Dank der sogenannten G.I.-Bill, einem staatlichen Förderprogramm, studiert der 26 jährige Cameron Baker an der Columbia University im zweiten Semester.
Nach fünf Jahren Irak in ständiger Angst und Lebensgefahr lassen ihn die Erinnerungen daran nicht los. "Ich konnte eine Woche in Bagdad verbringen, ohne zu zucken. Hier muss ich mich umstellen: eine Straße entlang laufen oder mit Freunden im Restaurant essen, ohne an die eigene Sicherheit zu denken." sagt er in dem Beitrag des Weltspiegels. In der Vorlesung sucht er sich immer einen Platz möglichst weit vorn. Zu viele Feuergefechte und Explosionen haben sein Gehör geschädigt. Würde er nicht davon sprechen, würde niemand ihm diese Wunden ansehen. Er kam ja schließlich körperlich unbeschadet aus dem Krieg zurück. Auf die Frage, ob Columbia oder Bagdad für ihn härter sei, antwortet er, für ihn sei es Columbia. In seinem Kopf sei wohl etwas kaputt gegangen.
Vielen ehemaligen Soldaten sind ihre seelischen Verletzungen peinlich. Sie sprechen nicht darüber - überspielen sie - und gehen daran zu Grunde. Oft noch, nachdem der Krieg für sie in den Augen ihrer Mitmenschen schon lange zu Ende ist ...
Der andere ehemalige Soldat, Luis Montalvan kehrte schwerst verwundet aus dem Irak zurück. Nahe der syrischen Grenze stachen Männer mit Messern auf ihn ein. Mit 20 Tabletten täglich bekämpft er seine Schmerzen. Seine Wirbelsäule ist verletzt. Depressionen quälten ihn.
Treppen machen ihm Angst. Er verliert schnell das Gleichgewicht. Deshalb bekam er einen Servicehund, der schnell zu seinem engsten Vertrauten wurde. Sein Hund hebt für ihn die Dinge vom Boden auf, nach denen er sich nicht mehr bücken kann. Diese Wunden und Behinderungen sieht man ihm an. Aber seine schlimmsten Wunden bleiben dem flüchtigen Blick seiner Mitmenschen verborgen. Im Beitrag des Weltspiegels sagte er: "Ich denke nicht oft über die Vergangenheit nach. Der Hund hat mir geholfen, ins Leben zurück zu finden. Früher konnte ich meine Wohnung nicht verlassen, weil ich den Menschen nicht mehr traute. Warum war das so? Weil es im Irak sehr schwer ist, überhaupt jemandem zu trauen." Ich kann mir gut vorstellen, dass der Hund, den er eigentlich aufgrund seiner körperlichen Verletzungen bekam, vor allem seine seelischen Schmerzen lindert.
Jetzt steht Luis Montalvan kurz vor seinem Universitätsabschluss. Er will Journalist werden und das bekannte Bild des Krieges verändern: "Viele Reporter bekommen im Irak immer nur die Disneyland-Tour, die den Generälen gefällt. Ich würde gern Journalisten herumführen, mit einer fünf bis sechs Mann starken Truppe im Konvoi, und denen mal die echte Story zeigen.", sagt er.
Sollte er damit Erfolg haben, dann könnte er damit vielleich bewirken, dass die Akzeptanzschwelle viele seiner Mitmenschen für kriegerische Militäreinsätze sinkt, und dass den Falken in der Regierung der USA nach und nach der Boden entzogen wird, auf dem sie ihre Gewalt säen. Ich würde mir wünschen, dass seine journalistischen Arbeiten dann auch in Deutschland bekannt werden würden, und den Leuten auch hierzulande die Augen öffnen.
Wie viele Wunden äußerlich unversehrter deutscher Soldaten, die in Afghanistan den Krieg erlebten, wohl im Verborgenen bluten? Warum?
(Quelle: ARD Weltspiegel vom 25.07.2010)
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