Sonntag, 14. Februar 2016

Und plötzlich König ...


Vor sieben Jahren hatte ich einmal über eine Tradition berichtet, der Jahr für Jahr tausende Anhänger entlang der deutschen Nordseeküste frönen: Die "Huldigung der norddeutsche Speisepalme". Die ganzen Jahre hindurch ist das so weit ja auch immer recht gut gegangen, so dass ich nur zwei Mal über gewisse Besonderheiten im Zusammenhang mit einer "Grünkohlwanderung" berichten konnte.

Gestern nun hat es mich eiskalt erwischt: Man hat mich zum König ernannt- genauer gesagt zum "Grünkohlkönig". Ausgerechnet mich, also denjenigen, der mit der Monarchie so absolut gar nichts an Hut hat. Und das nicht etwa, weil ich mich in Sachen Völlerei besonders hervorgetan habe, sondern weil ich - nach einem raffiniert eingefäldeten Ausschlussverfahren - zufällig im Haus mit der passenden Hausnummer wohne.

Aber der Reihe nach: Gestern, am 13. Tag des Monats Februar anno 2016, ging es - immer "entlang des Flusses" - zum historischen Ziel der mittlerweile 13. Leher Grünkohlwanderung, der "Villa Seebeck". Da wir uns vor dem Künstlerhaus "Goethe 45" getroffen hatten, dauerte es allerdings etwas, bis wir den Fluss, die Geeste, in Höhe der Reste der Helgenanlage der ehemaligen Rickmers-Werft erreicht hatten - zumal wir unterwegs überraschenderweise bereits nach einer kurzen Wegstrecke beim "Café Faust" den ersten Zwischenstop bei einer Runde - wahlweise - Kaffee oder Glühwein einlegten.

Auf dem weiteren Weg entlang der Geeste mussten wir uns dann aus den vom Organisator der Grünkohlwanderung mitgebrachten Vorräten selbst verpflegen. Ob es am darin enthaltenen Alkohol oder an der - nach Meinung vieler Zeitgenossen - unglückverheißenden "13" lag, sei dahingestellt: Am Tisch in der "Villa Seebeck" blieben zwei Stühle leer! Irgendwo unterwegs waren uns zwei unserer Weggefährten abhanden gekommen.

Wie sich später herausstellte waren sie kurz vor dem Ziel etwas hinter unserer Gruppe zurückgeblieben und dann aus Versehen einer anderen Grünkohlwandergruppe gefolgt, die ihren Weg gekreuzt hatte. Als ihnen auffiel, dass sie von lauter fremden Leuten umgeben waren, war es bereits zu spät: Sie waren schon ein ganzes Stück "über das Ziel hinausgeschossen".

Aber - Handy sei Dank - haben die verlorenen Schäfchen dann doch noch rechtzeitig zum Essen zu uns zurückgefunden. Den Grünkohl der "Villa Seebeck" kann ich übrigens uneingeschränkt weiter empfehlen. Wie den Kommentaren der anderen Teilnehmer zu entnehmen war, stehe ich diesbezüglich mit meinem Urteil bei weitem nicht alleine da. Auch in Sachen Pinkel hatte ich Glück: Als Beilage zum Kohl gab's die von mir bevorzugte Oldenburger Pinkel.

Nach dem Essen folgte dann die zuvor bereits erwähnte Neuwahl des Grünkohlkönigs und der Grünkohlkönigin. Die mir zugedachte Amtskollegin ist Mitglied in der Eigentümerstandortgemeinschaft "Klushof" (ESG Klushof e.V.). Der gleichnamige Ortsteil Lehes grenzt im Osten und Südosten an unseren Ortsteil Goethestraße.

Nun liegt ein ganzes Jahr "Regentschaft" vor uns, die 13. in der Chronologie der Leher Kohlmonarchie. Den Erfahrungen unserer Amtsvorgänger zufolge wird sich das Regieren allerdings im Wesentlichen auf vornehme Zurückhaltung beschränken. Damit es uns nicht zu langweilig wird, wurden wir zu unserem Amtsantritt jeweils mit einem Buch bedacht. Im nächsten Jahr, beim nächsten Kohl, dürfen wir die schweren Bürde unseres Amtes dann mitsamt unseren Kronen wieder ablegen und an unsere Nachfolger übergeben.

Samstag, 13. Februar 2016

Bürgerklage gegen CETA

Großdemonstration gegen TTIP und CETA am 10.10.2015 in Berlin
Über die von CETA ausgehenden Gefahren habe ich im Zusammenhang mit den Forderungen der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "STOP TTIP!", die von mehr als drei Millionen EU-Bürgern unterstützt wird, schon mehrfach geschrieben. Die Befürworter dieses sogenannten "Frei"-Handelsabkommens werden nicht müde, die angeblichen Vorteile und vermeintlichen Chancen infolge des geplanten Abbaus von Handelshemmnissen und der Förderung des Freihandels zwischen der EU und Kanada zu betonen.

Über die "Risiken und Nebenwirkungen" sprechen sie allerdings nicht so gerne. In Weltbild der CETA-Verfechter stehen nämlich insbesondere Gesetze zum für den Schutz sozialer, ökologischer oder kultureller Standards ganz oben auf der Liste der Handelshemmnisse. Diese sollen deshalb im Interesse des unbeschränkten Handels abgebaut werden. Im Klartext:
  • Demokratisch legitimierte Gesetze zum Schutz der Umwelt, des Klimas, der Gesundheit, der kulturellen Vielfalt, der öffentlichen Versorgung, der Arbeitnehmerrechte etc. sollen den ausschließlich profitorientierten Interessen multinationaler Konzerne zum Fraß vorgeworfen werden.
Die Voraussetzungen dafür soll CETA mit der Einrichtung von internationalen, geheim tagenden , privaten Schiedgerichten (Investor State Dispute Settlement, ISDS) schaffen, die von multinationalen Konzernen genutzt werden können, Staaten auf Entschädigung zu verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne beeinträchtigen könnten. Ebenso, wie bei TTIP ist auch bei CETA eine "Regulatorische Kooperation" (RCC) vorgesehen, mit der kanadischen Konzernen in Zukunft umfassende Möglichkeiten zur Einflussnahme auf europäische Gesetzesinitiativen eingeräumt werden würden - lange bevor die Parlamente sie überhaupt zu Gesicht bekämen. Sollte CETA ratifiziert werden, ist daher zu erwarten, dass die Demokratie zur reinen Fassade verkäme. CETA ist deshalb mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.


Petition und Bürgerklage

Frau Marianne Grimmenstein, eine Musiklehrerin aus Lüdenscheid, wendet sich deshalb erneut mit einer Petition und einer Bürgerklage an das Bundesverfassungsgericht, um CETA zu stoppen. Zuvor hatte sie bereits am 25. August 2014 eine eigene, selbstformulierte Verfassungsbeschwerde gegen das Handelsabkommen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Mit der Begründung, sie untermauere die mögliche Verletzung ihrer eigenen Grundrechte nicht genügend mit Tatsachen, wurde ihre Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen.

So schnell gibt Frau Grimmenstein allerdings nicht auf. Auf der Petitionsplattform "Change.org" schreibt sie (Zitat):
Da der CETA-Text am 26. September 2014 veröffentlicht wurde, habe ich mehrere Juristen zu Rate gezogen, um die weitere Vorgehensweise zu klären. Die einzige Möglichkeit CETA rechtsverbindlich zu kippen, ist eine neue, gut begründete Verfassungsbeschwerde, die von einem renommierten Rechtsprofessor ausgearbeitet wird. Prof. Dr. Andreas Fisahn von der Universität Bielefeld hat sich bereit erklärt, die neue Verfassungsbeschwerde gegen CETA zu verfassen und die Vertretung zu übernehmen. Lesen Sie dazu auch die Rechtseinschätzung von Prof. Dr. Andreas Fisahn.
Um ihre Klage zu untermauern, wendet sich Frau Grimmenstein mit der Bitte um Unterstützung ihrer Klage an die Öffentlichkeit. Dafür stellt sie auf Change.org eine Vollmachtserklärung zum Herunterladen zur Verfügung (Zitat):
Eine Teilnahme ist kostenlos. Darum bitte ich jeden möglichst die Vollmachterklärung herunterzuladen, gut leserlich auszufüllen, persönlich zu unterschreiben und mir per Post schnellstens, aber spätestens bis zum 12. März 2016 zuzusenden.

Link zu Vollmachterklärung:
Noch einmal zusammengefasst: Das können Sie jetzt tun!
  1. Unterschreiben Sie diese Petition
  2. Schließen Sie sich der Klage kostenlos an


15 Milliarden Dollar Klage

Wie wichtig es ist, dass CETA nicht ratifiziert wird, zeigt ein aktueller Fall einer ISDS-Klage. Herr Obama (USA, Präsident) hatte den Weiterbau der umstrittenen Ölpipeline "Keystone XL" im November 2015 gestoppt, durch die der kanadische Konzern "TransCanada" das aus kanadischen Ölsanden gepresste Erdöl durch die USA an die Südküste der USA pumpen wollte. In den USA stößt die Pipeline von Beginn an auf breiten Widerstand von Umweltschützern und großen Teilen der Bevölkerung.

Die Gewinnung von Rohöl aus Ölsanden erfordert einen hohen Energieaufwand und verursacht schwere Umweltschäden. Zusätzlich zu den später bei der Verbrennung entstehenden Emissionen klimarelevanter Gase fallen bereits bei der Gewinnung von Erdöl aus Teersanden pro Barrel mehr als 80 Kilogramm klimaschädigender Gase und ungefähr vier Barrel Abwasser an. Hinzu kommen drastische Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme (hoher Energiebedarf, hoher Wasserverbrauch mit großen Mengen anfallenden Abwassern, großräumige Zerstörung der Landschaft, ...):

Athabasca oil sand mining map 2011
Karte von Alberta mit Erstreckung der Ölsandvorkommen (links) und beschriftete Satellitenaufnahme (rechts) mit Tagebauen und In-Situ-Förderanlagen entlang des Athabasca Rivers nördlich von Fort McMurray (By Gretarsson [CC0], via Wikimedia Commons - Satellitenbild von 2011)
NASA EO Athabasca tar sands environmental impact 1984 vs 2011
Blick aus dem All: Satellitenaufnahmen des Athabasca-Terrsand-Abbaugebiets im Jahre 1984 (links) und 2011 (rechts) - (© NASA, edited by Gretarsson 31 May 2015, NASA Earth Observatory: Athabasca Oil Sands, [Public domain], via Wikimedia Commons)
Die im Tagebau ausgebeuteten Teersandvorkommen verwandeln ehemals wertvolle Boreale Wälder, Grünflächen und Moore in lebensfeindliches Ödland: Für die Gewinnung eines einzigen Barrels Öl werden im kanadischen Athabasca-Tagebau durchschnittlich zwei Tonnen Teersand "verarbeitet". Der ölige Abraum muss dauerhaft in "toten Seen" gelagert werden. Eine Besonderheit ist dabei das Absetzbecken der Ölsand-Aufbereitungsanlage "Mildred Lake", eigentlich ein "Stausee", der von einem Damm, welcher aus dem Abraum aus den angrenzenden Tagebauen oder den grobkörnigeren Rückständen aus der Bitumenaufbereitung besteht, aufgestaut wird.

Die Dimensionen dieser großflächigen, umfassenden und fortschreitenden Umweltzerstörung, die weite Teile der kanadischen Provinz "Alberta" umfassen, werden erst beim Blick aus dem All sichtbar. Sie erinnern an ein Krebsgeschwür, dessen CO2-Emissionen zu einen großen Teil zur globalen Erwärmung beitragen.
  • Weitere eindrucksvolle Bilder finden sich in einer Fotostrecke zum Artikel "Weggefrästes Kanada" auf einer Internetseite der "Zeit" vom 06.10.2014.

Syncrude mildred lake plant
Absetzbecken der Ölsand-Aufbereitungsanlage "Mildred Lake" (By TastyCakes is the photographer, Jamitzky subsequently equalized the colour. (Transferred from en.wikipedia to Commons.) [Public domain], via Wikimedia Commons)
Am Grund der Absetzbecken (englisch: Tailings) setzen sich die im Abwasser enthaltenen Mineralkörner und -partikel ab. Ähnlich wie bei der Sedimentation in natürlichen Stillgewässern werden die älteren Sedimentschichten durch die Last der darüberliegenden, jüngeren Sedimente verfestigt und entwässert. Solange die Aufbereitungsanlage in Betrieb ist, nimmt die Mächtigkeit der Sedimentschicht am Grund des Beckens ständig zu. Der Damm muss daher in regelmäßigen Abständen erhöht werden.

"TransCanada" reagiert auf das von Herrn Obama verkündete Verbot der Fortsetzung der Arbeiten an der Keystone-Pipeline mit einer ISDS-Klage gegen die USA. Grundlage dafür ist das Investitionsschutzkapitel im Freihandelsabkommen NAFTA: Der Konzern fordert von den USA 15 Milliarden Dollar Schadensersatz! Sollte CETA tatsächlich in Kraft treten, würden auf europäische Länder ähnliche Forderungen zukommen, sofern sie versuchen würden, den Import des aus kanadischen Teersänden gewonnenem Öls aus Klimaschutzgründen per Gesetz zu unterbinden.

Auch andere im Bereich der fossilen Industrie tätige Konzerne würden die ISDS-Vereinbarungen in CETA nutzen, um Gesetze zum Schutz des Klimas außer Kraft zu setzen. Auf internationaler Ebene eingegangene Verpflichtungen zum Abbau klimarelevanter Emissionen aus fossilen Energieträgern wären dann nicht mehr einzuhalten. Das Abkommen zur Stabilisierung der globalen Erwärmung (2-, bzw. 1,5 Grad Ziel) von Paris geriete damit zur Farce.

Frau Grimmenstein schreibt in einem Update zu ihrer Petition (Zitat):
Wenn wir das viel umfangreichere Handelsabkommen CETA nicht stoppen, dann könnten solche dreisten Klagen bald an der Tagesordnung sein. Hier können Sie sich über diese neue Klage näher informieren:
NAFTA ist das Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko. Dieses Abkommen besteht schon seit 20 Jahren und seine Folgen sind verheerend.
  1. Verlust von 700 000 Arbeitsplätzen allein in den USA.
  2. Existenzverlust von mehreren Millionen Bauern und Bäuerinnen in Mexiko.
  3. Die soziale Ungleichheit in allen drei Ländern ist gestiegen.
  4. Der Investitionsschutz wird von den Konzernen ausgenutzt, um Entscheidungen für den Umweltschutz u. . a. vor Schiedsgerichten anzugreifen.
  5. Der Staat hat deutlich an Macht verloren.
  6. Großkonzerne haben den Löwenanteil der Gewinne aus dem Abkommen, während die negativen Effekte auf die ganze Mittelschicht und die Arbeiterklasse in den drei Ländern verteilt sind.
Es ist schwierig, die Richtung der globalen Wirtschaft ganz zu verändern. Celeste Drake, Handelsexpertin im amerikanischen Gewerkschaftsbund AFL-CIO, fordert deshalb als ersten Schritt, um die jetzige Lage zu verbessern, neue, neoliberale Handelsabkommen unbedingt zu stoppen. Hier weiterlesen über NAFTA:
Auch Maude Barlow, Trägerin des Alternativen Nobelpreises aus Kanada, bittet Europa tief besorgt, die Abkommen CETA und TTIP abzulehnen. Sie warnt wörtlich: "TTIP und CETA beseitigen, was an demokratischer Regierungsführung noch übrig ist." Hier ist der Appell "Der Kampf gegen TTIP, CETA und ISDS: Erfahrungen aus Kanada" an die Europäer von Maude Barlow:

CETA müssen wir unbedingt verhindern! Bitte treten Sie der CETA-Klage bis zum 12.März 2016 wirklich kostenlos und ohne weitere Verpflichtungen mit einer ausgefüllten Vollmachterklärung unbedingt bei. Bitte helfen Sie mit! Verbreiten Sie den Link zum Formular. Das Formular können Sie mit PC ausfüllen, dann ausdrucken, unterschreiben und per Post mir zusenden.
Link zu Vollmachterklärung:

Appell an Frau Merkel und Herrn Gabriel

Auch das demokratische Netzwerk "Campact" wendet sich mit einer Online-Aktion gegen CETA. Der Appell an  Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) und Herrn Gabriel (SPD, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler) hat folgenden Wortlaut:
Wenn die EU und Kanada das CETA-Abkommen abschließen, droht unsere Gesetzgebung zum Spielball internationaler Konzerne zu werden. Die Konzerne könnten dann über ihre kanadischen Tochterfirmen klagen, wenn Regeln zum Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherschutz ihre Gewinne schmälern. Geheim tagende, private Schiedsgerichte dürften Milliardenstrafen verhängen, die wir aus Steuergeld begleichen müssen. Konzernnahe Anwaltsfirmen stellen zugleich Richter, Kläger und Verteidiger in diesen Verfahren.
Damit käme das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA durch die Hintertür. So geraten bei uns Gesetze in Gefahr, die Gentechnik auf unseren Feldern verbieten und die Verschmutzung unseres Trinkwassers durch Fracking verhindern. Auch die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Wir fordern Sie auf: Lehnen Sie das CETA-Abkommen ab!


MfG ...
Dieser Appell kann auf der Internetseite von Campact online unterzeichnet werden ...


In vorauseilendem Gehorsam

Aus Gründen des Klimaschutzes sollte die im Jahre 2009 beschlossene EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie einmal Importe von aus Teersanden gewonnenem Öl in die Länder der Europäischen Union unterbinden. Auf diese Weise sollten die verkehrsbedingten CO2-Emissionen in den EU-Staaten reduziert werden. Seit zwei Jahren ist es damit allerdings wieder vorbei. Mit Blick auf die CETA-Verhandlungen und auf Druck der Regierung Kanadas setzte das EU-Parlament am 17.12.2014 die Hürden für den Import und die Nutzung von Öl aus Teersanden herab. Seitdem ist das aus Teersanden gewonnene Öl dem konventionell geförderten Erdöl im Wesentlichen gleichgesetzt.

Aufgrund seiner großen Teersandvorkommen - dem drittgrößten Rohöl-Vorkommen der Welt! - profitiert insbesondere Kanada von der faktischen Außerkraftsetzung der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie: CETA lässt grüßen! Die Auswirkungen auf die europäische Umweltpolitik sind bereits heute - lange bevor das Handelsabkommen überhaupt in Kraft getreten ist - deutlich spürbar. Hätte es im Jahre 2009 bereits ein Handelsabkommen à la CETA gegeben, wäre die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie schon im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens abgeschmettert worden.

Die Änderung der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie und der Fall "TransCanada" gegen die USA machen eines deutlich: Sollte CETA seitens der EU und der EU-Staaten ratifiziert werden, ist es bereits vorprogrammiert, dass kanadische Konzerne die geplante Investorenschutzregelung für milliardenschwere Klagen gegen die EU beziehungsweise einzelne EU-Mitgliedsstaaten nutzen werden, um bestehendes europäisches Recht und die demokratisch legitimierte Gesetzgebung in der EU und ihren Mitgliedsländern von Fall zu Fall faktisch außer Kraft zu setzen.


Deshalb ...

Da die derzeitige Bundesregierung offenbar trotz alledem bereit ist, der Inkraftsetzung von CETA zuzustimmen, unterstütze ich die Klage von Frau Grimmenstein.

Es sind darüberhinaus nicht nur meine eigenen demokratischen Rechte, die durch CETA verletzt werden würden. Insbesondere mit Blick auf den Klimawandel und die damit einhergehende globale Erwärmung geht es um nichts weniger, als um den Schutz der Lebensgrundlage der gesamten Menschheit:
  • Nur auf ihren eigenen Profit fixierte multinationale Konzerne dürfen auf keinen Fall in die Lage versetzt werden, Gesetze, die dem Schutz des Klimas dienen, außer Kraft zu setzen - oder bereits im Vorfeld zu blockieren!


Zum Weiterlesen
  • NAFTA:
    Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren Freihandel

    Die "Nordamerikanische Freihandelszone" NAFTA ist seit 1994 in Kraft. Vertragspartner sind die USA, Kanada und Mexiko. Das Umweltinstitut München hat die amerikanische Gewerkschafterin Celeste Drake (USA, Gewerkschaftsbund AFL-CIO, Handelsexpertin) gefragt, welche der Befürchtungen aus der Zeit, während der über NAFTA verhandelt wurde, sich rückblickend als gerechtfertigt erwiesen haben. Ihre Anworten sind - insbesondere mit Blick auf CETA und TTIP - ernüchternd.


(Quellen: Klimaretter.Info vom 19.12.2014, Umweltinstitut München vom 19.12.2014, Die Zeit vom 06.10.2014, Lobby Control vom 29.09.2014, Die Zeit vom 05.06.2014, Attac über RCC, Change.org - Petition und Update zur Petition vom 17.01.2016, Campact, Wikipedia )

Freitag, 5. Februar 2016

Atomare Bedrohung aus Belgien

Heute so aktuell wie damals (Anti-Atom-Demo in Berlin am 18.09.2010)
Der Electrabel-Konzern betreibt in Belgien an den Standorten Doel und Tihange insgesamt sieben Atomreaktoren. Die Atomkraftanlage "Tihange" liegt mit ihren drei Druckwasserreaktoren etwa 25 Kilometer südwestlich von Lüttich in der Region Huy an der Maas. Bis Aachen sind es 70 Kilometer. Die in der gleichnamigen Region an der Schelde gelegene Atomkraftanlage "Doel" umfasst vier Druckwasserreaktoren. Bis zu den südwestlich beziehungsweise südlich davon gelegenen Großstadt-Regionen Antwerpen und Brüssel sind es nur 15 beziehungsweise 42 km Kilometer.

Trotz massiver Proteste der Bürger in Belgien und aus den umliegenden EU-Staaten hat das belgische Parlament kürzlich grünes Licht für Wiederanfahren zweier uralter Atommeiler gegeben, die immer wieder durch Pannen und Unfälle auffallen. Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang, dass bei Untersuchungen in den Reaktoren beider Atomanlagen mehr als 16000 Risse festgestellt wurden.

Während der Reparatur einer defekten Schweißnaht im dritten Reaktorblock der Atomkraftanlage "Doel", durch die während der Weihnachtsfeiertage Wasser ausgelaufen war, entdeckten die Techniker am Morgen des 28.12.2015 an einer anderen Stelle einen Defekt an einem Schalter, der für die Stromversorgung der Anlage wichtig ist. Die Folge: Der Reaktor musste heruntergefahren werden und lieferte über einen Zeitraum von mehreren Tagen keinen Strom. Nachdem der Reaktorblock aufgrund von Sicherheitsbedenken infolge der festgestellten Haarrisse im Reaktorbehälter seit März 2014 außer Betrieb gewesen war, hatte Electrabel ihn erst sieben Tage zuvor wieder ans Netz genommen.

In der Atomkraftanlage "Tihange" bei Lüttich hatte vor Weihnachten eine Schalttafel gebrannt. In den vorangegangenen Monaten wurden Störfälle infolge von Sabotage, unaufmerksamer Mitarbeiter und der Entdeckung tausender Haarrisse in den Druckbehältern einzelner Blöcke gemeldet. Nach Informationen des internationalen demokratischen Netzwerks AVAAZ sollen sich einige der Risse "an einer der empfindlichsten Stellen" des Reaktors befinden. Ebenso wie "Doel 3" war auch "Tihange 2" seit der Entdeckung der Risse im Reaktor lange Zeit außer Betrieb gewesen. In einer aktuellen E-Mail an den Verteiler des Netzwerks heißt es, im Falle eines Druckverlustes im Reaktor könne es zu einen Unfall kommen, der ähnliche Ausmaße erreichen könne, wie die diejenigen in "Tschernobyl" (Ukraine, April 1986) oder "Fukushima" (Japan, März 2011).


Damit die Lichter nicht ausgehen

Die politisch Verantwortlichen in Belgien begründen ihre Entscheidung für die Erteilung der Betriebsgenehmigung über einen Zeitraum von weiteren 10 Jahren von Anfang Dezember 2015 damit, dass das Land für die Stromversorgung aus der Atomkraftanlage "Tihange" angewiesen ist. Dass diese Behauptung falsch ist, zeigt die Tatsache, dass die beiden beiden Blöcke des Atomkraftwerks "Tihange" während der letzten beiden Jahre in der Hälfte der Zeit aufgrund von Störungen nicht am Netz waren. Und die Lichter in Belgien sind trotzdem nicht ausgegangen.

Wir kennen diese Spielchen mit dem atomaren Feuer auch hierzulande zur Genüge:
  • "Laufzeitverlängerung" - damit die Lichter nicht ausgehen
  • "Atomausstieg" und Stillegung der Hälfte der damals in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke als Reaktion auf den Super-GAU in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" (Dai-ichi)

und die Lichter leuchten auch heute noch - mehr und mehr allerdings mit Strom aus regenerativen Energiequellen. Und: Würde die Bundesregierung nach dem Willen der Mehrheit ihrer Wähler regieren und den Umbau der Energieversorgung konsequent vorantreiben, anstatt die Interessen der Atom-Konzerne und der fossilen Industrie durchzusetzen, dann könnten wir heute bereits auch auf den Rest der deutschen Atomkraftwerke verzichten.


Mit dem Alter wächst das Risiko

Die 25 ältesten Atommeiler in Europa sind seit rund vierzig Jahren in Betrieb. In 10 Jahren werden einige der belgischen Reaktoren 50 Jahre alt sein. Die Dokumentation der Störfälle in den Atomkraftwerken belegt eine Zunahme der Häufigkeit analog zum Alter der Atomanlagen. Mit dem Alter der Meiler wächst somit die Gefahr, dass es irgendwann zu einem schwerwiegenderen Störfall kommen könnte, der sich nicht mehr mit technischen Mitteln beherrschen ließe. Dann wären wir mit einem Super-GAU in unserer direkten Nachbarschaft konfrontiert - im Falle von "Tihange" oder "Doel" träfe es ein dichtbevölkertes Gebiet im Herzen Europas: Nicht nur in Belgien - auch in Deutschland und weiteren EU-Staaten wären davon viele Millionen Menschen betroffen.

Wie die Tagesschau der ARD am 28.12.2015 berichtete, erklärte der Electrabel-Konzern nach jedem der in der Öffentlichkeit bekannt geworden Störfälle, dass diese sich im nicht-nuklearen Teil der Anlagen ereignet hätten. Was Electrabel nicht erklärte: Störfälle in nicht-nuklearen Anlagenteilen können sich durchaus auch auf den Betrieb des nuklearen Teils einer Atomanlage auswirken. Welche Folgen das haben kann, ist spätestens seit dem Super-GAU in der japanischen Atomanlage "Fukushima-I" wohl allgemein hinlänglich bekannt.

Das "Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie" schreibt in einer E-Mail an seinen Verteiler, der Atomkonzern "Electrabel" sorge mit ständigen Pannen und Notabschaltungen selbst dafür, dass der Katastrophenschutz im Westen Deutschlands und in den südlichen Niederlanden zum Topthema geworden ist. Auch deutsche Politiker haben die Entscheidung der belgischen Atompolitik inzwischen kritisiert.


Brennstäbe aus Deutschland

In einem Artikel vom 28.12.2015 zitiert die Tagesschau der ARD auf ihrer Internetseite Herrn Calvo (Grüne, Fraktionschef) mit den Worten (Zitat): "Jede Woche, jeden Monat wieder ein neuer Zwischenfall. Die Anlagen sind einfach zu alt. Es wird Zeit in erneuerbare Energien zu investieren." In Anbetracht der Nähe der belgischen Atomstandorte zu Deutschland spreche seine Parteikollegin Frau Höhn (Grüne, Vorsitzende des Bundestagsumweltausschusses) von einer "Gefahr für die Menschen auch in Deutschland". Offensichtlich sei den politisch Verantwortlichen in Belgien die Versorgungssicherheit wichtiger als die Sicherheit der Menschen. Frau Hendricks (SPD, Bundesumweltministerin) müsse persönlich mit ihrer Amtskollegin in Brüssel reden - nur so könne man genug Druck ausüben. Frau Hendricks selbst habe zuletzt von "Flickschusterei" in Belgien gesprochen.

In der E-Mail des "Aachener Aktionsbündnisses gegen Atomenergie" heißt es, über die kritischen Äußerungen hinaus sei von deutschen Politikern aber im allgemeinen nicht viel zu erwarten: Der Umgang mit den Atomkraftanlagen "Doel" und "Tihange" sei eine innerstaaliche Angelegenheiten Belgiens. Da könne man sich nicht einmischen.

Das Aachener Aktionsbündnis kommentiert derartige Ausflüchte mit dem Worten (Zitat): "Da können wir nachhelfen: Die Brennelemente für die alten belgischen Schrottreaktoren werden in der deutschen Brennelementefabrik in Lingen (Emsland) produziert. Lokale Initiativen fordern den Rückzug der Ausfuhrgenehmigungen." Ende Januar/Anfang Februar 2016 demonstrierten Atomkraftgegener in Lingen und Aktivisten blockierten die Zufahrt zur Atomfabrik. Mit einer Mahnwache am Aachener Elisenbrunnen demonstrierte das "Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie" seine Solidarität mit den Aktionen im Emsland.

Betreiber der Brennelementefabrik in Lingen ist die "Advanced Nuclear Fuels GmbH", eine Tochter des französiches AREVA-Konzerns, der sich anderenorts mit der Produktion von Windkraftanlagen grünzuwaschen versucht. Nach dem Willen der Bundesregierung werden in Lingen auch dann noch Brennelemente für den Betrieb von Atomkraftwerken in aller Welt prodiziert werden, nachdem hierzulande das letzte Atomkraftwerk stillgelegt worden ist.
  • Solange sich daran nichts ändert, bleibt der sogenannte "Atomausstieg" Deutschlands eine Farce!


Klagen von Regionen in Nachbarländern

Deutlicher ist der Widerstand in den von einem möglichen Super-GAU in Belgien betroffenen Regionen im Westen Deutschlands. In einer Pressemitteilung der Stadt Köln vom 03.02.2016 heißt es, der Rat der Stadt Köln fordere die sofortige und endgültige Stilllegung der belgischen Atomkraftwerke "Tihange" und "Doel" (Zitat):
"Beide Anlagen waren wegen Rissen in den Reaktorbehältern im Frühjahr 2014 abgeschaltet worden und sollten eigentlich nach 40 Jahren Laufzeit bereits 2015 vom Netz gehen. Zwischenzeitlich wurde die Laufzeit der Anlagen, wegen einer angeblich fehlenden Versorgungssicherheit, um zehn Jahre bis 2025 verlängert. Nunmehr vertritt die AFCN die Auffassung, die Risse seien keine Gefahr für die Sicherheit der Reaktoren und hat das Wiederanfahren genehmigt. Selbst Atomkraftbefürworter halten dies für unverantwortlich."

Darüberhinausgehend hat die Städteregion Aachen beschlossen, mit einer Klage vor dem höchsten belgischen Verwaltungsgericht gegen die Wiederaufnahme des Betriebs des Reaktorblocks "Tihange 2" vorzugehen. Wie das Magazin "Heise Online" in einem Artikel vom 03.02.2016 schreibt, will sich die Städteregion außerdem an einer Klage der belgischen Sektion der internationalen Umweltschutzorganisation "Greenpeace" gegen die Laufzeitverlängerung von "Tihange 1" beteiligen.

Inzwischen unterstützten fünf Kreise in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, sowie fünf niederländische Kommunen die geplanten Klagen. Die Stadt Köln bekräftigt in ihrer Pressemitteilung ausdrücklich ihre Unterstützung für die juristischen Bemühungen der Städteregion Aachen zur Erwirkung einer besonderen Informations- und Auskunftspflicht gegenüber dem Betreiber der Anlagen und dem belgischen Staat.


Online Aktionen

Gegen die Betriebsverlängerung für die belgischen Atomanlagen und das Wiederanfahren der Schrottreaktoren mit den Haarrissen wenden sich Online-Aktionen des "Aachener Aktionsbündnisses gegen Atomenergie" auf der Petitionsplattform "Change.org" und des internationalen demokratischen Netzwerks AVAAZ.

AVAAZ:
An die belgische Regierung, sowie die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks und alle betroffenen Regierungen in der Europäischen Union:

Als besorgte europäische Bürger, fordern wir Sie auf, umgehend alle notwendigen Schritte einzuleiten, um eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung der Reaktoren in Doel und Tihange unter der europäischen UVP-Richtlinie und der Espoo-Konvention der Vereinten Nationen durchzuführen. Dies ist ausschlaggebend, um die gefährlichen Reaktoren aufgrund der Sicherheitsbedenken abzuschalten, die durch zahlreiche Lecks, Risse und sogar Sabotageversuche entstanden sind. Die öffentliche Sicherheit hat erste Priorität.


Aachener Aktionsbündnisses gegen Atomenergie:
Bei einer Revision im August 2012 wurden in zwei Reaktordruckbehältern (RDB) der belgischen AKW Doel und Tihange tausende Risse entdeckt. Noch bevor alle erforderlichen Prüfungen durchgeführt waren, wurden im Juni 2013 die über 30 Jahre alten Reaktoren wieder angefahren!

Als die fehlenden Prüfergebnisse vorlagen, waren diese dermaßen schlecht, dass die Reaktoren im März 2014 außerplanmäßig herunter gefahren wurden. Nun will der Betreiber (Electrabel) die beiden Blöcke wieder anschalten, obwohl alle bisher bekannt gewordenen Untersuchungsergebnisse höchst beunruhigend sind:

Die neuesten Ultraschalluntersuchungen zeigen 60% mehr Defekte. Die Risslängen sind mittlerweile von 2,5 cm auf unglaubliche 18 cm gestiegen.
Versuche im Kernforschungszentrum Mol führten zu einem „unerwarteten Resultat“ (O-Ton Electrabel): Ein mit Rissen vorbelasteter Stahl versprödet bei radioaktiver Bestrahlung um ein Vielfaches schneller als ein Material ohne Defekte. Es wurden bei den Versuchen die vom Betreiber einkalkulierten Sicherheitsmargen gravierend überschritten.

Weitere Informationen: www.stop-tihange.org

Wir appellieren an Sie in der FANC sich FÜR die Sicherheit von Millionen Menschen zu entscheiden.

Denn: Für uns als betroffene Bürger und Bürgerinnen im Umkreis dieser Reaktoren gilt: Solange ...
  • die Ursache der Risse in den beiden RDB nicht zweifelsfrei geklärt ist und eine Veränderung der Rissgrößen im laufenden Betrieb nicht definitiv ausgeschlossen werden kann, 
  • die Bestrahlungsversuche befürchten lassen, dass die Versprödung des rissigen Stahls der RDB nach über 30 Betriebsjahren die zulässigen Grenzwerte bereits überschritten hat, 
  • kein Nachweis existiert, dass „Reaktoren mit Rissen“ ein gleiches Sicherheitsniveau wie „Reaktoren ohne Risse“ besitzen,

dürfen TIHANGE 2 und DOEL 3 – NICHT WIEDER ans Netz.

Wir wissen, dass die Folgen eines Super-GAU bei den beschädigten Reaktoren nicht an der belgischen Landesgrenze halt machen werden, sondern auch die BürgerInnen im benachbarten Ausland treffen werden.


(Quellen: Heise Online vom 03.02.1016, Stadt Köln - Pressemitteilung vom 03.02.2016, .ausgestrahlt vom 01.02.2016, Neue Osnabrücker Zeitung vom 31.01.2016, Stadt Aachen - Pressemitteilung vom 21.01.2016, ARD-Tagesschau vom 28.12.2015, Die Zeit vom 27.12.2015, Die Welt vom 25.12.2015, AVAAZ, Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie, Wikipedia )