Montag, 30. November 2015

COP21: Der Tag der Regierungschefs

Der erste Tag der internationalen Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2015 (COP21) war, anders als sonst, der Tag der politischen Vertreter und Führer der 195 Staaten, die in Paris zusammengekommen sind, um sich bis zum 11. Dezember - hoffentlich - auf ein faires, ambitioniertes und verbindliches internationales Abkommen zu einigen.

Dass die Delegierten für die Verhandlungen dieses Mal den Regrierungsvertretern den Vortritt lassen mussten, unterstreicht wohl auch die Dringlichkeit eines Erfolgs für den Klimagipfels 2015. Die neuen Vereinbarungen sollen 2020 das Kyoto-Protokoll ablösen, das bislang nur den Industriestaaten eine Minderung ihrer Treibhausgase vorschreibt. Die beiden Emitenten klimarelevanter Gase, China und die USA, haben es jedoch nie unterzeichnet.

Herr Obama (USA, Präsident) hat die Dringlichkeit eines konkreten Vertragsabschlusses angemahnt. Es sei schon fast zu spät zum Handeln. Die heute auf der Erde lebenden Generationen seien die ersten Generationen, welche die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen, und die letzten, die etwas dagegen unternehmen können. Die 14 wärmsten Jahre seien alle in diesem Jahrtausend verzeichnet worden. 2015 sei das wärmste Jahr gewesen, das es je gegeben habe. Das berichtet der Deutschlandfunk in einen Artikel auf seiner Internetseite vom 30.11.2015.

Gut, dass wenigstens Herr Obama begriffen hat, um was es - nicht nur für die Zukunft seines Landes - geht. Aber wirkliche Fortschritte hat er aufgrund der Mehrheit der Klimawandel-Ignoranten im Lager der Republikaner nicht durchsetzen können. Und wenn sich die politischen Verhältnisse nach dem Ende seiner Amtszeit wieder nach rechts verschieben sollten, dann sähe ich schwarz für messbare Fortschitte in der Klimapolitik der USA.

Über die Rede Herrn Xi Jinpings (China, Staatspräsident) heißt es im Artikel des Deutschlandfunks, er habe gesagt, extreme Ereignisse würde extreme Antworten brauchen. Schön das Chinas Machthaber sich - fast schon zu spät, aber immerhin - jetzt offiziell vor der gesamten Weoltgemeinschaft zu dieser Einsicht bekennen. Die Staatengemeinschaft müsse zu einer Einigung kommen. Herr Xi habe angekündigt, dass China seine CO2-Emissionen bis zum Jahre 2030 um 60 bis 65 Prozent im Vergleich zu 2005 reduzieren will.

Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) halte ein faires, umfassendes, ambitioniertes und verbindliches Abkommen für notwendig. Diese Notwendigkeit kann ich nur unterstützen - allein, es fehlt der Glaube, dass ihren Worten auch die entsprechenden Taten folgen werden. Leider lehrt uns die Vergangenheit, bis hin in die Gegenwart, dass die verbalen Einsichten der ehemaligen "Kimakanzlerin" und die Handlungen der von ihr geführten schwarz-roten Bundesregierung in den kimarelevanten Politikfeldern weit auseinanderklaffen - und Papier ist bekanntlich geduldig. Bisher wurde der Umwelt- und Klimaschutz zugunsten der Forderungen der fossilen- und der Autoindustrie zurechtgestutzt. Derzeit kann ich nicht erkennen, dass sich daran etwas ändert.

Herr Hollande (Frankreich, Präsident), dessen Land sich seinen eigenen Worten zufolge seit den Mordanschlägen des IS von Paris im Krieg befindet, sagte gerade, der Klimawandel führe zu Kriegen (Zitat): "Mit dieser Klimakonferenz geht es um den Frieden. Nie zuvor stand bei einem internationalen Treffen so viel auf dem Spiel, denn es geht um die Zukunft des Planeten, die Zukunft des Lebens." Bloße Absichtserklärungen würden nicht ausreichen um die Klimakrise zu lösen.

Auch dem habe ich nichts hinzuzufügen - eigentlich: Denn wenn die "Grande Nation Nucleaire" den CO2-Emissionen - wie zu befürchten ist - mit ihren Atommeilern zu Leibe rücken will, dann versucht sie den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Die Menschen in den vom Uranabbau oder von den Folgen jederzeit möglicher radioaktiver Super-GAUs betroffenen Regionen haben und hätten nämlich ebenfalls mit dem Verlust ihrer Heimat, ihrer Gesundheit und ihres Lebens für Frankreichs "Klimaschutz" zu bezahlen.

Herrn Ban Ki Moon (Vereinte Nationen, Generalsekretär) glaube ich hingegen, dass er ohne Hintergedanken meint, was er sagt, wenn er mahnt (Zitat): "Es gibt keine Zeit mehr, zu warten. Ein politischer Moment wie dieser kommt vielleicht nicht wieder."


Folgen der drohenden Klimakatastrophe

Und was zu erwarten wäre, wenn die Menschheit auch diese vielleicht letzte Chance ungenutzt verspielen sollte, schilderte Herr Schellnhuber (Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung - PIK) am 29.11.2015 in einem Interwiew in der ZDF-Nachrichtensendung "Heute" mit eindringlichen Worten (Zitat):
"Wenn wir weiter so massiv Treibhausgase ausstoßen, dann könnte es im Jahr 2100 – in nur ein, zwei Generationen – im weltweiten Mittel vier Grad wärmer sein. Das wäre eine andere Welt, als wir sie heute kennen. Eine Welt voller Risiken: mit mehr Wetterextremen, mehr Meeresspiegelanstieg, mehr Missernten in Afrika. 2300 könnte es dann im Schnitt zehn bis zwölf Grad wärmer sein auf dem Planeten – weite Teile wären wohl unbewohnbar. Und: Viele Treibhausgase, vor allem das CO2, werden im Kohlenstoffkreislauf der Erde noch in Jahrtausenden spürbar sein. Wenn wir weiter wie bisher fossile Brennstoffe verfeuern, können wir das nicht mehr reparieren."

... in nur ein, zwei Generationen - das wären die Generationen meiner Kinder, Enkel und Urenkel. Vorher würden die Klimaflüchtlinge aus den unbewohnbar gewordenen Regionen in die noch Bewohnbaren drängen. Wenn die Länder in den bewohnbaren Regionen der Erde daraufhin ihre Grenzen dicht machen würden, dann wären die von Herrn Hollande angesprochenen Kriege die Folge: Die verzweifelten Menschen, die nichts mehr zu verlieren hätten, würden sich mit Gewalt das holen, was die anderen, denen es noch nicht ganz so schlecht ginge, ihnen vorenthielten. Das, was viele unserer Mitmenschen in Europa gerade als Flüchtlings-"Krise" empfinden, wäre nichts gegen das, mit dem die uns nachfolgenden Generationen dann konfrontiert wären.


(Quelle: Deutschlandfunk vom 30.11.2015, ZDF-Heute vom 29.11.2015 )

Sonntag, 29. November 2015

Bomben >auch< gegen den Klimaschutz

Graz, Austria
Global Climate March in Graz, Österreich, am 28.11.2015
(Foto: © Michel Normand, CC: BY-NC-SA)

Über die Mordanschläge der Islamisten in Paris, ihre weit über einhundert Todesopfer und die vielen Hundert Verletzten ist an den vergangenen Tagen viel berichtet und diskutiert worden. Darüberhinaus hat der Terror aber auch Auswirkungen auf den am Montag kommender Woche beginnenden Weltklimagipfel der Vereinten Nationen (COP21), der in diesem Jahr in Paris stattfinden wird.

Darüber, dass in der nächsten Woche die wohl letzte Gelegenheit besteht, die Grundlagen dafür zu legen, dass das Ruder doch noch in Richtung eines ambitionierten und nachhaltigen Abkommens für den internationalen Kampf gegen den die gesammte Menschheit bedrohenden Klimawandel herumgerissen werden könnte, besteht inzwischen offenbar allgemeiner Konsens. Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hatte sich jedoch schon wieder angedeutet, dass auch in diesem Jahr erst einmal das große Schachern im Vordergrund stehen wird.

Deshalb hatte ein breites Bündnis von Nichtregierungsorganisationen (Non Government Organisations, NGOs) für den 12.12.2015 eine internationale Großdemonstration in Paris vorbereitet. Diese Demonstration, ebenso wie alle weiteren von Klimaschützern in Paris geplanten Aktionen sind infolge der Terroranschläge verboten worden. Eigentlich hatte die Pariser Stadtverwaltung bereits vor den Anschlägen versucht, die Aktionen der Klimaschützer in Paris weitgehend zu unterbinden oder zumindest einzudämmen.

Der Druck auf die verantwortlichen Politiker in Paris, der von den großen, weltumspannenden Netzwerken wie "AVAAZ" oder "350.org" mithilfe internationaler Petitionen aufgebaut worden war, hatte jedoch schon Wirkung gezeigt, so dass mit Genehmigungen für Demonstrationen zu rechnen gewesen war ... - Angesichts der vielen Todesopfer und des unermesslichen Leids, das die Mörder den Freunden und Familien der Opfer zugefügt haben, mag es vielleicht zynisch klingen,
aber denjenigen, denen daran gelegen ist, dass die Stimmen der Menschen, die unseren Nachkommen einen bewohnbaren Planeten hinterlassen wollen, nicht zu hören sind, haben die Terroristen damit ein kaum zu widerlegendes Argument für das nun verhängte Demonstrations- und Versammlungsverbot verschafft. Damit ist es ihnen gelungen, die Klimaschützer aus der Stadt herauszubomben - im Namen Gottes?


Global Climate March

Mundtot hat sich die weltweite Klimaschutzbewegung daduch aber nicht machen lassen. Heute werden viele tausend Menschen in vielen großen Städten in allen Teilen der Welt zum "Global Climate March" - zum Globalen Klima-Marsch - aufbrechen. Trotzdem werden all diese Demonstrationen so weit entfernt von Paris stattfinden, dass die Politiker und ihre Delegierten davon wohl kaum so beeindruckt sein werden, wie wenn sie während des Klimagipfels in Paris direkt mit den Forderungen der Menschen konfrontiert worden wären.

Der eine Gott, welcher dem Glauben der Juden, Christen und Muslime zufolge die Erde geschaffen hat, kann wohl kaum damit einverstanden sein, dass seine Welt von einigen raffgierigen und ignoranten multinationalen Konzernen auf direktem Weg in die Klimakatastrophe gesteuert wird. Wenn die Menschen, die sich für die Bewahrung der Schöpfung Gottes einsetzen, in Paris aber nicht das notwendige Gehör finden, dann könnte genau das am Ende des Klimagipfels herauskommen.
Der Klimawandel und die damit einhergehende globale Erwärmung der Erde sind der größte Feind, dem die Menschheit jemals gegenüberstand! Uns allen, die wir auf diesem Planeten leben, müsste eigentlich daran gelegen sein, den Anstieg der mittleren globalen Temperatur mit einer international koordinierten Kraftanstrengung unterhalb der "maximal Plus 2 Grad"-Marke zu stabilisieren. 
  • Gemeint ist "weit unterhalb", denn den neuesten Erkenntnissen der Klimaforscher zufolge wird die globale Katastrophe aufgrund der bislang weiterhin ansteigenden CO2-Emissionen sonst nicht mehr zu verhindern sein.

Stattdessen gibt es aber immer wieder einige machtbesessene Fanatiker, deren Priorität es ist, ihre Mitmenschen zu terrorisieren, zu unterwerfen und umzubringen. Wenn aber der Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe auch nur die geringste Ausicht auf Erfolg haben soll, dann kann sich die Menschheit all diese kriegerischen Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss schlicht und einfach nicht mehr leisten.

In Deutschland findet der "Global Climate March" heute in Berlin statt. Da in der Mitfahrbörse dieses Mal kein Bus aus unserer Gegend zu finden war, werde ich aber leider nicht daran teilnehmen können - alternative Reisemöglichkeiten sprengen entweder mein Budget oder sind in meinem Fall zeitlich nicht realisierbar.

  • Für alle, die ebenso wie ich, heute keine Gelegenheit haben, ihre Forderungen für einen wirksamen Klimaschutz auf die Straße zu tragen: Auf der Internetseite von 350.org, sowie in den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook sind bereits jetzt aktuelle Meldungen, Meinungen, Kommentare und Bilder zum Global Climate March und COP21 zu finden.


(Quellen: Global Climate March, Die Klima Allianz, AVAAZ,

Sonntag, 15. November 2015

Massenmord im Namen Gottes?


"Die Zeit" schreibt am 14.11.2015 auf ihrer Internetseite über die Terror-Anschläge in Paris, die Mörder seien mit Autos vor mehreren Restaurants in der Nähe des "Place de la République" vorgefahren und hätten wahllos mit Kalaschnikows auf Gäste von Bars und Restaurants geschossen. Dann sei ein Selbstmordattentäter in ein Café eingedrungen, wo er sich in die Luft gesprengt habe.

Zeitgleich hätten andere auf Besucher eines Konzerts der amerikanischen Indie-Band Eagles of Death Metal im "Bataclan" geschossen. Dabei sollen sie den Aussagen von Augenzeugen zufolge "Allahu Akbar", Allah ist groß, gerufen haben.

Währenddessen hätten sich in der Nahe des "Stade de France", wo gerade ein Freundschaftsspiel zwischen der deutschen und der französischen Nationalmannschaft stattfand, drei weitere Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt.

Mindestens 129 Menschen seien ermordet, 352 Menschen verletzt worden - darunter 99, die sich in kritischem Zustand befinden ...


Einige Worte sind mir dann doch noch eingefallen - an die Adresse derjenigen, die jetzt sofort wieder nach mehr Überwachung und Einschränkung weiterer Freiheiten rufen:

Die Wahrheit ist, es gibt keinen Schutz gegen Massenmörder, deren Strategie es ist, jederzeit und überall ohne Vorwarnung aus dem Hinterhalt zuzuschlagen.

Wenn wir solchen spontanen Impulsen unüberlegt nachgeben, dann haben die Mörder schon gewonnen. Dem können wir nur begegnen, indem wir unser Leben in Freiheit weiter leben. Diese - für die meisten unter uns selbstverständliche - Freiheit haben unsere Vorfahren - oftmals unter Lebensgefahr - hart erkämpft.


Massenmord im Namen Gottes?

Gott ist groß: Das sehen die Christen ebenso. Aber in ihrer Bibel gebietet Gott den Menschen:
"Du sollst nicht töten."
(2. Mose - Kapitel 20, Die Zehn Gebote).

Das war zur Zeit des "Alten Testaments" - lange bevor sich die Pfade der Juden, Christen und Muslime trennten. Nach meinem Verständnis gelten daher die Zehn Gebote Gottes für alle Menschen, die an ihn glauben. Denn sie alle glauben an den einen Gott ...


Donnerstag, 12. November 2015

Phillips-Field, Kistnergelände: Der Dialog ist eröffnet

Die Kalksandsteinfabrik "Kistner" im Februar 2008: Tonnendachhalle (links),
rechts davon Kesselhaus und Schornstein, im Hintergrund das Verwaltungsgebäude
Gestern Abend tagte die Stadtteilkonferenz Lehe. Einer der Tagesordnungspunkte betraf die Zukunft des Phillips-Fields und des seit vielen Jahren brachliegenden Geländes der ehemaligen Kalksandsteinfabrik "Kistner".

Während die anwesenden Politiker bezüglich des Phillips-Fields glaubhaft darlegten, dass es dort in absehbarer Zukunft keine wesentlichen Veränderungen geben wird, ist über die Zukunft des Kistnergeländes noch nicht das letzte Wort gesprochen worden. Der Koalitionsvereinbarung zwischen der CDU und der SPD für die "19. Wahlperiode der Seestadt Bremerhaven 2015 – 2019" ist zu entnehmen, dass zwar der Schornstein der Kalksandsteinfabrik H.-F. Kistner als Industriebaudenkmal erhalten werden soll, nicht aber die Pressenhalle, die in Bremerhaven besser unter der Bezeichnung "Tonnendachhalle" bekannt ist (Seite 12, Absatz 3, Zitat):
".. Da es über Jahre nicht gelungen ist, für die Pressenhalle einen privaten Nutzer zu finden, soll diese zurückgebaut werden. Der Schornstein bleibt als Industriedenkmal erhalten. Für die Maßnahmen wird die Stadt die übrigen Gebäude abreißen und die bestehenden Kontaminationen beseitigen. .."

Vor der Wahl war von einem Abriss der Tonnendachhalle keine Rede gewesen - jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Seit vielen Jahren setzen sich die Bürger aus den Ortsteilen im Süden Lehes für eine Entwicklung des Kistnergeländes ein. Mehr als ein Jahrhundert lang hat die Kalksandsteinfabrik mit ihrem Schornstein das Stadtbild in diesem Abschnitt der Hafenstraße geprägt. Die Firma Kistner gehört zu der Gründungsgeneration der Kalksandsteinindustrie in Deutschland und war mit ihrer Fabrik maßgeblich an der Entwicklung der Herstellung des damals revolutionären Baustoffs "Kalksandstein" beteiligt.

Bezüglich einer Entwicklung des Geländes wurde neben dem Wunsch nach einem Lebensmittel-Frischemarkt mittlerer Größe und einem Naherholungsbereich entlang der Geeste mit Fortführung des Geestewanderweges in Richtung Kapitänsviertel deshalb immer auch die Erhaltung des Ensembles "Schornstein und Tonnendachhalle" als bedeutendes Industriedenkmal genannt. Hinzu kommt, dass zwischenzeitlich auch das Landesamt für Denkmalpflege Bremen den Schornstein und die Tonnendachhalle als erhaltenswertes Industriedenkmal in ihre Datenbank aufgenommen hat. Beide Bestandteile dieses Ensembles sind dementsprechend im Lageplan rot markiert.

In den zurückliegenden Jahren sind im Rahmen der Stadtteilkonferenz Lehe immer wieder zahlreiche Ideen und Vorschläge für eine Nutzung der Halle entwickelt und diskutiert worden. Mehrere potentielle Investoren haben in der Vergangenheit ihr Interesse für eine Nutzung des Geländes - auch unter Einbeziehung der genannten historischen Industriegebäude - bekundet.

Rückblende:
Einer dieser Investoren war beispielsweise die IVMG, die ein schlüssiges Nutzungskonzept vorgelegt und - anstatt Vorleistungen von der Stadt Bremerhaven zu fordern - 2 Millionen Euro für den Kauf des Geländes angeboten hatte. Der Vorschlag traf in der Stadtteilkonferenz Lehe auf große Zusimmung. Da die CDU damals andere Pläne mit dem Kistnergelände und dem Phillips-Field verfolgte, fiel ihr nichts besseres ein, als die IVMG in einem Abschnitt einer ganzseitigen Anzeige im Sontagsjournal vom 19.03.2008 übel zu diffamieren, obwohl diese mit dem Arnold-Areal in der Stadt Schorndorf ein erfolgreiches Referenz-Projekt vorweisen konnte, das damals deutliche Parallelen mit dem Kistnergelände aufwies. Nachdem der Investor mit einem öffentlichen Brief an Herrn Schulz (SPD, damals Oberbürgermeister) dazu Stellung genommen hatte, war die Sache vom Tisch.

Wenn die SPD und die CDU in ihrer Koalitionsvereinbarung schreiben, es sei über Jahre nicht gelungen, einen privaten Nutzer für die Pressenhalle zu finden, dann ist trifft das so also "nicht ganz zu". Es wäre fahrlässig, die Halle abzureißen, ohne vorher zumindest noch einmal ernsthaft versucht zu haben, nach einer Lösung für ihren Erhalt zu suchen. Übereilte und unüberlegte Abrissaktivitäten haben ohnehin schon viel zu viele Lücken im Gedächtnis unserer Stadt hinterlassen.

Mir ist durchaus bewusst, dass das Geld in Bremerhaven knapp ist. Herr Allers (SPD, Fraktionsvorsitzender) legte hat gestern Abend dar, welche Kosten - grob überschlagen - mindestens zu erwarten sind, um das ehemalige Industriegelände überhaupt "baureif" zu machen. Die Rede war von etwa 7 Millionen Euro allein für die Bodensanierung und den Abriss der Gebäude - inklusive der Tonnendachhalle.

Alternativ seien auch die Kosten für den Erhalt des historischen Gebäudes überschlagen worden. Dabei sei über zwei Varianten nachgedacht worden:
  • Kalte Sanierung:
    Dafür würde das Gebäude so weit saniert werden, dass eine anschließende Nutzung während der wärmeren Monate des Jahres möglich wäre. Auf den Einbau einer Heizung würde man verzichten.
  • Warme Sanierung:
    Die Tonnendachhalle würde saniert und mit einer Heizungsanlage versehen werden, so dass sie während des gesamten Jahres nutzbar wäre.

Für die "kalte" Variante wären nach übereinstimmender Darstellung seitens Herrn Allers und Herrn Raschens (CDU, Fraktionsvorsitzender) etwa 1,1 Millionen Euro zu veranschlagen. 1,5 Millionen Euro seien für die "warme" Variante aufzubringen.

Zu den Kosten, die von der Stadt für die Bodensanierung, die Abrissarbeiten und den Erhalt des "Schornsteins mit dem Kesselhaus" aufgebracht werden müssen, käme noch die Sanierung der mehr als einhundert Jahre alten Kaje an der Geeste hinzu, an der früher die Lastkähne mit dem Material für die Kalksandsteinherstellung entladen wurden. Deren Sanierung ist notwendig, um das Gelände gegen ein Abrutschen in die Geeste zu sichern.

Die dafür zu erwartenden Kosten seien überhaupt noch nicht abzuschätzen. Nach den Erfahrungen mit den Kajensanierungen der letzten Jahre werde aber auch dafür eine hohe Summe aufgebracht werden müssen. Die vorher genannten Zahlen für die Bodensanierung und die Abrissarbeiten seien als 'nach grober Schätzung mindestens zu erwartende Kosten' zu verstehen. Wahrscheinlich würden diese jedoch höher ausfallen.


Vor den Zahlen kapitulieren ...

Ein Besucher, der sich zu Wort meldete, hatte sich die Mühe gemacht, die oben genannten Kosten über einen Zeitraum von zehn Jahren anteilig bis auf einen Tag herunterzubrechen. Er meinte, das entspräche dann den täglichen Aufwendungen eines potentiellen Investors für das Kistnergelände.

Ich habe mir seine Zahlen so schnell nicht merken können, aber 10 Jahre entsprechen ja rund 3650 Tagen. Bei etwa 7 Millionen Euro (Bodensanierung plus Abrisskosten) dividiert durch 3650 Tage kommt man über zehn Jahre auf gut 1900 Euro pro Tag. Der Besucher meinte, kein Investor wäre bereit, zehn Jahre lang Tag für Tag eine solche Summe für ein leergeräumtes Grundstück aufzubringen - und wenn darauf auch noch eine Halle mit einem Schornstein stünde, schon gar nicht.

  • Nun: Die Konsequenz aus dieser Betrachtungsweise wäre, dass man alles so weiter vor sich hin rotten ließe wie bisher und darauf wartet, bis sich das Problem im Verlaufe einiger Generationen vielleicht von selbst erledigt. Aber das kann's ja wohl auch nicht sein, oder?


... oder um die Ecke denken

Während der Stadtteilkonferenz Lehe am 01.10.2015 war lange über die Zukunft der als schützenswert eingestuften historischen Gebäude auf dem Kistnergelände gesprochen worden. Abschließend beschlossen die damals anwesenden Bürger und Vertreter der in Lehe aktiven Interessengemeinschaften, Vereine etc., die Politik aufzufordern, alles dafür zu unternehmen, den Schornstein und die Tonnendachhalle der Kalksandsteinfabrik Kistner als bedeutendes Industriedenkmal zu erhalten.

Während die Politiker der SPD und der CDU in Anbetracht der zu erwartenden Kosten gestern immer wieder darauf hinwiesen, dass ein Investor für die Tonnendachhalle gefunden werden müsse, der bereit sei, die vorher seitens der Stadt investierten Kosten in irgendeiner Weise zu kompensieren, kam aus den Reihen der Besucher der Stadtteilkonferenz der Vorschlag, das Gebäude einfach nur soweit zu sanieren, dass es nicht weiter verfällt, und dann erst einmal "einfach so als Industriedenkmal stehen zu lassen". Mehrere weitere Besucher stimmten in ihren Diskussionsbeiträgen diesem Vorschlag ausdrücklich zu.

Das wäre auch in meinem Sinne. Aufgrund der über die Grenzen Bremerhavens hinausgehenden Bedeutung des historischen Kerns des Kalksandsteinwerks und seiner Geschichte sollte es meines Erachtens der Mühe wert sein, nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen. Bisher ist seitens der Politiker immer nur von EFRE-Mitteln oder Mitteln aus dem Programm "Stadtumbau West" die Rede. Möglicherweise ließen sich aber ja auch Mittel aus anderen Förderprogrammen des Bundes, der EU oder einer Siftung für den Denkmalschutz akquirieren. Hier ist eine kleine Auswahl solcher Stiftungen:

Sofern sich rechtzeitig kein Investor für eine kommerzielle Nutzung fände, wäre beispielsweise auch eine Betreuung des Gebäudes durch einen Verein denkbar. Wichtig wäre erst einmal nur, dass zuvor eine grundlegende Instandsetzung durchgeführt werden würde, damit der weitere Verfall des Gebäudes aufgehalten wird. Wenn es um die Erhaltung dieses Industriedenkmals von überregionaler Bedeutung geht, für das es derzeit aber kein Nachnutzungskonzept gibt, dann muss man manchmal etwas um die Ecke denken.


Immerhin: Der Dialog ist eröffnet

Da die Fraktionen der SPD und der CDU in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung bis zum September kein Interesse an einer öffentlichen Diskussion über die Entwicklung des Kistnergeländes gezeigt hatten, dürften die in der Koalitionsvereinbarung nachzulesenden Abrisspläne den meisten Bürgern Bremerhavens zuvor wohl kaum bekannt gewesen sein. Erst sehr spät sprach sich daher langsam herum, dass ein weiteres historisches Denkmal aus dem Stadtbild, und damit aus dem Gedächtnis der Stadt zu verschwinden droht.

Eigentlich sollte man meinen, dass die Bremerhavener Politiker aus dem heftigen Widerstand der Bürger gegen die Pläne der SPD und der CDU während der 17. Wahlperiode der Seestadt Bremerhaven gelernt hätten. Damals ging es um Abrisspläne der SPD und der CDU auf dem Kistnergelände und dessen Umwandlung in ein Gewerbegebiet mit mehreren großen Hallen für Supermärkte, Baumärkte etc., sowie um die Ansiedlung eines "Kaufland"-Vollversorgers auf dem nahegelegenen Phillips-Field.

Immerhin ist der notwendige Dialog zwischen den Bürgern und der Politik mit der gestrigen Stadtteilkonferenz Lehe nun doch noch eröffnet worden. Ich hätte es allerdings begrüßt, wenn die Initiative dazu von der Bremerhavener Regierungskoalition ausgegangen wäre.


Schonfrist

Im Zusammenhang mit den zu erwartenden, nach oben hin offenen Sanierungskosten für das Kistnergelände erklärten Herr Allers und Herr Raschen, dass angsichts der bisher ungeklärten Finanzierung mit einem Beginn der Arbeiten so schnell wohl nicht zu rechnen ist. Herr Raschen betonte, er halte sich bezüglich des geplanten Abrisses der Tonnendachhalle an den Koalitionsvertrag, ließ aber in einem Nebensatz durchblicken, dass er unter Umständen offen für den Erhalt der Tonnendachhalle wäre, wenn sich zwischenzeitlich ein Investor dafür fände.

Herr Allers griff diesen Punkt in seinen Ausführungen noch einmal auf. Er sei bekannt dafür, dass er am liebesten jedes historische Objekt erhalten würde. Sofern sich eine Lösung für die Finanzierung finden würde, sei er der letzte, der die Tonnendachhalle abreißen lassen würde. So wie ich ihn bisher kennengelernt habe, gehe ich davon aus, dass man ihn diesbezüglich beim Wort nehmen kann.

Es gibt also noch eine undefinierte Schonfrist für die Tonnendachhalle, die es zu nutzen gilt. Das wäre jedoch nicht die Aufgabe der Bürger, sondern die des Stadtplanungsamtes. Der Auftrag, Fördermittel für den Erhalt der Tonnendachhalle einzuwerben, müsste von den dafür verantwortlichen Politikern erteilt werden. Ob die jedoch dazu bereit sind bleibt erst einmal abzuwarten ...


Nutzung für Bürgerkriegsflüchtlinge

Abgesehen von der bisher ungeklärten Finanzierung stellte Herr Allers dar, dass sich die Sanierung des Kistnergeländes noch weiter verzögern könnte, da derzeit über eine Nutzung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes auf dem Kistnergelände für die Unterbringung von Flüchtlingen aus Syrien und die Einrichtung sogenannter "Willkommensklassen" nachgedacht werde. Darüber hinaus sei man auch bezüglich der nahegelegenen, ehemaligen Geschäftsräume des Teppichhauses Behrens über eine solche Nutzung im Gespräch.

Auf Nachfrage eines Besuchers der Stadtteilkonferenz erklärte Herr Allers den Begriff "Willkommensklasse". Damit seien Schulungen für die in Bremerhaven bisher noch dezentral untergebrachten Flüchtlinge gemeint, mit denen sie in die Lage versetzt werden sollen, überhaupt am Unterricht an den öffentlichen Schulen teilnehmen zu können. Nicht nur aufgrund der Sprachbarriere, sondern auch wegen der - je nach Herkunft - oftmals sehr unterschiedlichen Vorbildung aus ihrer Heimat müssten sie erst einmal auf den ihrem jeweiligen Lebensalter entsprechenden Bildungsstand der jeweiligen Schulklassen in unserem Bildungssystem gebracht werden.


(Quellen: Sonntagsjournal vom 19.03.2008 und vom 03.01.2008, Koalitionsvertrag, Datenbank des Landesamts für Denkmalschutz Bremen, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung - EFRE, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit )