Freitag, 31. Oktober 2014

Was Sie schon längst über ISDS wissen sollten


Video: ISDS: Das Unrechts­-System der Konzerne (© Campact auf YouTube)

Eines gleich vorweg: ISDS ist nicht die Abkürzung für die "Industrie sucht den Superstar". - Oder, eigentlich, irgendwie doch ...

Tatsächlich aber steht die Abkürzung ISDS für "Investor­State Dispute Settlement" (Schiedsgericht zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten).Wenn die Gesetze eines Staates den Profit eines Konzerns schmälern könnten, dann kann dieser dessen Regierung vor dem ISDS auf Schadensersatz verklagen. Die Urteile sind für die Staaten bindend. Die Superstars - aus der Sicht der Konzerne - wären in diesem Kontext die erfolgreichsten ISDS-Anwälte.

Die unter Ausschluss der Öffentlich tagenden Schiedsgerichte bestehen aus drei Anwälten, die von Fall zu Fall die Rolle des Anwalts, ein anderes Mal diejenige des des Verteidigers oder in einem anderen Verfahren die Rolle des Richters übernehmen. In den Schiedsgerichten entscheiden keine unabhängigen Richter ­ sondern konzernnahe Anwälte, die kräftig an den Verfahren verdienen und sich selbst über die Urteile nationaler Verfassungsgerichte hinwegsetzen. In einem Online-Artikel der "Le Monde diplomatique" vom 13.06.2014 ist die Rede von Honoraren für ISDS-Schiedsrichter in Höhe von 275 bis 500 Euro pro Stunde.

Wenn ein Staat auf Gefährdungen mit schärferen Gesetzen reagiert - wie etwa Deutschland nach dem Super-GAU in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" mit einem Moratorium und dem anschließenden "Atomausstieg" - dann strahlen die Anwälte der Schiedsgerichte aus Vorfreude auf Fette Einnahmen.

Die Anwaltskanzleien empfehlen international tätigen Konzernen darüberhinaus, möglichst häufig zu klagen. So sorgen sie selbst dafür, dass ihr profitables Geschäft weiterhin floriert. In dem kurzen Video "ISDS: Das Unrechts­-System der Konzerne" oben in meinem Beitrag heißt es dazu (Zitat): "Schiedsanwälte helfen Konzernen auch dabei, Geld für immer mehr Klagen aufzutreiben. Um am Gewinn beteiligt zu werden, strecken Anleger Prozesskosten vor. Ein florierendes Geschäft: Auf Kosten von Steuerzahlenden, Umweltschutz und sozialen Errungenschaften."

Mit den Schiedsgerichten zur "Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten", wie sie sowohl im CETA-, wie auch im TTIP-Vertragswerk vorgesehen sind, bekämem internationale, bzw. ausländische Konzerne ein Werkzeug in die Hand, mit dem sie gegen demokratische Entscheidungen vorzugehen können. Indem sie Staaten vor privaten, geheim tagenden Schiedsgerichten auf Milliardensummen verklagen, gehen multinationale Konzerne in vielen Ländern bereits heute beispielsweise gegen Vorschriften zum Umwelt- und Gesundheitsschutz, gegen den Atomausstieg oder den gesetzlichen Mindestlohn vor.


CETA: TTIP durch die Hintertür

Das fertig verhandelte "Freihandelsabkommen" zwischen Kanada und der EU (CETA) steht bereits zur Unterzeichnung an. Das Thema ISDS ist darin einer der zentralen Punkte. Sollte es tatsächlich zur Unterzeichnung kommen, würde es unsere Demokratie, unsere Steuerkassen, sowie unsere Umwelt und sozialen Rechte bedrohen - selbst dann, wenn das ISDS am Ende nicht in das TTIP-Vertragswerk aufgenommen werden würde.

Ein Beispiel dafür, wie das funktioniert, ist das Vorgehen des kanadischen Konzerns "Lone Pine".
Zwischen den USA und Kanada besteht das "Nordamerikanische Freihandelsabkommen" (NAFTA). Über eine Tochterfirma in den USA nutzte "Lone Pine" die im NAFTA-Vertragswerk verankerten Investitionsschutzklauseln, um Kanada wegen eines Moratoriums, mit dem die Provinz Québec ein Fracking-Verbot erreichen wollte, auf die Zahlung von 250 Millionen US-Dollar zu verklagen.

Wenn es zwischen Kanada und der EU-Kommission zum Vertragsabschluss über CETA kommt, müsste ein Konzern, der seinen Firmensitz in irgendeinem EU-Mitgliedsstaat oder in den USA hat, einfach nur eine Tochterfirma in Kanada gründen, um gegen die demokratisch legitimierten Gesetze irgendeines anderen an TTIP gebundenen Landes vorgehen zu können.

Allein die Drohung eines einzigen Konzerns kann dann bereits dazu führen, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel und die globale Erwärmung, sowie sonstige Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, zum Verbraucherschutz, zum Erhalt der genetischen Vielfalt oder soziale Reformen gar nicht erst beschlossen werden. Im östereichischen "Standard" vom 14.07.2014 bringt Frau Beer (Arbeiterkammer Wien, Referentin der Abteilung EU und Internationales) die Folgen dieses Effekts auf den Punkt (Zitat):
.. Private Schiedsgerichte sind nicht geeignet, Sachverhalte zu lösen, die im Kern Dispute um öffentliche Regulierung sind. Darüber hinaus wirkt ISDS realpolitisch schon in der Androhung von Klagen, da Gastländer, um Klagen zu vermeiden, ihren politischen Handlungsspielraum einschränken. ..

ISDS: Keine Fiktion

Ähnlich, wie das NAFTA (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen)  zwischen Kanada und den USA, gibt es bereits heute Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und einzelnen anderen Staaten. Aufgrund der großen Anzahl involvierter Staaten wären die Unterdrückung der freiheitlichen Entscheidung demokratischer Staaten und die infolge der ISDS-Klauseln im TTIP verursachten finanziellen Schäden jedoch weitaus umfassender, als bei einem Abkommen zwischen zwei einzelnen Staaten.

Ein Beispiel dafür, was im Falle eines TTIP-Vertragsabschlusse auf unsere Demokratie zukommen könnte, zeigt das Vorgehen des schwedischen Energie- und Atomkonzernd "Vattenfall" gegen die Bundesregierung Deutschlands. Weil Deutschland die von Vattenfall geforderten 1,4 Milliarden Euro nicht zahlen wollte, mussten die Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk im Hamburger Stadtteil Moorburg zurückgenommen werden.

In einem anderen Fall hat Vattenfall die Bundesregierung wegen des Atomausstiegs auf "Schadenersatz" in Höhe von mehr als vier Milliarden Euro verklagt. - Leider hat die Bundesregierung keinerlei gesetzliche Handhabe, um ihrerseits Vattenfall wegen der infolge des Betriebs seiner Atomkraftwerke bereits entstandenen Umweltschäden und wegen der über Jahrmillonen hinweg andauernden Gefährdung der Gesundheit kommender Generationen zu verklagen. Vattenfall würde dann auch gegen die dafür notwendigen Gesetze klagen ...



Zur Petition der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP!" ...

Wenn wir Bürger uns nicht gegen den Ausverkauf unserer grundlegenden demokratischen Rechte wehren, dann wird die EU-Kommission sie mit Sicherheit den ausschließlich profitorientierten Interessen internationaler Konzerne zum Fraß vorwerfen.

Die EU-Kommission hat zwar den Antrag auf Zulassung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) "Stop TTIP!" zurückgewiesen, aber die Initiatoren haben sich dadurch nicht entmutigen lassen. Das Bündnis aus mehr als 240 Organisationen in ganz Europa führt "Stop TTIP!" jetzt als "selbstorganisierte EBI" weiter, indem es dafür unter den gleichen Bedingungen, wie sie für eine offizielle EBI gelten, Unterschriften gegen TTIP sammelt.



Zum Weiterlesen:
- Profit durch Unrecht -
Wie Kanzleien, SchiedsrichterInnen und Prozessfinanzierer
das Geschäft mit dem Investitionsschutz befeuern
Die "leicht aktualisierte" deutsche Übersetzung der im November 2012 erschienenen Studie "Profiting from Injustice. - How law firms, arbitrators and financiers are fuelling an investment arbitration boom" wird von den Organisationen "Corporate Europe Observatory" (CEO), "Transnational Institute" (TNI), Campact und "Power Shift" herausgegeben.
(Stand der Recherche: September 2012)

Inhalt:
  • Wenn Investoren Regierungen verklagen:
    Ein lukratives Geschäft für die Schiedsgerichtsindustrie
  • Aasgeier in Anwaltsroben:
    Kanzleien auf der Suche nach neuen Klagemöglichkeiten
  • Wer wacht über die WächterInnen?
    Die konfligierenden Interessen der SchiedsrichterInnen
  • Spekulation mit Ungerechtigkeit:
    Die externe Finanzierung von Investor-Staat-Klagen
  • Ein trojanisches Pferd in der Wissenschaft:
    Untergräbt die Schiedsbranche unabhängige Forschung?
  • Fazit:
    Internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit - eine lukrative Branche, gebaut auf der Illusion von Neutralität



"Privatisierung der Gerichtsbarkeit ist abzulehnen: Das private Ad-hoc-Schiedsverfahren ISDS ist inkonsistent, teuer, unberechenbar sowie in Einzelfällen parteiisch. Die Schiedsverfahren sind ein boomender Geschäftszweig insbesondere für spezialisierte Anwaltskanzleien. Dies zeigen auch die stetig steigenden Klagefälle (in den vergangenen Jahren jährlich rund 60 neue Klagen), wobei nur ein Bruchteil öffentlich bekanntgemacht wird. Hier haben wir es zusehends mit profitorientierten Einzelinteressen zu tun, denen es nicht um Fairness und Gemeinwohl geht."


Elisabeth Beer
(Arbeiterkammer Wien, Referentin der Abteilung EU und Internationales)



(Quellen: Le Monde diplomatique" vom 13.06.2014, Der Standard vom 14.07.2014, Die Zeit vom 10.03. und vom 06.03.2014, Campact)

Sonntag, 26. Oktober 2014

Ein Sonntag Morgen in Münchberg

Im Tal fließt mitten durch Münchberg ...
... das kleine Flüsschen Pulschnitz.
In der vorletzten Woche haben wir unsere Freunde in Münchberg besucht. Münchberg ist eine kleine Stadt mit etwas mehr als 10.000 Einwohnern im ehemaligen Zentrum der Textilindustrie Oberfrankens. Im Zuge der Globalisierung verlor die Textilindustrie hier aufgrund der Billig-Importe aus Asien an Bedeutung. Noch immer ist hier aber die Textilabteilung der Hochschule Hof angesiedelt.

Morgens steht immer zuerst der Spaziergang mit unserer Hündin Cleo auf meinem Programm. Mit dem folgenden Fotos lade ich euch ein, uns auf unserm Weg durch Müchberg vom Sonntag nach unserer Ankunft zu begleiten.


Statt über den Gartenzaun gibt's hier das Gespräch über den Bach
Die Stadt liegt auf den Bergen links und rechts des kleinen Flusses Pulschnitz, der im Tal mitten durch das Geschäftszentrum Münchbergs fließt. Als ich vor mehr als zwanzig Jahren zum ersten Mal im Münchberg war, pulsierte dort das Leben. Leider machen sich inzwischen aber auch dort die Folgen der allbekannten Sünden der Stadtplaner während der letzten zwei bis drei Jahrzehnte bemerkbar: Infolge der Konkurenz der Supermärkte in den Gewerbegebieten am Stadtrand nahe der Autobahn bleibt die Kundschaft im Stadtzentrum aus und alteingesessene Familienbetriebe müssen ihre Läden schließen.

Nebenbei bemerkt ist es auch im gelobten Bayernland mit der Beschäftigungslage längst nicht überall so weit her, wie die CSU es immer wieder gerne vollmundig behauptet. Sicher wird sich auch das auf die Situation der Geschäfte in Münchberg auswirken.


Im Geschäftszentrum Münchbergs ...
... wurde rechts der Pulschnitz ...
... eine "optisch verkehrsberuhigte Zone", ...
... und am linken Ufer des Flüsschens ...
... eine Füßgängerzone eingerichtet.
Da scheint es leider auch nicht viel zu helfen, dass die Straßen, Plätze und Wege im Verlauf Pulschnitz neu gestaltet und optisch aufgewertet wurden. Dabei bietet die Fußgängerzone am linken Flussufer die besten Voraussetzungen für eine Flanier- und Einkaufsmeile mit Außengastronomie. Ich drücke den Münchbergern die Daumen, dass sie mit ihrem schön gestalteten Zentrum mehr Glück haben werden, als einige der ehemaligen Geschäfts- und Einkaufsstraßen in Bremerhaven.


Links der Pulschnitz fällt der Blick aufwärts immer wieder auf die Kirche.
Einen weiteren Mittelpunkt bildet der höher gelegene Bereich um die vom Geschäftszentrum aus links der Pulschnitz steil bergauf verlaufende Ludwigstraße. Im Tal noch eine Gasse, verbreitert sie sich auf dem Weg nach oben schnell zu einer breiten Prachtstraße mit einem parkähnlichen Grünstreifen in der Mitte.


Rund um die Kirche (zum Vergrößern bitte auf die Fotos klicken)

Dort oben wo der Turm der weithin sichtbaren Kirche die Stadt überragt, befindet sich das alte, um einen relativ unauffälligen Anbau erweiterte Rathaus mit der Stadtverwaltung. Münchberg feiert in diesem Jahr sein sechshundertfünfzigjähriges Bestehen. Anfang Oktober gab es in diesem Rahmen eine Veranstaltung unter em Motto "Münchberg Leuchtet". Dabei wurden die Fassaden der Gebäude in der Stadtmitte farbig illuminiert.

Ich vermute, dass die von einem Ast herabhängende Wohnzimmerlampe über der Stitzgruppe auf dem Foto oben rechts in der Mitte wohl ein Relikt der Veranstaltung sein wird. Das gute Stück machte an dieser Stelle einen derart skurilen Eindruck auf mich, dass es unbedingt auf's Foto musste :)


Ein Café in einem alten Haus am Kirchplatz mit Sitzgelegenheiten im Freien.
In einem der alten Häuser, rings um den zwischen der Kirche und dem Rathaus gelegenen Kirchplatz gibt es ein idyllisch anmutendes Café mit Außengastronomie. Die liebevoll gestaltete Fassade zog bereits auf dem Weg durch die schmale Straße von der Ludwigstraße zum Kirchplatz meinen Blick auf sich. So früh am Sonntag Morgen hatte das Café allerdings noch geschlossen. - Aber im Hotel wartete ja auch noch ein reichhaltiges  Frühstück auf mich ...


Von der prächtig angelegten Ludwigstraße, die dort oben weiter steil bergauf führt, ...
... sieht man die Stadtteile auf der gegenüberliegenden Seite des Pulschnitztals.
Auf dem Weg zurück ins Pulschnitz-Tal fällt der Blick durch die Grünanlagen in der Mitte der Ludwigstraße auf die Stadtteile auf den Bergen auf der anderen Seite der Pulschnitz. Dort liegen neben einigen Gewerbebetrieben weitere, zum Teil auch neuere Wohngbiete der Stadt.


Auf dem letzten Teil des Weges ins Tal wird die Prachtstraße zu einer schmalen Gasse.
Vom letzen Ende der Ludwigstraße geht es abwärts zurück zum Hotel im Stadtzentrum. Hier endet unser morgendlicher Sonntagsspaziergang durch Münchberg mit dem Blick durch das Objektiv meiner Kamera.

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Ozeanien: Klimakrieger gegen die Todesfabriken


Bereits vor mehr als 30 Jahren warnte James E. Hansen - von 1981 bis 2013 Leiter des Goddard Institute for Space Studies der NASA (GISS) in New York - vor den Folgen der globalen Erwärmung. Heute bezeichnet er Kohlekraftwerke als "Todesfabriken".

Damals prognostizierte er das Abschmelzen der Eisbedeckung des Arktischen Ozeans oder die Ausweitung von Dürregebieten - auch in Nordamerika. Heute haben sich seine damaligen Prognosen größtenteils bewahrheitet. Bei den übrigen zeichnet sich bereits ab, dass er auch damit wohl Recht behalten wird.

1988 erklärte Herr Hansen vor dem "Energy and Natural Resources Committee" des US-Senats, dass die globale Erwärmung auf der Erde mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit durch die von der Menschheiten freigesetzten Treibhausgase verursacht wird. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir damals als "grüne Spinner" belächelt wurden, wenn wir die "Globale Erwärmung" und die davon ausgehenden Gefahren für die Zukunft des Lebens auf der Erde zur Sprache brachten.

Gegen einflussreichere Personen wurde immer wieder der Versuch unternommen, sie mit anderen Mitteln ruhig zu stellen. So warf auch Herr Hansen der US-Regierung unter Herrn Bush (USA, von 2001 bis 2009 Präsident) und Herrn O’Keefe (von 2001 bis 2005 Leiter der NASA) mehrfach den Versuch vor, seine öffentlichen Stellungnahmen über die Ursachen der globalen Erwärmung zu beeinflussen.

Die Zeiten, in denen man uns als "grüne Spinner" belächelt hat, sind längst Vergangenheit. Spätestens seit der Veröffentlichung des Klimaberichts des IPCC im Jahre 2007 besteht auch auf internationaler politischer Ebene Konsens darüber, dass die globale Erwärmung der Erde auf die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden CO2-Emissionen und die Emissionen weiterer klimarelevanter Gase zurückzuführen ist. Während der seitdem verstrichenen sieben Jahre ist viel geredet worden. - Die globalen CO2-Emissionen steigen jedoch ungebremst weiter ...


Gegen die Flut

Die Bewohner der Inselstaaten im Pazifischen Ozean sind jedoch nicht länger bereit, das einfach so als gegeben hinzunehmen. Der infolge des Klimawandels steigende Meeresspiegel bedroht die Existenz ihrer Heimat: Die flachen Atolle drohen in den steigenden Fluten zu versinken.

Am 17.10.2014 versuchten die "Pacifik Climate Warriors" (in etwa "Klimakrieger  des Pazifiks") mit traditionellen, selbstgebauten Ausleger-Kanus die Zufahrt zum weltgrößten Kohle-Exporthafen in Newcastle (Australien) zu blockieren. Damit setzten sie das Startzeichen für ihren Kampf um ihre Heimat und gegen den Exports des fossilen Brennstoffs für die Todesfabriken, in der die Lebensgrundlagen unseres Planeten verheizt werden.

Damit ist der Kampf der "Pacifik Climate Warriors" um ihre Heimat gleichzeitig auch der Kampf um unsere Zukunft. Sie haben deshalb einen weltweiten Aufruf gestartet, sie in ihrem Kampf um die Zukunft unserer gemeinsamen Heimat - den Planeten "Erde" - zu unterstützen. In ihrem im Vorfeld der Blockadeaktion über den E-Mail-Verteiler des internationalen demokratischen Netzwerks AVAAZ verbreiteten Aufruf sagt Milañ Loeak (26), Tochter des Präsidenten der Marshallinseln (Zitat):

Ich heiße Milañ Loeak. Meine Heimat sind die Marshall Inseln und ich überbringe euch eine Nachricht im Namen meiner "Climate Warrior" Brüder und Schwestern aus ganz Ozeanien.

Ihr habt das alles vielleicht schon längst gehört, dass das Klima sich verändert, dass der Meeresspiegel steigt, dass meine Heimat auf den Inseln die erste sein wird, die verschwinden wird. Aber wir Menschen des Pazifik ertrinken nicht, wir kämpfen. Und die größte Bedrohung unserer Heimat ist die fossile Industrie.

Und so werden wir uns dagegen zur Wehr setzen: Da gibt es einen Kohlenhafen in Newcastle, Australien und es ist der größte der Welt, über den etwa 560.000 Tonnen Kohle expotiert werden - an jedem einzelnen Tag. Wäre der Hafen ein Land, dann wäre es das Land mit den neuntgrößten Emissionen der Welt. Deshalb bin ich nach Australien gefahren, um den Hafen für einen Tag zu blockieren.

Zusammen mit 30 anderen "Pacific Climate Warriors" werde ich in traditionellen Kanus in das Fahrwasser der Kohlenfrachter paddeln. Wir werden dabei von hunderten Australiern unterstützt, die uns in Kajaks, auf Surfbrettern und was immer sie sonst finden können, begleiten, um gemeinsam mit uns der fossilen Industrie entgegenzutreten.

Aber es braucht mehr als hunderte Australier, die hinter uns stehen: Wir werden auch euch brauchen.

Die fossile Industrie wird versuchen uns kleinzureden. Sie werden ihre PR Maschine in Gang setzen, um der Welt zu sagen, dass wir nur eine kleine Gruppe sind, die nur für sich alleine handelt und dass wir nicht für andere Menschen sprechen. Aber wir wissen, dass wir nicht die Einzigen sind, die handeln. Gemeinsam mit anderen Gemeinschaften überall in der Welt stehen wir an vorderster Front, wenn wir sagen, dass es an der Zeit ist, unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern zu beenden, bevor sie unsere Häuser, unsere Gesellschaft und unsere Kultur zerstören.

Wenn die "Pacific Climate Warriors" am 17. Oktober im Fahrwasser der Kohlenfrachter paddeln, zeigt, dass ihr hinter uns steht und unterstützt unseren Solidaritätsaufruf.

Den Kohlenexport für nur einen Tag zu unterbrechen wird selbstverständlich alleine nicht ausreichen, um unsere Heimat über Wasser zu halten, aber die Aktion markiert das Auftauchen der "Pacific Climate Warriors" und den Beginn der Verteidigung der pazifischen Inseln.


Weil wir die Pazifischen Inseln nicht allein retten können, bitte ich euch, uns in unserem Kampf zu unterstützen.

Freundliche pazifische Grüße,
Milañ Loeak, Republik der Marshall Inseln


Für die Unterstützung der "Pacifik Climate Warriors" stellt die internationale Klimaschutzorganisation 350.org auf ihrer Internetseite ein Formular zur Verfügung.


Im Anschluss an die Aktion der "Pacifik Climate Warriors" gegen den Kohlehafen von Newcastle veröffentlichte 350.org die folgende Pressemitteilung (Zitat):

Dreißig pazifische Inselbewohner blockierten heute, unterstützt von Hunderten von Australiern, in friedlichem Protest den weltweit größten Kohlehafen in Newcastle. Damit forderten sie die Regierung auf, die klimazerstörende Ausweitung des Geschäfts mit fossilen Brennstoffen zu beenden.

In traditionellen Kanus, auf ihren Inseln von Hand gefertigt und nach Australien transportiert, blockierten sie für einen Tag die Ein- und Ausfahrt zum Hafen, um die gigantischen Kohlefrachter an ihrer Fahrt zu hindern. Damit haben die ‘Pacific Climate Warriors’ Klimakrieger der fossilen Industrie gezeigt, dass sie sich gegen Australiens radikale Pläne zur Verdoppelung der Kohleexporte und drastischen Steigerung der Gasgewinnung, die den Klimawandel vorantreiben und die Existenz ihrer Heimatinseln bedrohen, zur Wehr setzen.

Die pazifischen Inseln sind von den Folgen des Klimawandels – den Anstieg des Meeresspiegels, verheerende Fluten und desaströse Stürme – am stärksten und unmittelbarsten betroffen. Wie Milañ Loeak (26), Tochter des Präsidenten der Marshallinseln, Chris Loeak, und selbst Pacific Warrior, berichtete, sind diese für ihre Inseln schon jetzt zu spüren.

„Ich sehe, wie mein Volk und meine Inseln unter den Auswirkungen des Klimawandels, der immer gravierendere Dürren und Überflutungen mit sich bringt, leiden.”

„Die Folgen des Klimawandels wirken sich bereits jetzt sehr spürbar auf das Leben der Menschen bei uns aus”, erklärte Milañ Loeak. „Das Haus meiner besten Freundin wurde durch die jüngste Springflut zerstört und dieses Haus war ihr ganzes Leben. Verzweifelt sagte sie zu mir ,Früher hat mich der beruhigende Klang des Meeres in den Schlaf gewiegt – und plötzlich hat mir eben dieses Meer alles genommen, was ich hatte.’“

Am Tag der Blockade der Pacific Warriors haben hunderte Australier ihre Bankkonten bei den vier großen australischen Banken geschlossen, um ein Zeichen gegen die Finanzierung der Ausweitung fossiler Energien zu setzen. Der ,Nationale Tag für Divestment’ in Australien ist Teil einer internationalen Kampagne, Investitionen in fossile Brennstoffe abzuziehen. Die australischen Banken ANZ, die Commonwealth Bank, NAB und Westpac haben bereits über 200 Millionen australische Dollar an Banken verloren, die nicht in fossile Energien investieren. In Deutschland gibt es derzeit Kampagnen für fossiles Divestment an mehreren Universitäten und Städten.

Mikaele Maiava, Climate Warrior von Tokelau, betonte, nach Jahren gescheiterter globaler Klimaverhandlungen sei eine direkte Konfrontation der Pacific Warriors unumgänglich gewesen.

„Es ist von größter Bedeutung für uns, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen, denn er bedroht unsere Inseln und unser Leben darauf. Unser Land ist der wertvollste Schatz, den wir haben, und der Klimawandels ist dabei, ihn zu zerstören. Doch wir wollen und werden das nicht zulassen.”

Maiava wandte sich direkt an die australische Regierung, der er Ignoranz bezüglich dieses Themas vorwarf.

„Australien ist das größte Mitglied in der Familie der Pazifikstaaten. Mit seinem Export an fossilen Brennstoffen erweist es sich jedoch als ausgesprochen rücksichtsloses Familienmitglied“, so Maiava. „Aus diesem Grund sprechen wir für alle Mitglieder der Pazifik-Familie, die von Australiens zerstörerischem Handeln unmittelbar betroffen sind.“

Milañ Loeak mahnte, die fossile Industrie müsse ihren Kurs ändern, um die pazifischen Inseln vor ihrem buchstäblichen Untergang zu bewahren.

„Wir leiden bereits genug unter den Folgen des Klimawandels. Unsere Situation darf nicht noch verschlimmert werden, nur um die Interessen anderer zu befriedigen. Auch wir verdienen den Schutz unserer Heimat und wir werden tun, was nötig ist, um sie zu retten”, so Milañ.

Australien hat zwar den größte Kohle-Exporthafen der Welt, ist aber leider nicht das einzige Land, dessen Regierung die Augen vor dem Klimawandel verschließt. Auch hierzulande wird deshalb der ehemals regionale Widerstand gegen die fossile Industrie und die Ausweitung des Braunkohletagebaus inzwischen bundesweit geführt.

Die Ausweitung der Braunkohle-Verstromung in Deutschland ist keine "Brückentechnologie", sondern ein Kapitalverbrechen: Die Schaufelradbagger der fossilen Industrie fressen in Deutschland intakte Landschaften. Das führt unmittelbar zur Vertreibung der dort lebenden Menschen und zur Zerstörung ihrer Städte und Dörfer.

Die Verbrennung der Kohle in deutschen Braunkohlekraftwerken belastet nicht nur die regionale Umwelt, sondern beschleunigt darüberhinaus die globale Erwärmung und trägt damit unter anderem - im wahrsten Sinne des Wortes - weltweit zum Untergang der flachen Küstenregionen oder der Staaten Ozeaniens bei.

Hier schließt sich einer der vielen globalen, miteinander verwobenen Kreise: Wenn wir uns in unserem eigenen Land nicht gegen die profitorientierte Raffgier der fossilen Industrie und ihre politischen Handlanger zur Wehr setzen würden, dann würden wir die "Pacifik Climate Warriors" im Kampf um unsere gemeinsame Heimat im Stich lassen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Wir haben nur diesen einen Planeten, auf dem wir - und die uns folgenden Generationen - leben können.



Zum Weiterlesen:

  • Grüne Helden
    Die Geschichte ist ein unschönes Beispiel dafür, wie sich das Verhalten der Politik und der von der fossilen Industrie abhängigen Nachbarn, die nur an ihren eigenen, persönlichen Vorteil denken, gegenüber den "Spinnern" ändern kann, wenn diese sich gegen einen neuen Braunkohlentagebau zur Wehr setzen.
    (Der Spiegel vom 13.01.2014)


„Australien ist das größte Mitglied in der Familie der Pazifikstaaten. Mit seinem Export an fossilen Brennstoffen erweist es sich jedoch als ausgesprochen rücksichtsloses Familienmitglied.“

Mikaele Maiava
(Tokelau, Climate Warrior)


(Quellen: 350.org, Greenpeace Magazin 6.12, Wikipedia)

Montag, 20. Oktober 2014

Cold Calls

Wir leben ja bekanntlich im Zeitalter der grenzenlosen Kommunikation. Handyseidank ist jeder jederzeit und überall erreichbar. Die Kehrseite der Medaille: Potentiell kann jeder auch jederzeit das Opfer lästiger Anrufer werden, die mit immer wieder neuen Tricks versuchen, leichtgläubigen Zeitgenossen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Als wir gerade in gemütlicher Runde mit Freunden zu Abend essen, klingelt eines der heutzutage allgegenwärtigen Mobil-Telefone. Einen Augenblick später ist das gute Stück bereits am Ohr des Besitzers: "Ja, bitte?"

Am anderen Ende der Verbindung meldet sich eine nette Stimme, die den Eigentümer des moblien Telekommunikationsgerätes darauf aufmerksam macht, dass im Netz über 200 Dateien kursieren, in denen seine persönlichen Daten gespeichert sind. Er müsse sich deshalb also nicht wundern, wenn er ständig von Werbeanrufen genervt wird. Nach dieser Einleitung kommt die nette Stimme vom anderen Ende zur Sache: "Soll das so bleiben, oder sollen wir ihre Daten vielleicht lieber löschen lassen?"

Der werbeanrufgestresste, aber nicht besonders gut betuchte Mobil-Telefonist antwortet hoffnungsvoll: "Wenn mich das nichts kostet, dann können Sie das gerne machen." Der unvermeidliche Haken an der Sache lässt seine Hoffnungsblase jedoch sofort wieder platzen: "Kostenlos geht das natürlich nicht. Dafür wäre dann schon eine einmalige Gebühr von neunundneunzig Euro fällig ..."

Da der Lautsprecher des Telefons nicht gerade leise eingestellt ist, haben alle anderen am Tisch das Gespräch mitverfolgen können. Nachdem der Erste unter uns seine Verblüffung überwunden hat, bricht die gesamte Runde bald darauf in schallendes, mit sarkastischen Bemerkungen angereichertes Gelächter aus. Der Freund mit dem Telefon am Ohr hat sich überraschend schnell wieder gefangen. Mit den passenden Worten reagiert er auf die dreiste Abzockermasche: "Dann gehören Sie wohl auch zu denen, die sich aus den im Netz kursierenden Dateien bedienen, um an das Geld argloser Telefon-Benutzer zu gelangen?!!", notiert schnell noch die im Display angezeigte Telefon-Nummer "+4915171987579" und drückt auf die "Auflegen"-Taste.

Es würde mich nicht wundern, wenn diejenigen, die in der Hoffnung, dem Werbe-Terror am Telefon zu entkommen, die knapp einhundert Euro überweisen, auch künftig unter den sogenannten "Cold Calls" der Telefon-Spammer zu leiden haben werden. Schließlich kann niemand kontrollieren, ob die "über 200 Dateien" - von denen sicherlich auch die eine oder andere Sicherheitskopie existieren wird - tatsächlich "aus dem Netz" gelöscht worden sind.

Aber seit dem 9. Oktober 2013 ist ja das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in Kraft (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG). Damit kann man sich auf die Dauer vielleicht wirkungsvoller gegen Werbeanrufe, für die man nicht zuvor ausdrücklich sein Einverständnis erklärt hat, zur Wehr setzen. Der Paragraph 7 des UWG stellt klar, dass Werbung mit einem Telefonanruf, mit dem ein Verbraucher unzumutbar belästigt wird, unzulässig ist.

Bei der Bundesnetzagentur kann man gegen unerlaubte Telefon-Werbung Beschwerde einreichen. Wenn diese gegen unliebsame Werbeanrufer vorgeht, drohen ihnen Bußgelder in Höhe von bis zu 300.00 Euro. Ich denke, wenn das UWG seitens der Verbaucher regelmäßig genutzt und seitens der Behörden konsequent angewendet werden würde, dann dürfte das den Geschäftsmodellen der Telefon-Abzocker auf die Dauer wohl den Boden entziehen.


(Quellen: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - BMJV)

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Der Kalkofen in Lehe

Der Kalkofen in Lehe (Bütteler-/Ecke Hökerstraße) im Oktober 2014
Als die Hansestadt Bremen im Jahre 1827 auf dem gerade vom Königreich Hannover erworbenen Grundstück nördlich der Mündung der Geeste in die Weser mit dem Bau ihres neuen Seehafens - dem heutigen "Alten Hafen" - begann, waren der heutige Stadtteil Lehe und die benachbarten Unterweserorte noch eigenständige Gemeinden. Im Zuge des Hafenbaus und des daraufhin einsetzenden Überseehandels begann in der Bremer Exklave "Bremerhaven" und in Lehe eine rege Bautätigkeit, die weit bis ins 20. Jahrundert anhielt.

Für den Bau der vielen neuen Häuser wurden große Mengen Kalkmörtel benötigt, für dessen Herstellung man mithilfe von Kalköfen aus den aus dem Kalk der Schalen von Muscheln und Meeresschnecken gebrannten Kalk herstellte. Einer dieser Kalköfen, der 11,60 Meter hohe Kalkofen aus dem Jahre 1850 in der Bütteler Straße, hat die Wirrnisse der Zeiten überstanden.

Zur Vorbereitung des Kalkbrands wurden abwechselnd Schichten von Torf und Muscheln in den Ofen gelegt. Beim Einlegen der Schichten wurde in der Mitte ein Loch frei gehalten ...

Mörtel aus Lehe

Heute legen viele Menschen ja wieder Wert auf Produkte aus der Region. Der Kalkmörtel aus dem Leher Kalkofen war ein solches regionales Produkt. Das Rohmaterial dafür kam aus der näheren Umgebung Lehes.

Während des Sommers ließen die Fischer bei Ebbe flache Kähne auf den Sänden trocken fallen und füllten sie mit den Muscheln die sie zuvor im Watt ausgegraben hatten. Die Arbeit auf diesen sogenannten Schillenfahrten muss damals ein mühseeliges Geschäft gewesen sein. In seinem dreibändigen Werk "Bremerhaven in zwei Jahrhunderten" schrieb Harry Gabcke, dass es bis zu drei Tage dauern konnte, bis ein solcher Kahn auf diese Weise fertig beladen war.

Obwohl es auch heute noch am Stadtrand Bremerhavens Moore gibt, in denen in früheren Zeiten auch Torf gestochen wurde, transportierte man als Brennmaterial für den Kalkbrand hochwertigen Torf, der einen nur geringen Anteil an Verunreinigungen aufwies und eine vollkommen weiße Asche hinterließ, aus Wehden oder Hymendorf heran.

... Wenn die unteren Schichten in den Ofen gelegt worden waren, gelangte man über die höher gelegenen Arbeitstüren oberhalb des ebenerdigen Zugangs in das Innere des Ofens, um die weiteren Schichten einzulegen. Die letzte Schicht wurde von oben durch den Schornstein eingefüllt.

Im fertig befüllten Ofen war aus den in der Mitte der einzelnen Schichten freigehalten Löchern ein Kaminschacht entstanden. Dieser wurde mit glühender Holzkohle befüllt, mit der die Torfschichten im Ofen in Brand gesetzt wurden.

Beim dreitägigen Brennvorgang erreichte der Ofen eine Temperatur von etwa tausend Grad Celsius. Um das etwa einen halben Meter starke Mauerwerk des Ofens vor einem Auseinanderplatzen durch die Brennhitze zu schützen, wurde es von außen mit acht Eisenbändern und einer Kette gesichert.

Wenn der Ofen nach Abschluss des Brennvorgangs geöffnet wurde, konnte man das weiße, am Boden liegende Kalkmehl entnehmen. Nachdem es im Kalkhaus in Holztrögen mit Wasser zu einem feinem Brei verrührt worden war, konnte man den so entstandenen Mörtel für den Hausbau verwenden.


Ein bedeutendes Technik-Denkmal

Aufgrund des großen Nachfrage nach Mörtel waren in Lehe zeitweise vier Kalköfen in Betrieb. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schritt auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur voran. Dadurch wurden Transporte auch über weitere Strecken möglich. Wohl auch deshalb setzte sich während dieser Zeit im Baugewerbe mehr und mehr die Verwendung von Steinkalk durch, der aber schon bald vom Portland-Zement verdrängt wurde.

Die Kalköfen, in denen nachweislich schon seit dem frühen 17. Jahrhundert Kalkmehl hergestellt worden war, verloren an Bedeutung. Im Jahre 1870 wurde deshalb der Betrieb des Kalkofens in der Bütteler Straße eingestellt.

Im Jahre 1885 existierten im Gebiet des Bezirks Stade noch 17 Kalköfen, von denen einige allerdings bereits stillgelegt worden waren. Dem Verfall preisgegeben, mussten sie später aus Sicherheitsgründen abgerissen werden.

Seit 1895 nisteten über mehrere Jahrzehnte hinweg Störche auf dem Kamin des Kalkofens. Auch diesem Umstand ist es wohl zu verdanken, dass der Leher Kalkofen an der Bütteler Straße - im Gegensatz zu den drei anderen Leher Öfen - bis heute vollständig erhalten geblieben ist. 1973 wurde er unter Denkmalschutz gestellt und erinnert heute als bedeutendes Technik-Denkmal mit großem Seltenheitswert an den damaligen Bauboom in den Unterweserorten, die später zur heutigen Stadt Bremerhaven zusammenwuchsen.

Wie es in der Datenbank des Landesamts für Denkmalpflege des Landes Bremen heißt, hatte das Inventar der Kunstdenkmale der Provinz Hannover den Kalkofen im Leher Büttel bereits 1939 als Denkmal einer vorindustriellen Epoche mit einer Abbildung gewürdigt.


(Quellen: Harry Gabcke "Bremerhaven in zwei Jahrhunderten - Band I von 1827 bis 1918" S. 63 [Nordwestdeutsche Verlagsgesellschaft, Bremerhaven 1989, ISBN 3-927857-00-9], Landesamt für Denkmalpflege - Datenbank, Wikipedia)

Samstag, 11. Oktober 2014

Friedensnobelpreis für Kailash Satyarthi

Kailash Satyarthi (Foto: © Wikimedia Commons, CC: BY-SA)
Wenn die Taliban der damals fünfzehnjährigen Malala Yousafzai nicht in den Kopf geschossen hätten, weil sie sich für das recht auf Bildung für Mädchen eingesetzt hatte, und hätte sie den Mordanschlag nicht überlebt und wäre sie anschließend nicht weiter gegen die Unterdrückung von jungen Menschen und für deren Recht auf Bildung eingetreten, dann hätte die Welt wohl kaum von ihrer Existenz erfahren.

Aber der Friedensnobelpreis wurde in diesem Jahr an einen weiteren Streiter für die Rechte von Kindern vergeben, der mir bis dahin nicht bekannt war. Ich habe mich deshalb erst einmal "schlau machen" müssen, bevor ich über ihn schreibe. Die leisen Streiter, die ohne großes Aufsehen zu erregen, notwendige Dinge tun, lenken eben nicht in dem Maße die Blicke der Welt auf sich, wie der Mordanschlag auf ein fünfzehnjähriges Mädchen.

Kailash Satyarthi engagiert sich seit langem mit friedlichen Protestaktionen in der Tradition von Mahatma Gandhi gegen die Ausbeutung von Kindern in Indien. Seinem Engagement ist es auch zu verdanken, dass die Rechte von Kindern in internationalen Konventionen festgeschrieben wurden. Das Nobel-Komitee würdigte ihn für seinen persönlichen Ensatz mit dem er großen Mut bewiesen habe.

Mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an eine Muslimin aus Pakistan und einen Hindu aus Indien, die für ihr gemeinsames Engagement ausgezeichnet wurden, wollte das Komitee wohl auch ein Zeichen setzen, mit dem die Regierungen der beiden verfeindeten Atommächte Indien und Pakistan daran erinnern werden sollen, dass mit Frieden und Friedfertigkeit in einer immer noch ungerechten Welt mehr zu erreichen ist, als mit Unterdrückung, Kriegen und Atomraketen. Ich hoffe, die verantwortlichen Politiker beider Länder haben dieses Friedenszeichen verstanden.

Im Gegensatz zu den englischsprachigen Medien ist hierzulande bisher leider nicht sehr viel über Kailash Satyarthi berichtet worden. Einem Beitrag der "Zeit" vom 10.10.2014 kann man vielleicht entnehmen, warum das so sein könnte. Herr Satyarthi macht eben nicht viel Aufhebens um seine Person (Zitat):
"Mit diesem Preis finden die Stimmen von Millionen von Kindern Gehör – Stimmen, die bislang nicht gehört wurden. .. Meine beschränkten und bescheidenen Bemühungen haben es auch mit ermöglicht, dass die Stimmen von Millionen von Kindern, die in Sklaverei leben, gehört werden konnten."


Ich finde, die Auswahl des Nobel-Komitees war eine gute Entscheidung.
  • Herzlichen Glückwunsch auch an Kailash Satyarthi!


(Quelle: Die Zeit vom 10.10.2014, Wikipedia [ engl.])

Freitag, 10. Oktober 2014

Malala erhält Friedensnobelpreis

Malala Yousafzai at Girl Summit 2014-cropped
Malala Yousafzai (Foto: © Russell WatkinsOpen Government Licence v1.0)
Malala Yousafzai, das Mädchen, das am 09.10.2012 von den Talban in den Kopf geschossen worden war, weil sie bereits als elfjährige  in ihrem Blog über Gewalttaten der Pakistanischen Taliban im Swat-Tal berichtet hatte, nachdem diese nach ihrer Machtübernahme Mädchen von der Schulbildung ausgeschlossen und das Hören von Musik verboten hatten, erhält in diesem Jahr den Friedensnobelpreis.

Malala hatte den Mordanschlag wie durch ein Wunder schwerverletzt überlebt und war in England operiert worden. Trotz allem was ihr widerfahren ist, tritt sie weiterhin öffentlich für die Rechte der Kinder auf Bildung - insbesondere derjenigen der Mädchen - ein.

Wenn jemand es verdient hat, mit dem Friedensnobelpreis geehrt zu werden, dann ist es mit Sicherheit diese junge Frau, die auch eine meiner persönlichen Favoriten war. Deshalb freut es mich auch ganz besonders, dass sich das Nobel-Komitee für sie entschieden hat:
Herzlichen Glückwunsch, Malala!

Zum Weiterlesen:


(Quellen: Tagesspiegel vom 10.10.2014, Spiegel vom 10.10.2014, und viele mehr ...)

Dubioser Dachstuhlbrand in der Hafenstraße

Dachstuhlbrand in der Hafenstraße (Video: ©Brigitte Ehlers auf YouTube)

Unter dem Titel "Schreck zur Mittagsstunde ..." berichtete die Bremerhavener Bloggerin Brigitte Ehlers gestern mit einigen Zeilen in ihrem Blog "Cappuccino und Meer" über einen Feuerwehreinsatz in der Hafenstraße.

Der Schreck zur Mittagsstunde setzte sich danach nahtlos bis in die Abendstunden hinein fort. Die Hafenstraße war im Abschnitt zwischen dem Leher Tor und der Melchior-Schwoon-Straße komplett gesperrt. Auf meinem Weg nach Hause schlichen lange Schlangen von Autos im Schrittempo durch den verkehrsberuhigten Bereich der Goethestraße, so dass es selbst mit dem Fahrrad nicht voranging. Einem Kommentar zu Brigittes Bericht in "Cappuccino und Meer" ist zu entnehmen, dass es in der Pestalozzistraße wohl nicht anders aussah.

Erschwerend hinzu kam, dass der Autobahnzubringer "Grimsbystraße" derzeit im Abschnitt zwischen Stresemannstraße und Freigebiet gesperrt ist. Die Melchior-Schwoon-Straße und der gestern aufgrund des Brandes geperrte Abschnitt der Hafenstraße sind dafür als Umleitung ausgeschildert.

Die Ursache für das Verkehrschaos war ein Dachstuhlbrand in der Hafenstraße 73 (Ecke Kistnerstraße). Brigitte sagt, es sei nicht das erste Mal, dass es in dem Haus gebrannt hat.

Ich werde wohl nicht der Einzige sein, dem das verdächtig vorkommt. Zudem hat es in dem Haus gestern anfangs gleichzeitig an zwei Stellen gebrannt. Die Nordsee-Zeitung zitiert dazu in ihrer heutigen Ausgabe Herrn Schüßler (Feuerwehr Bremerhaven, Einsatzleiter) mit den Worten (Zitat): "Es brannte anfangs an zwei Stellen: im Erdgeschoss und im Dachstuhl."


Als der Alarm gestern gegen 13.45 Uhr bei der Hauptfeuerwache einging, sei bereits dichter Qualm aus einigen Fenstern und dem Dachstuhl des Gründerzeithauses gedrungen.

Zwei Feuerwehr-Trupps hätten zunächst in den zehn Wohnungen nach Menschen gesucht, hätten jedoch niemanden angetroffen. Herrn Schüßler zufolge seien dort zehn Personen gemeldet. Anwohner gehen der Nordsee-Zeitung zufolge jedoch von deutlich mehr und häufig wechselnden Bewohnern aus. Einige Männer seien vor Eintreffen von Polizei und Feuerwehr mit Reisetaschen aus dem Gebäude geeilt. Ähnlich hatte ich das gestern Abend auch schon von Brigitte gehört.

Wie die Nordsee-Zeitung weiter schreibt, war ein Großaufgebot von mehr als 50 Feuerwehrleuten der Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehren Lehe, Weddewarden und Wulsdorf sowie Kräften des Technischen Hilfswerks an der Bekämpfung des Brandes beteiligt.

Das Feuer im Erdgeschoss habe schnell gelöscht werden können. Zu Komplikationen sei es jedoch bei der Brandbekämpfung im Bereich des Dachstuhls gekommen. Nachdem von zwei Drehleitern aus Ziegel und andere Teile der Dachverkleidung gelöst worden seien, um das Löschwasser wirkungsvoll gegen die Flammen im Dachstuhl einzusetzen zu können, und gegen 15:10 Uhr kaum noch Rauch zu sehen gewesen sei, habe sich plötzlich unter dem Dach aufgestautes Rauchgas entzündet.

Durch die zwischen den Ziegeln hervorschießenden Flammen seien zwei Feuerwehrmänner in eine gefährliche Situation geraten, die kurz zuvor von der Drehleiter auf das Dachgestiegen seien. Mithilfe ihrer Kollegen seien sie jedoch unverletzt aus der Gefahrenzone entkommen.

Insgesamt habe es rund zwei Stunden gedauert, bevor das Feuer unter Kontrolle war. Die Löscharbeiten hätten aber erst am späten Abend abgeschlossen werden können.

  • Nach den Erfahrungen mit dem Dachstuhlbrand in einem Haus in der Stormstraße im Dezember 2007 befürchte ich nun, dass hier ein weiteres Haus aus dem gründerzeitlich geprägten Stadtbild am Rande des Goethe-Quartiers verschwinden könnte. Seit vielen Wochen steht ein Gerüst am Gebäude, ohne dass irgendjemand daran arbeitet. Bewohner, die sich mit Reisetaschen aus dem Staub machen, mehrfache Brände, ... - all das deutet - vorsichtig formuliert - nicht darauf hin, dass jemand ernthaft daran interessiert sein könnte, das Haus zu erhalten.

    Es ist wohl davon auszugehen, dass der gestrige Brand das Dach des Hauses nun endgültig zerstört hat. Die großen Mengen des eingesetzten Löschwassers werden vermutlich weitere Bereiche innerhalb des Gebäudes in Mitleidenschaft gezogen haben. - Auch dem Haus in der Stormstraße hatten letztlich der Dachstuhlbrand und das durch die Holzbalkendecken dringende Löschwasser den Rest gegeben ...


(Quellen: "Cappuccino und Meer" vom 09.10.2014, Nordsee-Zeitung vom 09.10.2014)

Dienstag, 7. Oktober 2014

CETA, TTIP: Selbstorganisierte EBI startet heute



Die Verteiler der Netzwerke arbeiten schnell: Heute Nacht, um Null Uhr fiel der Startschuss für die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (EBI) "Stop TTIP!".

Ein Bündnis aus mehr als 250 Organisationen kämpft für einen Stopp der Verhandlungen.

Nachdem die Europäische Kommission den Start einer offiziellen EBI aus "formalen Gründen" abgelehnt hatte, startete das Bündnis heute eine "selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative". Binnen eines Jahres sollen - formal konform zu einer offiziellen EBI - europaweit mindestens 1 Million Unterschriften gesammelt werden.

Das "Umweltinstitut München" und das demokratische Netzwerk "Campact" verwenden auf ihren Internetseiten jeweils ein eigenes Online-Formular, auf denen aktuell (Stand: 07.10.2014, 06:30 Uhr) bereits mehr als 1000 (Umweltinstitut München) bzw. 12000 (Campact) Unterschriften gegen die "Freihandelsabkommen" CETA (EU/Kanada) und TTIP (EU/USA) registriert wurden. Auf der zentralen Internetseite der EBI waren es um diese Zeit weniger als 100 - eine Stunde später stand der Zäher hier bereits auf mehr als 30.000 ...

Andere Organisationen, wie beispielsweise "Mehr Demokratie e.V." oder "TTIP unfairhandelbar" verwenden das offizielle Formular der EBI (Stop TTIP! org), das auch ich hier eingebettet habe:




Die EBI wird vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den Ablehnungsbescheid klagen. Sie stützt sich dabei auf ein Rechtsgutachten "zur Zulässigkeit einer gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) gerichteten Europäischen Bürgerinitiative " vom 30.04.2014. Damit bescheinigt Herr Professor Dr. Jur. Bernhard Kempen (Universität zu Köln, Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Direktor) dem Bündnis "Stop TTIP" (Zitat, Rechtsgutachten Seite 22):
  1. Eine EBI mit dem Ziel, TTIP und CETA zu verhindern ist rechtlich zulässig.
  2. Wegen des inneren Sachzusammenhangs ist es zulässig, beide Verträge zum Gegenstand einer EBI zu machen.
  3. Unter den beiden vorgelegten Varianten dürfte nach dem derzeitigen Stand der Vertragsverhandlungen zu CETA der Variante 2 der Vorzug zu geben sein.
  4. Alternativ zu den vorgelegten Entwurfstexten dürfte es ausreichen, die EBI so zu formulieren, dass allein das Ziel, den Abschluss der völkerrechtlichen Verträge zu verhindern deutlich wird.

Die EU-Kommission begründet die formale Zurückweisung der EBI mit der Behauptung, die Verhandlungsmandate zu TTIP und zum CETA seien keine Rechtsakte, sondern interne Vorbereitungsakte zwischen den EU-Organen. Diese seien durch eine Bürgerinitiative nicht anfechtbar. Herr Efler (Mehr Demokratie e.V.) kommentiert diese Auffassung der EU-Kommission mit den Worten (Zitat):
"Die Auffassung der Kommission, dass nur Rechtsakte mit Wirkung auf Dritte durch eine EBI berührt werden dürfen, ist offensichtlich rechtsfehlerhaft. Das Verhandlungsmandat der Kommission ist ein förmlicher Beschluss des Rats und ein Rechtsakt. Würde die Rechtsauffassung der Kommission Bestand haben, hieße das im Klartext: Der Bevölkerung sind bei der Entwicklung internationaler Verträge jeder Art die Hände gebunden - eine Auskunft, die ebenso erschreckend wie skandalös ist."

Da wurde - und wird - zwischen Kanada (CETA) bzw. USA (TTIP)  und der EU-Kommission einerseits, sowie multinationalen Konzernen und deren Lobbyisten andererseits hinter verschlossenen Türen de facto über die unanfechtbare Annullierung demokratisch legitimierter Gesetze und Verordnungen durch Konzerne vor internationalen Schiedsgerichten im Rahmen des Investorenschutzes verhandelt.

Im Klartext:
Den Konzernen wird damit das Recht eingeräumt, vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten gegen Gesetze Kanadas, der Vereinigten Staaten von Amerika oder der Europäischen Union bzw. deren Mitgliedsstaaten zu klagen und sie für ungültig erklären zu lassen, sobald man in den Führungsetagen der Konzerne der Ansicht ist, dass die entsprechenden Gesetze ihre Profite schmälern könnten.

Sollten CETA oder/und TTIP ratifiziert werden, dann wäre das auf jeden Fall ein Rechtsakt - und ein direkter Angriff auf grundlegende demokratische Rechte der Bürger in den betroffenen Staaten: Mit Auswirkungen auf alle Bereiche unseres täglichen Lebens!

  • Für eine EBI wäre es dann allerdings zu spät. Ich bin deshalb sehr gespannt darauf, was der Europäische Gerichtshof dazu sagen wird.


Zum Weiterlesen:


(Quellen: Spiegel vom 11.09.2014 und vom 06.10.2014, Süddeutsche Zeitung vom 05.09.2014, E-Mail Verteiler des Umweltinstituts München und von Campact, Mehr Demokratie e.V. - Kampagnen Blog, EBI "Stop TTIP!", TTIP unverhandelbar, Campact - 5-Minuten-Info)

Sonntag, 5. Oktober 2014

Deichspaziergang mit Mensch

Moin! Für alle, die mich noch nicht kennen: Ich bin Cleo. Gestern meinte mein Mensch - ihr kennt ihn wohl als "juwi" - also juwi meinte zu mir, er würde gerne an den Deich fahren, um die vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen und fragte mich, ob ich mit wolle. Genießen ist immer eine tolle Sache. Da habe ich mich natürlich nicht lange bitten lassen.

Ganz da hinten, ungefähr dort, wo der Weg aus dem Bild verschwindet, sind wir los gegangen. Der Weg führt vom Ochsenturm aus in Richtung Wremen  immer an der Wattkante entlang. Wenn ich etwas größer wäre hätte ich auch das Watt sehen können: Die Menschen haben da aber so einen blöden Wellenbrecher hin gebaut, der mir die Sicht verstellt.

Aber die Sonne stand so hoch am Himmel, dass sie über das blöde Ding hinwegscheinen konnte. So habe auch ich noch ein paar von den vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres abbekommen.

In regelmäßigen Abständen haben die Menschen Lücken in den Wellenbrecher eingebaut, durch die das übergeschwappte Wasser wieder zurück in Richtung Wattenmeer abfließen kann. Damit auch ich einmal sehen konnte wie es auf der Wattseite des Wellenbrechers aussieht, sind wir einmal durch eine der Lücken gegangen und ein Stück auf dem Betonstreifen zwischen der Basaltböschung und dem Wellenbrecher gelaufen.

Aber durch die nächste Lücke sind wir dann gleich wieder zurück auf den asphaltierten Weg gegangen: Der Betonstreifen war manchmal so schmal, dass ich sehr auf den Weg achten musste, damit ich mit den Pfoten nicht in die Lücken zwischen den Basaltblöcken geriet: So richtig entspannt auf das Watt blicken konnte ich deshalb auch nicht.

Über weite Strecken hinweg beginnt - vom Deichfuß aus gesehen - der Himmel direkt an der Deichkrone. Da vorne, wo man oben an der Deichkrone die Bäume sehen kann, habe ich meinen Mensch überredet, oben auf dem Deich zurückzugehen. Manchmal können Menschen ja sehr stur sein, wenn sie uns Hunden gegenüber ihren Willen durchsetzen wollen. Oft braucht es allerdings nicht sehr viel, um meine Menschen zu irgendetwas zu überreden. (In diesem Fall war ich mir allerdings nicht ganz sicher, ob juwi nicht ohnehin zur Deichkrone hinauf wollte.)

Auf dem Deich wachsen keine Bäume. Wenn zwischen der Deichkrone und dem Himmel also einmal Bäume ins Blickfeld geraten, dann ist das meistens ein Hinweis darauf, dass direkt hinter dem Deich Menschen wohnen. Die Bäume sollen Haus und Hof vor Wind und Wetter schützen. Hier im freien, platten Land, wo es ringsumher nur Wiesen und Weiden gibt, kann der Sturm oftmals auch sehr heftig toben, wenn er von der Landseite her über den Deich fegt.

Auf der anderen Seite des Deiches reicht der Blick weit über's Watt hinaus bis zum Horizont. Kein Grashalm, kein Busch oder Baum, kein Haus, nicht einmal ein Berg verstellt den Blick in die scheinbar endlose Weite. Da wo ich geboren wurde, in Coburg, kann man nicht so weit in die Ferne sehen. Mit meinem menschlichen Rudel, dessen Revier so dicht hinter den Deichen an der Nordseeküste liegt, habe ich eine gute Wahl getroffen.

Auf dem Rückweg konnte ich auch sehen, was hinter dem Deich los ist. Wer meint, da gäbe es nicht viel zu sehen, der sollte mal seine Augen aufmachen.

Ganz hinten am linken Rand sind auf diesem Foto beispielsweise zwei der Hochhäuser zu erkennen, die in Langen an der Straße nach Cuxhaven stehen. Langen ist eine Stadt, die direkt an der nördlichen Grenze von Bremerhaven liegt. Hinter dem Deich, mitten zwischen den weidenden Rindern, ...

... stehen überall diese Türme herum. An der Spitze trägt jeder von ihnen drei Flügel, die sich im Wind drehen. Wenn ich juwi richtig verstanden habe, dann sind diese Türme dafür zuständig, dass es bei uns zuhause auch dann noch hell ist, wenn die Sonne abends schon längst hinter dem Horizont verschwunden ist.

Auf der Wattseite des Deiches sind hinten rechts im Bild die Verladebrücken des Container-Terminals von Bremerhaven zu sehen. Ich habe nie verstanden, warum den Menschen Geld so wichtig ist, aber unter anderem über den Container-Terminal kommt angeblich das Geld ins Land und somit auch nach Bremerhaven, dass die Stadt am Leben erhält.

Ich brauche kein Geld. Mir reichen futtern, faulenzen, spielen und Spaziergänge zum Leben und zum Glücklichsein. - Den letzten Rest des Rückwegs haben wir auf dem Weg hinter dem Deich zurückgelegt. Oben auf dem Deich lagen zu viele Kuhfladen herum. Wenn die auf dem Deich weidenden Rinder das Gras kurz halten, dann sei das gut für den Deich und den Schutz vor Sturmfluten, meint juwi.

Bald kam voraus der "Ochsenturm" in Sicht, der seinen Namen dreien der männlichen Vorfahren jener Rinder verdankt, die heute noch hinter, und manchmal eben auch dem Deich weiden. Die Menschen, hier im Lande Wursten, erzählen sich dazu eine alte Geschichte.

An der Stelle, an der heute noch der Turm hinter dem Deich aufragt, sollen sich einmal drei Ochsen ausgeruht haben, deren Ställe in drei verschiedenen Orten standen. Zuvor hatten sie sich lange an den Stricken, mit denen sie von den Menschen aus den drei Dörfern zusammengebunden worden waren, hin und herrgezerrt: Nachdem sie am vorhergehenden Tag nichts zu futtern bekommen hatten, knurrten ihre Mägen lautstark um die Wette, und jeder von ihnen wollte unbedingt zum Futtern zurück in seinen eigenen Stall.

Irgendwie müssen die Ochsen damals ziemlich blöd gewesen sein: So viel Gras auf weiter Weide, aber die Rindviecher streiten sich bis zur Erschöpfung um den Weg zum jeweils eigenen Fressnapf. Dabei hätte ihnen doch klar sein müssen, dass - von diesen fiesen Menschen zusammengebunden - unmöglich jeder von ihnen jemals allein - ohne die beiden anderen - in seinen eigenen Stall gekommen wäre. Also, hätten die Menschen anstelle der Ochsen damals drei Hunde zusammengebunden, dann hieße der Turm heute bestimmt nicht "Hundeturm". Wir hätten die Stricke nämlich durchgekaut und die Menschen hätten selbst entscheiden müssen, wo sie ihren Turm erichten wollen ...

Geschafft: Ein schöner, langer Spaziergang, mit mit Blick vom Deich hinaus in die weite Welt und vielen der vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen dieses Jahres im Fell ist zu Ende.

Falls euer Revier von Bergen umgeben sein sollte, und ihr neugierig geworden sein solltet, wie es ist, wenn man bis zu Horizont blicken kann, dann solltet ihr mal nach Bremerhaven oder ins Land Wursten kommen. Wer weiß: Vielleicht würden wir uns dann ja sogar einmal begegnen, bei einem Spaziergang am Deich ...

  • Das war ein "Gastbeitrag" von Cleo :)
    Cleo und ich wünschen euch einen schönen sonnigen Sonntag.

Freitag, 3. Oktober 2014

Ein Job in luftiger Höhe und "Kohle" für Kohle

Keine übergroßen Insekten, ...
Was auf dem oberen Foto auf den ersen Blick aussehen mag, als würden unterhalb der Rotor Nabe übergroße Spinnen auf dem Rotorblatt der Windkraftanlage herumkrabbeln,


... sonden Jobs ...
entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als Menschen, die dort oben in luftiger Höhe ihrer Arbeit nachgehen. Der direkte Vergleich der daran arbeitenden Menschen verdeutlicht die Dimensionen dieser älteren, wohl noch zu den mittleren bis kleineren Anlagen zählenden Windkraftwerke.


... in luftiger Höhe.
Was die an den Rotoren arbeitenden Menschen mit Spinnen gemeinsam haben, ist vielleicht die Technik mit der sie sich dort oben bewegen. Wie Spinnen an ihren Fäden hängen sie bei ihrer Arbeit -  inklusive ihrer gesamten Ausrüstung - in ihren Klettergeschirren an vergleichsweise dünnen Seilen. Würde ihnen einmal ein Werkzeug aus der Hand fallen, dann wäre es sicher eine größere Aktion, es wieder heraufzuholen, bevor es mit der Arbeit weitergehen könnte.

Wie wichtig die Arbeit dieser Menschen ist, die für die Kontrolle und die Wartung der Windkraftanlagen zuständig sind zeigt die steigende Bedeutung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, die den fossilen Klimakillern - trotz aller Behinderungen infolge der unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes kontraproduktiven Energiepolitik der Bundesregierung - langsam aber sicher den Rang ablaufen.

Einem Artikel auf der Internetseite der ZDF-Heute Nachrichten vom 01.10.2014 zufolge lag der Anteil des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland in den ersten neun Monaten dieses Jahres bei 27,7 Prozent. Bye, Bye Braunkohle! hieß es dazu auf der Google+ Seite des Nachrichtenmagazins: Erstmals hätten die Erneuerbaren damit die Braunkohle bei der Stromerzeugung in Deutschland überholt.

Trotz der massiven Unterstützung seitens der Bundesregierung kam der Strom aus Braunkohlekraftwerken bis September nur noch auf einen Anteil von 26,3 Prozent. Steinkohle (18,5 Prozent) und Atomkraft (16,0 Prozent) liegen abgeschlagen auf den hinteren Rängen.


Klimaschutz geht anders

Würde die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen fördern und die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern und Uran dementsprechend zurückfahren, wären die Unterschiede inzwischen noch deutlicher sichtbar und Deutschland wäre weltweiter Vorreiter im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe. Für andere Länder wäre das ein Anreiz unserem Beispiel zu folgen.

Statt dessen bremst die Bundesregierung die Stromerzeugung aus regernativen Energien aus und fördert - wider besseres Wissen und unter Inkaufnahme der Folgen für die Menschen in den zukünftigen Tagebaugebieten - weiterhin die Braunkohle, die unter den fossilen Energieträgern der größte Klimakiller ist.

Aufgrund des vergleichsweise geringen Kohlenstoff-Anteils, entstehen bei der Verbrennung von Erdgas im Verhältnis zur Verbrennung von Kohle und Erdöl die geringsten CO2-Emissionen. Bedingt durch den Preisverfall im EU-weiten Handel mit Verschmutzungsrechten sind Kohlekraftwerke jedoch rentabler als Gaskraftwerke. Daher war die Stromerzeugung in Gaskraftwerken mit einen Anteil von 10,4 Prozent am Energiemix erneut rückläufig. Das führte dazu, dass die CO2-Emissionen in Deutschland während der beiden letzten Jahren zugenommen haben, statt zurückzugehen.
  • Klimaschutz geht anders!
Da hilft es wenig, dass selbst der bereits von der vorangegangenen Bundesregierung abgewürgte Solarstom sich bei entprechenden Wetterbedingungen durchaus sehen lassen kann ... - trotz alledem: Am 06.06.2014 gaben die hierzulande installierten Photovoltaik-Anlagen um die Mittagszeit herum 24,2 Gigawatt an das Stromnetz ab. Das entspricht in etwa der Leistung von 20 Atomkraftwerken.


"Kohle" für Kohle

Wer Atom- und Kohlestrom abnimmt, der bekommt obendrein noch Geld dazu ... - manchmal jedenfalls. Klingt komisch? Ist aber so:
Am 11.05.2014 lieferten Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft zeitweise 44 Gigawatt Strom. Das entsprch an diesem Tag etwa 75 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland. Weil die Atom- und Kohlekraftwerke technisch bedingt nicht schnell genug heruntergefahren werden konnten, kam es infolge des hohen Stromüberschusses zu negativen Strompreisen: Für den aus Deutschland importierten Strom bekamen ausländische Abnehmer etwa 6 Cent pro kW/h obendrauf. Umgangssprachlich ausgedrückt gab's also "Kohle" für Kohle.

Mit Gaskraftwerken wäre das nicht passiert. Die hätten sich nämlich schneller herunterfahren als Atom- und Kohlekraftwerke. Solange das aber politisch gewollt ist, wird es wohl auch weiterhin immer wieder mal "Kohle" für Kohle geben - zulasten des Klimas und der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder ...


(Quellen: Heise Telepolis vom 13.08.2014, Heise Telepolis vom 19.08.2014, Spiegel vom 01.10.2014, Google+ ZDF-Heute vom 01.10.2014, ZDF-Heute vom 01.10.2014, Greenpeace Magazin vom 01.10.2014, Die Zeit vom 02.10.2014, Anti-Kohle-Seite vom 02.10.2014, Energiezukunft vom 02.10.2014, Handelsblatt vom 03.10.2014, Handelsblatt vom 03.10.2014, WAZ vom 03.10.2014, Klimaretter.info vom 03.10.2014, Google+ Naturstrom vom 03.10.2014, Frankfurter Rundschau - Newsticker vom 03.10.2014, Agora Energiewende vom Oktober 2014 )