Freitag, 23. Juli 2010

Von Debstedt zur Königsbrücke


Auf dem Alten Postweg mit dem Fahrrad von Debstedt zur Königsbrücke

Ich hatte am letzten Sonntag das etwas kühlere Wetter für eine Fahrradtour durch die nördliche Umgebung Bremerhavens genutzt. Nachdem ich das Fehrmoor hinter mir gelassen hatte, ging es weiter nach Debstedt.

Als gesicherte geschichtliche Fakten gelten ja im allgemeinen Ereignisse und Urkunden im Zusammenhang mit Kirchen. Diesbezüglich nimmt Debstedt mit seiner St. Dionysiuskirche wohl eine Sonderstellung ein. Im Jahre 797 eroberte das Heer Karl des Großen das damalige "Wigmodien". Die heute vom Seedeich vor den Fluten geschützten, landwirtschaftlich genutzten Marschengebiete zwischen der hohen Lieth - einer Seitenmoräne von Gletschern aus der Eiszeit - und der Weser waren damals von schiffbaren Prielen und Flussläufen durchzogen und Debstedt war ein Hafenort. König Karl der Große ließ bei Debstedt eine Militärstation und einen Königshof einrichten. Auf dem ehemaligen sächsischen Thingplatz in Debstedt gründete er mit der St. Dionysiuskirche die erste Taufkirche in unserer Region. Die Anfänge von Vorgängersiedlungen des heutigen Ortes Debstedt reichen jedoch bis weit in die Steinzeit zurück.

Wie so oft in der Geschichte des Christentums ließen sich die Menschen auch hier von ihren neuen Herren davon überzeugen, dass die Welt nicht das Werk vieler Götter war, sondern das jenes einen Gottes mit dem die Eroberer sich gegen die Mächte ihrer Götter verbündet hatten. Dabei blieben sie jedoch weiterhin ihren alten Traditionen verbunden. So wurde auf dem Kirchhof noch bis ins 17.Jahrhundert hinein weltliches Recht gesprochen.

Das Kirchspiel der Debstedter Kirche reichte ursprünglich im Norden bis in das Gebiet südlich des heutigen Ortes Altenwalde heran. Im Osten gehörten die Gegenden um Bederkesa und Ringstedt herum dazu und im Süden markierte die Kirche in Lehe die Grenze des Einflussbereiches. Im Westen bildete die Weser die natürliche die Grenze des Debstedter Kirchspiels ...

Bei einem Großbrand im Jahre 1912 brannte auch die St. Dionysiuskirche völlig aus. Im Jahr darauf wurde sie vergrößert wieder aufgebaut und mit einem Gottesdienst am 4.Advent des Jahres 1913 wieder eingeweiht.

Heute ist Debstedt ein Teil der damaligen Samtgemeinde Langen, der es sich 1971 angeschlossen hatte. Aus der Samtgemeinde entstand mit der Gebietsreform von 1974 die neu gebildete Einheitsgemeinde Langen die seit 1990 "Stadt Langen" heißt.

In direkter Nachbarschaft der Kirche ist in einem niedersächsischen Bauernhaus das Heimatmuseum Debstedt untergebracht. Es zeigt mehr als 2000 Exponate der bäuerlichen Kultur und des ländlichen Handwerks. Immer wieder werden auch Veranstaltungen durchgeführt, mit denen der Alltag der Landbevölkerung in den vergangenen Jahrhundeten veranschaulicht wird.

Gut einen Kilometer westlich des Ortsausgangs von Debstedt stieß ich auf den Radwanderweg "Alter Postweg", den ich in meinem Artikel "Auf alten Wegen zu alten Zielen" schon einmal erwähnt hatte.

Nordöstlich von Bremerhaven verläuft der Weg an der Grenze der Hohen Lieth zur Marsch durch ein Gebiet mit sehr vielen Spuren der uralten Siedlungsgeschichte in unserer Region, die teilweise bis weit über die Anfänge des Christentums in die Vergangenheit zurück reichen. Eine Reihe von Wall- und Befestigungsanlagen sowie prähistorischen Grabstätten belegen die frühe kulturelle Bedeutung dieses alten Verkehrsweges.

Die erste dieser Spuren entlang des Alten Postwegs nördlich von Debstedt ist der nicht zu übersehende, zwischen zwischen Langen und Sievern gelegene Bullmersberg. Der von Eichen und Birken bewachsene sechs Meter hohe Ringwall mit einem Durchmesser von ungefähr 40 Metern ist heute ein Kulturdenkmal. Frühgeschichtliche Fundstücke von den umliegenden Ackerflächen weisen auf eine Besiedlung der Umgebung hin, die bis in die Zeit der jüngeren Steinzeit und der frühen Bronzezeit zurückreicht.

Bis die Marsch um 1000 n. Chr. herum eingedeicht wurde, führten, wie bereits erwähnt, schiffbare Priele und Flussläufe bis weit in das Land hinein. Entlang dieser Wasserläufe, sowie in tiefer liegenden Senken, sammelte sich Wasser, und im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich Moore und Sümpfe. Dieses unwirtliche Gelände war vielerorts nur von wenigen Wegen erschlossen. In Höhe des Bulmersberges überquerte die alte Heerstraße - der spätere "Alte Postweg" - eine der nördlich von Langen verlaufenden Wasserrinnen und führte auf die höher gelegenen Geestflächen bei Sievern. Von der Wallkrone des Bullmersbergs in 16 Metern Höhe über dem Meeresspiegel ließ sich das umliegende Gelände und der Heerweg gut überwachen. Im neunten Jahrhundert sicherte Kaiser Otto III. von hier aus sein Territorium gegen die Überfälle der Normannen und Wikinger.

Da die Dimensionen der Ringwallanlage aufgrund des dichten Baumbewuchses auf Fotos nicht erkennbar sind, habe ich einige Abschnitte des Weges auf dem nach Westen hin offenen Ringwall mit der Videokamera aufgezeichnet. So bekommt ihr zumindest einen groben Eindruck. Richtig erfassen kann man das Gelände allerdings nur, wenn man es selbst erkundet.

Im Verlauf des Alten Postweges nach Norden fällt eine immer größere Dichte von Windkraftanlagen auf den Feldern auf. Ursprünglich gab es einmal große Widerstände gegen die Errichtung der Anlagen: Sie würden das Landschaftsbild verschandeln, hieß es. Heute sind sie ein Teil der Landschaft und eigentlich auch nicht mehr daraus wegzudenken. Über die wirklich hässlichen Hochspannungsfernleitungen, die von den Kohle- und Atomkraftwerken ausgehend das Land durchkreuzen, hat sich ja auch noch nie jemand aufgeregt. Es ist halt alles eine Sache der Gewohnheit, und in Anbetracht der dramatischen Entwicklung der globalen Klimaerwärmung kann man aus heutiger Sicht sagen: Nördlich von Bremerhaven hat die Zukunft schon begonnen.

Nördlich von Sievern überquert der "Alte Postweg" den Sieverner Bach auf der "Königsbrücke". Ich kann mich an einen Wandertag mit unserer Lehrerin Frau Schulz erinnern, die während der ersten drei Jahre meiner Schulzeit auf der Friedrich-Ebert-Schule im Bremerhavener Stadtteil Leherheide meine Klassenlehrerin war. Wir Knirpse sind mit ihr von Leherheide bis zur Pipinsburg und wieder zurück gelaufen. Als wir damals die Brücke überquerten, erzählte sie uns, ein König sei vor langer, langer Zeit einmal über diese Brücke gekommen und deshalb heiße sie heute "Königsbrücke". Keiner von uns Kindern konnte natürlich einschätzen, wieviel Zeit seitdem tatsächlich vergangen war, und welche Rolle König Karl zu seiner Zeit gespielt hatte, aber ich war jedenfalls tief beeindruckt davon, dass tatsächlich einmal ein waschechter König über diese Brücke gewandelt sein sollte. Geschichtlich belegt ist jedenfalls, dass Karl der Große im Verlauf der Sachsenkriege mit seinem Heer bis nach Altenwalde vordrang, wodurch der heutige "Alte Postweg" eine große Bedeutung als Heerweg gewann. Da also anzunehmen ist, dass er dabei dem Alten Postweg gefolgt ist, kann man wohl davon ausgehen, dass er damals tatsächlich an dieser Stelle den Sieverner Bach überquert hat.


(Quellen: Debstedt, Wikipedia, Sievern, Infotafel Nr. 12 des Alten Postwegs)

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