Mittwoch, 29. Dezember 2010

Post aus dem Schloß Bellevue

Atomkraft? Nein Danke!Am 13. Dezember 2010 hatte ich eine E-Mail an Herrn Wulff (Bundespräsident) geschrieben, in der ich ihm meine Gründe für meine Ablehnung der Nutzung der Atomkraft zur Energieerzeugung und meine daraus resultierende Kritik bezüglich der Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die Atomkraftwerke dargelegt habe.

Abschließend hatte ich die Frage gestellt, ob die von mir genannten grundlegenden Fakten bezüglich der Atomphysik oder der Geologie, sowie der permanenten existentiellen Bedrohung der Bundesrepublik und der heute hier lebenden Menschen sowie unzähliger Generationen unserer Nachfahren keine Gründe seien, die ihn davon hätten abhalten müssen, der Änderung des Atomgesetzes zuzustimmen. Ich hatte ihn außerdem gebeten, mir seine Gründe für die Entscheidung zugunsten längerer Betriebszeiten der deutschen Atomkraftwerke ebenso nachvollziehbar zu erklären, wie ich ihm meine Gründe dagegen dargelegt hatte.
Gestern fand ich zwischen der Post im Briefkasten einen Brief vom Bundespräsidialamt. Ein Mitarbeiter des Referats Verfassung und Recht hatte im Auftrag des Bundespräsidenten auf meine E-Mail geantwortet. Er teilt mir in seinem Schreiben mit, der Bundespräsident verstehe die Besorgnis vieler Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Gefahren der Atomkraft und den langfristigen Folgen ihrer friedlichen Nutzung auch für die nachfolgenden Generationen sehr gut.

Er empfinde das persönliche Engagement im Rahmen der uns alle betreffenden Zukunftsfragen einer nachhaltigen, umwett- und menschenfreundlichen Energieversorgung weniger als Abkehr von der Politik denn als Zeichen lebendigen Bürgersinns. Die Regeln der parlamentarischen Demokratie würden jedoch eingehalten werden müssen.

Im Rahmen der Ausfertigung von Gesetzen habe der Bundespräsident allein deren Verfassungsmäßigkeit, nicht aber die Zweckmäßigkeit einzelner gesetzlicher Regelungen zu überprüfen. Das habe er auch bei dem von mir beanstandeten Gesetz unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts getan. Nach eingehender Prüfung sei er dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verfassungsverstoß, der allein ihn hätte berechtigen können, die Ausfertigung zu verweigern, nicht vorliege. Der Bundespräsident habe daher - der Verfassung verpflichtet - das Gesetz unterschrieben und den Auftrag zur Verkündung im Bundesgesetzblatt gegeben.

Kein Job für mich

Ich habe verstanden, dass der Bundespräsident ausschließlich dann die Unterzeichnung eines Gesetzes verweigern kann, wenn er damit einen Verfassungsverstoß absegnen würde. Ich glaube auch verstanden zu haben, dass er auch dann zur Unterzeichnung eines Gesetzes verpflichtet ist, wenn seiner Meinung nach abzusehen ist, dass mit der Anwendung des Gesetzes fatale Fehler begangen würden, die irreparable Schäden zur Folge hätten.

Daraus ziehe ich für mich die Erkenntnis, dass ich nicht in der Haut des Bundespräsidenten stecken möchte, weil die Ausübung dieses Amtes mich offensichtlich immer wieder dazu zwingen würde, gegen mein Gewissen und den gesunden Menschenverstand zu handeln. Ich verstehe deswegen allerdings überhaupt nicht, was einen Menschen dazu treibt, unbedingt Bundespräsident werden zu wollen.


Verantwortung für künftige Generationen?

Weiterhin verstehe ich nicht, wie es angehen kann, dass viele Verfassungsrechtler in der Umgehung des Bundesrats einen Verstoß gegen das Grundgesetz sehen da den Bundesländern mit der Laufzeitverlängerung Vorgaben gemacht werden, die ihre Autonomie beschränken.

Außerdem verstehe ich nicht, warum es im Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland überhaupt einen Artikel 20a gibt, der den Staat zur "Verantwortung für die künftigen Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere" verpflichtet, wenn der Bundespräsident durch seine Weigerung, ein Gesetz zu unterzeichnen, das nach inzwischen öffentlich gewordenen Geheimverträgen der Bundesregierung mit den Atomkonzernen zu deren Gunsten und unter Umgehung des Bundesrates zustande kam, nicht verhindern kann, dass die Bundesregierung genau gegen diesen Artikel verstößt. Mit der Laufzeitverlängerung wird sie meines Erachtens ihrer "Verantwortung für die künftigen Generationen" nicht gerecht, da sie unzähligen Generationen unserer Nachfahren mit dem zusätzlich noch anfallenden Atommüll das gefährliche radioaktive Erbe der heute lebenden Generationen noch unnötig vergrößert, ohne dass diese sich dagegen wehren können.

Der Betrieb der Atomkraftwerke bedroht bereits heute permanent "die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere". Daran wird sich aufgrund dessen, dass es keine Möglichkeit gibt, den Atommüll dauerhaft - also für immer und ewig - sicher von der Biosphäre fernzuhalten, für die nächsten Milliarden Jahre nichts ändern. Ich vermute einmal, der Bundespräsident wird sich damit nicht im einzelnen auseinandergesetzt haben, da es nach Aussage seines Mitarbeiters nicht seine Aufgabe ist, die "Zweckmäßigkeit einzelner gesetzlicher Regelungen" zu überprüfen.

Wenn es aber so wäre, dass der Bundespräsident lästige Paragraphen mit dieser Einschränkung einfach ausblenden könnte, dann läge es letzlich in seinem Ermessen, ob ein neues Gesetz einen Verfassungsverstoß beinhaltet oder nicht. Das wäre dann allerdings fatal! Ich bin sehr gespannt darauf, zu welchem Urteil das Bundesverfassungsgericht aufgrund der angekündigten Klagen einiger Oppositionsparteien kommen wird, und wie die Verfassungsrichter ihre Entscheidung begründen werden.

(Für diejenigen, die es interessiert: Den genauen Wortlaut der Korrespondenz  zum Nachlesen gibt es hier.)

3 Kommentare:

april hat gesagt…

Nun, wenigstens hast du Post bekommen und das nach nicht mal so langer Zeit. Ich hatte mal an die Kundusbanzlerin geschrieben, aber sie will mir einfach nicht antworten. Mir ist es auch egal, ob ich so einen vorgefertigten Brief kriege oder nicht. Und dem Herrn Bu.präsidenten ist es auch egal, wie lange die Halbwertzeiten sind und was nach ihm kommt, ob die Sintflut oder nicht. Wetten, dass ...? Dennoch ist so ein Brief eines Bürgers nicht umsonst. Wenn das alle täten, würden 'sie' zumindest merken, dass 'wir 'interessiert' sind. Und es würden Arbeitsplätze geschaffen, viele. Ausdrucker, Brieffalter und -eintüter, Briefmarkenaufkleber usw.
(Bitte nicht böse sein wegen der Ironie) Und herzliche Grüße aus Köln,
Ingrid

Frau Momo hat gesagt…

Mehr als das übliche Blabla hätte ich auch nicht erwartet. Aber die Idee von April ist nicht schlecht.... vielleicht sollte man mal das Bundespräsidialamt mit realer Post fluten :-)

juwi hat gesagt…

@Ingrid: In den Disziplinen "Sprüche klopfen", "unangenehme Dinge aussitzen" und "kritischen Fragen aus dem Weg gehen" ist sie ohne Frage eine der größten unter den Meisterinnen, unsere Wespenkönigin. Und: Keine Antwort ist ja auch eine Antwort. Wie wär's denn mal mit einer E-Mail von Mrs. April an Herrn Wulff? Damit er auch merkt, dass nicht nur mir die schwarz-gelbe Atompolitik gegen den Strich geht? Ich wäre sehr gespannt, ob du wort-wörtlich die gleiche Anwort bekämst, wie ich. (Das wäre dann glatt noch einmal einen Artikel in "juwi's welt" wert.)

@Frau Momo: Vielleicht sollte man das "Vielleicht sollte man ..." des öfteren mal zum "Ich werde ..." umfunktionieren. Das war nicht das erste Mal, und es wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, aber eigentlich sollte ich viel öfter mal an unsere Politiker schreiben ... - Ups - da hat sich doch gerade schon wieder eines der kleinen, fiesen "sollte" eingeschlichen, das mir mein innerer Schweinehund gerade eben untergeschoben hat ...

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