Sonntag, 2. Mai 2010

Tag der Arbeit


Bremerhaven, 1. Mai 2010: Umzug am Tag der Arbeit

Gestern, war der 1. Mai, der "Tag der Arbeit". Das Bremerhavener "Sonntagsjournal" berichtet heute, in Bremerhaven hätten rund 1000 Menschen am Maiumzug und der anschließenden Kundgebung vor der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche teilgenommen. Die Veranstaltungen standen unter dem Motto: "Wir gehen vor. Gute Arbeit. Gerechte Löhne. Starker Sozialstaat." Herr Behrenwald (DGB, Kreisvorsitzender) forderte in Anbetracht des Bremerhavener Arbeitsmarktes die Einführung von Mindestlöhnen und die Fortsetzung des Kampfes gegen die Leiharbeit.

Mich hat die ungeschminkte Schilderung der Situation der Kollegen von Frau Coordes (Karstadt, Betriebsratsvorsitzende) sehr betroffen gemacht. Sie sprach über den sinkenden Lebensstandard in deren Familien, aufgrund "freiwilliger" Einkommensbeschränkungen, den Verzicht auf Sozialleistungen etc. mit denen die Karstadt-Mitarbeiter seit Jahren in Vorleistung gegangen seien, um den Standort im Bremerhaven zu erhalten.

Von "gerechten Löhnen für gute Arbeit" kann bei den meisten Mitarbeitern des Einzelhandels bekanntermaßen ohnehin schon lange keine Rede mehr sein. Frau Coordes sagte dazu sinngemäß: Eine gerechte Bezahlung für geleistete Arbeit habe schließlich auch etwas mit Würde zu tun. Wenn die Menschen nicht mehr in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt und ihre finanziellen Verpflichtungen aus den Einkünften für ihre geleistete Arbeit zu bestreiten, dann nähme man ihnen die Würde. Bausparkasse, Versicherungen und Banken würden ihre Kollegen ständig mit Fragen danach belasten, wie lange diese ihre vertraglichen Verpflichtungen denn wohl noch einhalten könnten. Ihre Kollegen würden unter bedrückenden Existenzängsten leiden. Sie würden Tag für Tag morgens mit ihren Sorgen bezüglich ihrer ungewissen Zukunft aufstehen, und Abends nach einem harten Arbeitstag mit den gleichen Ängsten wieder zu Bett gehen.

Verschärfend hinzu kommt in Anbetracht der Insolvenz des Karstadt-Konzerns für die derzeitige Situation, dass es nach Aussage von Frau Coordes keine Standortsicherheit mehr gibt. Zur Sicherheit der Bremerhavener Karstadt-Filiale im Columbus-Center hätte ein auch von der Karstadt-Zentrale mehrfach angemahntes Einzelhandelskonzept für Bremerhaven beitragen können. Die Bremerhavener Einzelhändler fordern ebenfalls seit Jahren ein Einzelhandelsgutachten für Bremerhaven, auf dessen Grundlage ein solches Konzept entwickelt werden könnte. Dieses ist ohne Not von der Großen Koalition in Bremerhaven, insbesondere aber von der CDU, seit Jahren hartnäckig verschleppt worden. Das Angebot der IHK, mit der Politik ein gemeinsam finanziertes Gutachten in Auftrag zu geben, um den Wildwuchs der Supermärkte und Discounter zu stoppen, hat die CDU bis heute abgewiesen. Statt dessen hat sich Herr Teiser (CDU, Bürgermeister und Kämmerer) in Anbetracht der ständigen Kritk wohl Anfang des Jahre endlich genötigt gesehen, selbst ein Einzelhandeslgutachten - ohne Beteiligung der IHK - in Auftrag zu geben. Prompt wird in Bremerhaven gemunkelt: "Wer die Musik bezahlt, der bestimmt was gespielt wird." Sollte der Insolvenzverwalter anderen Karstadt-Standorten den Vorzug vor Bremerhaven geben, dann wird sich die Große Koalition den Vorwurf gefallen lassen müssen, an einem riesigen Leerstand am Nordende des Columbus-Centers nicht ganz unschuldig zu sein.

Das Sonntagsjournal berichtet in seiner heutigen Ausgabe ebenfalls darüber, dass an den Kundgebungen des DGB bundesweit 464000 Menschen teilgenommen haben. Auf der zentralen Kundgebung in Essen habe Herr Sommer (DGB, Vorsitzender) kritisiert, dass "trotz vieler Versprechungen und warmer Worte "die Finanzmärkte immer noch nicht reguliert" worden seien. Das Sonntagsjournal zitiert ihn mit den Worten: "Die Protagonisten von Gier und Geiz haben nichts dazugelernt." und "Wir wollen einen starken Sozialstaat und eine Wirtschaft, die den Menschen dient." In diesem Zusammenhag habe er auch die steuerpolitischen Vorstellungen der FDP kritisert: "Die liberalen Steuerpläne sind schon in ihrer Idee zutiefts ungerecht."

Den Gesprächen mit Freunden und Bekannten, die ich gestern beim Umzug und beider Kundgebung traf, entnehme ich, dass Herrn Sommer mit seiner Kritik an der FDP nicht allein dasteht.

Meine Meinung: Wenn die Bundesrepublik einerseits weiterhin Geld ausgeben will, ihr auf der anderen Seite aber die Einnahmen fehlen, dann werden wir bald nicht mehr sehr weit von dem Punkt entfernt sein, an dem Griechenland heute bereits angekommen ist. Und das werden wir dann ganz ohne "Korruption und maßlose Sozialleistungen" erreicht haben. Das wird dann ganz allein die Politik der FDP geschafft haben ... - Es sei denn, die Steuergeschenke werden uns still und heimlich in Form von höheren oder neuen Abgaben und Einsparungen an anderer Stelle wieder aus der Tasche gezogen (eine Praxis, die sich in der Vergangenheit ja bereits des öfteren hervorragend bewährt hat).


(Quelle: Sonntagsjournal vom 02.05.2010)


2 Kommentare:

Weserkrabbe hat gesagt…

Hallo Jürgen, ich fand den Umzug irgendwie lahm. Allerdings habe ich ihn nur vom Fenster aus gesehen und habe so bei mir gedacht, die Leute machen einen desinteressierten Eindruck. Nichts war vom kämpferischen Engagement zu sehen, was doch eigentlich gerade in Bremerhaven notwendig wäre. Sah alles eher nach einem Sonntagsspaziergang aus. Nur die Samba-Truppe war gut drauf.
Aber Du siehst das sicherlich anders.

liebe Grüsse
Brigitte

juwi hat gesagt…

@Brigitte: Ich hoffe, du hast keine Randale erwartet. Wenn du dir das Video ansiehst, dann kannst du lesen, was die Leute aus dem Hafen, aus dem Einzelhandel, von den Schulen etc. fordern und was sie kritisieren. Wahrscheinlich ist das mit den Maiumzügen und Kundgebungen so wie beim Straßenkarneval oder wie beim Fußball. Wenn man auf der Straße mitten im Geschehen bzw. im Stadion live dabei ist, dann bekommt man mehr davon mit - besonders auch von der Stimmung. Für alle deutlich hörbar wurde in den Redebeiträgen während der Kundgebung Klartext geredet. Schade, dass die politisch Verantwortlichen nicht vor Ort waren, und sie so den drastischen Schilderungen persönlich Betroffener entgangen sind.

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