Freitag, 31. Mai 2013

Gentechnik: Widerstand lohnt sich doch!

Mehr als zwei Millionen Menschen demonstrierten am 25.05.2013 weltweit gegen den Agrarkonzern Monsanto und die Gentechnik-Lobby. Auch in sieben deutschen Städten versammelten sich tausende Menschen.

Ihr Protest gegen Monsanto richtete sich nicht nur gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, sondern auch gegen die Patentierung von Saatgut und den weltweit steigenden Pestizideinsatz durch den Anbau von Gentechnisch veränderten Pflanzen. Als Hersteller des Allestöters "Roundup" (Wirkstoff Glyphosat) spielt Monsanto auch auf diesem Gebiet eine führende Rolle.

Ob die weltweiten Demonstrationen vom letzten Wochenende als bisheriger Höhepunkt im Kampf gegen die Gentechnik den Ausschlag gegeben haben, sei dahingestellt. Jedenfalls berichten die taz und andere Medien heute, dass Monsanto in Europa keine Zulassungen für neue gentechnisch veränderte Pflanzen mehr beantragen will. Das US-amerikanische Unternehmen reagiere damit auf die breite Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa und die geringe Nachfrage seitens europäischer Landwirte. Nach Auskunft von Frau Lüttmer-Ouazane (Monsanto Deutschland, Geschäftsführerin) habe es keinen Sinn, Gentechnik gegen den Protest und den Widerstand der Menschen in Europa durchsetzen zu wollen.
  • Schön, dass diese Erkenntnis endlich auch in der Chefetage des Global Players Monsanto angekommen ist.

Die Aussage Herrn Mitcheners (Monsanto, EU-Niederlassung, Sprecher) gegenüber der taz, Monsanto werde in Europa keine Lobbyarbeit mehr für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen machen, wollte Frau Lüttmer-Ouazane gegenüber der Süddeutschen Zeitung jedoch nicht bestätigen.

Monsanto ist zwar weltweiter Marktführer, aber nicht der einzige Agrar-Chemie- und Gentechnik-Konzern. Trotz der bemerkenswerten Kapitulation Monsantos vor Europa, heißt es also auch weiterhin die Augen offenzuhalten. - Zumal Herr Mitchener gegenüber dert taz wörtlich gesagt hat (Zitat): "Derzeit planen wir auch nicht, die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Pflanzen zu beantragen."

"Derzeit" hört sich nicht gerade endgültig an. Irgendwie klingt das schon eher so, als wolle Monsanto abwarten, bis das Thema aus den Köpfen der Menschen wieder verschwunden ist ...
  • Für's erste ist der Rückzieher Monsantos aber auf alle Fälle ein Grund zum Feiern!


(Quellen: Spiegel vom 31.05.2013, taz vom 31.05.2013, Süddeutsche Zeitung vom 31.05.2013, Tagesschau vom 31.05.2013, March against Monsanto 25.05.2013Monsanto - mit Gift und Genen)

Donnerstag, 30. Mai 2013

Klimakanzlein - welche Klimakanzlerin!?

Deutschlands Nobelkarossen-Hersteller fürchten um ihr Geschäftsmodell. Eine Halbierung des durchschnittlichen Treibstoffverbrauchs auf drei Liter bis 2025 - wie von der EU gefordert - sei nicht zu leisten.

Herr Wissmann (VDA-Verband der Deutschen Automobilindustrie, Präsident) hatte Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) am 08.05.2013 in einem Brief um Unterstützung gebeten (Zitat):
"Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela", .. es darf nicht sein, dass "wir unser leistungsfähiges und starkes Premiumsegment, das fast 60 Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland ausmacht, über willkürlich gesetzte Grenzwerte buchstäblich kaputt regulieren lassen".

Das "Geschäftsmodell Premiumsegment" der deutschen Automobilhersteller setzt nach wie vor auf große, "leistungsfähige" und somit schwere Fahrzeuge. Aufgrund des hohen Treibstoffverbrauchs fallen auch deren CO2-Emissionen entsprechend hoch aus. Die kleineren Fahrzeuge der internationalen Mitbewerber verbrauchen aufgrund ihres in der Regel geringeren Gewichts weniger Treibstoff und emittieren dem entsprechend weniger CO2.

Somit verwundert es natürlich nicht, dass der Entwurf der EU-Kommission vom Juli 2012, der kürzlich vom Umweltausschuss im Europaparlament noch einmal verschärft worden war, die deutsche Automobilindustrie mehr trifft, als deren internationale Konkurrenz.

Nach aktuellem Stand der Dinge sollen die CO2-Flottenemissionen europäischer Neuwagen bis 2020 im Durchschnitt 95 g/km nicht mehr überschreiten dürfen. In den darauffolgenden Jahren bis 2025 sollen die durchschnittlichen CO2-Emissionen der europäischen Neuwagenflotten auf 68 bis 78 g/km gesenkt werden. Nach Stand der Technik entspricht das in etwa einem Pkw mit Verbrennungsmotor, der rund drei bis vier Liter fossilen Treibstoff pro 100 Kilometer verbraucht.


Herr Wissmann pfeift und Frau Merkel springt

Wenn es nach Herrn Wissmann und den von ihm vertretenen Automobilherstellern ginge, dann bliebe allerdings alles beim alten: Business as usual. - Und nach uns die Sintflut ...

Wenn Frau Merkel mit dem Schlagwort "fast 60 Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland" konfrontiert wird, dann spielt Klimaschutz offenbar schlagartig keine Rolle mehr. Jedenfalls hat sie den Automobilherstellern bei den EU-Verhandlungen über strengere CO2-Grenzwerte ihre Hilfe zugesagt. Gerade große Autos seien die Innovationstreiber in der Industrie ...
  • ... Gab es da nicht mal so etwas wie einen Ehrentitel, den man Frau Merkel einmal zugesprochen hatte? - Klimakanzlein? - Gefühlt muss das aber vor unendlich langer Zeit gewesen sein. Aus heutiger Sicht verdient Frau Merkel den Titel "Klimakanzlerin" jedenfalls ebensowenig, wie Herr Obama den Friedensnobelpreis.

Eines der Mittel zum Zweck, mit denen das Überleben der Spritschlucker gesichert werden soll, sind sogenannte "Supercredits" für Neuwagen, deren CO2-Emissionen 50 g/100 km unterschreiten. Darunter würden dann auch Pkw mit Elektroantrieb fallen. Das EU-Parlament will solche Neuwagen im Zeitraum von 2016 bis 2023 mit einem Faktor 1,5 bei der Bestimmung der Flottenemissionen aller Neuwagen eines Herstellers berücksichtigen. Der EU-Kommission geht das zu weit. Sie hält maximal einen Faktor von 1,3 für vertretbar.

Nach Ansicht des VDA hingegen müssten die in der EU-Kommission und im EU-Parlament angedachten Supercredits - also der Anrechnungsfaktor, unter anderem für Elekro-Fahrzeuge - deutlich angehoben werden. Wenn die Automobilhersteller für ihre "Supercredits" ebenso zur Kasse gebeten werden würden, wie andere Branchen für ihre "Emissionszertifikate", dann wäre das Thema allerdings möglicherweise schnell wieder vom Tisch.

Supercredits für Elektrofahrzeuge, die den CO2-Schnitt der gesamten Neuwagenflotte eines Herstellers senken, sind ein billiger Taschenspielertrick, der dem Klimaschutz schadet, und ausschließlich dem "Geschäftsmodell Premiumsegment" und der Profitmaximierung einiger deutscher Automobilhersteller nützt.

Eine bereits praktizierte Methode zur Schönrechnung des Treibstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen von Neuwagen ist die Ermittlung der Verbrauchsdaten unter "Laborbedingungen". Im Alltag liegt der durchschnittliche Treibstoffverbrauch dann auch eher bei siebeneinhalb, als bei den von den Herstellern angegebenen sechs Litern.


Politisch legitimierte Bilanzfälschung

Ich weiß, dass ich mich wiederhole, wenn ich erneut darauf hinweise, dass die Naturgesetze keine Rücksicht auf die Gesetze der Menschen nehmen. Aber solange diese einfache Tatsache von Lobby-Vertretern, Branchenverbänden etc. mit Hilfe der von ihnen beeinflussten Regierungen ignoriert wird, kann man das eigentlich gar nicht oft genug erwähnen: Jeder virtuell geschönte, real aber mehr verbrauchter Liter fossilen Treibstoffs jedes einzelnen Fahrzeugs, sowie jedes aufgrund von Supercredits zuviel emittierte Gramm CO2 taucht zwar in den Statisiken nicht mehr auf, trägt aber in der Realität zusätzlich zum Klimawandel und der Beschleunigung der globalen Erwärmung bei.

Medienberichten der letzten Tage zufolge meint Frau Merkel, Deutschland sei in besonderer Weise von der Kfz-Branche abhängig. Ein Viertel des Umsatzes der deutschen Industrie entstünde mit und in der Automobilindustrie. Davon hänge in erheblichem Maße der Wohlstand und die Zukunft Deutschlands ab. - Mit ihrer Sichtweise bezüglich der Zukunft Deutschlands ignoriert Frau Merkel allerdings völlig, das nicht zuletzt auch die Zukunft Deutschlands davon abhängt, ob aufgrund der zu erwartenden Folgen einer globalen Klimakatastrophe zukünftig ein Leben in diesem Land überhaupt noch möglich sein wird.

Spätestens seit der Veröffentlichung des IPCC-Klimareports 2007 sollte auch dem letzten Ignoranten klar geworden sein, dass der Erhalt der globalen Lebensgrundlagen unmittelbar von der rechtzeitigen und nachhaltigen Umsetzung notwendiger Maßnahmen zur drastischen Reduzierung klimarelevanter Gasemissionen abhängig ist. Ein großer Teil der klimaschädlichen CO2-Emissionen ist auf die ausschließlich profitorientierte Firmenpolitik der Automobilkonzerne - insbesondere aber auf deren Festhalten an überholten, klimaschädlichen Geschäftsmodellen - zurückzuführen.

Mit dem starren Festhalten an derartigen "Geschäftsmodellen" sägen sie mittel- und langfristig nicht nur an ihrem eigenen Ast: Sie tragen damit darüberhinaus maßgeblich zur Gefährdung des Überlebens aller nachfolgenden Generationen der Menschheit, sowie der Existenz des Lebens auf unserem gemeinsamen Planeten Erde insgesamt bei.

Aus meiner Sicht haben Neufahrzeuge, bei deren Betrieb kein CO2 emittiert wird, in der Berechnung der CO2-Flottenemissionen von Neuwagen, in deren Motoren fossile Treibstoffe verbrannt werden, nichts verloren. Wenn in der Produktpalette eines Automobilherstellers Fahrräder zu finden sind, dann werden diese schließlich auch nicht nicht auf die CO2-Flottenemissionen seiner Neufahrzeuge angerechnet - auch dann nicht, wenn sie mit einem Elektromotor ausgerüstet sind (E-Bikes). Mit welcher Begründung sollten also andere Elektrofahrzeuge auf die CO2-Flottenemissionen angerechnet werden?

Wenn Elekrofahrzeuge dann auch noch mit durch nichts zu rechtfertigenden "Supercredits" - de facto sind das "Lizenzen zur Förderung des globalen Klimawandels" - zur zusätzlichen virtuellen Senkung der CO2-Flottenemissionen missbraucht werden sollen, dann ist das aus meiner Sicht nichts anderes, als politisch legitimierte CO2-Bilanzfälschung. In anderen Zusammenhängen fällt Bilanzfälschung in den Bereich der Wirtschaftskriminalität und wird strafrechtlich verfolgt.

Im Falle der gleichfalls auf eigennützige, wirtschaftliche Interessen zurückzuführenden CO2-Bilanzfälschung werden allerdings die Unschuldigen bestraft werden: Die volle Härte der Folgen der umweltpolitischen Gesetzgebung heutiger Regierungen, die wider besseres Wissen weitere CO2-Emissionen legitimieren, wird die nachfolgenden Generationen treffen.Wenn Völkermord zu Recht als schwerwiegendes Verbrechen gilt, dann fehlen mir für ein Verbrechen, das die Vernichtung der Lebensgrundlagen aller folgenden Generationen billigend in Kauf nimmt, schlicht die Worte!

Auch der "Verkehrsclub Deutschland" (VCD) fordert von der Bunderegierung, den Rechentricks der Automobilhersteller einen Riegel vorzuschieben. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen bittet er auf seiner Internetseite im Rahmen einer E-Mail Online-Aktion um Unterstützung. Der Text der E-Mail, die um einen persönlichen Kommentar ergänzt werden kann, lautet:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
lassen Sie sich nicht weiter von den Rechentricks der Autokonzerne hinters Licht führen! Sowohl die Möglichkeit der Mehrfachanrechnung von verkauften Autos mit geringem CO2-Verbrauch, als auch die Möglichkeit diese »virtuellen Fahrzeuge« über mehrere Jahre ansparen zu können, geht in die vollkommen falsche Richtung. Denn Rechentricks zugunsten von Autos mit hohem Spritverbrauch, verhindern die Entwicklung und den Verkauf von spritsparenden Fahrzeugen.
Als Bundeskanzlerin sind Sie den Interessen der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet und nicht allein denen der Automobilindustrie. Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach und setzen Sie sich in der EU für ambitionierte CO2-Grenzwerte ein - ohne Schlupflöcher und Schönrechentricks! Jedes verkaufte Auto muss selbstverständlich mit seinem tatsächlichen CO2-Ausstoß berechnet werden.

Sorgen Sie bitte dafür, dass der Autoverkehr der Umwelt und dem Klima so wenig wie möglich schadet. Damit Neuwagen in Zukunft weniger Sprit verbrauchen und Mobilität bezahlbar bleibt.
Handeln Sie jetzt!
Mit freundlichen Grüßen


Heute noch ein Tropfen auf dem heißen Stein

Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Elektrofahrzeuge liegt derzeit im vierstelligen Bereich. In Anbetracht der aktuell rund 43,4 Millionen zugelassenen Pkw (Stand: Januar 2013) frage ich mich, ob sich Herr Ramsauer (CSU, Bundesverkehrsminister) angesichts des verschwindend geringen Anteils von einigen tausend  Elektrofahrzeugen nicht selbst etwas albern vorgekommen ist, als er während einer Konferenz zum Thema Elektromobilität in Berlin öffentlich die Ansicht vertrat, dass "in den vergangenen Jahren viel erreicht worden" ist.

Selbst eine Anzahl von "einer Million Elektrofahrzeugen", die dem Wunsch der Bundesregierung zufolge im Jahre 2020 hierzulande auf den Straßen unterwegs sein sollen, wäre mit Blick auf die CO2-Bilanz des Individualverkehrs wohl kaum der Rede wert. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, steht derzeit aber noch völlig in den Sternen. Herrn Zetsche (Daimler-Benz, Geschäftsführer) zufolge haben es Elektroautos im Wettbewerb mit herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor derzeit nämlich noch "verdammt schwer". Dies liege vor allem an den hohen Kosten und der geringen Reichweite.

Da hat Herr Zetsche sicherlich nicht unrecht. Allerdings hat wohl auch niemand ernsthaft damit gerechnet, in welchem Umfang Autos einmal unser Leben beeinflussen würden, als Gottlieb Daimler 1868 seine ersten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf die Straße schickte. Laut Wikipedia hieß es in "Brockhaus‘ Konversationslexikon" von 1894-1896, dass mit dem Daimler-Motor Type "Phönix" ausgerüstete Petroleummotorwagen bei Geschwindigkeiten "in den Grenzen zwischen 5 und 25 km pro Stunde" auf eine Reichweite von 200 Kilometern kamen.

Demgegenüber ist beispielsweise die Reichweite eines aktuellen französischen Elektro-Kleinwagens mit 210 Kilometern angegeben - allerdings bei einer Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h. Und was den Komfort angeht dürften zwischen den "Petroleummotorwagen" das Herrn Daimler und den heutigen Elektrofahrzeugen wohl Welten liegen.

Ein bedeutenderer Grund für die Absatzprobleme bei Elektrofahrzeugen dürfte aber wohl die mangelhafte Infrasruktur für den Betrieb solcher Fahrzeuge sein (fehlende Ladestationen und /oder Akku-Wechselstationen, ...). Im übrigen haben die deutschen Automobilhersteller den Zeitpunkt für die Einführung CO2-neutraler Antriebe meines Erachtens schlicht verschlafen. Hersteller in Japan oder Frankreich haben bei Elektro- und Hybridfahrzeugen eindeutig die Nase vorn.

Als es in der Folge der Weltwirtschaftskrise 2008 darum ging, eine als "klimaschutz-fördernde Öko-Prämie" verkaufte Abwrackprämie für Gebrauchtwagen umzusetzen, die allerdings lediglich der Automobilindustrie zugute kam, war das für die damalige Bundesregierung kein Problem. Wenn es jetzt aber um die vorübergehende Einführung von Kaufanreizen in Form von Prämien für den Austausch von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Pkw gegen Elektrofahrzeuge geht, dann lehnt die schwarz-gelbe Bundesregierung das strikt ab. Auch diesbezüglich sind andere Länder uns in Sachen Elektromobilität um Längen voraus.


(Quellen: ZDF Heute vom 28.05.2013, Spiegel vom 27.05.2013, Greenpeace Pressemitteilung vom 27.05.2013, Spiegel vom 21.05.2013, FAZ vom 21.05.2013, Handelsblatt vom 21.05.2013, Greenpeace vom 21.05.2013, Spiegel vom 24.04.2013, Autokiste vom 18.02.2013, Auto Motor Sport vom 18.02.2013, Kraftfahrtbundesamt vom 01.01.2013, VCD, Wikipedia)

Dienstag, 28. Mai 2013

Wo bleiben die Wähler?

Angesichts der alarmierend geringen Wahlbeteiligung von nur 46,7 Prozent kann nach den gestrigen Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein - landesweit betrachtet - eigentlich keine einzige Partei mehr den oft und gerne zitierten "Auftrag des Wählers" für sich beanspruchen.

Schon bei den Kommunalwahlen 2008 hatten sich weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten (49,4 Prozent) an den Wahlen beteiligt. Bei den Wahlen zuvor (2003) waren es immerhin noch 54,5 Prozent gewesen.

Im landesweiten Ergebnis verbesserte sich die CDU um 0,3 Prozent auf jetzt 38,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mit 3,2 Prozent fiel der Zugewinn für die SPD, die landesweit jetzt auf 29,8 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt, schon deutlicher aus. Die Grünen gewannen landesweit mit 13,7 Prozent der abgegebenen Stimmen 3,4 Prozent hinzu.

Die FDP verlor gegenüber 2008 landesweit 4 Prozent und kommt damit nur noch auf 5 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die deutlichsten Verluste erlitt mit 4,4 Prozent die Linke, die landesweit nur noch 2,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt.

Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) - die Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein - erhielt 2,9 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Wäre eine imaginäre "PdNW" (Partei der Nichtwähler) in den Kommunalparlamenten Schleswig-Holsteins vertreten, dann wäre sie mit 53,2 Prozent der Wahlberechtigten die einzige Partei mit einer demokratisch begründeten Legitimation. Bezogen auf die Zahl der Wahberechtigten wäre der Anteil der Stimmen für die anderen Parteien, wie die folgende Tabelle zeigt, nahezu bedeutungslos:
Tabelle:
Kommunalwahl Schleswig-Holstein 2013
Parteien A (%) B (%)
CDU 38,9 18,2
SPD 29,8 13,9
Die Grünen 13,7 6,4
FDP 5 2,3
Linke 2,5 1,2
Wählergemeinschaften 4,8 2,2
Piraten 1,6 0,7
SSW 2,9 1,4
Differenz zu 100 Prozent 0,8 0,4
"PdNW" --- 53,2

A: Prozent der abgegebenen Stimmen
B: Prozent der Wahlberechtigten
"PdNW": Imaginäre "Partei der NichtWähler"

Rechnerisch gibt es eine Differenz in Höhe von 0,8 Prozent
der abgegebenen Stimmen, bzw. von 0,4 Prozent der Wahl-
berechtigten zu "100 Prozent". Möglicherweise könnte das
auf Rundungsfehler zurückzuführen sein.


(Quelle: Wahlberichte des NDR vom 27.05.2013)

Jetzt stellen sich die Politiker in Schleswig-Holstein quer durch alle Parteien die Frage:


"Wo bleiben die Wähler?"

In ihren Analysen heißt es dann beispielsweise, die Parteien hätten offenkundig das Problem, dass sich die Menschen immer weniger für Politik interessieren. Oder die Medien haben mal wieder die Schuld, weil sie die parlamentarische Demokratie schlechter machen, als sie ist, oder die Eliten in Wirtschaft und Wissenschaft, die sich teils verächtlich über Politiker äußern.

Ich denke, dass die Menschen sich schon dafür interessieren werden, was in der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik vor sich geht - schließlich sind sie im Zweifelsfalle die Leidtragenden - und ich setze einmal voraus, dass die Eliten in Wirtschaft und Wissenschaft nichts Negatives über Politiker sagen würden, wenn sie dafür keine Veranlassung hätten.

Ich habe vielmehr den Eindruck, dass bei den Menschen allgemein ein Gefühl der Ohnmacht um sich greift. Sätze wie: "Warum soll ich mir die Mühe machen, Zur Wahl zu gehen. Die da oben machen ja doch was sie wollen.", oder: "Warum soll ich meinen Protest auf der Straße kundtun. Das ändert ja doch nichts.", habe ich jedenfalls schon mehr als oft genug zu hören bekommen.

Aber für die Politiker "da oben" ist es natürlich einfacher, "den Medien" oder "den Eliten in Wirtschaft und Wissenschaft" die Schuld an der Misere in die Schuhe zu schieben, die sich sich eigentlich selbst anziehen müssten. Vielleicht würde es ja schon etwas helfen, wenn sie von "da oben" einmal wieder auf das Niveau der Bürger herunterkämen. Dann könnten sie möglicherweise auch wieder nachvollziehen, welche Folgen ihr politisches Handel bzw. Nichthandeln für die Bürger zur Folge hat und warum sie es aufgegeben haben, sich aktiv für ihre Belange einzusetzen.


(Quellen: NDR vom 27.05.2013, SSW, Wikipedia)

Sonntag, 26. Mai 2013

Cornwall - Relikte des Zinn Bergbaus

Weltwerbe Zinbergbau Region Cornwall

Wenn man in Cornwall unterwegs ist, dann fallen einem in der Landschaft immer wieder die Ruinen ehemaliger Industriegebäude und die hohen Kamine auf. Dabei handelt es sich um die Relikte des Zinn-Bergbaus in Cornwall aus dem 19. Jahrhundert.

Bereits in der Bronzezeit und während der Antike war Cornwall die Hauptquelle für Zinn, das für die Bronzeherstellung in den gesamten Mittelmeerraum verschifft wurde. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lieferte Cornwall mehr als die Hälfte des Weltbedarfs an Zinn. Im 20. Jahrhundert waren die Zinn-Minen weitgehend erschöpft.

Einige der aufgegebenen Minen wurden aufgrund des steigenden industriellen Bedarfs an Arsen - häufig ein Begleitmineral des Zinns - im frühen 20. Jahrhundert auf Arsengewinnung umgestellt. Durch die Arsenstäube wurden weite Regionen um die Bergwerke vergiftet.

Erst Ende des 20. Jahrhunderts begann man mit einer Rekultivierung des Landes. Mit der South Crofty Mine in Pool wurde 1998 das letzte Zinn-Bergwerk in Europa geschlossen.

Da die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Bergbau-Region in Cornwall als beispielhaft für die Industrialisierung Englands im 19. Jahrhundert gilt, und Erfindungen der Bergbautechnik von dort aus in die gesamte Welt exportiert und verbreitet wurden, ist sie heute ein Teil des UNESCO-Welterbes.

An einem verregneten Septembertag klarte es Nachmittags etwas auf und auch der Regen ließ nach. Weil wir keine Lust hatten, den ganzen Tag im Cottage zu verbringen, hatten wir uns doch noch auf den Weg in die nähere Umgebung gemacht und waren dabei auf einem Parkplatz am Rande einer ehemaligen Zinn-Schmelzerei gelandet.

Während unseres Spaziergangs entstanden dort dann die Foto- und Videoimpressionen, die in meinem Video zu sehen sind. Die wolkenverhangene Berglandschaft mit den darin verstreut liegenden Ruinen verbreitete eine ganz eigene Stimmung. Bei der diesigen Sicht und dem von den Wolken gedämpften Licht hätte man beinahe den Eindruck gewinnen können, als läge der Rauch, der damals aus den allgegenwätigen Abgaskaminen aufstieg, wieder über dem Land ...


(Quelle: Diverse englische Info-Flyer für Cornwall-Touristen,  Wikipedia)

Samstag, 25. Mai 2013

Zarte Wunder

Kastanienblüte
Aus der Ferne wirken die Blütenstände der Kastanien wie große weiße Kegel. Erst aus der Nähe betrachtet erkennt man die Feinheiten der einzelnen, weißen Blüten mit ihren pinkfarbenen Tupfern. Es sind kleine zarte Wunder, die den meisten Menschen wohl verborgen bleiben werden.

In vier Wochen ist Sommeranfang. An der Nordseeküste ist es derzeit kalt und die Sonne macht sich rar. Dafür gibt es Regen im Überfluss. Aber eigentlich können wir uns wohl kaum beklagen: Wie in den Nachrichten zu sehen war, hat es an anderen Orten in Deutschland wieder geschneit ...

Euch allen trotzdem ein schönes Wochenende.

Atomic Africa

Atomkraft? Nein Danke!In manchen afrikanischen Ländern kann man
verhaftet werden, wenn man über die Hintergründe
des dortigen Uran-Abbaus berichtet. So ist es dem
kongolesischen Umwelt- und Menschenrechtsakti-
visten Golden Misabiko im Jahre 2009 ergangen.


Darüber schreibt die Anti-Atom Initiative "Anti-Atom Bremen" in einer E-Mail, die ich über einen Verteiler erhalten habe. Im Rahmen der Fertigstellung des Dokumentarfilms "Atomic Africa", in dem Herr Misabiko eine zentrale Rolle spielt, unternimmt er jetzt eine Vortragsrundreise durch Deutschland. Am 06.06.2013 wird er in Bremen sein und zum Thema "Uranabbau und seine Folgen in Afrika" referieren. Am gleichen Tag wird der Film erstmals in Deutschland zu sehen sein.

Herr Misabiko ist Aktivist in der afrikanischen Vereinigung für den Schutz der Menschenrechte (ASADHO) und der African Uranium Alliance. Im Jahre 2009 hatte er in seinem Heimatland einen Bericht über die Folgen des Uranabbaus durch den französischen Konzern AREVA veröffentlicht woraufhin er wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" verhaftet worden war.

Amnesty International bezeichnete Herrn Misabiko damals als "gewaltlosen politischern Gefangen". Im dem Bericht Herrn Misabikos wird die Regierung Kongos der Mittäterschaft bei der illegalen Förderung von Uran beschuldigt. Nur aufgrund internationaler Proteste war Herr Misabiko aus der Haft entlassen worden, musste seine Heimat jedoch verlassen. Heute lebt er in Südafrika. Er berichtet weiterhin über die Folgen des Uranabbaus in Afrika und benennt die Verantwortlichen.


Die Lüge von der "sauberen Atomenergie"

AREVA ist Weltmarktführer im Bereich der Atomtechnik. Der Atomkonzern ist auf dem afrikanischen Kontinent nicht nur im Kongo, sondern unter anderem auch in Mali und Niger aktiv. Die Uranmine in Niger ist die weltweit größte und AREVA ist der größte Arbeitgeber im Land. Rund um die Städte Arlit und Akokan sollen sich mittlerweile rund 35 Millionen Tonnen Abraum türmen, jährlich sollen einige Hunderttausend Tonnen hinzukommen. Kritiker werfen der AREVA vor, die Gesundheit der Menschen zu gefährden und die Umgebung radioaktiv zu kontaminieren.

In einem Artikel des Anti-Atom-Netzwerks "contrAtom" vom 06.07.2011 heißt es dazu (Zitat):
.. In Niger sind die Auswirkungen des Uranabbaus besonders deutlich: Notwendige Sicherheitsmaßnahmen – wie zum Beispiel Atemschutzmasken für Minenarbeiter – sind jahrzehntelang missachtet worden. Radioaktiver Abraum wird unter freiem Himmel gelagert. Mit dem Wind wird der Staub davongetragen.

Die Tagebaumine ist ein gigantisches Loch in der Erde: Bis zu 80 Meter tief haben sich die Menschen in die Tiefe gesprengt, um an die uranhaltigen Schichten zu kommen. Staubwolken steigen auf: nach jeder Sprengung und jedes Mal, wenn ein Bagger seine Schaufel über einem der riesigen Lkw entlädt. Betrieben wird die Mine seit rund 40 Jahren von einer Tochterfirma des staatlichen französischen Nuklearkonzerns, der früher Cogema hieß und heute AREVA heißt. Der Staat Niger hält an der Firma knapp 40 Prozent der Anteile.

AREVA wird im Jahr 2013 in einer weiteren Mine Nigers Uran fördern. Sie wird zu den größten weltweit gehören: 5000 Tonnen Uran sollen dort jährlich ausgebeutet werden. Viel mehr, als derzeit in den beiden bereits bestehenden Minen zusammen. Insgesamt will Niger seine Förderleistung in den kommenden Jahren auf jährlich 10.500 Tonnen erhöhen. Der Wüstenstaat würde damit der größte oder zweitgrößte Exporteur der Welt.

Im November 2009 hat Greenpeace, in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen französischen Labor CRIIRAD und einer Umweltorganisation aus Niger, in den Städten Arlit und Akokan im Norden Nigers Untersuchungen durchgeführt. Die Ergebnisse sind schockierend. Durch den frei herumwehenden Uranstaub aus den Tagebauminen und von den Müllhalden sind Luft, Wasser und Boden teilweise stark verseucht. Bei vier von fünf Wasserproben aus der Umgebung von Arlit, nur wenige Kilometer von einer Mine entfernt, liegt die Urankonzentration höher als der WHO-Grenzwert für Trinkwasser zulässt. Im benachbarten Akokan liegen die Strahlungswerte 500-fach höher als die normalen Hintergrundwerte in der Umgebung. 80.000 Menschen sind durch die radioaktive Belastung gefährdet. ..
.. Vor allem Ureinwohner sind vom Uranbergbau massiv betroffen. Denn die meisten Uranminen liegen auf dem Land von indigenen Völkern: von Tuareg in Niger, Aborigines in Australien, Indianern und Inuit in Kanada, Indianern in den USA und Adivasi in Indien. Rücksichtslos wird der lukrative Rohstoff abgebaut, ohne die Arbeiter und Anwohner über die Gefahren des Bergbaus zu informieren und vor den katastrophalen gesundheitlichen Folgen angemessen zu schützen.

Die Energiewirtschaft hat kein Interesse an einer Offenlegung der Herkunft des Urans, da sie möglichst kostengünstig produzieren möchte.

Während sich die Bundesregierung ihrer Verantwortung entzieht, nehmen unter den Ureinwohnern nahe der Uranminen Leukämie, Haut- und Lungenkrebs stark zu. Wer Atomenergie nutzt, muss sich auch zu seiner Verantwortung für die Opfer des Atomkreislaufs bekennen! ..

Soviel also zu der angeblich sauberen, weil CO2- und abgasfreien Atomkraft ... - wobei selbst die Behauptung "abgasfrei" schon eine glatte Lüge ist: Über den verharmlosend "Abluftkamin" genannten Schornstein der Atomkraftwerke werden bereits im "Normalbetrieb" radioaktive Gase wie (Krypton-85) Halbwertszeit 10,756 Jahre) oder das instabile Wasserstoffisotop Tritium in die Umwelt emittiert.

Bei Wikipedia heißt es, Tritium könne in Form von Wasser im Körper gespeichert und umgesetzt werden. Einer Studie aus dem Jahre 2008 zufolge könne es sich in die Erbsubstanz einlagern, was vor allem bei einer Schwangerschaft problematisch sein könne. Eine andere Studie komme sogar zu dem Schluss, dass die Wirkung von Tritium bisher um den Faktor 1000 bis 5000 unterschätzt worden sein könnte.


Von Afrika über Deutschland in die Welt

Die Zustände im Bereich der Uran Abbaugebiete werden zunehmend schlimmer und die Nicht Regierungsorganistionen in Afrika und anderen vom Uranbergbau bedrohten Regionen, die sich dagegen zur Wehr setzen, werden bedrängt. Sie benötigen dringend internationale Solidarität.

Mit der Vortrags- und Filmveranstaltung will die Anti-Atom Initiative "Anti-Atom Bremen" auf den viel zu wenig beachteten Uranbergbau und seine Gefahren aufmerksam machen. Sie weist darauf hin, dass das in Afrika und anderen Regionen der Welt unter oft haarsträubenden Bedingungen nach neokolonialem Muster abgebaute Uran unter anderem auch in der Uran-Anreicherungsanlage "Gronau" weiterverarbeitet wird.

Von dort werde es in Form von Brennstäben für den Betrieb von Atomkraftwerken weltweit exportiert, um dann als hochradioaktiver Atommüll zu enden, für den es weltweit kein einziges Atommülllager gibt, in dem er über Millionen von Jahren, sicher von der Biosphäre abgeschirmt, gelagert werden könne.



Uranbergbau, Atomindustrie und Widerstand in Afrika
- Vortrag von Golden Misabiko -

Film "Atomic Africa"

Ein politisches Road-Movie durch das Nukleare Afrika.
Dokumentarfilm (D 2013, 90 Minuten)
Uganda, Tansania, Kongo, Südafrika, Niger, Frankreich
Autor, Regie und Kamera: Marcel Kolvenbach
  • Am 06.06.2012
  • Um 20 Uhr
  • Im "Paradox"
    Bernhardstr. 10-12
    28203 Bremen


 
(Quellen: E-Mail-Verteiler, Amnesty International vom 17.08.2009, contrAtom vom 06.07.2011, publicnomad, Kommunikationszentrum "Paradox" )

Dienstag, 21. Mai 2013

MOX-Atomtransport zum AKW-Brokdorf

Transport und Einsatz plutoniumhaltiger MOX-Brennelemente verbieten!
Der Brand, der am 01.05.2013 auf dem Frachtschiff "Atlantic Cartier" im Hamburger Hafen ausgebrochen war, hat deutlich gezeigt, welche Gefahren von Atomtransporten ausgehen. Knapp drei Wochen später wurde nun bekannt, dass ein weiterer Atomtransport durch Hamburg geplant ist, dessen Inhalt - sollte er infolge eines Unfalls in die Umwelt gelangen - weitaus gefährlicher ist, als das Uranhexafluorid, das gerade noch rechtzeitig von dem brennenden Frachter geborgen werden konnte.

Diesmal handelt es sich nicht um einen See-, sondern um einen Straßentransport. Zwei mit insgesamt zwölf Plutonium-Mischoxid-Brennelementen (Pu-MOX-BE) beladene Lkw sollen in den kommenden Tagen von Dessel (Belgien) aus quer durch Belgien, Holland und Deutschland zum Atomkraftwerk "Brokdorf" (Schleswig Holstein, Elbe) fahren. Das hat die Anti-Atom-Organisation ".ausgestrahlt" am 18.05.2013 in einer Pressemitteilung bekannt gegeben. Auch die Route dieses Transports wird wieder über Hamburger Gebiet führen.

Anders als bei herkömmlichen Brennelementen wird dem Urandioxid in MOX-Brennelementen ein weiteres radioaktives Oxid, in diesem Falle Plutoniumdioxid zugemischt. Die für das Atomkraftwerk "Brokdorf" bestimmten MOX-Brennelemente sollen laut Herrn Stay (.ausgestrahlt, Sprecher) 200 Kilogramm Plutonium enthalten (Herr Stay, Zitat): ".. eine Menge, mit der sich 25 Atombomben vom Nagasaki-Typ bauen ließen und das schon in allerkleinsten Mengen tödlich ist." Die insbesondere von Plutonium-Mischoxid-Brennelementen ausgehenden Gefahren hatte ich schon im September und im November des vergangenen Jahres im Zusammenhang mit den MOX Atomtransporten von Sellafield (England) über den Hafen von Nordenham (Weser) zum Atomkraftwerk "Grohnde" thematisiert.


Atomkraftwerk "Brokdorf": 222 meldepflichtige Ereignisse (8,2/Jahr)
Bezüglich des ohnehin höheren Risikos beim Einsatz von Plutonium-Mischoxid-Brennelementen in Atomkraftwerken kommt im Falle des Atomkraftwerks "Brokdorf" noch verschärfend hinzu, dass es ohnehin schon nicht gerade eines der sichersten Atomkraftwerke ist. Mit 222 meldepflichtigen Ereignissen liegt es nach den Atomkraftwerken "Grohnde" (231) und "Grafenrheinfeld" an dritter Stelle der Rangliste der neun noch betriebenen Atomkraftwerke. Statistisch ist es im Mittel mit 8,2 meldepflichtigen Ereignissen pro Jahr seit der Inbetriebnahme sogar der Spitzenreiter, gefolgt von den Atomkraftwerken "Grohnde" (8,0) und "Grafenrheinfeld" (7,2). Darüberhinaus wäre das direkt hinter dem Elbedeich gelegene Atomkraftwerk im Falle eines Deichbruchs bei einer schweren Sturmflut aufs höchste gefährdet.

Die taz berichtete am 19.05.2013, die Genehmigung für den MOX-Atomtransport gelte noch bis Freitag. Das wäre dann der 24.05.2013. Demnach müsste der Transport kurz bevorstehen. Die Anti-Atom-Initiative "Brockdorf Akut" geht davon aus, dass der Transport voraussichtlich in der Zeit von 21. bis 23. Mai 2013 erfolgen wird: Die Polizei Itzehoe habe sich für diesen Zeitraum quasi abgemeldet - vermutlich zu einem "Betriebsausflug" nach Brokdorf. In der .ausgestrahlt-Pressemitteilung sagt Herr Stay über die Risiken des geplanten Atomtransports (Zitat):
Wurde bei der Debatte über das brennende Schiff mit Uranhexafluorid noch darauf hingewiesen, dass solche Gefahrguttransporte quasi eine Alltäglichkeit für Hamburg darstellen, so lässt sich jetzt feststellen: Der Transport von Material, mit dem sich 25 Atombomben vom Nagasaki-Typ bauen ließen und das schon in allerkleinsten Mengen tödlich ist, ist eine absolute Extremsituation.

Würde bei einem Unfall ein MOX-Behälter undicht und das Plutonium durch Brandeinwirkung über eine größere Fläche verteilt, dann hätte das in der dichtbesiedelten Millionenstadt Hamburg fatale Folgen.  Denn schon wer wenige Millionstel Gramm dieses Ultragiftes einatmet, ist akuter Krebsgefahr ausgesetzt. ..

MOX-Brennelemente sind nicht nur bei Verkehrsunfällen ein unverantwortbares Risiko. Auch ihr Einsatz im Reaktor birgt zusätzliche Gefahren. Das wurde der Weltöffentlichkeit durch die Ereignisse im Reaktorblock 3 von Fukushima besonders deutlich. Atommüll aus MOX strahlt etwa doppelt so stark wie der aus herkömmlichen Uran-Brennelementen.
Auch wenn wir den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Brokdorf grundsätzlich ablehnen, sei gesagt: Das AKW könnte auch ohne MOX betrieben werden – und zwar deutlich sicherer.

Wir fordern die Behörden auf, den unnötigen Transport abzusagen und ein Konzept zu entwickeln, wie Unfälle mit diesem extremen Gefahrgut gehandhabt werden können, ohne dass Menschen zu Schaden kommen. Sollte der Transport nicht abgesagt werden, muss die Bevölkerung genau über Routen und Zeitpläne informiert werden, damit sie sich selbst schützen kann.

Den Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein sei gesagt: Der MOX-Transport enthält deutlich mehr Plutonium als die geplanten Castor-Transporte aus Sellafield, über die gerade die halbe Republik diskutiert. Die Innenminister der betroffenen Bundesländer, also auch Hamburg, können den Transport verhindern, wenn sie sich nicht in der Lage sehen, kurzfristig genügend Kräfte zu seiner Sicherung bereitzustellen. Dann muss das Bundesamt für Strahlenschutz die Transportgenehmigung zurückziehen.

Auf der Internetseite von ".ausgestrahlt" gibt es eine Online-Petition, die sich gegen MOX Atomtransporte und den Einsatz von Plutonium-Mischoxid-Brennelementen in Atomkraftwerken richtet. Sie lautet (Zitat):
"Transporte von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen sind ein nicht hinnehmbares Risiko. Bei einem Unfall auf der Strecke könnte hochgiftiges und wegen seiner Radioaktivität schon in kleinsten Mengen tödliches Plutonium freigesetzt werden – eine Katastrophe. 

Der Einsatz von MOX-Brennelementen in Atomkraftwerken macht diese noch gefährlicher, als sie sowieso schon sind. In Fukushima etwa erwies sich das dort eingesetzte MOX als enorme Zusatz-Gefahr, das Plutonium verschlimmerte die radioaktive Verseuchung der Umgebung. 

Plutonium lässt sich auch durch die Verarbeitung zu MOX-Brennelementen nicht aus der Welt schaffen. MOX ist ein hochgefährlicher Taschenspielertrick der Atomwirtschaft. 

Wir fordern: Stoppt die MOX-Transporte! Stoppt die Verarbeitung und den Transport von Plutonium! Kein weiterer Einsatz von MOX-Brennelementen in Atomkraftwerken! Und schließlich: Beendet die Produktion von immer neuem Plutonium durch Stilllegung der AKW – nicht in zehn Jahren, sondern jetzt!"


Der geplante MOX-Atomtransport von Dessel zum Atomkraftwerk "Brockdorf", der eigentlich wie üblich verheimlicht werden sollte, und der Einsatz der Plutonium-MOX-Brennelemente im Atomkraftwerk "Brokdorf", stellt - wie alle anderen MOX-Transporte auch - ein grundsätzliches Problem dar: Neben der nicht realisierbaren Atommüll-"End"-Lagerung ist die Plutonium-Zumischung ("Wieder"-Aufbereitung) zu Uran-Brennelementen ein weiteres Element der "Atommüll-Entsogung", auf die sich die Genehmigungen für den Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland stützen.

Ebenso wie die Tatsache, dass es niemals ein Atommüll-"End"-Lager geben wird, in dem sich der Atommüll über Millionen von Jahren hinweg sicher von der Biosphäre abgeschlossen lagern ließe, ist es eine Tatsache, dass das beim Betrieb der Atomkraftwerke entstehende Plutonium durch den Einsatz von MOX-Brennelementen nicht weniger wird. Das Gegenteil ist der Fall: Nach dem Einsatz von MOX-Brennelementen enthalten diese mehr Plutonium, als bei der Herrstellung zugemischt wurde.
  • Allein schon aus diesen Gründen hätte der Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland niemals genehmigt werden dürfen. Die Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende müssen deshalb beschleunigt und die Atomkraftwerke schnellstens - und zwar deutlich vor 2022! - stillgelegt werden.


(Quellen: Die Welt vom 21.05.2013, Bundespresseportal vom 21.05.2013, BBU - Pressemitteilung vom 21.05.2013, Kein Castor nach Ahaus - Pressemitteilung vom 21.05.2013, taz vom 19.05.2013, .ausgestrahlt - Pressemitteilung vom 18.05.2013, shz.de vom 18.05.2013, umweltFAIRändern vom 18.05.2013)

Montag, 20. Mai 2013

Autotransportschiff entpuppt sich als Atomfrachter

Atomkraft? Nein Danke!Am 02.05.2013 hatten mehrere Medien, darunter auch der NDR, über einen Brand an Bord des Autotransportschiffs "Atlantic Cartier" berichtet, der am Abend des vorhergehenden Tages ausgebrochen war. Dabei seien etwa 70 Neuwagen verbrannt. Die Feuerwehrleute hätten Teile der Fracht entladen müssen, bevor mit den eigentlichen Löscharbeiten begonnen werden konnte. Neben den Fahrzeugen seien auch einige Container an Bord gewesen, von denen einige auch Gefahrstoffe enthalten hätten.

Seit die Medien am 17.05.2013 erneut über den Brand berichteten, ist klar, dass es sich bei dem "Autotransportschiff" eigentlich um einen ganz normalen Containerfrachter handelt, der unter anderem auch Neuwagen geladen hatte. Bezüglich der "restlichen" Ladung ist in einem Bericht der taz unter anderem von 33 Containern mit 3,8 Tonnen Munition und 20 Tonnen radioaktiven Stoffen die Rede, darunter auch ein Container mit neun Tonnen hochgiftigem Uranhexafluorid (UF6), der nur ein Deck über dem Brandherd gestanden habe.

Statt als "Autotransportschiff" hätte man die "Atlantic Cartier" also auch genausogut als "Munitionstransporter" oder als "Atomfrachter" bezeichnen können. Das wäre in der Öffentlichkeit allerdings wohl nicht so gut angekommen. Bei "Autotransportschiff" kommen die Leute nicht so leicht auf die Idee, unangenehme Fragen zu stellen.

Wäre das Uranhexafluorid mit Löschwasser in Berührung gekommen, dann wären daraus infolge einer heftgen chemischen Reaktion Uranylfluorid (UO2F2) und Fluorwasserstoff (HF) entstanden. Fluorwasserstoff bildet in Verbindung mit Wasser Flusssäure. Da Wasser als Löschmittel also ausfiel, hätte zur Brandbekämpfung auf dem Deck, auf dem der Uranhexafluorid-Container stand, Kohlendioxid (CO2) eingesetzt werden müssen.

Dem Bericht der taz zufolge waren die Löscharbeiten unter anderem auch deshalb äußerst dramatisch, weil die Feuerwehr in ganz Norddeutschland nicht genug Kohlendioxid (CO2) auftreiben konnte. Es ist also nur einer gehörigen Portion Glück, und dem Handeln der 300 Einsatzkräfte zu verdanken, dass die Container mit der radioaktiven und explosiven Fracht noch rechtzeitig aus dem brennenden Schiff geborgen werden konnten.

Flusssäure ist ein starkes Kontaktgift und wird sofort von der Haut aufgenommen. Dadurch ist eine Verätzung tieferer Gewebeschichten und sogar der Knochen möglich, ohne dass die Haut anfangs äußerlich sichtbar verletzt ist. Hinzu kommt, dass ein warnender Schmerz oft erst mit einer Verzögerung von mehreren Stunden auftritt.

Neben der ätzenden Wirkung kann es zu akut bedrohlichen Stoffwechselstörungen kommen, die zu multiplem Organversagen führen und tödlich verlaufen können. Darüberhinaus schädigt Flusssäure auch das Nervensystem.

Die Radioaktivität von Uranhexafluorid ist vom Mengenverhältnis der enthaltenen Uran-Isotopen abhängig. Uran 238 hat eine Halbwertszeit von 4,468 Milliarden Jahren. Die Halbwertszeit von Uran 235 beträgt 703,8 Millionen Jahre. Beide Uran-Isotope sind Alpha-Strahler. Die von einem Alpha-Strahler abgegebenen Atomkerne lassen sich zwar leicht abschirmen, können aber große Schäden an lebenden Zellen hervorrufen, wenn sie über die Atmung oder die Nahrung in den Körper gelangen.

Bei "normaler" Umgebungstemperatur ist Uranhexafluorid fest, geht aber bei 56,5 Grad Celsius direkt in den gasförmigen Zustand über. Wäre der Container bei dem Brand beschädigt worden, dann hätte das Gas mit dem Wind auch in die Hamburger Wohngebiete getrieben werden können.

Uranhexafluorid wird bei der Herstellung von Brennelementen für den Betrieb von Atomkraftwerken benötigt. In Deutschland geschieht das in der Urananreicherungsanlage Gronau, wo Uranhexafluorid im Gaszentrifugenverfahren zur Verwendung in Atomkraftwerken angereichert wird, sowie in der Konversionsanlage der Brennelementefabrik Lingen, in der Uranhexafluorid zu Urandioxidpulver verarbeitet, zu Tabletten gepresst und dann gesintert wird. Nach einer Qualitätsprüfung werden die Tabletten in Brennstabhüllrohre gefüllt und zu Brennelementen montiert.
  • Solange diese beiden Anlagen noch in Betrieb sind und solange in Deutschland für die Herstellung von Brennelementen noch Atomtransporte stattfinden kann hierzulande von einem "Atomausstieg" keine Rede sein!


Detektivarbeit und eine Kleine Anfrage ...

Dass die Einzelheiten bezüglich der radioaktiven und explosiven Ladung der "Atlantic Cartier" überhaupt bekannt wurden ist einer Sendung des Deutschlandfunks vom 18.05.2013 zufolge im wesentlichen der BUND-Kreisgruppe Cuxhaven zu verdanken, die sich mit den Urantransporten in Deutschland beschäftigt. Der Gruppe ist bekannt, dass die Reederei, der das Schiff gehört, regelmäßig Atomtransporte und Transporte für die US-Army übernimmt.

In der Presse sei darüber berichtet worden, dass die Feuerwehr mit einem Notalarm vergeblich dringend CO2 als Löschmittel angefordert hatte. Da CO2 als Löschmittel für Uranhexafluorid benötigt wird, lagen genügend Gründe für den Verdacht auf die radioaktive Ladung vor. Die BUND-Kreisgruppe Cuxhaven hatte deshalb die Hamburger Grünen über ihren Verdacht informiert, die dann eine entsprechende Kleine Anfrage an den Hamburger Senat gestellt hatten.

Trotz der Gefahren, die anfangs von der Ladung des brennenden Frachters ausging, hatte es von offizieller Seite wieder einmal geheißen, die Bevölkerung sei zu keiner Zeit gefährdet gewesen. Im Nachhinein wird hier wieder einmal deutlich, dass bei derartigen pauschalen Verlautbarungen eigentlich bei jedem sofort die Alarmglocken schrillen müssten. Da die Einzelheiten erst infolge der Anfrage der Grünen bekannt wurden, sieht es aus meiner Sicht sehr danach aus, dass die Wahrheit über die von Atomtransporten ausgehenden Gefahren auch in diesem Fall wieder einmal vertuscht werden sollte.

Obwohl ich nicht in Hamburg wohne, fühle ich mich von dem Brand auf der "Atlantic Cartier" im nachhinein auch persönlich betroffen:
  • Zeitgleich mit dem Brand hatte am anderen Ufer der Elbe und in der benachbarten Innenstadt Hamburgs der Evangelische Kirchentag begonnen, an dem auch meine Tochter teilgenommen hatte. Die Vorstellung, welcher Gefahr sie ausgesetzt gewesen wäre, wenn die drohende Katastrophe nicht im letzten Augenblick hätte verhindert werden können, bestärkt mich zusätzlich darin, mich auch weiterhin für ein beschleunigtes Ende der Nutzung der Atomenergie und für einen wirklichen Atomausstieg in Deutschland einzusetzen.


Zum Weiterlesen:
Chemie.de:


(Quellen: Deutschlandfunk vom 18.05.2013, vom 17.05.2013 und Kommentar, taz vom 17.05.2013, Bundespresseportal vom 17.05.2013, Publikative.org vom 17.05.2013, Tagesschau - Filmbericht vom 17.03.2013, .ausgestrahlt - Pressemitteilung vom 17.03.2013, NDR vom 17.05.2013 - Bericht 1, Bericht2 und Kommentar, NDR vom 02.05.2013, Feuerwehr Hamburg vom 01.05.2013, Wikipedia, Chemie.de, Atomwaffen A-Z, WKK)

Sonntag, 19. Mai 2013

Ein Regenspektakel

Aus dem ersten Tag des "Deichspektakels" wurde ein Regenspektakel:
Wie am Morgen befürchtet, verwandelte der Regen den ersten Tag der Festivitäten zur Einweihung des frisch erhöhten Deichabschnitts in ein "Regenspektakel".


Nur einige wenige hartgesottene Besucher ...

Auf der neu angelegten Seebäderkaje reichte der Platz unter dem Regenschutz der Imbiss- und Getränkestände für die Zahl der Besucher, die sich trotz des "Schietwedders" auf den Weg gemacht hatten, völlig aus ...


... und Musiker trotzten dem Regen: "Singing in the Rain" hätte hier gut gepasst.
... und auf dem Deich spielte eine Band, der eines der neuen "Wellen- brecher Sitzmöbel" als Bühne diente, ganz allein für mich. Erst im Laufe der Zeit blieben einige der Regenspaziergänger stehen, um den Musikern und mir etwas Gesellschaft zu leisten.

Falls die Wetterfrösche recht behalten sollten, wird heute wohl der einzige Tag sein, an dem eine größere Chance auf trockenes Wetter besteht. Für das ab 11 Uhr geplante Picknick am Deich wäre das schon toll. Außerdem sind Stelzenläufer, Zauberer Jongleure, Brass Bands, Feuerspucker und ein Schlepperballett angekündigt.

Am Nachmittag werden 600 bis 800 Fahrradfahrer aus Bremerhaven und umzu erwartet, die sich um 14 Uhr vor dem Schiffahrtsmuseum zu einer Konvoifahrtüber den Treibselweg bis zur Seebäderkaje treffen wollen. Um 22 Uhr sollen die Veranstaltungen des heutigen Tages dann mit einem Feuerwerk abschließen.

Das gesamte heutige Programm des Deichspektakels ist hier zu finden.

Samstag, 18. Mai 2013

Ein erster Eindruck vom "neuen" Deich

Der "neue" Deich im Bereich des Deutschen Schiffahrtsmuseums
Nachdem die Arbeiten am Bremerhavener Weserdeich im Abschnitt zwischen der Seebädekaje und der Geestemündung im großen und ganzen abgeschlossen sind, wurden inzwischen auch die Bauzäune (bis auf einem sehr ein kurzes Stück) abgebaut: Endlich ist der Weg hinunter zum Wasser wieder frei.

Allerdings liegt die Promenade am Deichfuß jetzt ein ganzes Stück höher als vor der Deicherhöhung, ein Umstand der dem Hochwasserschutz in Anbetracht der zukünftig aufgrund des Klimawandels höher auflaufenden Sturmfluten geschuldet ist.

Hier, im Bereich des Deutschen Schiffahrtsmuseums war die Deichböschung auch früher schon mit einer Betonpflasterung versiegelt. Anstelle der früheren Betonelemente, die mit einem "Wabenrelief" versehen waren, auf dem man leicht ins Stoplern geraten konnte, ist die Oberfläche der neuen Pflasterung glatt. Neu sind auch die darin eingearbeiteten Sitzgelegenheiten, ebenfalls aus Beton, die bei Sturmflut gleichzeitig als Wellenbrecher fungieren sollen.

Heute und an den beiden Pfingstfeiertagen soll der "neue" Deichabschnitt offiziell mit einem großen "Deichspektakel" eingeweiht werden. Wenn ich im Moment so aus dem Fenster schaue, sieht es allerdings danach aus, als würde das Spektakel möglicherweise ins Wasser fallen.

Donnerstag, 16. Mai 2013

Das letzte Kapitel der Rogge-Halle?

Ehemaliges Proviantlager des Norddeutschen Lloyds
("Kleine Rogge-Halle"), Foto: © Peter Müller *)
Ich habe mich schon des öfteren darüber geärgert, wie gedankenlos seitens der politisch Verantwortlichen in Bremerhaven oftmals mit dem geschichtlichen und kulturellen Erbe der Stadt umgegangen wird.

Das heutige Bremerhaven ist zwar eine noch junge Stadt, aber ihre Geschichte reicht von den mittelalterlichen Wurzeln der heutigen Stadtteile Lehe, Geestemünde und Wulsdorf über den Bau des Alten Hafens mit der Gründung des "alten" Bremerhaven, den Zusammenschluss der Gemeinden Lehe, Geestemünde, Bremerhaven, Wulsdorf und Weddewarden zur Stadt Wesermünde bis zu deren Umbenennung in "Bremerhaven" und den Zusammenschluss mit der Stadt Bremen zum Bundesland Bremen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Für meine Kinder sind selbst die westdeutschen "Wirtschaftswunderjahre" oder der Kalte Krieg bis hin zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands bereits "Geschichte". Bezogen auf die Entwicklung der heutigen Stadt Bremerhaven reicht der spannendste Zeitraum aus meiner Sicht vom ausgehenden 19. bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

In diese Zeit, in der die bremischen Häfen sich immer weiter in Richtung Norden ausdehnten, fallen unter anderem die Gründung der Deutschen Hochseefischerei oder die große Zeit der Werftindustrie. Auch bei der Auswanderung nach Übersee spielten die bremischen Häfen in Bremerhaven eine wichtige Rolle. Damit einher ging ein schnelles Wachstum der Bevölkerung und ein lange anhaltender Boom im Wohnungsbau.

Einen Anteil an dieser Geschichte hat unter anderem auch der Norddeutsche Lloyd mit seiner Reederei, den ehemaligen Fahrgastanlagen am Neuen Hafen und an der Kaiserschleuse, oder seinem Werftbetrieb, der im Bremerhavener Kaiserhafen auch heute noch unter dem Namen "Lloyd-Werft" existiert. Die Halle des Technischen Betriebs des Norddeutschen Lloyd am Neuen Hafen, die später von der Firma Rogge genutzt wurde und daher in Bremerhaven eher unter der Bezeichnug "Kleine Rogge-Halle" bekannt war, wurde quasi in einer Nacht und Nebelaktion platt gemacht. Mit der damals etwa 130 Jahre alten Halle verschwand eines der ältesten Zeugnisse der Werftindustrie für immer aus dem Stadtbild.


Den Willen der Bürger mit Füßen getreten

Eigentlich gab es einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, demzufolge die Halle Stein für Stein abgetragen und an anderer Stelle neu aufgebaut werden sollte. Der Grund für diese Maßnahme war die Planung zur Bebauung im Bereich der heutigen "Havenwelten" am Neuen Hafen.

Mit Billigung des damaligen Oberbürgermeisters (Herr Jörg Schulz, SPD) ließ die "Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung" (BIS) jedoch ohne weitere Rücksprache den Abrissbagger anrücken. Damit handelte sich Herr Schulz nicht nur den Zorn der Opposition ein. Auch Mitglieder seiner eigenen Partei waren "total verärgert" (Herr Grantz, heute Oberbürgermeister), fühlten sich "von Herrn Schulz veralbert" (Herr Günthner, Parteivorsitzender) oder warfen ihm vor, er trete den Willen der Bürger mit Füßen (Herr Beckmeyer, Bundestagsabgeordneter).

Der Protest aus den Reihen der Bremerhavener Politik und der Bevölkerung führte dann allerdings dazu, dass die Steine in Handarbeit vom Mörtel befreit und gereinigt wurden. Ein großer Teil der Steine konnte so doch noch gerettet und für eine spätere Wiederverwertung gelagert werden. Ein Neubau für die seit vielen Jahren eingelagerte Sammlung des Nordsee-Museums neben dem Simon-Loschen-Leuchtturm am Neuen Hafen war nur eine von vielen Ideen, die aber alle wieder verworfen wurden.


Neues Interesse an alten Ziegeln

Gestern berichtete die Nordsee-Zeitung überraschender Weise, es gebe "plötzlich Interessenten für die geschichtsträchtigen Ziegel". Ein großer Teil davon solle für das Sockelgeschoss des Appartementhauses "Goodtimes" verwendet werden, das nach den Plänen des Architekten des Auswandererhauses am Neuen Hafen errichtet wird.

Einige der historischen Steine könnten bei den Nachbildung eines Teils im Unterwasserbereich einer Kaje im "Zoo am Meer" Verwendung finden. Die Ziegel wären dann als Deko in einem der Becken des neuen Aquariums zu sehen, an dem zur Zeit gerade gebaut wird.

Zum technischen Betrieb des Norddeutschen Lloyd am Neuen Hafen gehörte auch ein 1871 fertiggestelltes Großdock. Zumindest dieses Zeugnis der Bremerhavener Geschichte wurde in das Konzept der Havenwelten integriert. Das Dock war irgendwann in der Vergangenheit vollständig verfüllt worden. Die obere Schicht des Füllmaterials wurde entfernt, so dass die Mauern und die die Dimensionen des ehemaligen Docks heute wieder gut erkennbar sind.

Abgesehen vom Lloyd-Dock ist nur die später von der "Deutschen Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie" DEBEG genutzte Halle am Südende des Neuen Hafens erhalten geblieben. Ähnlich wie die "Rogge-Halle" war auch diese Halle bei den Bremerhavenern eher als "DEBEG-Halle" bekannt. Im Rahmen des Projekts "Havenwelten" wurde die ehemalige Lagerhalle des Norddeutschen Lloyd grundsaniert und an der Westseite um einen Anbau erweitert, in dem heute das "Lloyd's" untergebracht ist.


Das letzte Kapitel der Geschichte

Es mag ja für den einen oder die andere tröstlich sein, dass das historische Baumaterial auf diese Weise wenigstens davor bewahrt wird, als Schotter im Unterbau einer Straße zu enden. Später wird aber wohl trotzdem kaum noch jemand die Dekoration im Aquarium oder die Mauer des Sockelgeschosses des Appartementhauses mit der "Rogge-Halle", der großen Zeit der Bremerhavener Werften und der des technischen Betriebs des Norddeutschen Lloyd am Neuen Hafen in Verbindung bringen. Sollte es dieses Mal tatsächlich zur Verwendung der alten Ziegel kommen, dann würde damit endgültig das letzte Kapitel der ehemaligen "Rogge-Halle" geschlossen werden.


*) Möglicherweise wurden die Seiten gelöscht. Ich würde das sehr bedauern.

(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 14.05.2013, Bremerhaven-Portal, Lloyd-Werft, Wikipedia )

Montag, 13. Mai 2013

Das ist eine kannibalische Weltordnung

"Der Raubtierkapitalismus muss gefüttert werden. Die fünfhundert größten transnationalen Konzerne haben voriges Jahr 52,8 Prozent des Weltbruttosozialproduktes kontrolliert. Die haben eine Macht, wie kein König oder Kaiser sie je genossen hat. Wir leben unter der Weltdiktatur des globalisierten Finanzkapitals. Die Oligarchen scheffeln Reichtum, während sich in der dritten Welt die Leichenberge türmen. Das ist eine kannibalische Weltordnung, die müssen wir brechen."

(Jean Ziegler in einem Interview mit "The European" am 09.05.2013)


Herr Ziegler war von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Seit 2008 ist er Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UNO-Menschenrats. Er ist einer der bekanntesten Befürworter für das Menschenrecht auf Nahrung.

Bereits 2005 hatte Herr Ziegler in Erwin Wagenhofers Dokumentafilm "We feed the World" (Wir ernähren die Welt) gesagt (Zitat): "Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet." Den weltweit operierenden Nahrungsmittel- Agrarchemie- und Gentechnik-Konzernen geht es nicht um die "Ernährung der Welt". Das einzige, was sie interessiert ist die Maximierung ihrer Profite. Dafür verkaufen sie ihre Produkte an diejenigen, die sie sich leisten können. Der größte Teil der Bevölkerung in den Entwicklungsländern ist dazu nicht in der Lage. Diese Menschen sind bereits heute die Verlierer des globalen Spiels der Weltkonzerne und der Spekulanten um Macht und Einfluss.


Alle 20 Sekunden
stirbt ein Kind an verunreinigtem Wasser


Herr Ziegler sagt dazu im Interview (Zitat): "In den 122 Entwicklungsländern – in denen 4, 9 Milliarden Menschen leben – ist die Außenverschuldung erdrückend. Deshalb ist die Versuchung sehr groß, das Gemeinwesen, also zum Beispiel die Wasserversorgung, der Privatwirtschaft zu verkaufen. Dann setzt die Logik des Kapitalismus ein: Die Konzerne setzen durch Reparaturen die Wasserversorgung in Stand und verkaufen das Wasser anschließend zu Höchstpreisen an den kaufkräftigen Teil der Bevölkerung. Wer nicht zahlen kann – und das ist die Mehrheit – muss sich vom Wasser der dreckigen Tümpel und der verseuchten Flüsse am Leben erhalten. Das hat verheerende Folgen: Typhus, Bilharziose, Ruhr, blutige Diarrhö etc. Alle zwanzig Sekunden stirbt laut UNO ein Kind unter zehn Jahren an den Folgen von verunreinigtem Wasser. Dabei würde das verfügbare Süßwasser unseres Planeten für die Versorgung jedes Menschen reichen."

  • Das komplette Interview kann man hier lesen.


(Quellen: The European vom 09.05.2013, Wikipedia)

Deichspektakel am Pfingstwochenende

Hier, auf der Rückseite des neuen Deichs, muss noch Gras wachsen
Noch behindern Bauzäune den Weg auf den frisch erhöhten Abschnitt des Weserdeichs zwischen der Geestemole und der Seebädekaje. Aber am nächsten Wochenende ist es endlich soweit. Nach dem Ende der Arbeiten wird unsere "Gute Stube" am Pfingstwochenende mit einem großen "Deichspektakel" eingeweiht. An manchen Stellen ist der sanierte Deich zwar zugegebenerweise erst "fast fertig", aber im Laufe der Zeit wird schon noch Gras darüber wachsen. Schuld an der verzögerten Ferigstellung war wohl die lange Frostperiode zu Beginn dieses Jahres.


(Quelle: Bremerhaven-Portal )

Sonntag, 12. Mai 2013

Am südlichsten Zipfel Englands


Lizard Point (Cornwall), der südlichste Punkt Englands

Lizard Point (Cornwall) ist der südlichste Punkt Englands. Neben dem Leuchtturm gibt es dort eine kleine Ansammlung von Souvenir Läden und eine ehemalige Seenotrettungsstation der "Royal National Lifeboat Institution" (RNLI) an einem kleinen Strand am Fuße der Klippen.

Neben der Tür der RNLI-Station ist eine Informationstafel angebracht, auf der einges zur Geschichte des englischen Seenotrettungswesens mit hölzernen Ruderbooten zu lesen ist. Dazu gibt es alte Fotos, auf denen unter anderem zu sehen ist, wie die Seenotrettungsboote über eine Slipanlage aus der Station zu Wasser gelassen wurden, sowie Fotos historischer Schiffshavarien vor der Küste Cornwalls.

Unter anderem ist auch ein Foto des deutschen Fünfmast-Toppsegelschoners "Adolf Vinnen" zu sehen, der auf seiner Jungfernfahrt am 9. Februar 1923 an der Lizard-Halbinsel strandete und verloren ging.

Nach der Fertigstellung der neuen Rettungsstation am 07.07.1961 wurde die alte Station geschlossen.


(Quellen: Wikipedia, RNLI, The Lizard Lifeboat)

Freitag, 10. Mai 2013

Erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) "Right2Water" hat die gesetzlichen Hürden genommen. Das erforderliche Mindestquorum an Unterschriften wurde in den acht EU-Ländern Belgien, Finnland, Deutschland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Slowenien und der Slowakei überschritten.

Damit ist "Rigt2Water" die erste erfolgreiche EBI. Die Kampagne zur Sammlung von Unterschriften läuft noch bis zum 31.10.2013. Bis dahin hat jeder EU-Bürger noch die Gelegenheit, gegen die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung zu stimmen. Je mehr es noch werden, desto bessser!

Einer Umfrage zufolge forden mehr als 80 Prozent der Bundesbürger, dass die Wasserversorgung in öffentlicher Hand bleibt. Mit 1,2 Millionen Mitzeichnern der Petition wird die geforderte Mindestanzahl von 74250 Unterschriften deutlich überschritten. Das ist mehr als das europaweit geforderte Minimum und entspricht einem Quorum von 1636,8 Prozent! Die deutschen Bürger beziehen damit europaweit die deutlichste Position gegen die Wasserprivatisierung. Mit einigem Abstand folgen Österreich (418 Prozent) und Slowenien (339 Prozent).

Der schwarz-gelben Bundesregierung ist das überaus deutliche Votum der Bürger bisher jedoch völlig egal. im EU-Ministerrat hatte sie dem Vorschlag für die neue Konzessionsvergaberichtlinie am 11. Dezember 2012 in seiner ursprünglichen Form bereits zugestimmt. Damit erklärte sie sich auch mit den Privatisierungsplänen für den Wassersektor einverstanden. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Wasserprivatisierung, schlechterer Qualität und höheren Preisen für die Verbraucher sieht sie nicht, obwohl es in Frankreich, Potugal und anderen EU-Ländern bereits entsprechende Erfahrungen gibt.


(Quellen: Nordbayern.de vom 18.04.2013, Right2Water)

Donnerstag, 9. Mai 2013

Das ist nichts für Kinder


Die Verbraucherorganisation "Foodwatch" hatte unter anderem auch ein Fruchtsaftgetränk für den Goldenen Windbeutel 2013 nominiert. Es handele sich dabei um Wasser mit hohem Zucker- und geringem Fruchtsaftgehalt, das an die Zielgruppe "Kinder vermarktet" werde.

In einer  Pressemitteilung widersprach der Hersteller dieser Darstellung. Es sei nicht richtig, dass das Getränk an Kinder vermarktet wird. Vielmehr seien Eltern die Zielgruppe. Über 95 Prozent der Menge würden an Mütter und Väter verkauft. - Na, dann ist ja alles wieder gut.

Wahrscheinlich werden die Eltern wohl ihren eigenen Durst damit löschen - vor den Augen ihrer zeternden Kinder. Aber wie auch immer: Wie im Video oben zu sehen ist, hat Foodwatch sich daraufhin für die Nominierung des süßen Saftgetränks als Kandidat für den "Goldenen Windbeutel 2013" entschuldigt.

Gestern meldete die Verbraucherorganisation, die Pressemitteilung sei plötzlich von der Internetseite des Saftgetränkeproduzenten verschwunden. Zuvor hatte Foodwatch allerdings schon einen Screenshot davon zu den Unterlagen gelegt. Da kann man wieder einmal sehen, wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass nichts verloren geht. Man weiß ja nie ...

  • Übrigens:
    Bis zum 15 Mai kann man sich noch an der Abstimmung zur Wahl des "Goldenen Windbeutels 2013" für die dreisteste Werbemasche für Kinderprodukte beteiligen.


(Quelle: Foodwatch)

Mittwoch, 8. Mai 2013

Sauberes Wasser: So nah - und doch unerreichbar

Sauberes Trinkwasser: So nah, und doch so fern (ARD-Weltspiegel vom 05.05.2013)

Der Weltspiegel berichtete am 05.05.2013 mit einem Filmbeitrag über Trinkwasser aus der Quelle von Doornkloof (nahe Pretoria, Südafrika). Seit 2011 pumpt der multinationale Konzern Nestlé dort täglich 282000 Liter Wasser ab und füllt es in Platikflaschen ab - 103 Millionen Liter im Jahr!

Unter dem Markennamen "Pure Life" wird es dann weltweit verkauft. Die Marke findet man auch in deutschen Supermärkten. Der Name stehe für qualitativ hochwertiges Mineralwasser zum attraktiven Preis und sei somit für Groß und Klein der perfekte Durstlöscher für den ganzen Tag, heißt es auf der Produkt-Internetseite des Konzerns. In meinen Augen ist das ein Schlag ins Gesicht der Menschen in Südafrika, die unter ärmlichsten Verhältnissen auf dem Land über der Quelle leben. Einige unter ihnen arbeiten in der Wasserabfüllerei, können sich das mit ihrer Hilfe von Nestlé abgefüllte Wasser aber nicht leisten.

Während einer zwölf Stunden Schicht erhalten die Arbeiter zwei Flaschen à 0,5 Liter Wasser pro Tag. Im Film kommt einer von ihnen zu Wort, der nur eine der beiden Flaschen selbst leer trinkt und die andere für seine Kinder mit nach Hause nimmt - ein halber Liter Wasser während einer zwölf Stunden Schicht!

Nestlé ist der weltgrößte Abfüller von Flaschenwasser und Marktführer. Weltweit verkauft der Konzern Wasser unter 64 Marken-Namen. Insgesamt zwanzig Jahre lang hat Nestlé das alleinige Recht auf das Wasser der Quelle von Doornkloof. Für die Menschen vor Ort ist es unerreichbar. Fließendes Wasser gibt es in ihrem Dorf nicht. Das Wasser, welches sie von weit her in Kanistern holen müssen, wird vom Abwasser einer Mine mit Aluminium, Mangan, Eisen und Sulfaten belastet.
"Also Wasser ist natürlich das wichtigste Rohmaterial, das wir heute noch auf der Welt haben. Und es geht darum, ob wir die normale Wasserversorgung der Bevölkerung privatisieren oder nicht.
Und da gibt es zwei verschiedene Anschauungen.

Die eine Anschauung, extrem würde ich sagen, wird von einigen, von den NGOs *) vertreten, die darauf pochen, dass Wasser zu einem öffentlichem Recht erklärt wird. Das heißt, als Mensch sollten Sie einfach ein Recht auf Wasser haben.
 

Das ist die eine Extremlösung. **)

Und die andere, die sagt, Wasser ist ein Lebensmittel. So wie jedes andere Lebensmittel, sollte das einen Marktwert haben."


Peter Brabeck-Letmathe (Nestlé, damals Geschäftsführer)
in "We feed the World" (Dokumentarfilm, Österreich 2005)

Dass der "Marktwert" des von Nestlé abgefüllten Doornkloof-Wassers für die Menschen vor Ort weit jenseits ihrer Einkommensgrenzen liegt, wird sicher mindestens ebensoweit außerhalb des Begriffshorizonts Herrn Brabecks liegen - könnte man vielleicht meinen.

Entlarvend sind allerdings seine Worte, die "GEO Zeit" - ein studentisches Projekt der AG GeoMedien des Geographischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - in einem Artikel mit dem Artikel "Herrscher über das blaue Gold" wiedergibt (Zitat):
"Den Armen verkaufen wir sicher kein „Pure Life“, das können die sich gar nicht leisten. Flaschenwasser steht ja nicht in Konkurrenz zum Hahnenwasser sondern zum Süßgetränk oder zu einem Bier."

Mir ist schon klar, dass es Nestlé um nichts anderes geht, seine Machtposition auf dem Weltmarkt auszubauen. Trotzdem bin ich immer wieder entsetzt über die menschenverachtende Geschäftspolitik dieser multinationalen Konzerne, die sich selbst um Beschlüsse der Vereinten Nationen einen Dreck scheren:
  • Die Vereinten Nationen haben den Zugang
    zum Wasser zu einem Menschenrecht erklärt.

    • Trotzdem haben viele Menschen in Afrika bis
      heute keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser!

Einmal ganz davon abgesehen, dass beim Transport für jede einzelne Flasche Wasser jede Menge klimaschädliches CO2 emittiert wird, ist es der blanke Irrsinn, dass Menschen irgendwo in der Welt das Wasser trinken, das den Menschen vor Ort aber vorenthalten wird.

Auch in anderen Gegenden der Welt ist Nestlé munter dabei, die Grundwasservorkommen auszubeuten. Das führt dann auch schon einmal dazu, dass der Grundwasserspiegel sinkt und die Bevölkerung keinen Zugang mehr zu frischem Wasser hat. So haben beispielsweise einem Bericht des Handelsblatts vom 14.02.2013 zufolge in den USA Anwohner aus diesem Grund gegen Abfüllwerke von Nestlé geklagt.

In der Nähe von Denver (USA) verwandelt Nestlé ganz normales Leitungswasser in "Pure Life". Für vier Liter zahlt der Abfüller etwa zwei Cent, die er dann für zehn Dollar verkauft. Das sagt der Vorsitzende einer Bürgerinitiative in einer Sendung des NDR vom 18.03.2013. Einen Gewinn in Höhe von 500 Prozent nenne ich Wucher!

Recherchen von "GEO Zeit" haben ergeben, dass Nestlé in Brasilien riesige Gewinne einfährt, indem der Konzern auch dort mit geringsten Kosten aus öffentlichen Quellen Wasser abpumpt. Gleichzeitig fehlen die Mittel für eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Zwanzig Prozent der Menschen in Brasilien haben dem "GEO-Zeit"-Artikel zufolge gar keinen Zugang zu Wasser.

Auch in der Diskussion um die von der EU-Kommission angestrebte Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung ist der Name Nestlé schon des Öfteren gefallen. Das Handesblatt verweist in seinem Bericht in diesem Zusammenhang darauf, dass der Konzern sich auch in anderen Ländern bereits umfangreiche Wasserrechte erkauft hat.


*) NGO = Nichtregierungsorganisation (Non Government Organisation)
**) Aus meiner Sicht ist wird mehr als deutlich, wer hier wirklich die "extreme" Position vertritt!

Update 09.05.2013: Trinkwasser, Denver
(Quellen: Weltspiegel vom 05.05.2013, NDR vom 18.03.2013 und Interview mit Christian Jentzsch, Handelsblatt vom 14.02.2013, GEO Zeit)