Donnerstag, 16. Oktober 2014

Der Kalkofen in Lehe

Der Kalkofen in Lehe (Bütteler-/Ecke Hökerstraße) im Oktober 2014
Als die Hansestadt Bremen im Jahre 1827 auf dem gerade vom Königreich Hannover erworbenen Grundstück nördlich der Mündung der Geeste in die Weser mit dem Bau ihres neuen Seehafens - dem heutigen "Alten Hafen" - begann, waren der heutige Stadtteil Lehe und die benachbarten Unterweserorte noch eigenständige Gemeinden. Im Zuge des Hafenbaus und des daraufhin einsetzenden Überseehandels begann in der Bremer Exklave "Bremerhaven" und in Lehe eine rege Bautätigkeit, die weit bis ins 20. Jahrundert anhielt.

Für den Bau der vielen neuen Häuser wurden große Mengen Kalkmörtel benötigt, für dessen Herstellung man mithilfe von Kalköfen aus den aus dem Kalk der Schalen von Muscheln und Meeresschnecken gebrannten Kalk herstellte. Einer dieser Kalköfen, der 11,60 Meter hohe Kalkofen aus dem Jahre 1850 in der Bütteler Straße, hat die Wirrnisse der Zeiten überstanden.

Zur Vorbereitung des Kalkbrands wurden abwechselnd Schichten von Torf und Muscheln in den Ofen gelegt. Beim Einlegen der Schichten wurde in der Mitte ein Loch frei gehalten ...

Mörtel aus Lehe

Heute legen viele Menschen ja wieder Wert auf Produkte aus der Region. Der Kalkmörtel aus dem Leher Kalkofen war ein solches regionales Produkt. Das Rohmaterial dafür kam aus der näheren Umgebung Lehes.

Während des Sommers ließen die Fischer bei Ebbe flache Kähne auf den Sänden trocken fallen und füllten sie mit den Muscheln die sie zuvor im Watt ausgegraben hatten. Die Arbeit auf diesen sogenannten Schillenfahrten muss damals ein mühseeliges Geschäft gewesen sein. In seinem dreibändigen Werk "Bremerhaven in zwei Jahrhunderten" schrieb Harry Gabcke, dass es bis zu drei Tage dauern konnte, bis ein solcher Kahn auf diese Weise fertig beladen war.

Obwohl es auch heute noch am Stadtrand Bremerhavens Moore gibt, in denen in früheren Zeiten auch Torf gestochen wurde, transportierte man als Brennmaterial für den Kalkbrand hochwertigen Torf, der einen nur geringen Anteil an Verunreinigungen aufwies und eine vollkommen weiße Asche hinterließ, aus Wehden oder Hymendorf heran.

... Wenn die unteren Schichten in den Ofen gelegt worden waren, gelangte man über die höher gelegenen Arbeitstüren oberhalb des ebenerdigen Zugangs in das Innere des Ofens, um die weiteren Schichten einzulegen. Die letzte Schicht wurde von oben durch den Schornstein eingefüllt.

Im fertig befüllten Ofen war aus den in der Mitte der einzelnen Schichten freigehalten Löchern ein Kaminschacht entstanden. Dieser wurde mit glühender Holzkohle befüllt, mit der die Torfschichten im Ofen in Brand gesetzt wurden.

Beim dreitägigen Brennvorgang erreichte der Ofen eine Temperatur von etwa tausend Grad Celsius. Um das etwa einen halben Meter starke Mauerwerk des Ofens vor einem Auseinanderplatzen durch die Brennhitze zu schützen, wurde es von außen mit acht Eisenbändern und einer Kette gesichert.

Wenn der Ofen nach Abschluss des Brennvorgangs geöffnet wurde, konnte man das weiße, am Boden liegende Kalkmehl entnehmen. Nachdem es im Kalkhaus in Holztrögen mit Wasser zu einem feinem Brei verrührt worden war, konnte man den so entstandenen Mörtel für den Hausbau verwenden.


Ein bedeutendes Technik-Denkmal

Aufgrund des großen Nachfrage nach Mörtel waren in Lehe zeitweise vier Kalköfen in Betrieb. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schritt auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur voran. Dadurch wurden Transporte auch über weitere Strecken möglich. Wohl auch deshalb setzte sich während dieser Zeit im Baugewerbe mehr und mehr die Verwendung von Steinkalk durch, der aber schon bald vom Portland-Zement verdrängt wurde.

Die Kalköfen, in denen nachweislich schon seit dem frühen 17. Jahrhundert Kalkmehl hergestellt worden war, verloren an Bedeutung. Im Jahre 1870 wurde deshalb der Betrieb des Kalkofens in der Bütteler Straße eingestellt.

Im Jahre 1885 existierten im Gebiet des Bezirks Stade noch 17 Kalköfen, von denen einige allerdings bereits stillgelegt worden waren. Dem Verfall preisgegeben, mussten sie später aus Sicherheitsgründen abgerissen werden.

Seit 1895 nisteten über mehrere Jahrzehnte hinweg Störche auf dem Kamin des Kalkofens. Auch diesem Umstand ist es wohl zu verdanken, dass der Leher Kalkofen an der Bütteler Straße - im Gegensatz zu den drei anderen Leher Öfen - bis heute vollständig erhalten geblieben ist. 1973 wurde er unter Denkmalschutz gestellt und erinnert heute als bedeutendes Technik-Denkmal mit großem Seltenheitswert an den damaligen Bauboom in den Unterweserorten, die später zur heutigen Stadt Bremerhaven zusammenwuchsen.

Wie es in der Datenbank des Landesamts für Denkmalpflege des Landes Bremen heißt, hatte das Inventar der Kunstdenkmale der Provinz Hannover den Kalkofen im Leher Büttel bereits 1939 als Denkmal einer vorindustriellen Epoche mit einer Abbildung gewürdigt.


(Quellen: Harry Gabcke "Bremerhaven in zwei Jahrhunderten - Band I von 1827 bis 1918" S. 63 [Nordwestdeutsche Verlagsgesellschaft, Bremerhaven 1989, ISBN 3-927857-00-9], Landesamt für Denkmalpflege - Datenbank, Wikipedia)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

...und hinter dem Kalkofen hatten Oma u. Opa einen Garten gehabt mit wunderbaren Birnbäumen. Als dann die Sauna gebaut wurde, mußten sie aufgeben.

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