Samstag, 22. Oktober 2016

Mit der "Artemis" auf der Kieler Förde

Kieler Woche 2016: Mit der "Artemis" auf der Kieler Förde

Als ich im Juni 2016 meine Schwester und meinen Schwager besuchte, erwartete mich eine ungeahnte Überraschung. Die beiden hatten anlässlich meines Geburtstags einen Tagestörn auf dem Traditionssegler "Artemis" gebucht.

Das Wetter und der Wind waren perfekt. Nachdem wir den Liegeplatz in der Hörn verlassen, die Faltbrücke passiert und den engen Teil der Förde hinter uns gelassen hatten wurden die Segel gesetzt. Die Fahrgäste, die Lust dazu hatten, durften sich daran beteiligen. So ging es dann bei abgeschaltetem Dieselmotor, vorbei an Düsternbrook, der Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal, Heikendorf und Laboe unter Segeln in Richtung Ostsee.

Erst als wir das Gebiet erreichten, in dem die Regatten im Rahmen der Kieler Woche gesegelt wurden, musste der Motor aus Sicherheitsgründen wieder in Betrieb genommen werden - wie sich herausstellte nicht ohne Grund: Als das Feld der Regatta-Boote einmal die Richtung wechselte und den Kurs der Artemis kreuzte, war der Motor notwendig, um das Schiff mit bei hoher Drehzahl rückwärts laufender Maschine zu stoppen und ein Ausweichmanöver einzuleiten.

Ich hatte in den Jahren zuvor ja schon viel auf der Kieler Woche gefilmt. Am Tag der Abreise aus Bremerhaven hatte ich deshalb bis zuletzt überlegt, ob ich den CamCorder zu Hause lassen, oder doch wieder mitnehmen sollte. Quasi im letzten Moment hatte ich ihn dann doch noch eingepackt. Diesem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass diese Aufnahmen zustande kommen konnten, mit denen ich die Kieler Woche ausnahmsweise einmal von der Wasserseite aus zeigen kann.


(Informationen zur "Artemis" gibt es hier )

Freitag, 21. Oktober 2016

CETA: Die Wallonie sagt NEIN


Stopp CETA und TTIP - 17.09.2016: Abschlusskundgebung in Hamburg *)

Am 18. Oktober hätte bei einem EU-Ministertreffen auf europäischer Seite endgültig grünes Licht für das Abkommen gegeben werden sollen. Da aber das Regionalparlament der Wallonie (Belgien) inzwischen mehrheitlich beschlossen hatte, der Vorläufigen Anwendung nicht zuzustimmen, wurde daraus dann allerdings nichts.

Andere Regierungen waren bezüglich ihrer Vorbehalte gegen CETA nicht so konsequent. Da hieß es zwar "bis hierher und nicht weiter". Es wurden Bedenken angemeldet und Rote Linien gezogen. Als es aber um die Entscheidung ging, wurden zuerst die eigenen Bedenken ignoriert und anschließend die selbst gezogenen Roten Linien überschritten.

Als sich zehntausende Bürger zusammentaten um gegen das demokratiegfährdende Handelsabkommen zu klagen und gegen dessen vorläufige Anwendung einen Eilantrag zu erwirken, tönte es von jensets der Roten Linien, "Der Schaden für das Ansehen der Bundesregierung und der EU wäre gigantisch.", wenn Deutschland CETA ablehnen würde: Sch..ß auf den Schaden für die Demokratie!

Und nun verweigert das Regionalparlament ausgerechnet des Landes, in dessen Hauptstadt die Mächtige EU-Kommission ihren Sitz hat, seiner Regierung die Zustimmung - mit den gleichen Bedenken und Argumenten, die auch in anderen EU-Staaten geäußert wurden. Nachdem die Entscheidung gefallen und bekanntgegeben worden war, berichteten Vertreter des Parlaments der Wallonie, der Druck, der daraufhin auf die Parlamentarier ausgeübt werde, nehme ständig zu.

Einem Artikel auf der Internetseite von Heise Telepolis zufolge wollen Herr Michel (Belgien, Mouvement Réformateur, Premierminister) und Reynders (Belgien, Mouvement Réformateur, Außenminister) auf Herrn Magnette (Belgien, Parti Socialiste, Wallonie, Ministerpräsident) einwirken, ihn zu überreden, für die Wallonie - entgegen des Parlamentsbeschlusses(!) - zuzustimmen.

Neben anderen Politikern hätten auch Herr Hollande (Frankreich, Präsident) und Vertreter der kanadischen Regierung Herrn Magnette persönlich aufgesucht. Dieser habe gesagt, dass in einigen dieser "Gespräche" sogar schon "kaum verhüllte Drohungen" gegen die Wallonie ausgesprochen worden seien.

Herr Magnette mache die Zustimmung zu CETA von einem Schriftstück abhängig, welches ausschließe, dass Befürchtungen von Bauern und anderen Bürgern bezüglich CETA eintreffen. Die Erklärungen, die Herr Gabriel als ausreichend ansehe, um das Bundesverfassungsgericht zufrieden zu stellen, seien nach Ansicht Herrn Magnettes nicht rechtsverbindlich genug.

Er fordere deshalb einen Zusatzvertrag, der dem eigentlichen CETA-Vertrag juristisch gleichrangig sein soll. Ein solcher Zusatzvertrag sei ihm bislang verweigert worden. Das wiederum bestärke die Vermutungen der Kritiker des Abkommens, ein solcher Zusatzvertrag werde nicht nur wegen des damit verbundenen Aufwands ausgeschlossen, sondern auch deshalb, weil man sich andere Auslegungen vorbehalten wolle, als jene, die der Öffentlichkeit präsentiert werden ...

Gestern hatte ich die Hoffnung formuliert, dass die Bundesregierung die Forderungen des BVerfG so wasserdicht umsetzen wird, dass sie später auch tatsächlich eingehalten werden können. Die Anicht Herrn Magnettes bezüglich der 'Erklärungen, die Herr Gabriel als ausreichend ansieht, um das Bundesverfassungsgericht zufrieden zu stellen' sind nun gerade nicht dazu geeignet, meine Zweifel daran, dass sich die Bedingungen der Bundesverfassungsgerichts tatsächlich reibungslos umsetzen lassen werden, auszuräumen ...


CETA war lange hinter verschlossenen Türen verhandelt worden, bevor die Öffentlichkeit überhaupt davon erfuhr. Nach und nach sickerten, trotz aller Bemühungen der EU-Kommission die Inhalte der Verhandlungen weiterhin geheim zu halten, immer mehr alarmierende Details an die Öffentlichkeit. Vor etwas mehr als einem Jahr hieß es von der anderen Seite der Roten Linien: "Nun wartet doch erst einmal ab, was überhaupt in dem Abkommen geschrieben stehen wird. Bisher kann doch niemnd wissen, was darin steht. Schließlich ist doch alles noch ganz furchtbar geheim." Sollte heißen: "Seid jetzt mal schön still und sagt nachher brav 'Ja' und 'Amen' zu dem, was wir euch vorsetzen werden."

Erst seit Juli 2916 liegt der Text in den Sprachen der EU-Mitgliedsstaaten vor. Bereits drei Monate später sollen unsere Volksvertreter nun über das - wie es in den Medien heißt - 1600 Seiten starke Vertragswerk abstimmen. So mancher von ihnen wird sicher erst während der letzten paar Wochen Details erfahren haben, die selbst den CETA-Gegnern unter den Bürgern, die sich schon seit längerer Zeit mit den geleakten CETA-Dokumenten beschäftigt hatten, bereits bekannt waren ...

* * *


Und da wundern sich die Damen und Herren auf der anderen Seite der roten Linien und ihre verschwiegenen Kollegen in der EU-Kommission, dass es auch den einen oder anderen Parlamentarier gibt, der nicht mit dem einverstanden ist, was ihm da jetzt so kurz vor der Abstimmung vorgelegt wird?

Dass unterschiedliche Meinungen und Auffassungen, die sich nach ausgiebigen Diskussionen herausgebildet haben, zu unterschiedlichen Mehrheiten führen, die dann die Zustimmung oder eben auch die Ablehnung einer Angelegenheit zur Folge haben, sollte in einer Demokratie doch wohl die selbstverständlichste Sache der Welt sein.
  • Der Druck, der da jetzt von allen Seiten - auch mit "kaum verhüllten Drohungen"(!) - auf die Palamentarier der Wallonie aufgebaut wird ist schlicht und einfach unverschämt!

Ist die Abstimmung über CETA denn nun demokratisch oder nicht? Wenn es sich dabei um eine demokratische Abstimmung handelt, dann kann ich nicht einsehen, warum ein "Nein" nicht akzeptabel sein sollte. Was da gerade abläuft wird mit Sicherheit diejenigen in ihre Ansicht bestärken, die ohnehin schon bemängeln, dass es mit der Demokratie auf europäischer Ebene nicht weit her ist. Wenn "die da oben" so weitermachen, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn der "Brexit" nicht die einzige Konsquenz bleiben sollte und sie infolgedessen eines nicht so schönen Tages mit dem nächsten "...exit" eines EU-Landes konfrontiert werden.

Meine Meinung:
Wenn die Europäische Gemeinschaft langfristig Bestand haben soll, dann bedarf es dringend Reformen zur Stärkung der Demokratie mit dem Ziel, das europäische Parlament zu stärken und die Kompetenzen der EU-Kommission deutlich zu beschränken. Darüber hinaus muss die Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme durch die EU-Bürger deutlich gestärkt werden. Anderenfalls wird die Politik der EU ihren Rückhalt in der Bevölkerung über kurz oder lang ganz verlieren.



Unterstützung für die Wallonie

Um Herrn Magnette und  dem Regionalparlament der Wallonie den Rücken zu stärken, hat die Umweltschutzorganisation BUND eine Online-Aktion initiiert. Der Appell an Frau Merkel und Herr Junker hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, Herr Präsident Juncker, 
das CETA-Abkommen ist ein Angriff auf die Demokratie, die Umwelt und den Verbraucherschutz. Die große Protestbewegung gegen CETA in ganz Europa möchte einen sozial und ökologisch nachhaltigen Handel.
CETA aber geht in die falsche Richtung. CETA wurde im Geheimen und ohne öffentliche Debatte verhandelt. Das Problem sind nicht diejenigen, die sich jetzt für Demokratie, Umwelt und VerbraucherInnen stark machen. Das Problem ist die Ausrichtung der EU-Handelspolitik! Jetzt gilt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende
Akzeptieren Sie, dass die Europäische Union einen ökologisch und sozial ausgerichteten Handel braucht. Respektieren Sie das NEIN des Wallonischen Parlaments. Übernehmen Sie die Verantwortung für CETA und sagen Sie die Unterzeichnung am 27. Oktober ab!
Mit freundlichen Grüßen

Wer möchte kann sich dem Appell auf der Internetseite des BUND anschließen.



Mit dem folgenden Aufruf wendet sich "Mehr Demokratie e.V." direkt an die Parlamentarier der Wallonie:
An die wallonischen Abgeordneten: Wir stehen hinter euch!

Das wallonische Parlament hat jetzt die Chance, die CETA-Unterzeichnung vorerst zu verhindern. Die Bedenken Walloniens stehen stellvertretend für

3,5 Millionen Menschen aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten, die die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unterzeichnet haben, 320.000 Menschen allein aus Deutschland, die am 17. September gegen CETA auf die Straße gegangen sind, mehr als 200.000 Menschen, die in Deutschland Verfassungsbeschwerde gegen CETA erhoben haben.

Die Demokratie zu schützen ist wichtiger als der schnelle Abschluss eines fragwürdigen Handelsabkommens. Bleiben Sie standhaft und lassen Sie sich nicht von den EU-Institutionen oder der eigenen Regierung unter Druck setzen.

Wir stehen hinter dem wallonischen Parlament!

Der Aufruf kann auf der Internetseite des Vereins online unterzeichnet werden.





*) Am 17. September 2016 gingen in Hamburg 65.000 Menschen auf die Straße, um gegen die demokratiegefährdenden Handelsabkommen CETA (EU/Kanada) und TTIP (EU/USA) zu demonstrieren. Zeitgleich fanden in sechs weiteren großen deutschen Städten Demonstrationen statt. Auch in Österreich trugen die Menschen ihren Protest auf die Straße.

In meinem Video sind die Reden der Abschlusskundgebung zu sehen und zu hören. Es sprachen:

Ernst-Christoph Stolper
BUND, Arbeitskreis Internationale Umweltpolitik
Sprecher

Katja Karger
DGB-Hamburg
Vorsitzende

Klaus Wicher
Sozialverband Deutschland e.V., Landesverband Hamburg
1. Vorsitzender

Dilan Baran
Föderation der demokratischen Arbeitervereine Hamburg (DIDF-Hamburg)
Vorsitzende

Erwin Schöpges
Milchbauer aus Belgien
Gründungsmitglied des belgischen Netzwerks gegen TTIP und CETA

Clara Ihring
DGB-Jugend Hamburg, Jugendblock
Vorsitzende

Moderation:
• Clara Buer (Greenpeace, Campaignerin)
• Gudrun Nolte-Wacker (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt)



(Quellen: Heise Telepolis vom 19.10.2016, BUND - Online Appell, Mehr Demokratie e.V. - Online Aufruf )

Donnerstag, 20. Oktober 2016

CETA: BVerfG entscheidet gegen Eilanträge


Stopp CETA und TTIP - 17.09.2016: Auftaktkundgebung in Hamburg *)

13.10.2016 - Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat gegen die Eilanträge der Kläger entschieden, der vorläufige Anwendung des Handelsabkommens mit Kanada (CETA) einen Riegel vorzuschieben. Die Bundesregierung darf damit der vorläufigen Anwendung des Abkommens im Ministerrat der EU ihre Zustimmung erteilen - unter Bedingungen.

Das Urteil, das für die Kläger auf den ersten Blick enttäuschend klingt, setzt der Bundesregierung aber enge Grenzen, von deren Einhaltung ihre Zustimmung zur vorläufigen Anwendung von CETA abhängig sein wird. Wenn Herr Gabriel nun auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) verkündet (Zitat): "Diese Forderungen [juwi: die des BVerfG's] entsprechen der Haltung und Rechtsauffassung der Bundesregierung und werden nun von ihr entsprechend umgesetzt.", dann sagt er damit nicht, dass er der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens auch bedingungslos zugestimmt hätte, wenn die Kläger ihre Eilanträge nicht gestellt hätten.

Dazu schreibt Herr Bode (Foodwatch, Geschäftsführer) in einem Newsletter vom 13.10.2016 an den Verteiler, bereits in seinen Eingangsworten habe Herr Voßkuhle (Bundesverfassungsgericht, Präsident) gesagt (Zitat): "Es steht bereits jetzt fest, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen in einem späteren Hauptverfahren geprüft werden müssen." Das Höchste Gericht der Bundesrepublik halte die Bedenken gegen CETA offenbar für so schwerwiegend, dass die Verfassungsbeschwerde angenommen werden soll! Die Bundesregierung habe zuvor noch beantragt, diese als "offensichtlich unbegründet" und "unzulässig" abzuweisen… ..

Zwei Absätze weiter zitiert Herr Herr Bode die Ausführungen Herrn Gabriels (SPD, Bundeswirtschaftminister und Vizekanzler) vor dem Bundesverfassungsgericht am 12.10.2016 für den Fall, dass CETA scheitern sollte (Zitat): "Der Schaden für das Ansehen der Bundesregierung und der EU wäre gigantisch". Wenn Herr Bode angesichts dieser "ignoranten Argumentation" seine "Fassungslosigkeit" ausdrückt, dann trifft er damit genau den Punkt, der dazu geführt hat, dass die Gegner der demokratiegefährdenden Handelsabkommen CETA und TTIP Herrn Gabriel nicht mehr über den Weg trauen.

Herr Gabriel sei mitverantwortlich dafür, schreibt Herr Bode weiter, dass jetzt ein schlechtes Abkommen auf dem Tisch liegt (Zitat):
.. ein Abkommen, dass die Interessen von Verbrauchern und Arbeitnehmern den Interessen mächtiger Großkonzerne unterordnet. Und jetzt argumentiert er mit einem "Schaden für das Ansehen der Bundesregierung", um ein demokratieschädliches, vielleicht sogar verfassungswidriges Abkommen durchzuwinken? Und was ist mit dem Schaden für unsere Demokratie? Schließlich werden bei CETA die Handlungsspielräume unserer Parlamente beschnitten und gleichzeitig der Einfluss der  Konzerne verstärkt! ..

Der Entscheidung des BVerfG's zufolge darf die Bundesregierung der vorläufigen Anwendung von CETA nur dann zustimmen,
  • wenn sie zuvor sichergestellt hat, dass der geplante Beschluss des EU-Ministerrats über die vorläufige Anwendung von CETA ausschließlich die Bereiche umfasst, "die unstreitig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen".
  • wenn sie im Vorfeld sicherstellen kann, dass der sogenannte "Gemischte Ausschuss" seine Beschlüsse nicht ohne einen gemeinsamen, einstimmig angenommenen Standpunkt des Ministerrates fassen darf.
  • wenn sie ihre Zustimmung einseitig wieder zurückziehen kann.
     

Die Bedingungen

Insofern führte die Entscheidung, gegen die Absichten der Bundesregierung bezüglich des Handelsabkommens vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, vorerst zumindest zu einem wichtigen Teilerfolg. Dafür ist - neben weiteren Klägern, wie beispielsweise dem Bündnis von "Campact", "Foodwatch" und "Mehr Demokratie" - insbesondere Frau Grimmenstein zu danken, deren Bürgerklage sich 68058 Menschen angeschlossen haben. Jetzt bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung die Forderungen des BVerfG so wasserdicht umsetzt, dass sie später auch tatsächlich eingehalten werden können.


Die 1. Bedingung:
Wie der Spiegel in einem Artikel auf seiner Internetseite vom 13.10.2016 berichtet, haben die Verfassungsrichter bezüglich der Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit der EU fallen, beispielsweise ausdrücklich die Regelungen zum Investitionsschutz (insbesondere das geplante Gerichtssystem), zu sogenannten Portfolioinvestitionen, zum internationalen Seeverkehr oder zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen und zum Arbeitsschutz genannt. All das mache zugleich deutlich, dass es bei CETA um mehr geht als nur ein reines Freihandelsabkommen. Sollten diese Punkte nicht ausgenommen werden, dürfte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht zustimmen.
Einer der Vertreter der Kläger, Herr Fischer-Lescano (Bremen, Rechtswissenschaftler), sehe ein erhebliches Konfliktpotenzial gerade darin, dass umstritten ist, "welche Teile das sind". So gehe das Gericht bei den Punkten Seeverkehr und Berufsqualifikationen über die Ausnahmen hinaus, die in den bisherigen Beschlüssen des Europäischen Rats genannt sind. Nehme man das Urteil genau, müssten auch Finanzdienstleistungen, nachhaltige Entwicklung, Arbeit und Umwelt, die Streitbeilegung, die Herstellungspraxis für pharmazeutische Produkte und das geistige Eigentum von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden (Zitat):
"Für all diese Bereiche fehlt der EU die unstreitige Kompetenz. .. Wenn man das ernst nimmt, bleibt für die vorläufige Anwendung kaum noch etwas übrig." 
Und genau das ist einer der Punkte, warum die Kläger ihre Eilanträge gestellt hatten, mit denen sie erreichen wollten, dass die vorläufige Anwendung vom BVerfG gestoppt wird. Wenn sich später herausstellen sollte, dass die EU die diesbezüglichen Forderungen des Gerichts zu ihren Gunsten als "Auslegungssache" begreift, dann wäre das eines der "Worst Case"-Szenarios und erheblicher Ärger wäre somit heute bereits vorprogrammiert.

Die 2. Bedingung:
Der "Gemischte Ausschuss" hätte die Möglichkeit, Inhalte des "Frei"-Handelsabkommens CETA nachträglich einseitig zu verändern. Herr Gauweiler (CSU, Rechtsanwalt) schreibt dazu in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 15.09.2016 (Zitat):
.. Die Ceta-Anwendung liegt in den Händen eines Gremiums, das nicht demokratisch legitimiert ist. An Stelle der Volksvertretungen und ihrer Parlamentsausschüsse soll ein "Gemischter Ceta-Ausschuss" die Regelungen des Vertrags auslegen, abändern und neue Auslegungen vornehmen dürfen. Diese Festlegungen und Fortschreibungen sollen - Demokratieproblem zum Dritten - für eine neu gebildete Ceta-Justiz verbindlich sein, die zur staatlichen Justiz parallel läuft. Mitglieder dieses allmächtigen Gremiums sollen auf europäischer Seite nur Funktionsträger der EU sein, nicht aber Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten, die von den Volksvertretungen ihrer Heimatländer kontrolliert werden könnten. Der Ceta-Ausschuss soll mit seinen Entscheidungen neues "Recht" schaffen, das auch in Deutschland gelten, aber nicht - auch nicht indirekt - von den Wählern in Deutschland legitimiert sein soll. Dass die Bildung solcher Gremien an den Parlamenten vorbei mit dem im Grundgesetz garantierten Demokratieprinzip unvereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht auf meine Klage hin bereits mit seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon entschieden. ..
Die Bedingung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Bundesregierung ihre Zustimmung zu dessen vorläufiger Anwendung nur dann geben darf, wenn sie zuvor sichergestellt hat, dass die Beschlüsse des "Gemischten Ausschusses" eines gemeinsamen, einstimmig angenommenen Standpunkts des Ministerrates bedürfen, kommt faktisch der Forderung nach einem Vetorecht der Bundesrepublik - und damit letztlich des Bundestags - gleich. Die Bedingung des Bundesverfassungsgerichts wird die Bundesregierung nur dann erfüllen können, wenn die Regierungen der anderen EU-Mitgliedstaaten sich darauf einlassen.
Die Unumkehrbarkeit von CETA und der Ausschluss der nationalen Parlamente von der politischen Einflussnahme auf die Entscheidungen des "Gemischte Ausschusses" sind jedoch genau die Teile des Handelsabkommens, auf welche die EU-Kommission und die Lobbyorganisationen bisher größten Wert gelegt hatten. Es ist daher aus meiner Sicht kaum anzunehmen, dass sie nun so einfach klein beigeben werden.

Die 3. Bedingung:
Mit ihrer dritten Bedingung wollen die Verfassungsrichter erreichen, dass die Bundesrepublik nicht an ihre Zustimmung zur vorläufige Anwendung von CETA gebunden sein wird, falls sich diese - oder Teile davon - später im Hauptsacheverfahren als verfassungswidrig erweisen sollte. Wie es in dem Bericht des Spiegel heißt, wäre es aus Sicht der Verfassungsrichter ausreichend gewesen, wenn die Bundesregierung sich mit einer völkerrechtlichen Erklärung auf dieses Beendigungsrecht berufen würde.
Herr Fischer-Lescano halte es jedoch für möglich, dass dafür auch die Beschlüsse des EU-Ministerrats noch einmal angepasst werden müssen. Diese "Gefahr" habe man auch bei der EU-Kommission erkannt: Dort halte man das einseitige Beendigungsrecht für das vielleicht wichtigste Detail des Karlsruher Urteils.
Und: Wenn Deutschland das Recht zugestanden wird, seine Zustimmung zur Vorläufigen Anwendung einseitig zurückziehen zu können, dann werden auch die Regierungen aller anderen EU-Staaten für sich das gleiche recht in Anspruch nehmen. Wenn auch nur ein einziges EU-Mitgliedsland seine Zustimmung zurückziehen sollte, könnte das unter Umständen eine Kettenreaktion auslösen, in deren Folge unter Umständen konsequenterweise die gesamte Vorläufige Anwendung seitens der EU einseitig ausgesetzt werden müsste. Kanada wäre darüber mit Sicherheit "not amused". 
In den letzten Tagen und Wochen war seitens der CETA-Befürworter oft zu hören, Europa werde sein "Gesicht verlieren", wenn es jetzt seine Zustimmung zur Vorläufigen Anwendung verweigern würde. Dieser "Schaden" wäre meines Erachtens jedoch nichts gegen den Schaden, der entstehen würde, wenn es später  zu Auseinandersetzungen zwischen den EU-Staaten und der EU-Kommission einerseits und Kanada und der EU-Kommission andererseits käme - ein weiteres "Worst Case"-Szenario.


Am 18. Oktober hätte bei einem EU-Ministertreffen auf europäischer Seite endgültig grünes Licht für die Vorläufige Anwendung des Abkommens gegeben werden sollen. Das Regionalparlament der Wallonie hatte inzwischen allerdings mehrheitlich beschlossen, der Vorläufigen Anwendung nicht zuzustimmen. Aufgrund dieser demokratischen Entscheidung hätte die Regierung Belgiens ihre Zustimmung verweigern müssen.

Die Minister beschlossen deshalb, ihre Abstimmung auf den EU-Kanada-Gipfel am 27.10.2016 zu verschieben, um bis dahin weiter mit dem Regionalparlament der Wallonie diskutieren zu können ...
  • ... will heißen: Um den Druck auf die Parlamentarier, insbesondere auf Herrn Magnette (Belgien, Wallonie, Regierungschef) zu erhöhen ...




    *) Am 17. September 2016 gingen in Hamburg 65.000 Menschen auf die Straße, um gegen die demokratiegefährdenden Handelsabkommen CETA (EU/Kanada) und TTIP (EU/USA) zu demonstrieren. Zeitgleich fanden in sechs weiteren großen deutschen Städten Demonstrationen statt. Auch in Österreich trugen die Menschen ihren Protest auf die Straße.

    In meinem Video sind die Reden der Auftaktkundgebung zu sehen und zu hören. Es sprachen:

    Claudine Nierth
    Mehr Demokratie
    Bundesvorstandssprecherin

    Stephanie Wild
    Netzwerk Solidarische Landwirtschaft Deutschland
    Geschäftsführerin

    Anneli Wehling
    Milchbäuerin, Schleswig-Holstein

    Helene Hohmeier
    NaturFreunde Deutschland, Hamburg
    Sprecherin

    Stefan Krug
    Greenpeace Deutschland
    Leiter der politischen Vertretung in Berlin

    Chris Methmann
    Campact
    Campaigner

    Moderation:
    • Clara Buer (Greenpeace, Campaignerin)
    • Gudrun Nolte-Wacker (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt)


    (Quellen: der Spiegel vom 13.10.2016, Pressemitteilung des BMWi vom 13.10.2016, Süddeutsche Zeitung vom 15.09.2016 , BUND - Online Appel, Marianne Grimmenstein - Bürgerklage gegen CETA, CETA-Verfassungsbeschwerde.de )

    Mittwoch, 19. Oktober 2016

    CETA: Demonstration in Hamburg (17.09.2016)


    Stopp CETA und TTIP - 17.09.2016: Demonstration in Hamburg

    Am 17. September 2016 gingen in Hamburg 65.000 Menschen auf die Straße, um gegen die demokratiegefährdenden Handelsabkommen CETA (EU/Kanada) und TTIP (EU/USA) zu demonstrieren. Zeitgleich fanden in sechs weiteren großen deutschen Städten Demonstrationen statt. Auch in Österreich trugen die Menschen ihren Protest auf die Straße.

    Wenige Tage vor den Demonstrationen empfahl das demokratische Netzwerk Campact, einen Platz in einem der Busse zu buchen, da die Nahverkehrszüge sicher voll sein würden. Weil von Bremerhaven aus aber kein Bus fuhr, war ich auf die Bahn angewiesen.

    Ich hatte mir die Empfehlung von Campact jedoch insofern zu Herzen genommen, dass ich beschloss, keinen Zug auf der "Hauptzubringerstrecke" Bremen-Hamburg zu nehmen. Statt dessen bin ich mit der EVB über Buxtehude gefahren. Wie sich herausstellte, war das eine gute Entscheidung. Was den Sitzplatz betraf hatte ich die freie Auswahl: Auf etwa zwei Dritteln der Strecke bis Buxtehude war ich der einzige Fahrgast im gesamten Wagon. So etwas hatte ich bisher noch nicht erlebt. Zugunsten der EVB hoffe ich, dass an Wochentagen und später am Tag mehr Leute auf der Strecke unterwegs sind.

    In meinem Video zeige ich Impressionen von der Demonstration.


    Zitate

    Am 12.09.2016 hat die Grundwertekommission der SPD ihre Position zu CETA veröffentlicht. Und darin heißt es glasklar:

    "In CETA wird das Vorsorgeprinzip faktisch aufgegeben."

    Stefan Krug
    Greenpeace Deutschland
    Leiter der politischen Vertretung in Berlin


    • Keine Schiedsgerichte
    • keine nicht legitimierten Ausschüsse
    • keine Negativlisten
    und
    • keine Aufweichung des Vorsorgeprinzips
    Das alles hatte die SPD vor zwei Jahren als ihre roten Linien beschlossen.

    Wenn die SPD CETA ablehnt, muss sich Sigmar Gabriel bei der Abstimmung im EU-Ministerrat enthalten.

    Das wäre das "AUS" für das Abkommen ...

    Klaus Wicher
    Sozialverband Deutschland e.V.,
    Landesverband Hamburg, 1. Vorsitzender


    ... Das wäre das "AUS" für das Abkommen gewesen,

    denn am 19.09.2016 hat die SPD auf ihrem Parteikonvent in Wolfsburg ihre Position zu CETA festgelegt:
     
    Sie stimmt einem "JA" zu CETA im Ministerrat der EU zu.

    Damit verschachert sie unsere grundlegenden demokratischen Rechte an internationale Konzerne.

    Wider besseres Wissen und frei nach dem Motto:
    "Was schert mich mein Geschwätz von gestern!"

    Mittlerweile hat es den Anschein, als sei die SPD zu einem gewissenlosen Haufen verkommen, der seinem Parteivorsitzenden, den Lobbyisten und der EU-Kommission hörig ist.

    Samstag, 1. Oktober 2016

    Ein Lebenszeichen

    Am Samstag, 17. September war ich in Hamburg, um gegen CETA und TTIP zu demonstrieren. Am Sonntag habe ich mit der Bearbeitung meines Video-Materials begonnen. Eigentlich hätte ich das im Laufe der Woche fertigstellen und veröffentlichen wollen.

    Aber am Montagmorgen, auf dem Weg mit dem Fahrrad zur Arbeit, meinte ein anderer Radfahrer, der mir zuerst so entgegen kam, als wolle er ganz normal geradeaus an mir vorbeifahren, plötzlich nach links abbiegen zu müssen. Ich hatte noch versucht auf mich aufmerksam zu machen und nach rechts auszuweichen, aber da hatte er mich auch schon links von der Seite gerammt und zu Fall gebracht.

    So bin ich dann, anstatt mit dem Fahrrad auf meiner Arbeitsstelle, mit einem Krankenwagen in einem Krankenhaus angekommen.

    Seit Anfang dieser Woche bin ich zwar wieder zu Hause, muss aber meine lädierte linke Schulter und das rechte Schienenbein schonen, an dem ich operiert worden bin. Es wird also noch etwas dauern, bis ich über die Demonstration in Hamburg berichten und meine Videos von den beiden Kundgebungen und Impressionen von der Demonstration präsentieren kann.