Auf dem Gelände des abgeschalteten Atomkraftwerks "Brunsbüttel" (Schleswig-Holstein, Elbe) darf kein Atommüll mehr gelagert werden. Am 19.06.2013 hob das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Betriebsgenehmigung für das Atommüll-"Zwischen"-Lager auf.
Geklagt hatte eine Familie, deren landwirtschaftlicher Betrieb nur wenige Kilometer von Atomkraftwerk entfernt liegt. In ihrer Klage stellte sie die Frage nach der Sicherheit des etwa 250 Meter vom Atomreaktor entfernt stehenden Atommülllagers im Falle eines Terrorangriffs mit Panzerfäusten oder einem Flugzeug wie dem Airbus 380. Betreiber des Atomkraftwerks und des Atommülllagers ist der Atomkonzern "Vattenfall", der seit 2003 die Genehmigung für die Lagerung radioaktiver Abfälle auf dem Kraftwerksgelände hat.
In seiner Urteilsbegründung wirft das Gericht dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) "Ermittlungsdefizite" vor. Beispielsweise seien in Jahre 2003 Daten zum Airbus 380, der damals bereits gebaut wurde, nicht berücksichtigt worden. Auch Details zu neueren panzerbrechenden Waffen habe das Amt außer Acht gelassen. Da das Oberverwaltungsgericht keine Revision zuließ, ist das Urteil endgültig.
Herr Altmaier (CDU, Bundesumweltminister) dürfte über die Aufhebung der Betriebsgenehmigung für das Atommülllager nicht sehr erfreut sein, da mit der Urteilsverkündung auch die Zustimmung der Landesregierung Schleswig-Holsteins zur Lagerung von Castor-Behältern mit hochradioaktivem Atommüll aus der Atommüll-Aufbereitungsanlage "Sellafield" (Großbritanien) wertlos ist. Schon mit der strikten Weigerung Bayerns und Hessens, hochradioaktiven Atommüll in ihren Bundesländern zu lagern, war das "Endlagersuchgesetz" der wespenfarbenen Bundesregierung, über das in Kürze im Bundestag abgestimmt werden soll, eigentlich gescheitert. Was bleibt, ist nur die Zusage der grün-roten Landesregierung Baden-Würtembergs für die Aufnahme maximal eines Drittels der erwarteten Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll.
Die Aufnahme des hochradioaktiven Atommülls aus den Atommüllaufbereitungsanlagen "Sellafield" und "La Hague" (Frankreich) in Atommülllagern an den Atomkraftwerksstandorten ist jedoch die Vorbedingung für die Einigung zum Endlagersuchgesetz auf politischer Ebene. Dabei handelt es sich um den Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken, der noch aus den Atommüllaufbereitungsanlagen zurückgenommen werden muss, aber entsprechend der Einigungen zum Endlagersuchgesetz nicht mehr im oberirdischen Atommüll-"Zwischen"-Lager am Standort Gorleben eingelagert werden soll.
Atommülllagerung: Ein großes Geheimnis
Da das BfS viele Details geheim hielt, und dem dem Gericht daher keine Fakten zur Verfügung standen, auf deren Grundlage es hätte entschieden können, ging es letztlich nur um die Frage, ob das BfS im Jahre 2003 korrekt gehandelt hatte. Einem Bericht der taz vom 19.06.2013 zufolge hatten die Sachverständigen des BfS beispielsweise mehrfach nur angegeben, sie hätten stets "konservativ", also vorsichtig gerechnet - allerdings mit der meines Erachtens nicht gerade unwesentlichen Einschränkung, dass sie "nicht in jedem Szenario den schlimmsten Fall angenommen" hätten.
Für die Gutachterin der Kläger (Oda Becker) seien jedoch beispielsweise gerade Details - etwa wie lange ein abgestürztes Flugzeug brennt - entscheidend, da die Sicherheit von Atomkraftwerken, Atommüllbehältern oder Atommülllagern im Falle eines Brandes immer auch von der Dauer der Hitzeeinwirkung abhängig ist. Der Sachverständige des BfS habe die "Frage der Thermik" hingegen als "nicht so relevant" abgetan.
Endlagersuchgesetz: Sicherheit nachrangig
Neben den Auswirkungen der Aufhebung der Betriebsgenehmigung für das Atommülllager des Atomkraftwerks "Brunsbüttel" auf das Endlagersuchgesetz stellt sich nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig erneut die oft gestellte - aber nie befriedigend beantwortete(!) - Frage nach der Sicherheit der Atomkraftwerke, ihrer außerhalb des Reaktorgebäudes liegenden Anlagen und ihrer Atommülllager bezüglich möglicher Terrorangriffe oder Flugzeugabstürze. - Und wenn das Gericht dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Falle des Atomkraftwerks "Brunsbüttel" Ermittlungsdefizite vorwirft, dann werden derartige Defizite bei der Genehmigung anderer Atommülllager und sonstiger Atomanlagen wohl kaum auszuschließen sein.
Wenn alles mit rechten Dingen zuginge, dann hätten die Fragen des Oberverwaltungsgerichts Schleswig nach der Sicherheit des Atommülllagers beim Atomkraftwerk "Brunsbüttel" wohl ohne Umschweife beantwortet werden können. Aufgrund der Tatsache, dass das BfS diese Fragen aber als vertrauliche Verschlusssache behandelt, liegt die Vermutung nahe, dass die Sicherheit der Atomüll-"Zwischen"-Lager - insbesondere aber diejenige des von Vattenfall betriebenen Lagers bei Brunsbüttel - tatsächlich zu wünschen übrig lässt.
Atomanlagen schnellstmöglich stillegen!
Da die Sicherheitslage der Atomanlagen ein so großes Geheimnis ist, wissen wir Bürger überhaupt nicht, wofür wir unsere schwer verdienten Steuergelder ausgeben. In Falle des Atommülllagers auf dem Gelände des Atomkraftwerks "Brunsbüttel" wäre unser Geld jedenfalls offenbar für die Lagerung von Castorbehältern in einer Anlage ausgegeben worden, deren Eignung dafür nicht einmal das Oberverwaltungsgericht Schleswig klären konnte. Dem hat das Gericht jetzt dankenswerter Weise einen Riegel vorgeschoben.
Nach den Super-GAUs in den Atomkraftanlagen "Tschernobyl" und "Fukushima Dai-ichi", dem GAU des deutschen Atommüllagerungskonzepts im ehemaligen Salzbergwerk "Asse-II", der Beinahe-Atomkatastrophe beim Brand der u.a. mit Uranhexafluorid beladenen "Atlantic Cartier" im Hamburger Hafen etc. ist einzig die Tatsache sicher belegt, dass es bezüglich der Atomkraftwerke, sowie ihrer Ver- und Entsorgung keinerlei Sicherheit gibt.
Aus Gründen der Sicherheit müssen deshalb alle Atomanlagen in Deutschland schnellstmöglich stillgelegt werden. Die letzten neun deutschen Atomkraftwerke müssen deutlich vor dem Jahre endgültig abgeschaltet werden. - Und mit der Außerbetriebnahme der letzten Atomkraftwerke ist der "Atomausstieg" noch lange nicht abgeschlossen!
(Quellen: NDR vom 19.06.2013, taz vom 19.06.2013, Spiegel vom 19.06.2013, Die Zeit vom 19.06.2013, Die Welt vom 19.06.2013)
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