Der Umschlag von Atom-"Brennstoffen" in den Bremischen Häfen bleibt weiterhin verboten. Die Fraktion der CDU in der Bremischen Bürgerschaft (Bremer Landesregierung) hatte erfolglos gegen die Änderung des Hafenbetriebsgesetzes durch die rot-grüne Mehrheit vor dem Bremer Staatsgerichtshof (Verfassungs-gericht des Landes Bremen) mit einem Normenkontrollantrag geklagt.
Die CDU wollte vom Staatsgerichtshof des Landes Bremen die Bestätigung für ihre Annahme erhalten, dass die Landesregierung mit dem Verbot des Umschlags von Atom-"Brennstoffen" -
gemeint sind damit Brennstäbe für Atomkraftwerke und der bei deren Einsatz entstehende Atommüll - gegen Bundes- und EU-Recht verstößt. Sie argumentiert, dabei ginge es um Atomrecht, welches eine Angelegenheit der Bundesregierung sei. Daher überschreite die Landesregierung mit der Teilentwidmung der Bremischen Häfen für den Umschlag von Atom-"Brennstoffen" im Hafenbetriebsgesetz ihre Kompetenzen.
Schwarz-gelbe Atompolitik ...
Für die Öffentlichkeit hört sich der Anlass für den Vorstoß der Bremer CDU allerdings ganz anders an. In Interviews hieß es aus den Reihen der CDU-Politiker, man befürchte einen wirtschaftlichen Schaden für Bremen, wenn nicht mehr alle Güter in den Bremischen Häfen umgeschlagen werden dürfen. Das Umschlagsverbot für Atom-"Brennstoffe" gehe zulasten der Konkurrenzfähigkeit gegenüber den anderen deutschen Seehäfen an den Küsten der Nord- und Ostsee.
Einer Pressemitteilung des "Antiatomplenums Bremen" zufolge lag der Umschlag der Atom-"Brennstoffe" bis Ende Januar 2012 jedoch lediglich bei 20 Prozent der über die Bremischen Häfen in Bremerhaven abgewickelten Atomtransporte. Bei den verbleibenden 80 Prozent handele es sich um den Transport anderer radioaktiver Stoffe.
Wenn man bei einer Fahrt durch das Hafengebiet in Bremerhaven sieht, dass die Bereiche Auto- und Container-Umschlag offensichtlich den Löwenanteil der dort abgefertigten Güter ausmachen, dann wird der Anteil der 20 Prozent Atom-"Brennstoffe" am Umschlag radioaktiver Stoffe, der insgesamt nur einen kleinen Teil des Gesamtumschlags ausmacht, wohl kaum ins Gewicht fallen. Davon, dass sich hinter den "verbleibenden 80 Prozent" aber auch Rohstoffe für die Herstellung neuer Uran-Brennelemente in der Urananreicherungsanlage Gronau und in der Brennelementefabrik in Lingen verbergen, hört man in der Öffentlichkeit allerdings nicht sehr viel.
Ihre wahren Beweggründe versucht die Bremer CDU-Fraktion mit beiden Argumentationssträngen zu verschleiern. In Wahrheit geht es ihr wohl eher um die Aufrechterhaltung der Ver- und Entsorgung für die Atomkraftwerke, die nach dem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung mindestens noch bis 2022 in Betrieb bleiben sollen.
Gestern hat der Bremer Staatsgerichtshof den Normenkontrollantrag der CDU abgelehnt. Mit einer -
allerdings sehr knappen - Mehrheit von vier zu drei Stimmen verkündeten die Richter, die Änderung des Hafenbetriebsgesetzes sei kein Verstoß gegen die Landesverfassung. Daher sei der Bremer Staatsgerichtshof in dieser Sache nicht zuständig.
Das Scheitern vor dem Bremer Staatsgerichtshof hätte sich die Bremer CDU wohl besser erspart. Unter den Bremer und Bremerhavener Bürgern, denen an einem schnellen Umbau der Energieversorgung -
weg von fossilen- und atomaren-, hin zu CO2-neutralen, regenerativen Energiequellen - gelegen ist, hat sie mit ihrem Vorstoß jedenfalls mit Sicherheit keine neuen Freunde hinzugewonnen.
Nachdem der Bremer Staatsgerichtshof sich für nicht zuständig erklärt hat und weil die Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion nicht vor dem dem Bundesverfassungsgericht klagen kann, sind ihre rechtlichen Möglichkeiten jetzt ausgeschöpft. Wie die taz in ihrer Online-Ausgabe vom
17.06.2013 schreibt, hätten nur Bundes-Instanzen die Möglichkeit, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Änderung des Bremer Hafenbetriebsgesetzes vorzugehen. Das sei bisher jedoch noch nicht geschehen. Auch vom Umschlagsverbot betroffene Spediteure könnten möglicherweise über den Instanzenweg versuchen, letztlich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes anzustreben.
... und rot-grüne Gegenmittel
Im Gegensatz zu den Motiven der Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion könnte die Regierungskoalition des Landes Bremen (SPD und Bündnis '90 /Die Grünen) mit ihrem Umschlagsverbot für Atom-"Brennstoffe" vom 31.01.2012 auch den möglichen Nebeneffekt einer deutlichen Verkürzung der Betriebszeiten der neun noch laufenden Atomreaktoren im Blick haben, die natürlich von einer gesicherten Ver- und Entsorgung -
also von Atomtransporten - abhängig sind.
So wie es zum Selbstverständnis der CDU in der Bundesregierung und in den Landesregierungen gehört, die Interessen der Atomkonzerne zu unterstützen und die Welt mit Atombrennstäben "Made in Germany" aus der Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen zu beglücken, gehört es zum Selbstverständnis der SPD und der Grünen, dass sich die Nutzung von Atomkraftwerken zur Stromerzeugung nicht mit den Zielen nachhaltiger rot-grüner Wirtschaftspolitik, sowie wie dem Ausbau der erneuerbaren Energien vereinbaren lassen.
Der Argumentation im Normenkontrollantrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion setzt die Bremer Landesregierung entgegen, dass sie mit der Teilentwidmung nur den Umschlag von Atom-"Brennstoffen" verboten hat. Die "Widmung von Häfen" sei jedoch eine Angelegenheit der Länder. Kein Bundesland könne vom Bund gezwungen werden, Hafenanlagen für den Atomtransport zu bauen oder vorzuhalten. Die Änderung des Bremer Hafenbetriebsgesetzes sei somit kein Eingriff in das Atomrecht.
Bund muss Umschlagsverbot respektieren
Das Bundesumweltministerium bestätigt den Standpunkt der Bremer SPD. Auf eine Anfrage beim Bundesumweltministerium erhielt Radio Bremen die Antwort, der Bund habe in der Frage des Umschlagsverbots für Atom-"Brennstoffe" in den Häfen
keine Anordnungsbefugnis. Die Bundesregierung könne also nicht erzwingen, dass Atom-Transporte über die Häfen in Bremen oder die Bremischen Häfen in Bremerhaven stattfinden.
Diese Auskunft des Bundesumweltministeriums widerspricht ganz klar auch der Aussage der früheren schwarz-gelben Landesregierung Niedersachsens. Diese hatte argumentiert, sie habe keine Möglichkeit, den Transport von MOX-Brennelementen über den Midgard-Hafen in Nordenham (Niedersachsen, Weser) zum Atomkraftwerk "Grohnde" zu unterbinden. Mit ihrer
Resolution vom 18.09.2012 waren der Stadtrat Nordenham und der Kreistag Wesermarsch diesbezüglich der Zeit schon um einiges voraus.
Die damalige schwarz-gelbe Landeregierung sah jedoch offenbar keine Veranlassung, sich damit auseinanderzusetzen. Die neue rot-grüne Regierung des Landes Niedersachsen wollte das gestern gefällte Urteil des Bremer Staatsgerichtshof abwarten und anschließend politisch bewerten. Ich bin sehr gespannt, ob dabei etwas herauskommen wird, oder ob Herr Weil sich wieder -
wie zuvor schon im Falle Endlagersuchgesetz /Atommüll-"End"-Lager "Gorleben" - von Herrn Altmaier (CDU, Bundesumweltminister) um den Finger wickeln lässt.
Sollte die Landesregierung Niedersachsens den Umschlag von Atom-"Brennstoffen" in den Häfen des Landes aber ebenfalls verbieten, dann bliebe an der Nordseeküste im Wesentlichen nur noch der Hamburger Hafen für Atomtransporte übrig. Nach dem
Brand auf der "Atlantic Cartier" im Hamburger Hafen, die radioaktives Uranhexafluorid an Bord hatte, das für die Brennelement-Herstellung benötigt wird, dürften die Menschen in Hamburg aber inzwischen gegenüber den Gefahren von Atomtransporten auch etwas sensibilisierter geworden sein ...
Staatsgerichtshof: Der andere Standpunkt
Die drei Verfassungsrichter des Bremer Staatsgerichtshofs, die eine andere Meinung als ihre vier Kollegen vertreten, merken an, dass der Seeweg für Atom-"Brennstoffe", der offenkundig ja große Bedeutung habe, verschlossen wäre, wenn andere Küstenländer dem bremischen Beispiel folgen würden. Daher sei das Umschlagsverbot ein eindeutiger Eingriff in Zuständigkeiten des Bundes.
Das sehe ich anders. Denn selbst wenn in allen deutschen Seehäfen der Umschlag von Atom-"Brennstoffen" verboten wäre, bliebe der Bundesregierung, immer noch der Umschlag in Häfen des benachbarten Auslands und der Transport über Land. Unter diesem Gesichtspunkt wäre selbst die Teilentwidmung aller deutschen Seehäfen kein Hindernis für die Bundesregierung, wenn sie meint, ihren internationalen Verpflichtungen (Rücknahme des Atommülls in Form von MOX-Brennstäben aus der Atommüll-Aufbereitungsanlage "Sellafield", Großbritannien) nachkommen zu müssen.
Und was den weltweiten Export von Atom-Brennstäben "Made in Germany" über die deutschen Seehäfen angeht, ist es ohnehin längst an der Zeit, die beiden Atomfabriken zu schließen. Solange diese noch in Betrieb sind, bleibt die Absichtserklärung der wespenfarbenen Bundesregierung, sie wolle aus der Nutzung der Atomenergie auszusteigen, schlichtweg unglaubwürdig. Mit der Stilllegung der letzten neun Atomkraftwerke allein wird der deutsche Atomausstieg jedenfalls noch lange nicht vollendet sein!
(Quellen: taz vom 17.06.2013, Weser-Kurier vom 17.06.2013, Antiatomplenum Bremen - Pressemitteilung vom 17.06.2013, Radio Bremen - Buten un Binnen Beitrag vom 17.06.2013, Pressemitteilung des Staatsgerichtshofs Bremen vom 17.06.2013, SAND und MAUS vom 14.06.2013, Radio Bremen vom 16.06.2013)