Nachdem es bei der Parlamentswahl in Serbien am 06.05.2012 zu keinen großen Veränderungen gekommen war, gab es bei der Stichwahl um die Präsidentschaft gestern eine Überraschung. Trotz rechter schwarz-weiß Maler mit vermeintlich einfachen Lösungen für die schwere Wirtschaftskrise hatten die Serben den bisherigen Regierungsparteien mit der Wahl am 6. Mai noch das Vertrauen ausgesprochen.
Herr Tadić (Serbien, Demokratska Stranka, Demokratische Partei) hatte sich daraufhin selbstbewusst gezeigt und war davon ausgegangen, dass er, wie schon als Serbiens bisheriger Präsident, das Land auch als neuer Präsident weiter in Richtung EU führen würde. Seit gestern ist klar, dass daraus nichts mehr werden wird. Die serbischen Wähler haben sich nämlich für Herrn Nikolić (Serbien, Srpska Napredna Stranka, Serbische Fortschrittspartei) entschieden, der gestern Abend nach Auszählung von 76 Prozent der Wahlzettel auf 49,8 Prozent der abgegebenen Stimmen kam. Zur gleichen Zeit lag Herr Tadić abgeschlagen bei 47,2 Prozent.
Herr Nikolić, der einmal als Ultranationalist bekannt geworden war, hatte sich jedoch gleich sofort, als sein Wahlsieg gestern absehbar wurde, zu Europa bekannt. Serbien werde auch unter seiner Präsidentschaft an seinem europäischen Kurs festhalten. Im Vorfeld der Wahlen sei es nicht darum gegangen, wer Serbien in die EU führt, sondern darum, wer die wirtschaftlichen Probleme lösen könne.
Ob Herr Nikolić sich tatsächlich vom Nationalisten zum Europäer gewandelt hat und ob die Befürchtungen führender Politiker einiger europäischer Staaten mit Blick auf seine Vergangenheit berechtigt sind, wird die Zukunft zeigen. Vielleicht hätte das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Serbien anders ausgesehen, wenn alle Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht hätten.
Mit 45 Prozent lag die Wahlbeteiligung erschreckend niedrig. Bei der Parlamentswahl Anfang des Monats hatten sich noch rund 60 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl beteiligt. Angaben der Tagesschau zufolge haben nach inoffiziellen Informationen außerdem bis zu 100000 Wähler ihre Stimmzettel ungültig gemacht. Wenn sie damit ausdrücken wollten, das sie keinen Unterschied zwischen "einem kleineren- und einem größeren Übel" erkennen konnten, dann haben sie damit zumindest bekundet, dass sie keinem der beiden Kandidaten zutrauen, einen Weg aus der Krise finden zu können. Und das wäre dann ja auch eine Art, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
(Quellen: Tagesschau vom 21.05.2012, TAZ vom 21.05.2012, Neue Züricher Zeitung vom 21.05.2012, Deutsche Welle vom 20.05.2012, Handelsblatt vom 20.05.2012, Süddeutsche Zeitung vom 20.05.2012, Spiegel vom 20.05.2012, Der Standard vom 20.05.2012, FAZ vom 07.05.2012, Tagesschau vom 07.05.2012, Wikipedia)
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