Montag, 12. August 2013

Japanische Zauberlehrlinge

Atomkraft? Nein Danke!Am 07.08.2013 hat Japans atomfreundliche Regierungspartei LDP eingeräumt, dass offenbar seit zwei Jahren täglich rund 300 Tonnen radioaktiv belastetes Grundwasser aus den zerstörten Atomreaktoren der Atomkraftanlage "Fukushima-I" (Dai-ichi) unkontrolliert in den Pazifik fliessen.

Bei einem Besuch ausländischer Journalisten im Juni hieß es seitens Tepco noch, die Lage sei unter Kontrolle und es bestehe keinerlei Risiko. Erst im Juli folgte dann endlich das Eingeständnis bezüglich des unkontrollierten Abflusses radioaktiv kontaminierten Wassers in den Pazifik. Und das, obwohl die Medien bereits im April dieses Jahres über "Lecks in unterirdischen Tanks" berichtet hatten.

Um das im Erdreich versickernde radioaktiv kontaminierte Wasser zumindest örtlich zu begrenzen, hatte Tepco Chemikalien ins Erdreich gespritzt, die sich dort zu einer "chemischen Mauer" verhärten sollten.
Das Wasser suchte sich jedoch andere Wege und floss um die "Mauer" herum ins Meer.

Wie die Süddeutsche Zeitung am 10.08.2013 berichtete, ist überhaupt erst jetzt - mehr als zwei Jahre nach dem Beginn des Super-Gaus(!) - mit dem Abpumpen des kontaminierten Wassers aus der Atomkraftanlage begonnen worden. Tepco habe mitgeteilt, dass am Freitag in sechs Stunden die ersten 13 Tonnen Wasser abgesaugt worden seien. Angestrebt seien 100 Tonnen pro Tag. Diese Menge käme dann zu den 300 Tonnen noch hinzu.


Die Zauberlehrlinge

Letztendlich ist aber auch das alles wieder nur Augenwischerei, die der Beruhigung der Menschen in Japan dienen soll. Angesichts dessen, dass die Kapazität der Auffangtanks auf dem Gelände der Atomkraftanlage für diese gigantischen radioaktiv kontaminierten Wassermengen bereits erschöpft ist, frage nicht nur ich mich, wohin das täglich hinzukommende Wasser denn wohl fließen soll, wenn nicht in den Pazifik: Ins Landesinnere etwa? Vielleicht in südliche Richtung, nach Tokio?

Darüberhinaus, würden jeden Tag rund 400 Tonnen Grundwasser in die Reaktorgebäude eindringen und sich dort mit dem kontaminierten Kühlwasser vermischen. Wie das Umweltinstitut München in einer E-mail an seinen Verteiler schreibt steigt der Grundwasserspiegel unter der havarierten Atomkraftanlage aufgrund der bereits erwähnten chemischen Mauer. Deshalb drücke ständig Wasser auf das Reaktorgelände und vermenge sich dort mit radioaktiv kontaminiertem Wasser, das vermutlich aus Lecks unter Reaktor 2 austrete.

Um das eindringende Grundwasser vom Gelände der Atomkraftanlage fernzuhalten, solle ein von 1,4 Kilometer langer "unterirdischer Wall" aus gefrorenem Boden um die Reaktorgebäude errichtet werden. Dazu würden chemische Kühlmittel über unterirdisch verlegte Rohre ins Erdreich gedrückt werden. Da stellt sich die Frage, wieviele unterirdische Mauern, Wälle und sonstige Bollwerke wohl noch errichtet werden müssen, bevor Japans "Atomdorf" die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen endlich einsieht und zugibt, dass auch der zweite Super-GAU in der Geschichte des Atomzeitalters nicht zu kontrollieren ist.

Auf erschreckende Weise erinnern mich die Versuche, der radioaktiv kontaminierten Wasserfluten Herr zu werden, an Goethe's "Zauberlehrling". - Nur ist in diesem Fall kein Meister zur Stelle, der die Katastrophe noch bannen könnte. Sie begann am 11. März 2011 und dauert bis heute an ...


Der Steuerzahler wird's schon richten

All diese hilflosen Maßnahmen kosten Unmengen von Geld. Mit umgerechnet bis zu 44 Milliarden Euro könnten sich die vom "Nationalen Institut für Industrielle Wissenschaft und Technologie" (Japan) veranschlagten Kosten einmal einen fünf mal so hohen Betrag summieren, wie der ursprünglich von der Regierung genannte Betrag.

Der japanischen Regierung zufolge ist der - inzwischen ohnehin verstaatlichte - Tepco-Konzern so gut wie pleite. Deshalb müsse der Staat jetzt einspringen - will heißen: Die japanischen Steuerzahler werden es schon richten.

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem "Nationalen Institut .." ein staatlich unterstütztes Institut handelt, das durchaus "um mehrere Ecken" in die Machenschaften des Atomdorfs eingebunden sein könnte, und nach den langjährigen Erfahrungen infolge des atomaren Super-GAUs von "Tschernobyl" (26.04.1986), kann man wohl davon ausgehen, dass die endgültige Rechnung, die den Bürgern Japans einmal präsentiert werden wird, noch um einiges höher ausfallen wird.

Und wir sollten uns nichts vormachen: Nach einem jederzeit möglichen atomaren Super-GAU in Europa würden auch wir für den von den Atomkonzernen angerichteten Schaden aufkommen müssen. Deren Lobby ist auf EU-Ebene gerade dabei, die Weichen für eine offensive Subventionierung zum Bau neuer Atomkraftwerke zu stellen - selbstverständlich ebenfalls bezahlt von unseren Steuergeldern.

Ein atomarer Super-GAU in der Größenordnung von "Fukushima" würde Frankreich einer - ebenfalls staatlichen - Studie des französischen "Instituts für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit" (IRSN) zufolge rund 430 Milliarden Euro kosten. Selbst im Falle einer Berechnung für ein Unfallszenario geringeren Ausmaßes würden die französischen Steuerzahler der IRSN-Studie zufolge immer noch für Schäden in Höhe von etwa 120 Milliarden Euro zur Kasse gebeten werden.

Der Bau und der Betrieb neuer Atomkraftwerke sind von den Atomkonzernen heute unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten offensichtlich nicht mehr zu rechtfertigen ... - und sie sind es nie gewesen! Sollte die offene Subventionierung der Atomkonzerne tatsächlich zum festen Bestandteil der europäischen Gesetzgebung werden, dann würden die Atomkonzerne in der EU mehr den je die Rolle von Schmarotzern übernehmen, die sich an dem schwer erarbeiteten Geld der europäischen Steuerzahler vollsaugen.

Für unsere Sicherheit und die unserer Nachkommen, sowie den Schutz unserer Umwelt können die Atomkonzerne und ihre politischen Handlanger nicht garantieren und für eine sichere, über Jahrmillionen von der Biosphäre abgeschirmte Lagerung des beim Betrieb der Atomkraftwerke produzierten Atommülls gibt es keine Lösung. Jeder der etwas anderes behauptet, ignoriert die Gesetze der Physik und der Geologie. Gerade auch unter diesen Gesichtspunkten gibt es für den Bau neuer- und den weiteren Betrieb der alternden Atomkraftwerke keinerlei Rechtfertigung.



(Quellen: Süddeutsche Zeitung vom 10.08.2013, Der Standard vom 09.08.2013, Schweizer Radio und Fernsehen vom 09.08.2013, Neue Züricher Zeitung vom 07.08.2013, Spiegel vom 07.08.2013, ARD-Tagesschau vom 07.08.2013, Der Standard vom 07.08.2013, Die Zeit vom 07.08.2013, Heise News vom 07.08.2013, taz vom 24.07.2013, Süddeutsche Zeitung vom 20.07.2013, Deutschlandfunk vom 19.07.2013, Die Zeit vom 09.04.2013, Neue Züricher Zeitung vom 09.04.2013, Der Standard vom 09.04.2013, Süddeutsche Zeitung vom 07.04.2013, Frankfurter Rundschau vom 07.04.2013, Die Welt vom 07.02.2013, Merkur online vom 07.11.2012)

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