Donnerstag, 7. März 2013

Die Atomkatastrophe dauert nun schon zwei Jahre ...


Die Atomruinen von Tschernobyl und Fukushima (WDR, 26.04.2011)

... aber ein Ende ist noch lange nicht abzusehen. Die früheren, vollmundigen Ankündigungen der für die Folgen des mehrfachen Super-GAUs in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" Verantwortlichen sind heute Schnee von gestern.

In Japan sind die Menschen seit dem 11. März 2011 mehr an dem interessiert, was im Ausland über Fukushima berichtet wird, als an den Vertuschungsversuchen des Atomkonzerns "Tepco" und der Politiker. So finden sich beispielsweise in einem japanischen Blog Informationen über den Inhalt des ZDF "Zoom" Beitrags vom März 2012.

Der Grund dafür ist die Verflechtung zwischen den Atomkonzernen, der Regierung und den Aufsichtsbehörden in Japan. Es gibt dort einen speziellen Ausdruck für die Kumpanei: Er lautet "Das "Atomdorf". Als es in der Atomkraftanlage "Fukushima-I" (Fukushima Dai-ichi) am 11.03.2011 zum Super-GAU kam, wurde das Atomdorf sehr schnell aktiv. Auf der östereichischen Internetseite des Fernsehsenders "3Sat" heißt es dazu (Zitat): "Nahezu reflexartig sprang die Maschinerie des Abwiegelns, der Beschwichtigung und der Verschleierung an, versuchten Betreiber, Regierung und Aufsichtsbehörden das wahre Ausmaß der Katastrophe herunterzuspielen." Gestern war bei 3Sat der Dokumentarfilm "Fukushima und die Wahrheit hinter dem Super-Gau" zu sehen, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt.

Über das Atomdorf äußerte sich vor einem Jahr auch Herr Naoto Kan (ehemaliger japanische Premierminister) in einem Interview mit dem ZDF und die Finanznachrichten zitieren ihn in ihrer Online-Ausgabe vom 05.03.2012, mit den Worten (Zitat):
"In Japan gibt es seit langem, vor allem in den letzten zehn, zwanzig Jahren, vielerlei Formen der Unterdrückung von Äußerungen in Bezug auf die Gefahren der Atomenergie."
Auch andere Politiker und Insider der japanischen Atomindustrie hätten über die gewissenlosen Machenschaften jenes "Atom-Dorfes" berichtet, das ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Bevölkerung seine eigenen Karriere- und Profitinteressen verfolgt habe und auch weiterhin verfolge.

Das bestätigt auch der Bericht eines Untersuchungsausschusses vom Juli 2012, über den der Spiegel in einem Artikel vom 23.07.2012 berichtete. Der Betreiber der Atomkraftanlage "Tepco" habe demzufolge Ermittlungen behindert und versucht, das wahre Ausmaß der Schäden in der Atomkraftanlage zu vertuschen. Der Regierung Japans werde in dem Bericht schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen. Sie habe das Ausmaß des Atomunfalls heruntergespielt und die Öffentlichkeit nur zeitverzögert über das informiert, was jeweils ohnehin nicht mehr zu verheimlichen war.

Da sowohl "Tepco" wie auch die Regierung die Gefahr eines möglichen Tsunamis ignoriert hätten, seien auch keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden. Das Gegenteil sei der Fall gewesen: "Tepco" habe die Regierung aufgefordert, die Wahrscheinlichkeit eines Tsunamis in einem Bericht über die Risiken von Erdbeben für den Betrieb von Atomkraftwerken in Japan zu untertreiben.

Als "Tepco" und die Regierung infolge der Ereignisse am 11.03.2011 dann mit den Folgen ihrer Fahrlässigkeit konfrontiert wurden, hätten sie mit ihren sinnlosen Versuchen, die Katastrophe herunterzuspielen, die Bevölkerung erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

Diese Tatsache wird auch durch den Blödsinn nicht besser, den Herrn Tatsujiro Suzuki (japanische Atomenergiekommission, Vizechef) im September 2011 von sich gegeben hat. Demzufolge muss es sich im Falle des dreifachen Super-GAUs wohl lediglich um ein bedauerliches Missgeschick handeln - weil: Eigentlich sind Atomunfälle in Japan ja per Gesetz ausgeschlossen. Der Spiegel zitierte Herrn Tatsujiro Suzuki  in einem Online-Artikel vom 27.09.2011 mit den Worten (Zitat):
  • "Das Gesetz verpflichtete die Firmen, keine Unfälle zu haben."

    Zu dumm nur, dass die Natur nicht ebenso gehorsam ist, wie die japanische Bevölkerung, und dass die Naturgesetze sich durch "menschengemachte Gesetze" nicht im mindesten beeindrucken lassen.


Das harmlose Wörtchen "nur"

Wenn ein Japaner nun aber auf der Suche nach unabhängigen Informationen zum aktuellen Stand des Super-GAUs in der Atomkraftanlage "Fukushima-I" bei der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) landet, dann könnte er auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, plötzlich sei die Welt wieder in Ordnung. Ende Februar hieß es nämlich weltweit in den Medien, die WHO habe zwei Jahre nach Beginn des Super-GAUs festgestellt, dass aufgrund der freigesetzten Radioaktivität "nur" ein leicht erhöhtes Krebsrisiko besteht.

So ist in einem Online-Artikel der "Zeit" vom 28.02.2013 zu lesen, dass demnach die Mehrheit der rund zwei Millionen Menschen, die zum Zeitpunkt des Unglücks in Fukushima lebten, eher geringen Strahlendosen ausgesetzt gewesen wäre. Da die Stadt aber nur rund 284000 Bewohner zählt, wird wohl die Präfektur Fukushima gemeint sein.

Die Provinzhauptstadt Fukushima liegt etwa 60 Kilometer von den havarierten Atomreaktoren entfernt in einem weniger vom Fallout betroffenen Gebiet. Trotzdem gibt es dort aber auch heute noch Lokalitäten, die eine besorgniserregende Radioaktivität aufweisen. So berichtete die taz in ihrer Online-Ausgabe vom 26.02.2013 über Messungen der Umweltschutzorganisation "Greenpeace" in Fukushima. Dabei seien auf einem Kinderspielplatz 10 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde) gemessen worden. Die taz zitiert Herrn Smital (Greenpeace) mit den Worten (Zitat): "In Deutschland, mit einem Grenzwert von einem Millisievert im Jahr, wäre der schon nach etwa vier Tagen erreicht".

Am Fuße einer Rutsche auf einem öffentlichen Spielplatz im nordwestlichen Fukushima City seien 13 µSv/h gemessen worden. Im Ortsteil Watari habe eine Messung bei den Waschräumen eines Spielplatzes, an dessen Eingang ein Schild darauf hinweise, dass die "Dekontamination erfolgreich beendet" wurde, 8 µSv/h ergeben. Auf einem Parkplatz am Bahnhof seien sogar 40µSv gemessen worden.

Das zeigt, dass es ein Irrtum ist, wenn man meint, der radioaktive Fallout habe sich gleichmäßig auf einer kreisförmigen Fläche rund um die zerstörte Atomkraftanlage verteilt und die Strahlung nähme mit der Entfernung von den Atomreaktoren in alle Richtungen gleichmäßig ab. Es werden sowohl in der Fläche, wie auch an einzelnen Orten innerhalb von Städten und Gemeinden immer wieder "Hotspots" mit teils sehr hoher Radioaktivität gefunden, so dass eine Verallgemeinerung der Gefahren für die Menschen, auch in Entfernungen von fünfzig Kilometern und mehr von der Atomkraftanlage "Fukushima-I", wohl eher der Desinformationspolitik des Atomdorfs geschuldet sein wird..

Einmal ganz davon abgesehen, dass jeder einzelne Mensch, der einmal das Pech haben wird, aufgrund des "nur" leicht erhöhten Krebsrisikos, jämmerlich an seiner Krebserkrankung zu Grunde gehen zu müssen, ein Atomtoter zu viel sein wird, werden den davon betroffenen Menschen angesichts ihres bevorstehenden, qualvollen Todes mit Sicherheit einmal andere Begriffe für derartige Verharmlosungsversuche einfallen, als das kleine, verharmlosende Wörtchen "nur".


Keine Gefahr außerhalb der 20 km Sperrzone?

Im Herbst 2012 war Herr Kazuhiko Kobayashi (Journalist, Atomkraftgegner) in Frankreich, Deutschland und der Schweiz unterwegs. Auf seiner Reise hatte er auf Einladung von Atomkraftgegnern auch in Winterthur (Schweiz) einen Vortrag über die Folgen des Super-GAUs in der Atomkraftanlage "Fukushima-I" gehalten. Darüber berichtete "Der Landbote" (Winterthur, Schweiz) in seiner Online-Ausgabe vom 12.11.2012.

Als sich das Erdbeben ereignete, habe sich Herr Kobayashi gerade in seiner Wohnung in Tokio aufgehalten. Nachdem die Erde sich beruhigt hatte, habe er den Fernseher eingeschaltet und gesehen, wie die Verantwortlichen die Explosion in der Atomkraftanlage mit dem Erdbeben zu erklären versuchten. Es sei wütend und gleichzeitig wie gelähmt gewesen. Auch die Frankfurter Rundschau berichtete am 12.11.2012 über die Vortragsreise Herrn Kobayashis und zitiert ihn in einem Online-Artikel mit den Worten (Zitat): "Jeder kleine Junge, jedes kleine Mädchen in Japan weiß, dass dort jederzeit ein großes Erdbeben kommen kann. Ich war sehr wütend, als die Verantwortlichen von Tepco sagten, die Explosion sei durch die Naturgewalt gekommen, die weit über unsere Vorstellung hinausgegangen sei."

Auf die japanische Regierung ist Herr Kobayashi dem Winterthurer "Landboten" zufolge nicht gut zu sprechen, Einem großen Teil der Bürger Japans sei immer noch nicht bewusst, wie gefährlich die Auswirkungen des Unglücks in Fukushima wirklich seien. Den Erfolg der japanischen Vertuschungs- und Desinformationspolitik führe Herr Kobayashi auf drei, die japanische Gesellschaft stark prägende Faktoren zurück:
  1. Es herrsche die Idee vor, dass ein Land nur regiert werden könne, wenn das Volk gehorsam sei.
  2. Die amerikanische Politik beeinflusse die Forschung der japanischen Ärzte: Die Forschung an den japanischen Überlebenden des amerikanischen Atombombenabwurfs auf Hiroshimas, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im Pazifkraum, sei nach wie vor nur amerikanischen Ärzten erlaubt.
  3. Ein Bündnis zwischen Beamten und Konzernen kontrolliere die den Japanern zugängliche Information und mache sie unter anderem glauben, dass die Kontamination ausserhalb eines Perimeters von 20 Kilometern rund um Fukushima nicht mehr gefährlich sei.
  • Herr Kobayashi kommentiert derartige Behauptungen der für die Atomkatastrophe Verantwortlichen mit klaren Worten (Zitat):

    "Das ist Quatsch!"

Ein Artikel des Heise Online-Magazins "Telepolis" vom 04.03.2013 bestätigt die Aussage Herrn Kobayashis. Im Artikel wird darauf hingewiesen, dass außerhalb der evakuierten 20-Kilometer-Zone liegende Gebiete, in denen der radioaktive Fallout infolge von Regen- und Schneefällen schneller und damit konzentrierter zu Boden ging, am stärksten kontaminiert wurden. Dort liegen unter anderem die Stadt Namie und die Ortschaft Iitate, die erst später evakuiert worden sind, weil sie außerhalb des 20-Kilometer-Radius um die Atomkraftanlage "Fukushima-I" liegen.

Einem Bericht der Sächsischen Zeitung vom 28.02.2013 zufolge kommentiert Frau Rianne Teule (Greenpeace) den Bericht der WHO mit ebenso deutlichen Worten, wie Herr Kobayashi (Zitat):
"Die WHO spielt auf beschämende Weise die Folgen der frühen Freisetzung von Radioaktivität durch die Fukushima-Katastrophe auf jene Menschen innerhalb der 20-Kilometer-Evakuierungszone herunter, die das Gebiet nicht rasch verlassen konnten." Der WHO-Bericht sei "ein politisches Statement zum Schutz der Atomindustrie".


Biologische Wirkung der Radioaktivität

Die Frage, wie radioaktive Substanzen auf unseren Körper wirken, beantwortet ein kurzer Videoausschnitt aus der "Quarks & Co." Sendung vom 26.04.2011, der dankenswerterweise weiterhin auf der Internetseite des WDR zu sehen ist. Kurz zusammengefasst wird darin erklärt, dass die mit unseren Sinnen nicht wahrnehmbare Radioaktivität trotzdem direkt auf unseren Körper einwirkt. Eine sehr hohe Dosis beschädigt innerhalb weniger Stunden unsere Körperzellen. In der Folge kommt es zur akuten Strahlenkrankheit, die tödlich verlaufen kann.

Die Menschen aus den von den beiden Super-GAUs betroffenen Gebieten sind dagegen einer geringeren Dosis ausgesetzt, deren Wirkung auf radioaktive Substanzen zurückzuführen ist, die in der Umwelt verteilt wurden. Diese können über die Atmuung pder die Nahrung in den Körper gelangen, wo ihre Strahlung über einen sehr langen Zeitraum wirken und dabei das Erbgut beschädigen kann.

Die bei den folgenden Zellteilungen entstehenden Zellen mit dem veränderten Erbgut sind dann Mutationen einer ursprüglich "normalen" Zelle. Einige der betroffenen Zellen vermehren sich unkontrolliert weiter und werden so zu Krebszellen. Wenn die Fortpflanzungszellen von Mutationen betroffen sind, machen sich die Folgen erst bei den den Nachkommen der betroffenen Menschen bemerkbar.


Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern

Etwa um die gleiche Zeit, als Herr Kobayashi in Europa seine Vorträge über die Folgen der Atomkatastrophe in seiner Heimat hielt, wurde in den Medien über einen deutlichen Anstieg von Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern aus der Umgebung von "Fukushima-I" berichtet.

In einer Presseinformation teilten die "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e. V." (IPPNW) am 06.07.2012 ihre Besorgnis bezüglich einer Zunahme von Schilddrüsenkrebs bei Kindern in der Präfektur Fukushima mit. Einer Ende April 2012 veröffentlichten Untersuchung der Gesundheitsbehörde der Präfektur Fukushima zufolge seinen bei 35 Prozent der 38114 untersuchten Kinder und Jugendlichen Schilddrüsenzysten und bei einem Prozent Schilddrüsenknoten festgestellt worden.

Dr. Matsuzaki Hiromichi (Allgemeines Städtischen Klinikum der Stadt Fukagawa, Leiter der Abteilung für Innere Medizin) habe sich, nachdem er die Befunde der Untersuchung mit früheren Studien verglichen hatte, dahingehend geäußert, dass diese Veränderungen darauf hinweisen würden, dass sich in der Schilddrüse etwas Außerordentliches abspielt.

Frau Caldicott (Kinderärztin und Kinderchirurgin, Australien)  zufolge hätten Kinder normalerweise keine Schilddrüsenknoten oder -zysten. Die große Zahl von Schilddrüsenveränderungen beweise, dass die Kinder in der Präfektur Fukushima hohen Dosen von Jod-131 ausgesetzt gewesen seien. Die Veränderungen müssten als Vorboten von Schilddrüsenkrebs angesehen werden. Zumindest seien engmaschige Kontrollen unabdingbar.

Die Gesundheitsbehörde halte dagegen 99,5 Prozent der Fälle für problemlos und wolle diese Kinder in den nächsten zweieinhalb Jahren nicht weiter untersuchen. Die genauen Ergebnisse, Ultraschall- Bilder und Kommentare der Ärzte würden den Patienten und ihren Familien vorenthalten. Herr Prof. Dr. Shunichi Yamashita (Fukushima Medical University, Vizepräsident und oberster Gesundheitsberater der Präfektur Fukushima) empfehle seinen Kollegen in ganz Japan, Eltern zu beruhigen und weitere Untersuchungen für unnötig zu erklären. Frau Caldicott bezeichnet es hingegen für einen großen Fehler, die betroffenen Kinder erst nach zweieinhalb Jahren erneut untersuchen zu wollen.

Mit einem Brief  hatten die IPPNW im November 2012 an die Weltgesundheitsorganisation appelliert, die medizinische Forschung über die Gesundheitsfolgen der Atomkatastrophe von Fukushima erheblich auszuweiten. In ihrem Brief hatten sie sich dagegen ausgesprochen, dass in der vom "United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation" (UNSCEAR) für 2013 geplanten Studie ausschließlich grobe Abschätzungen verschiedener japanischer und internationaler Experten berücksichtigt und die daraus zu erwartenden Gesundheitseffekte lediglich theoretisch abgeleitet werden sollen. Dringend notwendig seien jedoch unabhängige epidemiologische Studien sowie die baldige Einrichtung eines umfassenden Registers, in dem alle Menschen erfasst werden, die aufgrund der Katastrophe von Fukushima vermutlich mehr als 1 mSv Strahlung durch unterschiedliche Quellen ausgesetzt waren.

Am 18.11.2012 zeigten die "ZDF-Heute" Nachrichten einen Filmbericht, in dem die Gesundheitskommission der Präfektur Fukushima neue Zahlen über die Schilddrüsenveränderungen bei Kindern präsentierte. Jetzt war von 57000 untersuchten Kindern die Rede. Bei 42 Prozent von ihnen seien Knoten oder Zysten an der Schilddrüse festgestellt worden.


Gesundheitliche Folgen der Atomkatastrophe

Wie zuvor bereits erwähnt, ist der Bericht der WHO inzwischen veröffentlicht worden. Der Appell der IPPNW in ihrem Brief vom 02.11.2012 wurde ignoriert. Die Kritik der IPPNW ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Der im Februar 2013 veröffentlichte Bericht der WHO basiere auf Schätzungen der Strahlenbelastung, die von der WHO im Mai 2012 veröffentlicht wurden. Diese seien von unabhängigen Wissenschaftlern aus verschiedenen Gründen scharf kritisiert worden:
  • Zu niedrige Schätzung der insgesamt freigesetzten radioaktiver Partikel (source term)
  • Die Belastung der Bevölkerung innerhalb der 20-km-Zone während der Evakuierungen wurde ignoriert
  • Menge und Auswahl der, für die Berechnung der Strahlungsdosen verwendeten Nahrungsmittelproben war unzureichend bzw. unausgewogen
  • Handfeste Interessenskonflikte der Autoren des Berichts
Der Bericht gehe auch nicht auf Gesundheitsrisiken für die Menschen außerhalb von Fukushima ein. In der Bewertung sei die fortgesetzte Freisetzung radioaktiver Strahlung nicht berücksichtigt worden. Die erhöhte Strahlungsempfindlichkeit ungeborener Kinder sei nicht thematisiert worden. Ebensowenig würden neuere klinische Ergebnisse berücksichtigt.

Der Bericht sei weder eine objektive Bewertung der aktuellen Gesundheitsrisiken noch eine belastbare Grundlage für zukünftige Beschlüsse und Empfehlungen. Er sei auch nicht, wie sonst üblich, vor der Veröffentlichung von unabhängigen Experten begutachtet worden.

Er sei großenteils erneut von Wissenschaftlern mit augenscheinlichem Interessenskonflikt erstellt worden. So sei für die Bewertung der Auswirkungen von Strahlung auf Säuglinge und Kinder ein Wissenschaftler verantwortlich gewesen, der lange Zeit für die britische Atomindustrie tätig war. Wissenschaftler, die eine kritischere Meinung zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Radioaktivität vertreten, seien nicht befragt worden.

Zum zweiten Jahrestag der Atomkatastrophe in Japan haben die IPPNW jetzt eine eigene quantitative Abschätzung der "Gesundheitlichen Folgen von Fukushima" veröffentlicht. Darin dokumentieren sie "besorgniserregende Befunde, die schon jetzt, nur zwei Jahre nach dem Super-GAU sichtbar werden."

So sei - ganz ähnlich wie nach Tschernobyl - neun Monate nach dem Beginn der Atomkatastrophe ein Geburten-Rückgang festzustellen gewesen. Auch habe es in Japan eine erhöhte Säuglingssterblichkeit gegeben: Über die statistische Erwartung hinaus seien 75 Kinder im ersten Lebensjahr gestorben. Allein in der Präfektur Fukushima seien bei 55592 Kindern Schilddrüsenzysten bzw. -knoten festgestellt worden. Im Gegensatz zu Zysten und Knoten bei Erwachsenen müssten diese bei Kindern als Krebsvorstufen gelten. Das würden auch erste in Fukushima dokumentierte Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern zeigen.

Aufgrund der erhöhten externen Strahlenbelastung rechnen die IPPNW mit 37899 bis 82606 Krebserkrankungen und aufgrund der kontaminierten Nahrung mit 37266 Krebserkrankungen. Für die Arbeiter, die nach Angaben des Betreibers "Tepco" im Jahr 2011 in der havarierten Atomanlage tätig waren, sei auf der Grundlage der Erfahrungen von Tschernobyl mit mehr als 17000 schweren Erkrankungsfällen zu rechnen.



Der Arm des japanischen Atomdorfs reicht weit

Eigentlich hatten die Atomkraftgegner von "Anti Atom Berlin" am 11. März vor der japanischen Botschaft eine japanische Kirsche pflanzen wollen: Zum Gedenken an die Opfer der Atomkatastrophe - und als Mahnmal gegen Atomstrom. Die Antwort der Behörde auf den Antrag für die Baumpflanzung war ernüchternd: Kirsche gern, auch irgendwo im Tiergarten. Aber nicht am 11. März und nicht in der Nähe der japanischen Botschaft. Da es sich um eine private Gedenkveranstaltung handele, liege das nicht im "öffentlichen Interesse Berlins".

Herr Ehlbeck (Anti Atom Berlin, Sprecher) äußerte sich dazu in einem Artikel des "Berliner Kuriers" vom  26.02.2013 (Zitat): "Wir vermuten, dass die japanische Botschaft sich quergestellt hat. Unserer Erfahrung nach sind sie im kritischen Umgang mit Fukushima nicht besonders offen."



"Ich werde [juwi: den für die Atomkatastrophe Verantwort-
lichen in Japan]
sagen, europäische Bürger zeigen sich
solidarisch und haben gespendet, und was habt ihr bisher
für die Betroffenen getan? Nichts.

Was seid ihr für Verbrecher!"


Kazuhiko Kobayashi (Journalist, Japan) während seiner Vortragsreise durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich im Herbst 2012



Atomkraftwerk Grohnde:
eine Katastrophe bahnt sich an ...


Anti-Atom-Demos am 9.03.2013

(Quellen: Frankfurter Rundschau vom 07.03.2013, taz vom 06.03.2013, 3sat Sendung vom 06.03.2013, Heise Telepolis vom 04.03.2013, Der Spiegel vom 28.02.2013, Berliner Kurier vom 26.02.2013, Greenpeace Blog vom 24.02.2013, Die Zeit vom vom 28.02.2013 - Bericht 1 und Bericht 2, Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg vom 19.11.2012, ZDF Heute Journal vom 18.11.2012, ZDF-heute vom 18.11.2012, The Intelligence vom 17.11.2012, Der Landbote vom 12.11.2012, Frankfurter Rundschau vom 12.11.2012, contrAtom vom 07.11.2012, taz vom 06.11.2012, IPPNW Presseinformation vom 05.11.2012 und vom 06.07.2012, Spiegel vom 23.07.2012, tnkmktの日記 vom 13.03.2012, Finanznachrichten vom 05.03.2012, Der Spiegel vom 04.01.2012 und vom 27.09.2011, WDR vom 26.04.2011, WHO-Report [englisch] und Kritik der IPPNW)

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