|
Erpho Bell eröffnet die Veranstaltung |
Im Rahmen des "Kultursommers 2013" führten Herr Janßen (ESG-Lehe, Vorsitzender) und Herr Friedrich (Stadtplanungsamt, Bebauungsplanung, Abteilungsleiter) interessierte Besucher auf einem Spaziergang entlang des Altstadtrundwegs durch das Leher Goethe-Quartier.
Nachdem Herr Bell (Leher Kultursommer, Künstlerische Leitung) die Veranstaltung eröffnet hatte, ging es zum Startpunkt des Rundwegs auf dem Ernst-Reuter-Platz.
|
Ernst-Reuter-Platz |
Dort führten Herr Janßen und Herr Friedrich in das Thema "Stadtentwicklung früher und heute" ein und erläuterten anhand der Restaurierung der ehemaligen "Lessingschule" (heute "Schule am Ernst-Reuter-Platz"), der Neugestaltung des Markt-Platzes und der Pauluskirche die Veränderungen, die an diesem Ort seit Beginn des letzten Jahrhunderts stattgefunden haben. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Besucher der Veranstaltung auch etwas über Baustile des Historismus, insbesondere über die Norddeutsche Backsteingotik.
Lale Anderson: Geburtshaus, Lili Marleen via MP3-Player
Gegenüber des Ernst-Reuter-Platzes mündet die Lutherstraße in die Hafenstraße. In einem Haus gleich am Beginn der Straße wurde im Jahre 1905 Lise-Lotte Helene Berta Bunnenberg geboren. Die Sängerin, die später unter ihrem Künstlernamen Lale Anderson auftrat, wurde im Zweiten Weltkrieg mit dem Lied "Lili Marleen" auch international bekannt.
Ihr Lied traf den Nerv von Freund und Feind. "Lili Marleen" wurde innerhalb kürzester Zeit zur "Internationale" aller Soldaten an allen Fronten - und Lale Andersen zum Weltstar. Es wird erzählt, dass drei Minuten lang die Waffen an den Fronten schwiegen, sobald zum Sendeschluss des deutschen Soldatensenders "Belgrad", der mit seiner Reichweite vom Nordkap bis nach Nordafrika zu empfangen war, kurz vor Mitternacht
"Lili Marleen" im Radio zu hören war.
An der Wand neben der Eingangstür des Hauses erinnert eine Bronzetafel an die 1972 verstorbene Künstlerin.
"Die Theo"
Eine Straßenecke weiter steht "Die Theo", die ehemalige "Theodor-Storm-Schule". Hier erläuterten die beiden Stadtteilführer, den Wandel in der Bremerhavener Schullandschaft infolge der rasanten Zunahme der Bevölkerung in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts und des in den siebziger Jahren des 20. Jahrunderts einsetzenden Bevölkerungsrückgangs infolge struktureller Umbrüche (Werftensterben, Niedergang der Hochseefischerei, Abzug der US-Army).
Die als "höhere Töchterschule" gegründete "Theo" ist in der Zeit ihres mehr als einhundertjährigen Bestehens für die unterschiedlichsten Schulformen genutzt worden. Den größten Teil des heutigen Gebäudes macht ein später angebauter Erweiterungsbau aus.
Im Zuge der Neuordnung der Schullandschaft stellte sich die Frage, ob das Gebäude erhalten werden kann, oder ob es abgerissen werden muss. Die Entscheidung fiel zugunsten der Theodor-Storm-Schule. Seit 2007 wird das ehemalige Schulgebäude als "Die Theo" genutzt. Auf der Internetseite der "Theo" heißt es (
Zitat):
.. Gemeinsam verbinden sie (Anm. juwi: die Firmen und Einrichtungen in der Theo) die Bereiche Arbeit, Familie und Kultur auf vielfältige Weise. Es wird getanzt, geschauspielert, musiziert, gefilmt, dokumentiert, organisiert, beraten, vermittelt, vernetzt, unterstützt, entwickelt, trainiert, entspannt, Kinder betreut, bewegt, Historisches übermittelt, ausgestellt, gegärtnert, kreativ gearbeitet ..
|
Hier querte der kleine Fluss "Aue" die Potsdamer Straße |
Wer weiß, dass bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhundert ein kleiner Fluss mitten durch das Goethe-Quartier floss, der kann bis heute anhand verschiedenster Merkmale dessen ehemaligen Verlauf erkennen. An dieser Stelle unterquerte die "Aue", aus dem Wurster Umland kommend, einmal die Potsdamer Straße.
Zu erkennen ist das an der Art der Lücke in der ansonsten geschlossenen Blockrandbebauung: Im Gegensatz zu einer Abrisslücke weisen die Giebelseiten der Häuser hier Fenster und Balkons auf.
|
Pausenhof Lehe |
Ein großer Teil des heutigen Stadtteilplatzes "Pausenhof Lehe" war einmal der Pausenhof der ehemailgen Deichschule. Im Gegensatz zur "Theo" deren Bausubstanz in Ordnung war, konnte die Deichschule im Zuge des Umbaus der Schullandschaft in Bremerhaven nicht erhalten werden.
Im direkten Umfeld des Stadtteilplatzes musste bereits ein Eckgebäude (
Potsdamer-, Ecke Eupener Straße) abgerissen werden. Ein weiteres in der Uhlandstraße ist inzwischen ebenfalls nicht mehr zu retten und wird irgendwann abgerissen werden müssen. Wie es heißt, ist die Stadt aber im Gespräch mit Interessenten, die dort eine Neubau errichten wollen.
|
Das Phänomen der schiefen Häuser |
An dem Haus rechts im Bild ist im Vergleich mit den umstehenden Gebäuden deutlich zu erkennen, dass es sich von der Straße weg nach hinten neigt. Bezüglich des Neigungswinkels braucht es einen Vergleich mit dem "Schiefen Turm von Pisa" nicht zu scheuen.
Es gibt einige weitere Gebäude im Leher Goethe-Quartier, die ebenfalls von Setzungen betroffen sind. Herr Janßen erklärte die Ursachen dafür und beantwortete Fragen der Altstadtrundweg Spaziergänger.
Wohnprojekt Goethestraße 43
Dieses Haus ist von einer Bremerhavener Wohnungsbaugenossenschaft entsprechend der Wünsche der Mitglieder eines Wohnprojkets saniert worden. Bei der Gelegenheit wurde unter anderem im Hof auch ein Fahrstuhl angebaut, so dass das Gebäude heute barrierefrei ist, obwohl es sich um ein historisches Gründerzeithaus handelt. Eine Bewohnerin führte uns freundlicherweise in den Hof des Hauses und erzählte etwas zu seiner Geschichte und derjenigen des Wohnprojektes.
|
Eckkneipe "Beira Mar" |
Im gegenüberliegenden Eckhaus befindet sich auch heute noch eine der wenigen verbliebenen Eckkneipen des Leher Gründerzeitviertels. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts gab es diese Eckkneipen an jeder Straßenecke. Oft waren zwei, drei oder gar alle vier Ecken damit belegt.
Damals hatten die Familien viele Kinder, die Wohnungen waren klein und oft wohnten auch noch Untermieter darin. Es gab noch kein Fernsehen und nicht jede Familie konnte sich ein Radio leisten. So kam den Eckkneipen die Funktion der sozialen Netzwerke und "Chatrooms" des heutigen digitalen Zeitalters zu.
Die Männer trafen sich dort nach der Arbeit zu einem Feierabendbier und tauschten Neuigkeiten aus. Da auch Seefahrer in diesen Kneipen einkehrten, konnte man hin und wieder auch die neuesten Nachrichten aus Übersee erfahren.
|
Häuser in der Heinrichstraße |
Weiter ging es durch die Heinrichstraße zur letzten Station des Altstadtrundwegs. Die im Gegensatz zu den großen Gründerzeithäusern mit der Giebelseite zur Straße hin ausgerichteten Häuser in der Heinrichstraße markieren den Höhepunkt des ursprünglich eher schlichten, zweistöckigen Leher Hauses. Mit ihren reichgeschmückten Giebeln bilden sie eines des größten Ensemles denkmalgeschützter Gebäude im Goethe-Quartier.
|
Das "Schloss am Meer" |
Nicht zuletzt aufgrund seines auffallenden Grundrisses ist das "Schloss am Meer" eines der bekanntesten Gebäude im Viertel. Weniger bekannt dürfte den meisten Bewohnern des Goethe-Quartiers sein, dass es im Inneren noch weitgehend im Originalzustand erhalten ist. Das beginnt den Ausführungen Herrn Friedrichs zufolge im Treppenhaus mit Jugendstilverzierungen an Türen und Fenstern und setzt sich in den Wohnungen mit Stuckdecken, originalen Wandkacheln und anderen Details fort.
|
Blick vom Turm der Pauluskirche zurück auf das Goethe-Quartier |
Im Anschluss an den Spaziergang entlang des Altstadtrundwegs nahm ungefähr die Hälfte der Spaziergänger das Angebot zu einem Aufstieg zur Besuchergalerie am Turm der Pauluskirche an. Aus 35 Metern Höhe über Grund bot sich den Teilnehmern ein Ausblick über die Leher Stadtteile "Goethestraße" und "Klushof" - in Richtung Westen über die Freihäfen und über die Weser hinaus bis nach Ostfriesland, oder nach Osten über die Autobahn weit hinaus bis zu Horizont - der wohl niemanden unberührt ließ.