzen die Länder des globalen Südens aus, statt zur Lösung globaler Probleme wie Hunger, Klimawandel und Verteilungsungerechtigkeit beizutragen.
Wir treten daher für internationale Abkommen ein, die
Umwelt-, Sozial-, Daten-und Verbraucherschutzstandards erhöhen statt sie zu senken oder auszuhebeln;
Arbeitsstandards wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festschreiben statt sie auszuhöhlen;
öffentliche und gemeinnützige Dienstleistungen und Daseinsvorsorge stärken statt sie zu schwächen;
kulturelle Vielfalt und öffentliche Bildungsangebote fördern statt sie als Handelshemmnis zu betrachten;
bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft sowie artgerechte Tierhaltung voranbringen statt Gentechnik und industrielle Landwirtschaft zu fördern;
die Macht von Konzernen und Finanzmarkt-Akteuren begrenzen statt sie zu vergrößern;
global ausgerichtet sind statt die Mehrheit der Menschen auszugrenzen und
transparent und offen verhandelt werden statt geheim und in Hinterzimmern.
Hierfür gehen wir am Samstag, den 23. April in Hannover auf die Straße – Demonstrieren Sie mit!
Die neuen Freiheiten der beiden sogenannten "Frei"-Handelsabkommen beschränken sich im wesentlichen auf multinationale Konzerne, denen mit den darin verankerten Paragrafen zum Investitionsschutz ein Werkzeug in die Hand gegeben wird, mit dem sie in die Lage versetzt werden, demokratische Entscheidungen in ihren "Gastländern" zu umgehen, und somit quasi außer Kraft zu setzen. Deshalb werde ich am 23. April nach Hannover fahren um - gemeinsam mit vielen anderen Menschen - dagegen zu demonstrieren.
Obama und Merkel kommen: TTIP und CETA stoppen!
Für einen gerechten Welthandel!
Fukushima - Die bleibende Katastrophe (Greenpeace, März 2016)
Am 11. März, dem fünften Jahrestag des Super-GAUs in der japanische Atomkraftanlage "Fukushima-I", hatte ich unter anderem über die Dekontaminationsbemühungen in den verstrahlten Gebieten und die etwa neun Millionen Kubikmeter radioaktiven Mülls geschrieben, der sich derzeit - in schwarzen Plastiksäcken verpackt - an mehr als 113000 Standorten in der Sperrzone rund um das havarierte Atomkraftwerk stapelt.
Soweit möglich werde in den kontaminierten Regionen rund um "Fukushima Dai-ichi" fünf Zentimeter der Erdoberfläche abgetragen, in Säcke gefüllt und provisorisch gelagert. Wind und Regen würden jedoch neue radioaktive Partikel aus den umliegenden Bergen und anderen Gegenden Japans auf die gerade abgeräumten Flächen tragen.
Wenn man die die Politiker der japanischen Regierung, Premierminister Shinzō Abe und die Sprecher des Atomonzerns TEPCO zu den Fortschritten der Dekontaminationen hört, dann erweckt es den Anschein, als sei mit "Dekontamination der vertrahlten Gebiete" letztlich tatsächlich sinnbildlich "jeder Quadretmeter" gemeint - und dass die Arbeiten so gut wie abgeschlossen seien: 2017 sollen die Menschen in die "dekontaminierten Gebiete" zurückkehren.
Dass von einer wirklichen "Dekontamination der vertrahlten Gebiete" nicht die Rede sein kann, wird in dem oben eingebetteten Video von Greenpeace klar. Die Aussagen der Regierung entpuppen sich demnach als reine Propaganda, als eine Lüge, mit der die Menschen dazu veranlasst werden sollen, in die nach wie vor verstrahlten Gebiete rund um die Atomruine zurückzukehren. Im Kommentar zum Film heißt es dazu, das Prozedere wirke absurd. Zitat:
"Lediglich im Radius von zwanzig Metern um Privatgrundstücke und entlang der Straßen wird dekontaminiert. Außerdem auf landwirtschaftlichen Flächen."
Herr Smital (Greenpeace, Physiker, Atomexperte) verdeutlicht die Dimensionen allein dieses bestenfalls als "rudimentär" zu bezeichnenden und - da Wind und Regen neue radioaktive Partikel von weiterhin verstrahlten Flächen auf den gerade erst abgetragenen Flächen verteilen - im Endeffekt sinnlosen Bodenabtrags (im Film bei 5 Minuten und 52 Sekunden, Zitat):
"Es entstehen riesige Mengen von Atommüll. Es gibt mehr als 80 000 solcher Mülldeponien von schwarzen Säcken, über 3 Millionen solcher Säcke, und es wird einem dann so klar, dass man die ganze Landschaft, die Berge, die Täler, die Flüsse, einfach nicht mehr wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen wird können."
Inzwischen ist von mehr als neun Millionen Kubikmetern radioaktiven Mülls an mindestens 113 000 Standorten die Rede. Irgendwann werden dann noch die Reste der Atomruine und ihr radioaktives Inventar hinzukommen. Die Regierung und TEPCO haben dafür dreißig bis vierzig Jahre veranschlagt: Offiziell. - Inoffiziell dürften die für die Atomkatastrophe und deren Folgen Verantwortlichen wohl selbst nicht glauben, was sie da von sich geben.
Zum Vergleich:
Der erste Super-GAU der Geschichte jährt sich an 26. April 2016 zum dreißigsten Mal. Im Laufe des kommenden Jahres soll endlich die Schutzhülle für den bisherigen, einsturzgefährdeten Beton-Sarkophag fertiggestellt sein über den zerstörten Reaktorblock 4 der Atomkraftanlage "Tschernobyl" gefahren werden. Die voraussichtliche Lebensdauer der Schutzhülle wird mit 100 Jahren angegeben.
Für das weitere Vorgehen gibt es noch keine konkreten Pläne und niemand kennt bisher eine Lösung für die Bergung der geschmolzenen, hochradioaktiven Reste der Reaktorkerne - weder für "Tschernobyl" noch für "Fukushima". Am Ende eines Filmbeitrags des ARD-Magazins "Weltspiegel" zum 5. Jahrestag der Atomkatastrophe in Japan heißt es (Zitat):
".. Diese Ruine wird hier mindestens noch 30 oder 40 Jahre stehen bis zu ihrem Abriss, manche Experten sagen auch: Bis zu 100 Jahre. 100 Jahre, 100 Millionen Säcke: so eine Prognose. In Tomioka wird nun verbrannt. Doch was geschähe hier beim nächsten Tsunami? Wohin mit der verstrahlten Schlacke? Jede Lösung kreiert neue Fragen. Weil am 11. März 2011 das Restrisiko die Hauptrolle übernahm."
Irgendwann habe ich mir einmal die Frage gestellt, wie ich wohl damit leben würde, wenn ich für den Super-GAU in Japan mitverantwortlich wäre, trotzdem weiter an der Nutzung der Atomkraft zur Stromerzeugung festhalten würde und meine Landsleute deswegen ebenso dreist belügen würde, wie die Verantwortlichen des TEPCO-Konzerns die Politiker der japanischen Regierung es praktizieren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt damit leben könnte. Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn die für das Fukushima-Desaster Verantwortlichen jeden Abend seelenruhig zu Bett gehen und friedlich bis zum Morgen durchschlafen würden.
Wie sonst wäre es zu erklären, dass es ihnen möglich ist, mit Nachdruck daran zu arbeiten, die verbliebenen, seit 2011 abgeschalteten Atomreaktoren in Japan wieder in Betrieb zu nehmen?
Trotz der weiterhin bestehenden Gefahr durch Erdbeben und weitere Tsunamis?
Trotz der wissentlichen Inkaufnahme weiterer verstrahlter Regionen in Japan?
Trotz der Möglichkeit, beim nächsten Super-GAU nicht "nur" Hundertausende, sondern vielleicht Millionen von Menschen evakuieren zu müssen? ...
Und es stellt sich die simple Frage, warum man überhaupt zur Nutzung der Atomkraft zurückkehren will, nachdem man in Japan jetzt fünf Jahre lang ohne Atomkraft ausgekommen ist und Strom sich auch auf andere, sichere und nachhaltige Weise (Wind, Wasser, Photovoltaik) erzeugen lässt.
"Atomausstieg in die Hand nehmen" Menschenkette von Stuttgart entlang des Neckars
bis zum Atomkraftwerk Neckar-Westheim (12. März 2011)
Nach der Sicherheitsabschaltung wegen des Erdbebens ist im japanischen Atomkomplex "Fukushima" die Kühlung des Reaktorkerns seit mehreren Stunden ausgefallen. Letzten, unbestätigten Meldungen zufolge werden zur Stunde vom Militär mobile Stromaggregate herbeigeschafft, um Strom für die Kühlwasserpumpen zu liefern. Sofern es nicht gelingt, den Reaktor binnen kurzer Zeit wieder ausreichend zu kühlen, ist der Eintritt der Kernschmelze, unausweichlich.
Unter den neuesten E-Mails, die ich nachmittags, kurz vor meinem Aufbruch zur Menschenkette entlang des Neckars zwischen Stuttgart und dem Atomkraftwerk "Neckar-Westheim" las, fand ich unter anderem diese Nachricht der Initiative "Anti Atom Oldenburg".
"Fukushima" sei eines der ältesten Atomkraftwerke Japans, hieß es kurz darauf in den Medien. Der Tagesschau der ARD zufolge war das Kühlwasser bereits so weit abgesunken, dass die Brennstäbe zum Teil sichtbar waren. Im Umkreis von drei Kilometern seien Evakuierungen angeordnet worden und Anwohner im Umfeld von zehn Kilometern seien aufgefordert worden, ihre Wohnhäuser nicht zu verlassen.
Eigentlich hatte ich im Nachtzug auf dem Weg nach Stuttgart etwas schlafen wollen, um am Tag der Demonstration fit zu sein. Aber wirklich zur Ruhe bin ich nicht gekommen: Die Gedanken kreisten um die drohende Kernschmelze und die nach dem Erdbeben und dem Tsunami ohnehin schon hart genug getroffenen Menschen in Japan. Eigentlich war mir zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass sich der zweite Super-GAU in der kurzen Geschichte des Atomzeitalters kaum noch aufhalten lassen würde.
Man sieht die Katastrophe kommen. Und man weiß, was es bedeutet, wenn man hört, die Brennstäbe seien nicht mehr komplett vom Kühlwasser bedeckt. Man registriert das hilflose Bemühen der japanischen "Spezialisten", Dieselgeneratoren heranzuschaffen, um die Kühlpumpen mit Energie zu versorgen - und weiß, dass bald kein Kühlwasser mehr im Reaktor sein wird, weil die Pumpen das Wasser infolge des offensichtlich leck geschlagenen Kühlsystems ins Leere pumpen. - Und doch hört man nicht auf, zu hoffen.
Erinnerungen an 1986 wurden wach. Damals war der Atomreaktor in der Atomkraftanlage "Tschernobyl" (Ukraine) explodiert. Der Fallout ging über weiten Teilen Europas nieder. Wild und Pilze in einigen Regionen Bayerns weisen auch nach 30 Jahren noch erhöhte radioaktve Belastungen auf. Da blieb die bange Frage nicht aus: Wie weit über die Region Fukushima und Japan hinaus würden sich die Folgen der neuen Atomkatastrophe bemerkbar machen?
Die sogenannte "friedliche Nutzung der Atomkraft" ist keine nationale Angelegenheit einzelner Staaten. Ihre Folgen treffen immer auch andere Menschen in anderen Regionen der Welt: Der Wind, die Flüsse oder die Meeresströmungen scheren sich nicht um von Menschen gezogene Grenzen. Damals trug der Wind seine radioaktive Last von der Ukraine bis nach Deutschland oder Schweden. Trotz der allseits bekannten Folgen war es beschlossene Sache der damaligen wespenfarbenen Bundesregierung, die Betriebsgenehmigungen für Atomkraftwerke hierzulande deutlich zu verlängern. Und das wiederum war für mich damals der Anlass, mich auf den Weg nach Stuttgart zu machen.
Es war eine traurige Ironie des Schicksals, dass der bevorstehende mehrfache Super-GAU in Japan zeitlich mit der Menschenkette entlang des Neckars zusammenfiel. Eigentlich hatten wir ja nur den Druck auf die Landesregierung Baden-Würtembergs und auf die Bundesregierung aufrechterhalten und weiter erhöhen wollen ...
Heute ist das alles auf den Tag genau fünf Jahre her ...
Trotz alledem
Die Fukushima Lüge (ZDF-Zoom 2012/14)
... Unsere Hoffnungen von damals, "Fukushima" würde weltweit das Ende der Atomkraft einläuten, haben sich bisher nicht wirklich erfüllt. Die Regierungen einiger EU-Staaten denken weiterhin über den Neubau von Atomkraftwerken nach oder halten am Betrieb der alten Atomkraftanlagen fest. Zwar folgten in Deutschland auf die "Laufzeitverlängerung" das "Atommoratorium" und der sogenannte "Atomausstieg", aber immer noch produzieren deutsche Atomkraftwerke Tag für Tag Atommüll, für den es keine Lösung für eine sichere Lagerung über zehntausende von Jahren hinweg gibt.
Nachdem im letzten Sommer endlich das Atomkraftwerk "Grafenrheinfeld" stillgelegt wurde, sind in Deutschland weiterhin acht Atomktaftwerke in Betrieb. Drei davon (Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C) sollen entsprechend der Planung für den wespenfarbenen "Atomausstieg" noch bis 2021 und drei weitere (Emsland, Isar/Ohu 2, Neckarwestheim 2) bis 2022 in Betrieb bleiben. Bis dahin sind es noch sechs Jahre in denen uns jederzeit einer der verbliebenen Atommeiler um die Ohren fliegen könnte.
Menschengemachte Gesetze zum Umgang mit den Atomkraftwerken und ihren strahlenden Hinterlassenschaften suggerieren eher leichtgläubigen, unkritischen Mitmenschen, dass "wir die Sache im Griff" haben. Aber die Physik lässt sich davon nichtbeeindrucken: Sie hat ihre eigenen Gesetze und setzt sich über politische Entscheidungen der Menschen hinweg.
Herr Naoto Kan (Japan, Premierminister vom 08.06.2010 bis zum 02.09.2011 ) hatte die Absicht, das Ende des Atomzeitalters in Japan einzuläuten. Landesweit wurden alle Atomkraftwerke heruntergefahren. Aber das japanische "Atom-Dorf" war stärker. Als Herr Kan sich dagegen auflehnte, hatte er keine Chance mehr, an die notwendigen Informationen für ein umfassendes Krisenmanagement heranzukommen. Die derzeitige Regierung Japans (Premierminister Shinzō Abe) hat dafür gesorgt, dass inzwischen drei der 54 Atomreaktoren wieder ans Netz gingen - gegen den massiven Widerstand in weiten Teilen der japanischen Bevölkerung. Und weitere sollen folgen ... - trotz alledem.
Die Atom-Katastrophe ist noch nicht vorbei
Auch nach fünf Jahren weiß niemand sicher, wo genau sich die geschmolzenen Reaktorkerne befinden, in welchem Zustand sie sind und ob man sie irgendwie bergen kann. Die Strahlung in den Reaktorgebäuden ist tödlich. Damit es nicht zu einer unkontrollierten Kettenreaktion kommt, muss die hochradioaktive Masse ständig gekühlt werden. Einen geschlossenen Kühlkreislauf gibt es seit der Havarie der Atomreaktoren nicht mehr. Die Stellen, an denen die zerstörten Reaktorkerne liegen müssten, werden nach wie vor mit Kühlwasser gespült. Das kontaminierte Wasser wird abgepumpt und in Tanks gelagert. Nach wie vor fließen aber immer wieder große Mengen radioaktives Wasser ins Meer.
Simulation des "GEOMAR - Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel" zur Ausbreitung
der Radioaktivität aus der havarierten Atomkraftanlage "Fukushima Dai-ichi" mit
den Meeresströmungen im nördlichen Pazifik über einen Zeitraum von 10 Jahren
Die Atom-Katastrophe dauert jetzt seit 1825 Tagen an - in der Simulation des "GEOMAR - Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel" ist das etwa bei 1 Minute und 13 Sekunden. Die radioaktiven Substanzen haben demzufolge den Norden der Westküste der USA erreicht und die Strahlung ist dort größer, als vor der japanischen Küste bei Fukushima. Das Problem der weiträumigen radioaktiven Kontamination ist nicht aus der Welt. Es verschiebt, verteilt und verdünnt sich lediglich mit den Strömungen des Pazifischen Ozeans.
An Land, auf den japanischen Inseln stellt sich die Situation nicht viel anders dar. Etwa neun Millionen Kubikmeter radioaktiver Müll stapeln sich derzeit - in schwarzen Plastiksäcken verpackt - an mehr als 113000 Standorten in der Sperrzone rund um das havarierte Atomkraftwerk. Die Säcke sind das sichtbare Resultat der Dekontiminationsbemühungen. Soweit möglich wird in den kontaminierten Regionen rund um "Fukushima Dai-ichi" fünf Zentimeter der Erdoberfläche abgetragen, in Säcke gefüllt und provisorisch gelagert. Was später einmal damit geschehen soll, weiß niemand. Und: In den kommenden Jahren werden noch viele weitere Millionen Tonnen radioaktives, in Säcken abgepacktes Erdreich hinzukommen.
Andere Resultate der Versuche, die verstrahlten Gebiete zu dekontaminieren, sind nur mit Messgeräten wahrzunehmen: Wind und Regen tragen radioaktive Partikel aus den umliegenden Bergen und anderen Gegenden Japans auf die gerade abgeräumten Flächen. Aber darüber sprechen Japans Politiker nicht so gerne. Im kommenden Jahr soll schließlich mit der Wiederbesiedlung der "geräumten" Gebiete begonnen werden. Die politische Botschaft lautet: "In Japan sind die Folgen eines Super-GAUs beherrschbar."
Unerwünsche Messergebnisse sind da nur hinderlich. Bereits im Jahr darauf sollen die Opfer der Atomkatastrophe dann keine Kompensationszahlungen mehr erhalten. Es gibt zwar Menschen, die das Heimweh zurück in ihre verstrahlte Heimat treibt, aber viele andere wehren sich gegen die quasi erzwungene Rückkehr in eine radioaktiv belastete Umwelt.
Die Atomkatastrophe von Fukushima ist noch lange nicht vorbei und langsam wird sie der Regierung offenbar schlicht zu teuer. Die Menschen und ihre Gesundheit spielen daher bestenfalls eine nachgeordnete Rolle.
Den Schein wahren
In einer Pressemitteilung der "Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V." (IPPNW) vom 17.02.2016 heißt es: "Millionen von Menschen wurden und werden seit Beginn der Katastrophe erhöhten Strahlendosen ausgesetzt." Insbesondere sei das in den Regionen mit relevantem radioaktiven Niederschlag der Fall. Aber auch in weniger belasteten Regionen sähen sich die Menschen mit verstrahltem Trinkwasser und radioaktiv kontaminierter Nahrung konfrontiert. Weiter heißt es in der Pressemitteilung (Zitat):
... Jenseits der Kontroversen um die Folgen langfristiger Strahlenexposition mehren sich anerkannte wissenschaftliche Publikationen, die nachweisen, dass sogenannte "Niedrigstrahlung" wesentlich gefährlicher ist als bislang angenommen. Schon sehr kleine Strahlendosen führen zu signifikant erhöhten Risiken für Krebs, Herzkreislauferkrankungen, perinataler Sterblichkeit sowie Fehlbildungen bei Neugeborenen. Außerdem ist in großen Teilen Zentral- und Osteuropas und in Teilen Asiens das Geburtengeschlechtsverhältnis nach Tschernobyl sprunghaft und hochsignifikant angestiegen. Dieser Effekt weist deutlich auf eine Beeinträchtigung der menschlichen Erbanlagen durch "Niedrigstrahlung" hin. ... ... Die neuesten Daten der Schilddrüsenuntersuchungen in der Präfektur Fukushima bestätigen einen besorgniserregenden Anstieg der Neuerkrankungen von Schilddrüsenkrebs bei Kindern. Insgesamt 115 Kinder mussten bereits wegen metastasierten oder stark wachsenden Krebsgeschwüren in ihren Schilddrüsen operiert werden. Die jährliche Rate von Neuerkrankungen von Schilddrüsenkrebs bei Kindern in Japan wird vom japanischen Gesundheitsministerium mit 0,3 pro 100.000 angegeben. Bei einer Bevölkerung von 300.000 Kindern war somit damit zu rechnen, dass ein Schilddrüsenkrebsfall im Jahr festgestellt wird. Andere Folgeschäden als Schilddrüsenkrebs bei Kindern schloss die japanische Regierung von vorne herein aus. Sie versäumte es, für die kontaminierte Bevölkerung inklusive der vielen AufräumarbeiterInnen, ein Fukushima-Register aufzubauen, in dem diese Bevölkerungsgruppen regelmäßigen Gesundheitschecks unterzogen werden. ...
... im Fall der atomaren Katastrophe von Fukushima haben IAEO und UNSCEAR versucht, nach nur fünf Jahren eine abschließende Aussage über die Langzeitfolgen der Atomkatastrophe zu treffen, indem sie behaupteten, dass es zu keinen "relevanten" oder "messbaren" Strahlenfolgen in der betroffenen Bevölkerung kommen wird. Da sich vor allem Krebs- und Herzkreislauferkrankungen erst nach Jahren und Jahrzehnten klinisch manifestieren, ist eine solche Aussage unwissenschaftlich und unseriös. Das zeigt sich auch in der Tatsache, dass die Mitglieder von UNSCEAR sich in ihrem Bericht im Wesentlichen auf die Angaben der IAEO, der Betreiberfirma TEPCO und der japanischen Atombehörden stützen. Neutrale unabhängige Institute und Forschungseinrichtungen werden ignoriert. Die Dosisberechnungen der betroffenen Bevölkerung im Bericht beruhen maßgeblich auf Nahrungsmittelproben der IAEO, einer Organisation, deren Hauptziel die weltweite Förderung von Atomenergie ist. Unliebsame Ergebnisse von unabhängigen Nahrungsmittelstichproben wurden ignoriert. Zur Schätzung des Gesamtausstoßes von Radioaktivität wurden Angaben der japanischen Atomenergiebehörde herangezogen, statt die deutlich höheren Berechnungen unabhängiger Institute zu berücksichtigen. Die Strahlendosen der Kraftwerksarbeiter wurden größtenteils direkt von der umstrittenen Betreiberfirma TEPCO übernommen. Statistisch gesehen sind in ganz Japan im Laufe der nächsten Jahrzehnten knapp 10.000 zusätzliche Krebsfälle zu erwarten, selbst wenn man mit den geschönten UNSCEAR-Zahlen und konservativen Risikofaktoren rechnet. Nutzt man andere Daten und modernere, realistischere Risikofaktoren, kommt man auf deutlich höhere Zahlen, etwa bis zu 66.000 zusätzlichen Krebsfällen, ca. die Hälfte davon mit tödlichem Verlauf. Auch in Japan setzt die mit der Atomindustrie eng verflochtene Regierung alles daran, die Akte Fukushima so schnell wie möglich zu schließen. So werden außer der Reihenuntersuchung kindlicher Schilddrüsen in der Präfektur Fukushima keine epidemiologischen Studien durchgeführt - getreu dem Motto: Was nicht untersucht wird, kann auch nicht gefunden werden. Auch wurden Gesetze zum sog. "Geheimnisverrat" erlassen, die es Journalisten und Wissenschaftlern erschweren sollen, unabhängig zu den Ereignissen in Fukushima zu forschen und zu berichten.
(Die komplette Pressemitteilung kann hier nachgelesen werden.)
Totschweigen, vertuschen, ignorieren, unabhängige Journalisten und Wissenschaftler mundtot machen ... - den derzeit politisch Verantwortlichen geht es nicht um die Gesundheit und die Unversehrtheit der Menschen. Es geht ihnen nicht um die Wahrheit und die Aufarbeitung der Folgen des dreifachen Super-GAUs, nicht um's Lernen aus den Fehlern in der Vergangenheit, sondern einzig und allein um's Geld - und darum, den schönen Schein zu wahren: Japanische Ingenieure werden sogar mit den Folgen eines atomaren Super-GAUs fertig.
Aber diese Haltung findet sich leider nicht nur in den Chefetagen der Atomkonzerne und ihrer politischen Handlanger. Man begegnet ihr auch in der Bevölkerung, insbesondere unter denjenigen, die sich vermeinlich als Nutznießer der "Segnungen des Atomzeitalters" sehen, weil sie selbst oder einer ihrer Familienangehörigen das zweifelhafte Glück haben in einem Atomkraftwerk arbeiten zu dürfen. - Auch hierzulande, in Deutschland, ist das so.
Möglicherweise war es einer dieser Zeitgenossen, der meinte, er müsse unsere Schweigeminute in der Stuttgarter Fußgängerzone mit seiner Pöbelei stören: "Schämt ihr euch nicht, das Unglück der Menschen in Fukushima für eure Demonstration zu missbrauchen?"
Nun ja: WIR hatten uns die Atomkatastrophe in Japan ganz bestimmt NICHT gewünscht. Und WIR waren auch NICHT dafür verantwotlich, dass sie sich ausgerechnet einen Tag vor der Menschenkette gegen die Laufzeitverlängerung ereignete. Der Termin für die Menschenkette stand schon lange vorher fest. Das Erdbeben, den Tsumami und dem dreifachen Super-GAU konnte niemand vorausahnen. Unser Ziel war es, mit allen uns rechtmäßig zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern, dass sich ein solcher Super-GAU, wie er sich im Laufe der Nacht und des Tages in Japan entwickelte, eines Tages mitten in Deutschland ereignen wird. Und:Auch wenn viele meinen, es gäbe doch jetzt den Atomaustieg: Diesen Kampf, den Kampf gegen eine jederzeit mögliche Atomkatastrophe in Deutschland, haben wir bisher noch nicht gewonnen.
Da bleibt uns nur zu hoffen, dass wir in den nächsten sechs Jahren von einem Super-GAU in einem der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke verschont bleiben - und dass dieses Glück darüber hinaus auch unseren direkten Nachbarn beschieden ist. Wie erst jetzt bekannt wurde, sind wir im April 2014 gerade noch einmal davongekommen, als die aus dem Ruder laufende Kettenreaktion im Reaktorblock 1 der französichen Atomkraftanlage "Fessenheim" - direkt an der deutschen Grenze, auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins - nur noch mithilfe einer "Notborierung" gebremst werden konnte!
4 Jahre nach Fukushima - KenFM im Gespräch mit Kazuhiko Kobayashi
Mit der Bitte um Weiterverbreitung erreichte mich das folgende Schreiben des japanischen Atomkraftgegners Kazuhiko Kobayashi über den Verteiler eines Netzwerks. Dieser Bitte komme ich gerne nach und gebe es hier im Wortlaut wieder:
Tokyo, den 9. März 2016
Zum 5. Jahrestag der Fukushima-Katastrophe
Liebe Freundinnen und Freunde in Deutschland!
Wieder kehrt der 11. März zurück.
Und wir stehen genauso verzweifelt und sprachlos wie damals.
Die Lage ist nach wie vor die gleiche. Wir haben keine Information, wie die wirkliche Lage ist. Es steht fest, daß selbst die Regierung sowie TEPCO keine wirklich ausreichende Information besitzen. Denn die 3 Reaktorgebäude sind zerstört, und wie und wo die geschmolzenen Brennstäbe sich in ihnen befinden, ist nach wie vor völlig unklar. Denn die radioaktiven Strahlungen in ihnen sind extrem stark und keine Menschen können ihnen näher kommen und es gibt keine technischen Möglichkeiten, die inneren Lagen zu prüfen. Auch die Versuche, ferngesteuerte Roboter hineinzuschicken, sind bis jetzt immer wieder nur gescheitert. Was nur klar ist, ist es, daß die Kernschmelzen in ihnen stattgefunden haben und dort alle möglichen radioaktiven Substanzen wie Zäsium, Strontium, Tritium usw. ständig ausstrahlen.
Die öffentliche Aussage der japanischen Regierung und TEPCO, nämlich, die ganzen Anlagen von den zerstörten 4 Reaktoren innerhalb von 40 Jahren vollständig zu beseitigen und unschädlich zu machen, entlarvt sich bereits jetzt als ein völlig unrealistisches, leeres Wort - In einigen vertrauten Kreisen wird es geschätzt: nicht "40 Jahre", sondern "90 bis 120 Jahre".
Wie günstig für die Menschen, die all das behaupten!
Sie brauchen sowieso für ihr Wort keine Verantwortung zu tragen. Denn ohnehin nach 40 Jahren sind sie schon längst von ihren Arbeiten ausgeschieden, sogar die meisten von ihnen vermutlich nicht mehr am Leben. Geschweige nach 90 bis 120 Jahren!!
Ist das kein schwerstes Verbrechen für die Menschheit und für die ganze Umwelt???
Die endlosen radioaktiven Verseuchungen gehen weiter und weiter, nicht nur jetzt, sondern über unsere Kinder und Enkelkinder und noch viel weitere Generationen. Fukushima-Katastrophe hat gerade noch angefangen und wir müssen uns leider auf noch viel Schlimmeres gefaßt machen.
Was können wir von den Anti-AKW-Bewegungen in Deutschland oder weltweit erhoffen?
Noch nie ist die ganze Menschheit, oder noch besser gesagt, die ganze Erde mit ihren unendlich vielfältigen Lebensarten durch verantwortungslose Techniken dermaßen extrem gefährdet wie heute. Die atomare Technik ist das typischste Beispiel mit ihrer weltweiten unbeherrschbaren radioaktiven Verseuchungsgefahr. Dabei trägt die Technik selbst keine Schuld, sondern ein kleiner Teil der macht-und profitgierigen Menschen und auch in hohen Maßen die gewissenlosen, ehrgeizigen Wissenschaftler und Ingenieure, die alles mitmachen wollen, um solche Technik einzusetzen, während sie genau wissen, daß die Technik unbeherrschbare, unverantwortbare Katastrophen verursachen kann.
Alleine in den EU-Mitgliedländern sind mehr als 100 Atomkraftwerke und deren Kontrolle ist den einzelnen Ländern überlassen. Im Falle eines großen Super-GAUs kann in einer kürzesten Zeit ein Großteil von EUROPA unbewohnbar werden und mehr als 500 Millionen Menschen werden direkt mit ihrem Leben gefährdet. Technische Fehler, menschliche Versagen, Terrorangriffe, es sind viele Möglichkeiten, die unvorstellbare Katastrophen verursachen können.
Alle Bürger in Europa sollten sich dessen bewußt machen, daß in jedem Augenblick eine solche Katastrophe kommen kann. Und wenn sie einmal gekommen ist, ist es schon zu spät. Das ganze Europa kann für unbegrenzte Zukunft verloren sein.
Die atomare Verseuchung kennt keine Staatsgrenzen. Daher dürfen die Atomkraftwerke niemals unter der alleinigen Kontrolle einzelner Staaten stehen. Vielmehr sollten sie unter einem internationalen Ausschuss mit neutralen und gewissenhaften Wissenschaftlern im Auftrag des Weltbürgertums kontrolliert und schließlich stillgelegt und abgeschafft werden.
Ist es aber realisierbar? Es sieht hoffnungslos aus.
Aber solange es aussichtslos bleibt, stehen unsere Leben und unsere zukünftigen Generationen, sogar unser ganzer Planet ständig am dunkelsten Abgrund.
Darum, liebe Freundinnen und Freunde in Deutschland!
Gerade in diesen schwierigsten Stunden müssen wir für unsere lieben unschuldigen Kinder, für unsere zukünftigen Leben aufstehen, unsere Kräfte bündeln und gegen die Atom-Verbrecherbanden gemeinsam kämpfen!
Konto für Spenden für Kinder in Fukushima
IBAN: DE43 2008 0000 0966 0021 01
Konto für Spenden für Kazuhiko Kobayashi - Anti-Atom-Vortragstouren in Europa
IBAN: DE86 2008 0000 0966 0021 03
Solidarische Grüße,
Kazuhiko Kobayashi
Tokyo, Japan
Herr Kobayashi wurde in Japan geboren und studierte in Tokio Germanistik. Von 1968 bis 1997 lebte und arbeitete er in Deutschland. Als Kenner beider Kulturen hat er einen besonderen Blick auf das Geschehen seit dem Super-GAU und das Wachstum der Anti-Atom-Bewegung in Japan. Herr Kobayashi sammelt Spenden, mit deren Hilfe er Kindern aus der Präfektur Fukushima einen Aufenthalt außerhalb der verstrahlten Zonen ermöglicht.
Herr Kobayashi befasst sich mit Umweltproblemen, Armut, ethnischen- und religiösen Konflikten, sowie den Risiken von unbeherrschbaren Technologien wie Atomwaffen und Atomkraftwerken. Darüberhinaus gilt sein Interesse der Ethik in den modernen, freien Wirtschaftsgesellschaften. Er engagiert sich bei Anti-Atom-Demonstrationen und hält Vorträge über die Gefahren der Atomenergie.
Eine dieser Vortragsreisen führte Herrn Kobayashi nach Kiel, wo er sich mit Ken Jebsen zu einem etwa siebzigminütigen Gespräch traf. Das Interview (4 Jahre nach Fukushima - KenFM im Gespräch mit Kazuhiko Kobayashi) wurde in einem Video aufgezeichnet, das oben auf dieser Seite zu sehen ist.
Auf ihrer Internetseite laden die Bremerhavener Grünen für Freitag, den 11. März 2016 zur Teilnahme an einer Mahnwache anlässlich des fünften Jahrestages des mehrfachen Super-GAUs in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" ein.
Am 09.04.2014 um 17 Uhr drang Wasser durch defekte Kabelisolierungen in einige Räume und in sicherheitsrelevante Schaltkästen der französischen Atomkraftanlage "Fessenheim" ein. Das führte zum Ausfall eines der beiden Systeme zur Reaktorschnellabschaltung für den Reaktorblock 1.
Die Steuerstäbe ließen sich nicht mehr bewegen, so dass der Reaktor nicht ordnungsgemäß heruntergefahren werden konnte. Vorangegeangen war ein Wassereinbruch auf mehreren Ebenen. In der Hoffnung, den Reaktor doch noch rechtzeitig herunterfahren zu können, entschied ein sofort eingerichteter Krisenstab des Kraftwerksbetreibers "Électricité de France" (EDF), Bor in das Kühlsystem des Atomreaktors einzuleiten. Das war eine außergewöhnlich Notmaßnahme, ein letzter Versuch, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, der glücklicherweise erfolgreich war.
Eines der beiden stabilen Bor-Isotopen, ist für Neutroneneinfangreaktionen geeignet. Es findet daher als Bestandteil von Steuerstäben Verwendung mit deren Hilfe in Atomreaktoren die Leistung geregelt wird. Wenn Bor in den ("radioaktiven") Primär Kreislauf des Reaktor-Kühlsystems eingeleitet wird, hat das die gleiche Wirkung, als würden die Steuerstäbe zwischen die Brennstäbe gefahren werden. Bei entsprechend hoher Bor-Dosierung verringert das den thermischen Neutronenfluss auf sieben Prozent des ursprünglichen Wertes. Das führt dann zu einer starken Abkühlung im Reaktorkern.
Aus den Erfahrungen mit glücklicherweise mehr oder weniger glimpflich ausgegangenen schweren Störfällen in Atomkraftwerken (GAU), wie im Atomkraftwerk "Lucens" (Schweiz, Januar 1969) oder in der Atomkraftanlage "Three Mile Island" (USA, Harrisburg, März 1979), sowie mit den Super-GAUs in den Atomkraftanlage "Tschernobyl" (Ukraine, April 1986) und "Fukushima-I" (Japan, März 2011) ist bekannt, dass es in deratigen Situationen um Minuten und Sekunden geht, die darüber entscheiden, ob es dem Kraftwerkspersonal gelingt, innerhalb kürzester Zeit "die richtige" Maßnahme zu ergreifen. Genau so sehe ich den Versuch des Krisenstabs der Atomkraftanlage "Fessenheim", der uns in Westeuropa vor knapp zwei Jahren mehr oder weniger zufällig davor bewahrt hat, zu Opfern des weltweit dritten Super-GAUs innerhalb weniger Jahre zu werden.
Manchmal reicht die Zeit, die dem Kraftwerkspersonal bleibt, aber auch gerade noch für eine überstürzte Flucht: Wäre der schweizerische Atomreaktor nicht im inneren eines Berges gebaut worden, hätten sich die Folgen der partiellen Kernschmelze im Jahre 1969 nicht auf die Anlage beschränken lassen.
Über die Bor Einleitung in die Primärkühlung, mit der es gelang, den Reaktorblock 1 der Atomkraftanlage "Fessenheim" doch noch rechtzeitig "herunterzufahren", sagt Herr Mertins (Sachverständiger für Reaktorsicherheit, ehemaliger Mitarbeiter der Gesellschaft für Reaktor- und Anlagensicherheit, GRS), Zitat:
"Mir ist kein Fall bekannt, wo ein Leistungsreaktor hier in Westeuropa störfallbedingt durch Zugabe von Bor abgefahren werden musste. Das Ereignis zeigt, dass die betriebliche Abschaltung nicht mehr möglich war, sodass andere Mittel in Angriff genommen werden mussten."
... - soweit bisher bekannt, sollte man vielleicht ergänzen.
Ein fast perfekter Vertuschungsversuch
Dass die Öffentlichkeit bis jetzt nichts über die Brisanz der Beinahe-Katastrophe erfahren hat, ist nämlich einem fast perfekten Vertuschungsversuch "zu verdanken". Der Betreiber EDF hatte das Ereignis damals als harmlos dargestellt. Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" und des "WDR" förderten andere Indizien und Fakten zu Tage. Demnach spielte die französische Atomaufsicht ASN den Vorfall im April 2014 gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde herunter. In der "Badischen Zeitung" vom 05.03.2016 heißt es, Herr Kraft (damals Chef der ASN in Straßburg) habe auf Nachfrage geantwortet, der Reaktor sei gemäß des Betriebshandbuchs heruntergefahren worden. Der Vorfall wurde daher auf der internationalen, siebenstufigen INES-Skala für "nukleare Ereignisse", lediglich der Stufe 1 zugeordnet.
Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt am 04.03.2016 auf ihrer Internetseite, der Ablauf mache trotzdem nachdenklich ... (Zitat):
"... - wenn man die Details betrachtet - die freilich nicht annähernd aus der knappen Mitteilung der Atomaufsicht hervorgingen, von einer Bor-Notabschaltung war darin nicht die Rede. .."
Der anfangs "kleine Störfall" habe sich innerhalb kürzester Zeit zu einer Abfolge von technischem Versagen und Chaos entwickelt, wie es sie so "in der Region selten gegeben" habe. Man könne das in einem Brief mit Fragen und Aufforderungen zu dem Vorfall nachlesen, den die französische Atomaufsicht ASN am 24. April 2014 an den damaligen Chef des Kraftwerks geschickt habe.
Den Recherchen der Zeitung zufolge begann alles damit, dass Angestellte Pfützen im Zugang zum Kontrollraum für den Reaktor 1 entdeckten. Ein Abfluss sei verstopft gewesen. Nachdem nachgefülltes Kühlwasser überlief, habe man festgestellt, dass auch Wasser in die drei tieferen Gänge gelaufen war. Dort seien durch das Wasser Schaltschränke in Mitleidenschaft gezogen worden, in denen Sicherheitselektronik installiert war: Alarm wurde ausgelöst.
Zunächst habe man versucht, die Steuerstäbe des Reaktors 1 zwischen die Brennstäbe zu fahren, um die Kernreaktion im Reaktorkern zu verlangsamen und so die Leistung zu verringern. Die Steuerstäbe hätten sich jedoch nicht bewegen lassen - es blieb beim Versuch.
Zeitgleich sei festgestellt worden, dass das Wasser in den Schaltschränken zum Ausfall eines der beiden parallelen Sicherheitssysteme geführt habe. Schließlich habe nur noch die bereits erwähnte Möglichkeit zur Auswahl gestanden, den Atomreaktor mit Bor notzukühlen.
Aber nicht einmal die Bor-Notabschaltung hatte das Kraftwerkspersonal unter Kontrolle. Das geht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge ebenfalls aus dem Brief der ASN vom 24.01.2014 hervor.
Demnach kühlte das Wasser im inneren Kühlkreislauf stärker ab, als eigentlich vorgesehen war. Dass die Temperatur so aus dem Ruder gelaufen sei, deute laut Herrn Mertins darauf hin, dass man im Kraftwerk minutenlang keine Informationen über den Zustand des Reaktorkerns hatte. Das erinnert in erschreckender Weise an die Situation im Kontrollraum der Atomkraftanlage Fukushima-I, nachdem dort der Strom infolge des Tsunamis ausgefallen war.
Die EDF erklärt den Temperaturabfall damit, dass der Reaktor noch mit dem Stromnetz verbunden war. Die "Süddeutsche Zeitung" kommentiert das mit den Worten (Zitat):
"Das macht es jedoch wenig besser, denn eigentlich sollte der Reaktor in so einem Fall vom Netz getrennt werden, aber auch das ist offenbar nicht passiert."
Eigentlich hatte Herr Hollande (Frankreich, Präsident) im Wahlkampf verspochen, die von Atomkraftgegner seit langem als "maroder Schrottmeiler" bezeichnete Atomanlage "Fessenheim" stillzulegen. Kurz nachdem er die Wahl im Mai 2012 gewonnen hatte, wurden die Hoffnungen auf eine zügige Stillegung aber schon wieder gedämpft: Die Atomkraftanlage solle im Jahre 2016 stillgelegt werden, hieß es damals. Inzwischen muss er das aber wohl vergessen haben: Neuerdings ist von 2018 die Rede ...
Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert dazu Herrn Hatz (Frankreich, Bündnis "Stop Fessenheim", Sprecher) mit den Worten (Zitat): "Fragt sich nur, ob uns Fessenheim nicht vorher um die Ohren fliegt."
Bis auf die erneute Bestätigung der Erkenntis, dass man den Aussagen der Atomkonzerne, ihren politischen Handlangern und - zumindest soweit es Frankreich betrifft - nicht einmal mehr der Atomaufsicht trauen kann, habe ich dem nichts weiter hinzuzufügen. Die Amtszeit Herrn Hollandes geht bereits 2017 zu Ende. Das war's dann wohl mit seinem Versprechen. Aber - das muss man ihm wohl zugestehen - versprechen kann man sich ja schon mal.
Solange die Verantwortlichen in den Atomkonzernen, in der Politik und den ihnen unterstellten Behörden dermaßen unverantwortlich mit der ohnehin nicht zu verantwortenden "friedlichen Nutzung der Atomkraft" umgehen, müssen wir auch in Europa jederzeit damit rechnen, zu Opfern des nächsten Super-GAUs zu werden.
"Fukushima" mahnt: Atomkraft abschalten - Demonstration in Bremen (02.04.2011)
Welche Folgen das für uns hätte, ist seit den beiden Super-GAUs in den Atomkraftanlagen "Tschernobyl" und "Fukushima" allgemein bekannt.
Die Atomkraftwerke in Europa und weltweit müssen deshalb schnellstmöglich stillgelegt, zurückgebaut und durch regenerative Energiequellen ersetzt werden! Neubau Pläne gehören in die Altpapier-Tonne!
"Es ist unzumutbar, was hier von der französischen Atomaufsicht verschwiegen werden sollte. Wir wollen endlich Klarheit, was vor knapp zwei Jahren genau in Fessenheim passiert ist. Es kann nicht sein, dass wir als betroffene Nachbarn aus den Medien erfahren müssen, was jenseits des Rheins geschieht."
Glyphosat, das ist ein Pflanzenvernichtungsmittel das kürzlich wieder einmal Schlagzeilen machte, weil das Umweltinstitut München über Glyphosat-Messwerte in deutschen Bieren berichtete, die um bis zum dreihundertfachen über dem Grenzwert für Trinkwasser liegen.
Glyphosat ist, vom Standpunkt der Pflanzenwelt aus betrachtet, ein Massenvernichtungsmittel. Bis auf einige gentechnisch veränderte - und dadurch glyphosatresistente - Nahrungspflanzen tötet es alle Pflanzen, die damit in Kontakt kommen.
Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Glyphosat gerade als "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" eingetuft worden. In der Europäischen Union gilt für die Zulassung potentiell gefährlicher Stoffen das Vorsorgeprinzip. Das heißt, ein Stoff, der im Verdacht steht, gesundheitsgefährdend zu sein, darf in der EU solange nicht zugelassen werden, bis seine Unschädlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist.
Dass die Unschädlichkeit von Glyphosat für die menschliche Gesundheit zweifelsfrei nachgewiesen ist, kann man angesichts der Bewertung durch die WHO nun wirklich nicht behaupten. Trotzdem will die EU-Kommission dem Pflanzengift Anfang der kommenden Woche eine Zulassung für 15 Jahre(!) erteilen.
Nichtregierungsorganisationen wie "Foodwatch", "Global 2000", "Campact" oder "Rettet den Regenwald" gehen dagegen auf die Barrikaden. "Foodwatch" hat eine E-Mail-Aktion an die Adresse von Herrn Vytenis Andriukaitis (EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) ins Leben gerufen. Auf ihrer Internetseite stellt die Verbraucherschutzorganisation einen vorgefertigten Text mit folgendem Wortlaut zur Verfügung (Zitat):
Sehr geehrter Herr Andriukaitis,
die Europäische Union muss in Kürze über eine neue Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat entscheiden, der in vielen Unkrautvernichtungsmitteln eingesetzt wird. Ich fordere Sie auf, diese Zulassung nicht zu erteilen.
Die Wissenschaft liefert keine eindeutige Risikobewertung: Die Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält Glyphosat für „wahrscheinlich krebserregend“ beim Menschen, die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) kommt zu einer anderen Einschätzung. In dieser Situation muss das Vorsorgeprinzip aus der EU-Basisverordnung 178/2002 greifen. Das bedeutet: Solange die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat wissenschaftlich umstritten sind, muss im Zweifel zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher gehandelt werden. Ein Risiko für die Gesundheit der Menschen darf nicht eingegangen werden. Für eine Neuzulassung von Glyphosat fehlt also die Grundlage.
Sehr geehrter Herr Kommissar, bitte wenden Sie das Vorsorgeprinzip konsequent an. Das heißt:
Glyphosat darf angesichts des wissenschaftlichen Streits nicht erneut zugelassen werden;
Grundsätzlich muss allen potenziell schädlichen Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel die Zulassung entzogen werden, sobald es substantielle Hinweise auf gesundheitliche Risiken gibt;
bei künftigen Zulassungsverfahren dürfen nur noch solche Einzelwirkstoffe und Präparate als Pflanzenschutzmittel zugelassen werden, die transparent und unabhängig toxikologisch bewertet wurden und bei denen keine substantiellen Hinweise auf gesundheitliche Risiken für die Verbraucherschaft vorliegen.
Die Umweltschutzorganisation "Rettet den Regenwald" kümmert sich - wie ihr Name vermuten lässt - gewöhnlich um die Erhaltung weiter entfernt gelegene Lebensräume. In diesem Fall wird sie einmal sozusagen in eigener Sache - für unseren eigenen Lebensraum - aktiv. Ihre Petition richtet sich an die Verantwortlichen in der EU und der EU-Mitgliedsländer. Sie hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind sehr besorgt über die von der EU-Kommission angestrebte Verlängerung der Genehmigung von Glyphosat in der EU bis zum Jahr 2031. Die Krebsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Glyphosat vergangenes Jahr als erbgutschädigend und potentiell krebserregend beim Menschen eingestuft. Im Gegensatz dazu teilen die europäischen Behörden diese Einschätzung nicht. Dabei findet sich Glyphosat inzwischen in unseren Lebensmitteln wie Milch, Mehl, Brot und Bier. Anstatt die Umwelt und die Gesundheit der Menschen vorsorgend zu schützen, folgen die EU-Lebensmittelbehörde EFSA und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit ihren Risikoanalysen vor allem den Wirtschaftsinteressen der Chemiekonzerne. Hundert Wissenschaftler, darunter fast das komplette Team der IARC, erheben schwere Vorwürfe gegen BfR und EFSA. Sie weisen auf schwerwiegende Mängel in den Bewertungen, wissenschaftlich inakzeptables Vorgehen und fehlende Daten hin. Bitte sorgen Sie dafür, dass die Genehmigung von Glyphosat in der EU NICHT verlängert wird. Bitte reformieren Sie auch die Risikoanalyse durch die staatlichen Behörden. Mit freundlichem Gruß
Das demokratische Netzwerk "Campact" hat einen Appell gegen die Zulassung von Glyphosat initiiert, die sich an den Bundesagrarminister und die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister der Länder richtet. Der Appell lautet kurz und bündig (Zitat):
Glyphosat ist nach neuesten Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation WHO "wahrscheinlich krebserregend". Diese Warnung zu ignorieren wäre fahrlässig. Giftiges Glyphosat darf nicht länger auf unsere Äcker und in unser Essen gelangen.
Setzen Sie sich dafür ein, dass die EU Glyphosat die Zulassung entzieht! Engagieren Sie sich für eine Landwirtschaft, die ohne gesundheitsschädliche Gifte auskommt!
Der Appell kann auf der Internetseite des Netzwerks online unterzeichnet werden.
Die österreichische Umweltschutzorganisation "Global 2000" geht einen anderen Weg: Sie erstattet Strafanzeige bei den Staatsanwaltschaften von Wien und Berlin gegen die "Behörde für Lebensmittelsicherheit" (EFSA) der EU und das deutsche "Bundesinstitut für Risikobewertung" (BfR), das sich für seine Risikobewertung ursprünglich voll und ganz auf die Angaben des Glyphosatherstellers und Gentechnik-Konzerns "Monsanto" verließ. "Global 2000" schreibt dazu in einer E-Mail an ihren Verteiler (Zitat):
Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid. Rückstände finden sich in der Umwelt und in Lebensmitteln.
Im März 2015 wurde Glyphosat von der Internationalen Agentur für Krebsforschung und der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich beim Menschen krebserregend eingestuft.
In Widerspruch dazu schlugen das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung und die Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor, Glyphosat als nicht krebserregend zu klassifizieren. Damit ebneten sie den Weg für eine erneute Zulassung. Schon am 7. März sollen die EU-Mitgliedsstaaten über eine erneute Zulassung entscheiden.
Was ist hier passiert? Wir haben uns das genauer angeschaut und gravierende Mängel entdeckt.
GLOBAL 2000 erstattet Strafanzeige bei den Staatsanwaltschaften von Wien und Berlin. Mehr Informationen zur Anzeige finden Sie hier.
Auch in diesem Fall ist es wieder einmal so, dass die EU-Kommission und einige nationale Regierungen gegen die ureigensten Interessen der Bürger - die Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit gehört zweifelsfrei dazu - verstoßen. Sie ignorieren das in der EU-Gesetzgebung verankerte Vorsorgeprinzip, übernehmen kritiklos die Behauptungen der Hersteller bezüglich der Unbedenklichkeit ihrer Produkte und manipulieren Hinweise in Industrie-Studien hinsichtlich "signifikanter, dosisabhängiger Krebseffekte" zugunsten der Profite international operierender Großkonzerne. "Global 2000" schreibt dazu (Zitat):
Das BfR stellte fest, dass eine OECD-Leitlinien-konforme Auswertung in allen Industrie-Studien sifnifikante, dosisabhängige Krebseffekte zum Vorschein bringt, um dann unter grober Verletzung der einschlägigen OECD-Leitlinie und fundametaler wissenschaftlicher Prinzipien sämtliche dieser Krebsbefunde als irrelevant und zufallsbedingt zu verwerfen.
Es ist natürlich überhaupt nicht sicher, dass der vielfältige Protest der Bürger gegen die Absicht der EU-Kommission, sie der schleichenden Vergiftung durch ein "wahrscheinlich krebserregendes" Pflanzenvernichtungsmittel auszusetzen, Erfolg haben wird. Aber wenn wir Bürger das einfach so als gegeben hinnehmen, dann haben wir bereits verloren. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als uns immer wieder gegen die ständigen Angriffe der EU-Kommission zur Wehr zu setzen - und dabei kommt es auf jeden Einzelnen von uns an.