Dienstag, 26. März 2013

Aber das machte doch nixe ...

Ich kann ja verstehen, wenn die Leute in Italien frustiert sind. Aber das waren sie auch jedesmal, bevor sie Herrn Berlusconi endlich (wieder einmal) aus dem Präsidentensessel geschubst hatten. Trotzdem haben sie ihn aber immer wieder darin Platz nehmen lassen.

Und auch jetzt haben sie wieder keine bessere Idee, als ihn wieder in "seinen" bequemen Sessel zu setzen? Da versteh' einer mal die italienischen Wähler ...

Während der Jahre seiner Präsidentschaften hat Herr Berlusconi seine Position schamlos dafür ausgenutzt, die Gesetze so anzupassen, dass diverse Strafverfahren vor der Urteilsverkündung verjährt waren, dass sie eine Amnestie enthielten, die ihn davonkommen ließ, oder dass er aus anderen Gründen für die italienische Justiz plötzlich nicht mehr greifbar war. So war es ihm immer wieder möglich, sich einer langen Liste laufender Strafverfahren zu entziehen.

  • 1994 Anklage wegen Beamtenbestechung. Im Juli 1998 Verurteilung in erster Instanz zu 33 Monaten Haft. Im Mai 2000 Aufhebung des Urteils wegen Verjährung der Taten. Im Oktober 2001 erklärt ihn ein Kassationsgericht für unschuldig.
  • 1995 Prozess gegen Herrn Berlusconi wegen Bilanzfälschung. Im November 2002 wird das Verfahren eingestellt: Herr Berlusconi hatte im Parlament ein Gesetz zur teilweisen Entkriminalisierung von Bilanzfälschungen durchgebracht.
  • 1995 startet ein weiterer Prozess wegen Bilanzfälschung. Im Dezember 1997 Verurteilung in erster Instanz zu 16 Monaten Haft. Im Februar 2000 Freispruch im Berufungsprozess.
  • 1995 beginnt ein drittes Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Herr Berlusconi kommt wegen Verjährung ohne Strafe davon.
  • Ebenfalls 1995 beginnt ein Verfahren wegen illegaler Parteienfinanzierung. Im Juli 1998 wird Herr Berlusconi in erster Instanz zu 28 Monaten Haft verurteilt. Im Berufungsverfahren wird das Urteil im Oktober 1999 wegen Verjährung aufgehoben. 2000 bestätigt ein Kassationsgericht die Verjährung
  • 1996 wird wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung ein weiteres Verfahren eröffnet. Im September 2005 wird Herr Berlusconi freigesprochen: Die Vorwürfe stellen nach der Gesetzesänderung durch die Regierung Berlusconi keinen Straftatbestand mehr dar.
  • 1996 wird ein weiteres Verfahren wegen Richterbestechung eröffnet. Im November 2001 wird Herr Berlusconi wegen Verjährung freigesprochen.
  • Ebenfalls wegen Richterbestechung wird 1998 ein weiteres Verfahren eröffnet. Das Verfahren wird 2004 wegen Verjährung eingestellt.

Bis dahin wurde Herr Berlusconi dreimal in erster Instanz verurteilt. Da alle Urteile wieder aufgehoben wurden - zum Teil aufgrund neuer Verjährungsregeln, die Herr Berlusconi mit seiner Regierungsmehrheit im Parlament durchgesetzt hatte - musste er nicht eine der gegen ihn verhängten Haftstrafen von insgesamt sechs Jahren und fünf Monaten antreten.

Jetzt, während der Verhandlungen zur Bildung einer neuen italienischen Regierung, wurde Herr Berlusconi wegen einer Abhöraffäre erneut zu einem Jahr Haft verurteilt. Da seine Anwälte Berufung eingelegt hatten, muss er auch dieses Mal nicht ins Gefängnis. Allerdings stehen noch zwei weitere Urteile aus, darunter auch dasjenige im "Bunga-Bunga"-Verfahren. Dabei geht es unter anderem um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch.


Man kann ja von Herrn Steinbrück (SPD, Kanlerkandidat) und seinem Kommentar zur Wahl in Italien halten was man will. Ich würde sagen, seine Äußerungen waren vielleicht "etwas ungeschickt" hinsichtlich der Möglichkeit, dass er ab September unter Umständen einmal gezwungen sein könnte, mit Herrn Berlusconi zusammenarbeiten zu müssen. Wenn aber seine schwarz-gelben Kontrahenten die Kritik Herrn Steinbrücks an Herrn Berlusconi als Beleidigung bezeichnen, dann lässt das angesichts dessen, was Herr Berlusconi sich alles schon geleistet hat, tief blicken.

Nur: Ein "Clown" ist Herr Berlusconi mit Sicherheit nicht - auch wenn er sich nach außen hin gelegentlich vielleicht so gibt. Zutreffender wäre es gewesen, wenn Herr Steinbrück ihn als skrupellosen Machtmenschen bezeichnet hätte, dem es mit seiner politischen Einflussnahme immer nur um sein persönliches Wohlergehen ging. Um seine Ziele zu erreichen schreckte Herrn Berlusconi nicht einmal davor zurück, die ihm auf begrenzte Zeit verliehene Macht zu missbrauchen, um die Gesetze zu seinen Gunsten zu beugen und die Unabhängigkeit der Justiz in Frage zu stellen.

Aber das machte doch nixe.

A was soll das? Ein Berlusconi musse doch nix in Knaste. Ise doch lächerlich. Geben wir gutes Geld für Richter oder Abgeordnete für Gesetzesänderung oder machen wir wieder Berlusconi zum Präsidente. ...
  • Italien ist keine Demokratie mehr und Berlusconi ein Mafia-Boss, der das ganze Land vorführt. Entsprechend wird er auch nie ins Gefängnis gehen.
(Spiegel vom 07.03.2013, Leserkommentar)


Die Behauptung, dass Italien keine Demokratie mehr ist, kann ich nicht unterstützen. Immerhin haben die Italiener Herrn Berlusconi ja mehrfach in einem demokratischen Verfahren zu ihrem rechtmäßigen Präsidenten gewählt. Es ist nur so, dass der Präsidente immer wieder versucht hat, sich über grundlegende demokratische Spielregeln hinwegzusetzen, wenn es darum ging seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Solange Herr Berlusconi nicht so weit geht, die Demokratie in Italien aushebeln zu wollen, wird der Rest der europäischen Staatengemeinschaft wohl ebenso mit Herrn Berlusconi leben müssen, wie die Italiener, die ihm ihre Stimmen gegeben haben. Möglicherweise verabschiedet die italienische Regierung aber ja demnächst ein Gesetz, mit dem Sex mit minderjährigen Prostituierten auf "Bunga-Bunga"-Parties und Amtsmissbrauch rückwirkend legalisiert werden.


(Quellen:  Spiegel vom 07.03.2013, Nordsee-Zeitung vom 07.03.2013, Frankfurter Rundschau vom 28.02.2013, D-Radio vom 26.10.2012, taz vom 09.11.2011, Short News vom 22.05.2008, Stern vom 21.11.2006, Handelsblatt vom 26.09.2005, FAZ vom 07.05.2003)

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