Detailierte Informationen zur Radioaktivität im Zigarettenrauch findet man übrigens im "RauchstoppZentrum". Dass Rauchen schädlich für die Gesundheit ist und oftmals tödlich enden kann, ist aber eigentlich auch nichts neues. Darauf wird heutzutage ja auf jeder Zigarettenschachtel deutlich sichtbar hingewiesen. Aber das nur mal so nebenbei ...
Der Castor-Ticker hatte am Morgen des 24. November 2011 einen in der Nähe des Castor-Zuges gemessenen Messwert von 1,52 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde, nach Abzug der vorher ermittelten Hintergrundstrahlung) veröffentlicht. Der "Physiker" meint, das sei nicht ganz so schlimm. Der Grenzwert zum Schutz der Bevölkerung von 1 mSv/a sei schließlich ein Jahresgrenzwert, den man nicht auf Stunden herunterrechnen könne und bei einer Achtstundenschicht sei der Polizist lediglich einer Dosis von etwa 0,012mSv ausgesetz.
Am Abend des gleichen Tages meldete der Castor-Ticker dann allerdings einen erheblich größeren Messwert von 37 µSv/h, der im Abstand von 2 Metern zum Castor gemessen worden war. Auf Nachfrage beim Team des Castor-Tickers bekam ich die Auskunft, die am Abend veröffentlichten Messwerte seien das Ergebnis einer Messung, die eine "Organisation, die davon Ahnung hat" vor der Abfahrt des Zuges in Valognes (Frankreich) erfasst habe. Die aktualisierten Messwerte seien daher jedenfalls die "richtigeren" ...
Harmlose Radioaktivität?
Auf ein Jahr hoch gerechnet hören sich die Überlegungen des "Physikers" zu den Messwerten vom Morgen des 24. November 2011 zunächst recht harmlos an. Es ist allerdings grundsätzlich ein Unterschied, ob jemand eine gleiche "erhöhte Dosis" innerhalb einer kurzen Zeit oder über einen langen Zeitraum, wie etwa ein Jahr aufnimmt. Nicht ohne Grund lautet eine der drei Faustregeln im Strahlenschutz: "Dosis begrenzen durch Aufenthaltsdauer".
Bezüglich der Aufenthaltsdauer ist beispielsweise die "Richttabelle - Maximale Einsatzdauer im Strahlenschutz" des "Kreisfeuerwehrverbands Hochsauerlandkreis" (KFV-HSK) recht aufschlussreich. Für das im Katastrophenschutz tätige Personal gilt laut dieser Tabelle beim Schutz von Sachwerten ein Grenzwert von 15 mSv. Das heißt, in einem Bereich, in dem eine Dosisleistung von 1 mSv/h gemessen wird, ist die Dauer des Aufenthalts für das eingesetzte Personal dort auf maximal 15 Stunden begrenzt. Bei einer gemessenen Dosisleistung von 5 mSv/h wäre der Einsatz dementsprechend bereits nach 3 Stunden beendet.
Zur Abwehr von Gefahren für Menschen und zur Verhinderung einer wesentlichen Schadenausweitung wird dem Personal mit 100 mSv schon mehr als das sechsfache zugemutet - allerdings nicht mehr beliebig oft, sondern "je Einsatz und Kalenderjahr". Zum Vergleich: Für die Bevölkerung gilt ein Grenzwert von 100 mSv pro Jahr als "Eingreifwert für die langfristige Umsiedlung" - wobei in der im April 2012 veröffentlichten Studie "Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für deutsche Kernkraftwerke basierend auf den Erfahrungen aus dem Unfall in Fukushima" des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) bezweifelt wird, dass der Eingreifwert tief genug angesetzt ist (Seite 32, Zitat):
.. Allerdings hat die ICRP in ihren neuesten Empfehlungen einen modifizierten Ansatz für den Strahlenschutz in einer Notfallsituation entwickelt (ICRP 2007, 2009). Dieser beinhaltet Referenzwerte (der verbleibenden Dosis) für die Planung von Schutzmaßnahmen für nukleare Notfallsituationen, die typischerweise im Bereich von 20 mSv bis 100 mSv (über ein Jahr integriert) liegen.
Nach dem Unfall in Fukushima wurde von der japanischen Regierung ein Richtwert von 20 mSv für die innerhalb eines Jahres infolge äußerer Exposition durch abgelagerte Radionuklide verursachte effektive Dosis festgelegt, um Gebiete für eine „späte Evakuierung“ (in Japan als „deliberate evacuation areas“ bezeichnet) zu identifizieren.
Es ist möglich, dass der deutsche Richtwert von 100 mSv angesichts dieser Entwicklungen zumindest für manche Unfallszenarien ebenfalls abgesenkt werden könnte. ..
Das Strahlenschutz-Katastrophenpersonal könnte "im Ernstfall" unter Umständen aber einem noch weitaus größeren Risiko ausgesetzt sein. Falls Menschenleben gerettet werden müssten, wäre für das eingesetzte Personal erst nach einem Einsatz von maximal 50 Stunden Schluss - und zwar endgültig: Hier gilt der Grenzwert von "250 mSv je Einsatz und Leben".
Angesichts dieser Dimensionen ist die morgens in der Nähe des Castors gemessene Dosisleistung von 1,52 µSv/h wirklich sehr gering. Allerdings sind die für den Einsatz im Umfeld von Castor-Transporten aufgrund möglicher Protestaktionen von Atomkraftgegnern abgestellten Polizisten auch alles andere als Katastrophenschutz-Personal.
24 bis 89 Prozent der Jahresdosis in 3 Tagen
Sollten allerdings die am Abend des 24. Novembers 2011 vom Castor-Ticker veröffentlichten Messwerte (37 µSv/h im Abstand von 2 Metern zum Castor) zutreffen, wovon ich inzwischen ausgehe, dann sähe die Rechnung des "Physikers" schon etwas anders aus. 37 µSv/h wären bei einer Achtstundenschicht eines Polizisten bereits eine Dosis von 0,296 mSv. Angenommen, der Polizist wäre an drei Tagen jeweils acht Stunden lang im Einsatz, dann wäre er insgesamt schon einer Dosis von 0,888 mSv ausgesetzt. Er hätte dann innerhalb von drei Tagen bereits 88,8 Prozent des Grenzwerts von 1 mSv pro Jahr aufgenommen, der für den Schutz der Bevölkerung gilt.
Auf der Internetseite der "Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit" (GRS) wurden offizielle Daten von Messungen veröffentlicht, die am 18.11.2011 von der französischen Umweltorganisation ACRO und der französischen Sachverständigenorganisation IRSN im Beisein von Greenpeace vorgenommen worden waren. Der höchste gemessene Wert lag demnach im Abstand von 2 Metern von den Castor-Behältern bei ca. 75 µSv/h. Weiter heißt es dort, im Allgemeinen würde die Dosisleistung in 10 Metern Abstand zum Castor bei etwa 10 µSv/h liegen.
Dem zufolge denke ich, dass der vom Castor-Ticker am 24.11.2011 veröffentlichte Messwert in Höhe von 37 µSv/h im Abstand von 2 Metern zum Castor als realistisch angesehen werden kann.
Nun wird der Polizist sich sicherlich nicht unbedingt 8 Stunden lang 2 Meter vom Castor entfernt aufhalten. Angenommen er würde sicherheitshalber einen Abstand von 10 Metern einhalten, dann hätte er nach drei Achtstundenschichten aber immernoch eine Dosis von 0,240 mSv aufgenommen, was 24 Prozent - also knapp einem Viertel - des Jahresgrenzwerts innerhalb von nur drei Tagen entspricht.
Es gibt keine sicheren Strahlendosen
Aber von all dieser Zahlendreherei einmal völlig abgesehen gibt es ohnehin keinen "sicheren Grenzwert" für den Schutz vor Schäden durch Radioaktivität. Grenzwerte im Strahlenschutz sind immer nur faule Kompromisse im Spannungsfeld zwischen dem "Schutz der Gesundheit und des Lebens" und den profitorientierten Interessen der Atomindustie, die immer auch ein Risiko für die Gesundheit und das Leben beinhalten.
Auch diesbezüglich ist die "Richttabelle - Maximale Einsatzdauer im Strahlenschutz" des KFV-HSK recht aufschlussreich. Ein Katastrophenschützer, der bei der Rettung von Menschenleben einer Dosis von vielleicht 245 mSv ausgesetzt werden würde, müsste damit rechnen, dass er selbst einmal an den Folgen seines Einsatzes erkranken und sterben wird, obwohl der Grenzwert von 250 mSv bei seinem Einsatz nicht überschritten wurde: Den in Deutschland als noch unbedenklich angenommenen Grenzwert für den Schutz der Bevölkerung hätte er immerhin um das 245-fache überschritten.
Bereits 1978 hatte Konrad Lorenz (östereichischer Verhaltensforscher) das Gefährdungspotential durch radioaktive Strahlung unterhalb irgendwelcher Grenzwerte auf allgemeinverständliche Weise dargestellt:
Es ist einfach nicht wahr, daß es eine untere Grenze der Strahlung gibt die noch erträglich ist. Die Strahlung mit der wir es zu tun haben ist ja eine Korpuskularstrahlung; das heißt es fliegen Teilchen. Einige treffen, einige Leute kriegen Karzinom, aber die Frage: "wie stark ist die erträgliche Strahlung", ist genauso dumm wie wenn sie fragen: "welche Dichte von Infantriebeschuß ist noch erträglich". Das hängt davon ab wie lang g´schossen wird und wieviel Leute im Weg stehen.
(Konrad Lorenz, 1978 in Tulln, Österreich)
Den Text der gesamten Rede von Herrn Lorenz kann man auf auf der privaten Internetseite "Factotum" nachlesen.
In einem Artikel des "Strahlentelex" (Nr. 446-447 / 19.Jahrgang, 4. August 2005) heißt es, eine von der US-amerikanischen "Nationalen Akademie der Naturwissenschaften" (U.S. National Academy of Sciences, NAS) einberufene Kommission (BEIR), die dem Auftrag hatte, die Gefahren niedrigenergetischer und niedrigdosierter ionisierender Strahlung zu untersuchen, sei in ihrem im Juni 2005 veröffentlichten Bericht VII über die biologischen Wirkungen der ionisierenden Strahlung (BEIR VII) zu dem Schluss gekommen, dass es keine sicheren Strahlendosen gibt. Es sei unwahrscheinlich, "daß eine Schwelle für die Erzeugung von Krebs existiert".
Die Kommission nehme - bis hinunter in niedrige Dosisbereiche - eine lineare Dosis/Wirkungs-Beziehung an. Ferner gebe es reichlich Daten über strahleninduzierte vererbliche Mutationen bei Mäusen und anderen Organismen. Es gebe daher keinen Grund anzunehmen, daß Menschen von dieser Art Schädigung ausgenommen sein könnten.
Auch deshalb muss schnellstens Schluss sein mit dem Betrieb von Atomkraftwerken und -anlagen in Deutschland. Anlässlich des zweiten Jahrestags der Atomkatastrophe in der japanischen Atomkraftanlage Fukushima-I (Da-ichi) werden am nächsten Samstag, 9. März 2013, tausende Atomkraftgegner auf die Straße gehen, um für einen erheblich schnelleren Atomausstieg zu demonstrieren, als es nach der Laufzeitverlängerung für die verbliebenen neun Atomkraftwerke seitens der wespenfarbenen Bundesregierung bisher vorgesehen ist.
Atomkraftwerk Grohnde:
eine Katastrophe bahnt sich an ...
(Quellen: BfS vom April 2012, GRS vom 22.11.2011, Strahlentelex vom 04.08.2005, Factotum vom 10.01.2003, Der Stern vom 04.05.2001, RauchstoppZentrum, Feuerwehr Nordhorn, KFV-HSK, Wikipedia)
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