Abflugtafel: "Flug entfällt" (Foto: © Hotelstvedi, CC: BY-SA 3.0) |
Die EU-Kommission ist gerade dabei, diesen Rechtsanspruch zu ändern. Zugunsten der Fluggesellschaften arbeitet sie mit Unterstützung der Bundesregierung an einer erheblichen Einschränkung der Rechte von Passagieren. Darüber berichtete das ARD-Politmagazins "Monitor" am 08.08.2013 in einem Filmbeitrag.
Nach langem Ringen um die Passagierrechte in der EU kam am 17.02.2005 der Durchbruch. Herr Barrot (EU-Kommission, damals Verkehrskommissar) feierte die neue "Fluggastrechteverordnung" als historischen Moment (Zitat):
"Von heute an gilt, wenn es Probleme beim Einchecken gibt, wenn es große Verspätungen gibt, dann muss es dafür eine Entschädigung geben. Und dieser Anspruch gilt jetzt in ganz Europa!"
Das lässt sich ändern
Trotz ihres Rechtsanspruchs mussten Passagiere aber immer wieder vor Gericht um ihr Recht kämpfen. Das wurde im Monitor-Film anhand einiger Beispiele dokumentiert. Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Das Gegenteil ist der Fall: Einem Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Fluggastrechteverordnung vom März 2013 zufolge, sollen die Fälle, in denen den Passagieren zukünftig überhaupt noch Entschädigungen zustehen, erheblich reduziert werden.
- Die Verspätungsdauern, ab denen Entschädigungen fällig werden, sollen drastisch erhöht werden:
- Bei einem Flug von Berlin nach Dubai bestand bisher nach drei Stunden Verspätung einen Anspruch auf Entschädigung. Künftig soll das erst ab neun Stunden Verspätung gelten.
- Auch auf Langstrecken, beispielsweise auf der Strecke Toronto - Düsseldorf konnte kann man bisher bei drei Stunden Verspätung eine Entschädigung geltend machen. Mit der neuen Verordnung soll das erst ab einer Verspätung von mindestens 12 Stunden möglich sein.
Im Film von Monitor hieß es, diese Änderungen hätten - verglichen mit dem bisherigen Recht - für bis zu 72 Prozent aller Passagiere zur Folge, dass sie zukünftig leer ausgehen.
- Einem Urteil vom Anfang dieses Jahres zufolge ist eine Woche für die Unterbringung gestrandeter Passagiere angemessen. Mit der Änderung der Fluggastrechteverordnung soll dieser Anspruch auf drei Tage reduziert werden.
- Darüber hinaus ist eine Regelung vorgesehen, nach der freiwillige Vereinbarungen verabredet werden können, die von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Damit könnte das geltende Recht komplett ausgehebelt werden, weil die Airlines den Kunden alles diktieren könnten!
Ein Wahlkampfgeschenk für die Airlines
Herr Cramer (EU-Parlament, Grüne, verkehrspolitischer Sprecher), der seit Jahren für die Rechte von Flugpassagieren kämpft, begrüßt die Änderungen zur Erhöhung der Rechtsssicherheit, fordert aber, dass die Revision der Fluggastrechteverordnung nicht als Gelegenheit für eine Aufweichung der bereits bestehenden Passagierrechte missbraucht wird. Für ihn ist klar, dass die deutsche Bundesregierung eine treibende Kraft bei den Änderungen für die neue Fluggastverordnung ist.
Darüber mögen Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) und Herr Ramsauer (CSU, Verkehrsminister) aber in der Öffentlichkeit nicht so gerne sprechen. - Gerade jetzt nicht:
- Irgendwie eignet sich die Entrechtung von Millionen von Flugreisenden wohl nicht so recht als Wahlkampfthema.
Die Bunderegierung und die Vertreter der Fluggesellschaften werden aber schon miteinander gesprochen haben. Wie es bei Monitor hieß, hat beispielsweise die Lufthansa die Regierung schon vor drei Jahren aufgefordert, die Passagierrechte kritisch zu überprüfen. Jetzt scheint sie damit wohl Erfolg zu haben.
Still und heimlich hat sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass viele Fluggäste in Zukunft keinerlei Entschädigung mehr bekommen, selbst wenn ihr Flug stundenlang Verspätung haben sollte. Ziel sei eine stärkere Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Airlines.
- Für die Luftfahrt-Unternehmen gibt es im Wahlkampf dieses Mal also wohl etwas mehr, als nur einen Luftballon oder einen Kugelschreiber.
Die Anzahl meiner bisherigen Flugreisen ist im Verhältnis zu vielen meiner Mitmenschen, die viel beruflich unterwegs sind oder die jedes Jahr in den Urlaub fliegen, eigentlich nicht der Rede wert. Wäre ich aber einer derjenigen, die massiv von den Änderungen der Fluggastrechteverordnung betroffen sein könnten, wäre diese erneute heimliche Kungelei der Bundesregierung mit den Interessenvertretern einer Wirtschaftsbranche zulasten der Verbraucher ein weiterer Grund, am 22. September 2013 weder die CDU, noch CSU oder die FDP zu wählen.
"Wir haben über die letzten Jahre gesehen, dass der Europäische Gerichtshof die Fluggastrechte sehr gestärkt hat, und das korrigiert die Kommission jetzt mit ihrem Vorschlag und hat offensichtlich vor, die Fluggastrechte auf ein deutlich geringeres Niveau zurechtzustutzen."
Otmar Lell (Bundesverband der Verbraucherzentralen)
in der "Monitor"-Sendung vom 08.08.2013
(Quellen: ARD-Monitor vom 08.08.2013, EurActiv vom 13.03.2013, Luftfahrt-Bundesamt vom 04.07.2012)
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