Ausländische Autofahrer abzukassieren, während deutsche Autofahrer ihr Geld über eine Kfz-Steuersenkung zurückbekommen sollen, ist nicht nur aus Sicht der EU-Kommission eine klare Benachteiligung ausländischer Autofahrer. Auch wenn öffentlich nicht so gerne darüber gesprochen wird, sehen die meisten Bundesbürger das wohl ähnlich. Die meisten Menschen hierzulande werden also geahnt haben, dass genau das passieren würde, was der Herr Verkehrsminister nie wahrhaben wollte.
Herr Dobrindt erwartet nun langwierige Rechtsstreitigkeiten. Da bis zu einem Urteil zwei Jahre vergehen könnten, wäre der ursprünglich geplante Starttermin für seine Maut im kommenden Jahr nicht mehr zu halten. Deshalb gab Herr Dobrindt gestern bekannt, dass die Einführung seiner umstrittenen "Infrastrukturabgabe" auf unbestimmte Zeit verschoben werden soll.
Die Vorbereitungen für die Einführung werde er jedoch wie geplant weiter vorantreiben. Die Auswahl eines Betreibers für das vorerst ausgebremste Maut-System könne jedoch erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes erfolgen.
Herr Dobrindt hält die EU weiterhin für nicht zuständig. Die Tagesschau zitiert ihn dazu auf ihrer Internetseite in einem Artikel vom 18.06.2015 mit den Worten (Zitat): "Was wir mit der Kfz-Steuer machen, ist ausschließlich nationale Hoheit, Brüssel hat da keine Kompetenzen. .. Von unserem Kurs, mehr Gerechtigkeit auf der Straße zu schaffen, lassen wir uns nicht abbringen." Die Bundesregierung habe eindeutig nachgewiesen, dass die Maut-Gesetze EU-konform seien.
Wenn ...
... die Rechtslage tatsächlich so eindeutig wäre, dann hätte die EU-Kommission jetzt wohl kaum das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und Herr Dobrindt hätte jetzt nicht die Reißleine ziehen müssen. Daran, dass deutsche Autofahrer über die im Rahmen der Maut-Gesetze geplante Senkung der Kfz-Steuer schadlos gehalten werden sollten, ist wohl kaum ein Zweifel möglich. Schließlich hat Herr Dobrindt mit genau diesem Argument erreicht, dass es hierzulande keinen allzu lautstarken Protest gegen seine Maut-Pläne gibt.
... Herr Dobrindt - wie von ihm angekündigt - an den Vorbereitungen für die Einführung einer Pkw-Maut festhält, die Umsetzung nach einem Urteil des EuGH aber nur möglich wäre, wenn er auch die deutschen Autofahrer zur Kasse bitten würde, dann würde er sein vor der Bundestagswahl den Wählern gegenüber abgegebenes Versprechen brechen. - Bleibt zu hoffen, das in diesem Falle auf "aufgeschoben" ausnahmsweise mal "aufgehoben" folgt, indem der EuGH dem verkehrspolitischen Irrsinn ein Ende setzt.
... Herr Dobrindt tatsächlich die Absicht gehabt hätte, "Gerechtigkeit auf der Straße zu schaffen", dann hätte er seine "Infrastrukturabgabe" in Form eines prozentualen Aufschlags auf die Treibstoffpreise erhoben, dessen Erträge ausschließlich an die Instandhaltung und ggf. den Ausbau der Verkehrswege gebunden gewesen wären. Dann wäre nähmlich jeder Autofahrer genau in dem Maße belastet worden, in dem er tatsächlich an der Nutzung der Straßen beteiligt gewesen wäre. Das Geld wäre von der Tanksäule via Finanzamt direkt in die dafür vorgesehene Infrastrukturkasse geflossen. Ein teures, durch eine private Firma betriebenes Mautsystem, sowie den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand, hätte er sich und uns damit ersparen können.
Klima-Maut statt Ausländer-Abzocke
Eine Überlegung, die in diesem Zusammenhang überhaupt nicht zur Sprache kommt, sind die auch verkehrsbedingt nach wie vor steigenden CO2-Emissionen und die damit verbundene Beschleunigung des globalen Klimawandels. Eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik würde deshalb darauf hinwirken, die mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeuge schnellstmöglich von unseren Straßen zu verbannen.
Die Erhebung einer europaweiten "Klima-Maut", die ausschließlich für den aus Gründen des Klimaschutzes notwendigen Umbau der Verkehrssysteme eingeführt werden würde, ließe sich den Menschen gegenüber plausibel darstellen und daher wohl erheblich leichter "verkaufen", als eine deutsche Maut, die einzig darauf ausgelegt ist, ausländische Autofahrer abzuzocken.
Eine wirklich nachhaltige Infrastrukturmaßnahme wäre deshalb - insbesondere in den Städten - der flächendeckende Ausbau eines Steckdosennetzes für das Laden der Akkus von Elektrofahrzeugen. Wenn alle heute mit Otto- und Dieselmotoren betriebenen Fahrzeuge durch Elekrtofahrzeuge ersetzt werden sollen, dann muss jeder die Möglichkeit haben, jederzeit an jeder Straße und auf jedem Parkplatz die Akkus seines Fahrzeugs zu laden. Das ist jedoch - zur Zeit jedenfalls noch - völlig utopisch.
Schneller zu realisieren wäre wohl die flächendeckende Elektrifizierung des Schienenverkehrs und die weitestgehende Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene - eine Forderung an die Politik, die bereits seit den achtziger- und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer wieder gestellt wird.
In der Realität passiert jedoch seit geraumer Zeit das absolute Gegenteil. Solange noch Verkehrsminister, die der guten alten Zeit gummibereifter Statussymbole nachtrauern, versuchen, die Richtung vorzugeben, und solange Automobilhersteller auf "Wunsch" ihrer Lobbyisten noch mit tonnenschweren, fossil betriebenen PS-Monstern protzen können, mit deren Hilfe Straßen-Machos glauben, ihre Männlichkeit demonstrieren zu müssen, wird sich daran aber so schnell wohl auch nichts ändern.
(Quellen: Der Spiegel vom 18.06.2015, Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 18.06.2015, Der Tagesspiegel vom 18.06.2015, Frankfurter Rundschau vom 18.06.2015, Handelsblatt vom 18.06.2015, Süddeutsche Zeitung vom 18.06.2015, Die Zeit vom 18.06.2015)
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