Dienstag, 8. November 2011

Castor-(Informations)-Blockade

Annahme verweigert: Atommüll zurück zum Absender (Berlin 18. September 2010)
Noch drei Wochen bis zum geplanten Start des Atommülltransports im französichen La Hague: Der private Betreiber des Atommülllagers "Gorleben" verweigerte den politischen Kontroll-Organen den Zugang zum Atommülllager. Das niedersächsische Umweltministerium verweigert mit der Absage seiner Teilnahme an der Sitzung des Umweltausschusses des Bundestages die Aufklärung drängender Fragen des bundespolitischen Kontroll-Organs ...

Wenn schon den atompolitischen Kontrollorganen auf Bundesebene der Zugang zu dem Anlagen, die sie zu kontrollieren haben, sowie die Offenlegung aller relevanten Dokumente und Daten verweigert wird, wie bitte schön, sollen diese dann wohl ihrer Aufgabe gerecht werden? Und wen wundert es angesichts derart massiver Informationsblockaden noch, dass wir Bürger von den Atomkonzernen und ihren politischen Handlangern über viele Jahrzehnte hinweg für dumm verkauft werden konnten?
  • Der private Betreiber des Atommülllagers "Gorleben" hatte mehreren Bundestagsabgeordneten den Zugang verweigert. Diese wandten sich daraufhin an Herrn Lammert (Bundestagspräsident) und baten ihn um eine Klarstellung hinsichtlich der Befugnisse von Bundestagsabgeordneten in der Ausübung ihrer Kontrollfunktion ...
  • Am Wochenende übte Herr Sander (FDP, Niedersachsen, Umweltminister) öffentlich Kritik am für Ende November geplanten Castor-Transport von der Atommüll-Aufbereitungsanlage bei La Hague (Frankreich) in das Atommülllager bei Gorleben, den er sieben Tage zuvor mithilfe schöngerechneter Messwerte aus seinem Minsiterium selbst genehmigt hatte. Jetzt sucht er nach Schuldigen und meint wohl, in Herr Röttgen (CDU, Bundesumweltminister) einen nützlichen Sündenbock für den Bockmist gefunden zu haben, den sein eigenes Ministerium kurz zuvor verursacht hat.
  • Jetzt hat das für die Castor-Genehmigung zuständige Umweltministerium des Landes Niedersachsen kurzfristig seine Teilnahme an der kommenden Sitzung des Umweltausschusses des Bundestages abgesagt. Soll der Umweltausschuss doch selbst sehen, woher er die für seine Arbeit notwendigen Informationen bekommt. Na schön: Keine Antwort ist auch eine Antwort. Damit wären dann ja wohl alle Klarheiten beseitigt.

Für die Opposition im Bundestag erklärten Herr Miersch (SPD, Bundestagsfraktion, umweltpolitischer Sprecher), Frau Steiner (Bündnis90/Grüne, Bundestagsfraktion, umweltpolitische Sprecherin) und Herr Lenkert (die LINKE, Bundestagsfraktion, Obmann) in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 07.11.2011, Zitat:
"Wir halten es für einen Skandal, dass sich Herr Sander einerseits öffentlich gegen weitere Castor-Transporte ausspricht, andererseits aber sein eigenes Haus weiterhin eine völlige Informationsblockade an den Tag legt. Nachdem wir schon vor Ort in Gorleben abgewiesen wurden, verweigert sich das Ministerium in Niedersachsen nun auch dem Umweltausschuss als Kontrollorgan in Sachen Reaktorsicherheit. Was gibt es zu verbergen?"


Interessenskonflikte

Wie es in der Pressemitteilung weiter heißt, habe auch nach der mittlerweile erteilten Genehmigung für den nächsten Castor-Transport in das Atommülllager "Gorleben" bisher nicht geklärt werden können, auf welcher Grundlage die für die Genehmigung des Atommülltransports herangezogenen Messwerte berechnet worden sind und wie ein genehmigungsfähiger Wert erreicht werden konnte. Zwischenzeitlich gebe es auch von dritter Seite Kritik an den verwendeten Messverfahren. Gemeint sind vermutlich die "Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg" (BI) und die Umweltschutzorganisation "Greenpeace" mit ihrer Anzeige gegen die "Gesellschaft für Nuklear-Service" (GNS) und Herrn Sander.

Von dem für kommenden Mittwoch angesetzten Bericht hätten sich die Abgeordneten Klarheit über die Faktenlage versprochen, heißt es in der Pressemitteilung. Seitdem "Greenpeace" seine Analyse der Messdaten veröffentlicht hat, dürfte es dem Umweltministerium des Landes Niedersachsen allerdings wohl schwer fallen zu belegen, aufgrund welcher Fakten es zur Genehmigung des Transports kam.
  • Die GNS, die sich mehrheitlich im Besitz der Atomkonzerne "E.ON", "RWE" und "Vattenfall Europe" befindet, ist die Muttergesellschaft der "Brennelementlager Gorleben GmbH", die das Transportbehälterlager, das Abfalllager und die Pilot-Konditionierungsanlage auf dem Gelände des Atommülllagers "Gorleben" betreibt. Das als "Erkundungsbergwerk" getarnte "End"-Lager für hochradioaktiven Atommüll wird von der "DBE mbH" betrieben, die zu 75 Prozent ebenfalls der GNS gehört.

    Den restlichen Anteil in Höhe von 25 Prozent hält die bundeseigene "Energiewerke Nord GmbH", die auch das Atommülllager in der Lubminer Heide an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns betreibt. Das hatte in der Weihnachtszeit 2010 als Ziel für einen Castor-Transport aus der Atommüllaufbereitungsanlage Cadarache (Frankreich) für Schlagzeilen gesorgt, obwohl es ausdrücklich nur für den Atommüll aus dem Rückbau der DDR-Atomkraftwerke Lubmin und Greifswald, sowie die "Zwischen"-Lagerung des Atommülls aus dem Versuchsatomkraftwerk "Rheinsberg" in Brandenburg vorgesehen ist.

    Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, wie eng die Interessen der Atomkonzerne mit denen der Politiker hier miteinander verflochten sind, dann muss man sich eigentlich über gar nichts mehr wundern.

Der besorgte Bürger, Michel und die Obrigkeit

Um ihren Aufgaben trotzdem noch gerecht werden zu können, haben die Fraktionen von "SPD", "Bündnis90/Grüne" und "Die Linke" jetzt das Bundesumweltministerium als übergeordnete Behörde in den Umweltausschuss geladen. Da fragt sich der besorgte Bürger nun allerdings, ob der Herr Röttgen bzw. seine Vertreter aus dem Bundesumweltministerium wohl auskunftsfreudiger sein werden, als das niedersächsische Umweltministerium. Es wäre ja ein leichtes für das Bundesumweltministerium, sich hinter dem Umweltministerium in Hannover zu verstecken.

Hätte es nicht während all der Jahre die unermüdlichen Recherchen privat organisierter Initiativen und Organisationen gegeben, dann würden offenbar selbst den politischen Kontrollorganen die entscheidenen Hinweise fehlen, aufgrund derer sie ihre Fragen an die politisch Verantwortlichen überhaupt erst formulieren können. Wofür sind "die da oben" - unsere sogenannten "Volksbetrügervertreter" - eigentlich einmal gewählt worden? Der brave deutsche Michel würde jetzt sicherlich antworten: "Natürlich dafür, dass sie ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen, die Interessen der Bürger im Land vertreten und Schaden von ihnen wenden. Oder so ähnlich." (Artikel 64 und 56 GG, Amtseid.)

An einer anderen Stelle des Grundgesetzes (GG), im Im Artikel 21, ist zu lesen, dass die Parteien - also auch die darin organisierten Politiker! - bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Davon, dass sie den Willen des Volkes ignorieren und ihm dafür mit perfiden Methoden ihren eigenen Willen - und den der Atomkonzerne - aufzwingen sollen, steht dort nichts geschrieben. Für alle "Nicht-Michel" gibt es am 26.11.2011 im Wendland eine gute Gelegenheit, die wespenfarbene Bundesregierung und die Landesregierung in Hannover wieder einmal daran zu erinnern.


Gorleben Castor 2011


(Quellen: Gemeinsame Pressemitteilung der Bundestagsfraktionen der SPD, Bündnis90/Grüne und die LINKE vom 07.11.2011, Pressemitteilung des BMU vom 10.11.1999, Wikipedia)

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