Dienstag, 30. September 2008

Bayern danach

Die Landtagswahl ist gelaufen. Die Wahllokale wurden geschlossen. Und wer ist im Fernsehen zu sehen? Landespolitiker natürlich.

Und Bundespolitiker!
Die geben ihren Senf zum Wahlausgang ab, knirschen betrübt mit den Zähnen oder ziehen triumphierend über den politischen Gegner her, dessen Vertreter im Landtag Stimmen eingebüßt hat ...

Ich weiß gar nicht, warum die in der Bundesregierung vertretenen Politiker jedes Mal glauben, bei Landtagswahlen immer die Niederlagen der jeweiligen politischen Gegner in einer Landtagswahl auf deren Bundespolitik beziehen zu müssen. Klar hat eine Landtagswahl Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundesrates, der Vertretung der Länder. Der Bundesrat vertritt die Interessen der Länder gegenüber der Bundespolitik, muss dabei aber auch die Bedürfnisse der Bundesrepublik Deutschland beachten.

Davon abgesehen - wie die Bezeichnung Landtagswahl ja schon sagt - geht es bei Landtagswahlen um die Landespolitik. In der Regel geht es dabei um lokale Probleme, und darum, welche der vor Ort zur Wahl stehenden Parteien für diese Probleme die besten Lösungen anbieten. Möglicherweise gibt es ja auch in Bayern einige Bürger, denen eine intakte Umwelt wichtiger ist als die Träume der arroganten Herren von einer strahlenden Zukunft im Atomstaat - uups - Freistaat. Es könnte sich inzwischen auch herumgesprochen haben, dass es auch in Bayern Gegenden mit einer hohen Arbeitslosigkeit gibt, und dass die Menschen dort sich dort schon seit längerer Zeit von den CSU-Oberen verhöhnt fühlen, wenn diese vor dem Rest von Deutschland ständig damit prahlen, sie hätten den Wohlstand und den Fortschritt in Bayern eingeführt.

So berichtet "Die Zeit" in ihrer Online Ausgabe vom 28.09.2008 dann auch folgerichtig, nach einer Analyse der Forschergruppe Wahlen seien die Verluste der CSU in Bayern hausgemacht. 68 Prozent der Befragten hätten angegeben, für sie seien die Probleme im Land für ihre Wahlentscheidung ausschlaggebend gewesen und nicht die Bundespolitik. Dieses korreliere mit der Tatsache, dass in Bayern das Ansehen der CSU seit 2003 stärker zurückging als das der CDU und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bayern beliebter sei als Herr Beckstein.

Die Freien Wähler, die Grünen und die FDP haben anscheinend die besseren Lösungsvorschläge für die Probleme der bayerischen Regionen in der Schublade. Sie sind die Gewinner der Wahl. Mindestens so bemerkenswert wie den Absturz der CSU finde ich auch, dass immerhin 4,7% der abgegebenen Stimmen zugunsten der Linken abgegeben wurden. Damit sind die Linken zwar noch lange nicht im bayerischen Landtag vertreten, aber in den Augen der CSU Spitze muss es ja geradezu wie Hochverrat anmuten, dass bayerische Bürger allen Ernstes dieser Partei ihre Stimme gegeben haben.

Und was sagt Herr Beckstein zum Absturz seiner Partei?
"Wir haben offensichtlich es nicht geschafft, den Menschen deutlich zu machen, dass wir einen alleinigen Regierungsauftrag zum Wohle Bayerns brauchen".
  • Alle Achtung!
    Das ist an Arroganz nun wirklich nicht mehr zu überbieten.
Wer seine Nase dermaßen hoch trägt, der hat allerdings keine Chance die Probleme des niederen Wahlvolks zu bemerken.

Statt dessen kündigte er an, er wolle weiter "Verantwortung" übernehmen. Ziel sei es jetzt, eine bürgerliche Koalition zu bilden. Auch in Anbetracht des verheerenden Wahlergebnisses für seine Partei stellte er sich dafür sogleich zur Verfügung. Keinen Gedanken verschwendet er daran, dass er selbst Teil des Problems der CSU sein könnte, und seine wahre "Verantwortung" möglicherweise eher in einem Rücktritt zu finden wäre.

Abgesehen von der seitens der CSU über Jahrzehnte zur Schau gestellten Lobhudelei auf das glückliche Bayernland gab es aber auch schon immer die "Revoluzzer", solche die sich nicht scheuten die Probleme beim Namen zu nennen. Zu denen gehört auch die bayerische Kultband "Biermösl Blosn":



Mit Hans Well von "Biermösl Blosn" hat "Die Zeit" ein Interview geführt. Daraus der folgende kurze Ausschnitt:

Die Zeit:
Was ist das Erfolgsgeheimnis der CSU?

Hans Well:
Die CSU hat es in den Jahrzehnten ihrer Alleinregierung geschafft, sich mit dem Land Bayern gleichzusetzen. Alles, was schön ist in Bayern, ist CSU. Sie müssen nur auf die Plakate schauen, die jetzt überall hängen. Da heißt es: Sommer, Sonne, Bayern.

Die Zeit:
Aber Bayern ist doch wirklich sehr schön. In die Berge fährt man in Urlaub, in München wollen alle wohnen.

Hans Well:
Das hat alles die CSU gemacht! Die Urlaubsgebiete wie das herrliche Fünfseenland, wo ich herkomme. Oder die Boomregionen wie München oder Freising, wohin die ganzen Subventionen fließen. Aber es gibt auch das andere Bayern. Da schaut es ganz trist und trübe aus. Etwa die Randgebiete in Franken oder im Bayerischen Wald mit hoher Arbeitslosigkeit. Das ist dann nicht mehr CSU. Oder die Tatsache, dass rund um die Kernkraftwerke, die die CSU so schön findet, die Leukämieraten erhöht sind. Oder die Schulpolitik. Meine Tochter schlägt sich gerade mit dem verkürzten Gymnasium herum, das Stoiber in Hauruckmanier eingeführt hatte. Pisa-Sieger sehen anders aus.

Hier gibt's den kompletten Text des Interviews.

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