Donnerstag, 30. Mai 2013

Klimakanzlein - welche Klimakanzlerin!?

Deutschlands Nobelkarossen-Hersteller fürchten um ihr Geschäftsmodell. Eine Halbierung des durchschnittlichen Treibstoffverbrauchs auf drei Liter bis 2025 - wie von der EU gefordert - sei nicht zu leisten.

Herr Wissmann (VDA-Verband der Deutschen Automobilindustrie, Präsident) hatte Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) am 08.05.2013 in einem Brief um Unterstützung gebeten (Zitat):
"Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela", .. es darf nicht sein, dass "wir unser leistungsfähiges und starkes Premiumsegment, das fast 60 Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland ausmacht, über willkürlich gesetzte Grenzwerte buchstäblich kaputt regulieren lassen".

Das "Geschäftsmodell Premiumsegment" der deutschen Automobilhersteller setzt nach wie vor auf große, "leistungsfähige" und somit schwere Fahrzeuge. Aufgrund des hohen Treibstoffverbrauchs fallen auch deren CO2-Emissionen entsprechend hoch aus. Die kleineren Fahrzeuge der internationalen Mitbewerber verbrauchen aufgrund ihres in der Regel geringeren Gewichts weniger Treibstoff und emittieren dem entsprechend weniger CO2.

Somit verwundert es natürlich nicht, dass der Entwurf der EU-Kommission vom Juli 2012, der kürzlich vom Umweltausschuss im Europaparlament noch einmal verschärft worden war, die deutsche Automobilindustrie mehr trifft, als deren internationale Konkurrenz.

Nach aktuellem Stand der Dinge sollen die CO2-Flottenemissionen europäischer Neuwagen bis 2020 im Durchschnitt 95 g/km nicht mehr überschreiten dürfen. In den darauffolgenden Jahren bis 2025 sollen die durchschnittlichen CO2-Emissionen der europäischen Neuwagenflotten auf 68 bis 78 g/km gesenkt werden. Nach Stand der Technik entspricht das in etwa einem Pkw mit Verbrennungsmotor, der rund drei bis vier Liter fossilen Treibstoff pro 100 Kilometer verbraucht.


Herr Wissmann pfeift und Frau Merkel springt

Wenn es nach Herrn Wissmann und den von ihm vertretenen Automobilherstellern ginge, dann bliebe allerdings alles beim alten: Business as usual. - Und nach uns die Sintflut ...

Wenn Frau Merkel mit dem Schlagwort "fast 60 Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland" konfrontiert wird, dann spielt Klimaschutz offenbar schlagartig keine Rolle mehr. Jedenfalls hat sie den Automobilherstellern bei den EU-Verhandlungen über strengere CO2-Grenzwerte ihre Hilfe zugesagt. Gerade große Autos seien die Innovationstreiber in der Industrie ...
  • ... Gab es da nicht mal so etwas wie einen Ehrentitel, den man Frau Merkel einmal zugesprochen hatte? - Klimakanzlein? - Gefühlt muss das aber vor unendlich langer Zeit gewesen sein. Aus heutiger Sicht verdient Frau Merkel den Titel "Klimakanzlerin" jedenfalls ebensowenig, wie Herr Obama den Friedensnobelpreis.

Eines der Mittel zum Zweck, mit denen das Überleben der Spritschlucker gesichert werden soll, sind sogenannte "Supercredits" für Neuwagen, deren CO2-Emissionen 50 g/100 km unterschreiten. Darunter würden dann auch Pkw mit Elektroantrieb fallen. Das EU-Parlament will solche Neuwagen im Zeitraum von 2016 bis 2023 mit einem Faktor 1,5 bei der Bestimmung der Flottenemissionen aller Neuwagen eines Herstellers berücksichtigen. Der EU-Kommission geht das zu weit. Sie hält maximal einen Faktor von 1,3 für vertretbar.

Nach Ansicht des VDA hingegen müssten die in der EU-Kommission und im EU-Parlament angedachten Supercredits - also der Anrechnungsfaktor, unter anderem für Elekro-Fahrzeuge - deutlich angehoben werden. Wenn die Automobilhersteller für ihre "Supercredits" ebenso zur Kasse gebeten werden würden, wie andere Branchen für ihre "Emissionszertifikate", dann wäre das Thema allerdings möglicherweise schnell wieder vom Tisch.

Supercredits für Elektrofahrzeuge, die den CO2-Schnitt der gesamten Neuwagenflotte eines Herstellers senken, sind ein billiger Taschenspielertrick, der dem Klimaschutz schadet, und ausschließlich dem "Geschäftsmodell Premiumsegment" und der Profitmaximierung einiger deutscher Automobilhersteller nützt.

Eine bereits praktizierte Methode zur Schönrechnung des Treibstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen von Neuwagen ist die Ermittlung der Verbrauchsdaten unter "Laborbedingungen". Im Alltag liegt der durchschnittliche Treibstoffverbrauch dann auch eher bei siebeneinhalb, als bei den von den Herstellern angegebenen sechs Litern.


Politisch legitimierte Bilanzfälschung

Ich weiß, dass ich mich wiederhole, wenn ich erneut darauf hinweise, dass die Naturgesetze keine Rücksicht auf die Gesetze der Menschen nehmen. Aber solange diese einfache Tatsache von Lobby-Vertretern, Branchenverbänden etc. mit Hilfe der von ihnen beeinflussten Regierungen ignoriert wird, kann man das eigentlich gar nicht oft genug erwähnen: Jeder virtuell geschönte, real aber mehr verbrauchter Liter fossilen Treibstoffs jedes einzelnen Fahrzeugs, sowie jedes aufgrund von Supercredits zuviel emittierte Gramm CO2 taucht zwar in den Statisiken nicht mehr auf, trägt aber in der Realität zusätzlich zum Klimawandel und der Beschleunigung der globalen Erwärmung bei.

Medienberichten der letzten Tage zufolge meint Frau Merkel, Deutschland sei in besonderer Weise von der Kfz-Branche abhängig. Ein Viertel des Umsatzes der deutschen Industrie entstünde mit und in der Automobilindustrie. Davon hänge in erheblichem Maße der Wohlstand und die Zukunft Deutschlands ab. - Mit ihrer Sichtweise bezüglich der Zukunft Deutschlands ignoriert Frau Merkel allerdings völlig, das nicht zuletzt auch die Zukunft Deutschlands davon abhängt, ob aufgrund der zu erwartenden Folgen einer globalen Klimakatastrophe zukünftig ein Leben in diesem Land überhaupt noch möglich sein wird.

Spätestens seit der Veröffentlichung des IPCC-Klimareports 2007 sollte auch dem letzten Ignoranten klar geworden sein, dass der Erhalt der globalen Lebensgrundlagen unmittelbar von der rechtzeitigen und nachhaltigen Umsetzung notwendiger Maßnahmen zur drastischen Reduzierung klimarelevanter Gasemissionen abhängig ist. Ein großer Teil der klimaschädlichen CO2-Emissionen ist auf die ausschließlich profitorientierte Firmenpolitik der Automobilkonzerne - insbesondere aber auf deren Festhalten an überholten, klimaschädlichen Geschäftsmodellen - zurückzuführen.

Mit dem starren Festhalten an derartigen "Geschäftsmodellen" sägen sie mittel- und langfristig nicht nur an ihrem eigenen Ast: Sie tragen damit darüberhinaus maßgeblich zur Gefährdung des Überlebens aller nachfolgenden Generationen der Menschheit, sowie der Existenz des Lebens auf unserem gemeinsamen Planeten Erde insgesamt bei.

Aus meiner Sicht haben Neufahrzeuge, bei deren Betrieb kein CO2 emittiert wird, in der Berechnung der CO2-Flottenemissionen von Neuwagen, in deren Motoren fossile Treibstoffe verbrannt werden, nichts verloren. Wenn in der Produktpalette eines Automobilherstellers Fahrräder zu finden sind, dann werden diese schließlich auch nicht nicht auf die CO2-Flottenemissionen seiner Neufahrzeuge angerechnet - auch dann nicht, wenn sie mit einem Elektromotor ausgerüstet sind (E-Bikes). Mit welcher Begründung sollten also andere Elektrofahrzeuge auf die CO2-Flottenemissionen angerechnet werden?

Wenn Elekrofahrzeuge dann auch noch mit durch nichts zu rechtfertigenden "Supercredits" - de facto sind das "Lizenzen zur Förderung des globalen Klimawandels" - zur zusätzlichen virtuellen Senkung der CO2-Flottenemissionen missbraucht werden sollen, dann ist das aus meiner Sicht nichts anderes, als politisch legitimierte CO2-Bilanzfälschung. In anderen Zusammenhängen fällt Bilanzfälschung in den Bereich der Wirtschaftskriminalität und wird strafrechtlich verfolgt.

Im Falle der gleichfalls auf eigennützige, wirtschaftliche Interessen zurückzuführenden CO2-Bilanzfälschung werden allerdings die Unschuldigen bestraft werden: Die volle Härte der Folgen der umweltpolitischen Gesetzgebung heutiger Regierungen, die wider besseres Wissen weitere CO2-Emissionen legitimieren, wird die nachfolgenden Generationen treffen.Wenn Völkermord zu Recht als schwerwiegendes Verbrechen gilt, dann fehlen mir für ein Verbrechen, das die Vernichtung der Lebensgrundlagen aller folgenden Generationen billigend in Kauf nimmt, schlicht die Worte!

Auch der "Verkehrsclub Deutschland" (VCD) fordert von der Bunderegierung, den Rechentricks der Automobilhersteller einen Riegel vorzuschieben. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen bittet er auf seiner Internetseite im Rahmen einer E-Mail Online-Aktion um Unterstützung. Der Text der E-Mail, die um einen persönlichen Kommentar ergänzt werden kann, lautet:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
lassen Sie sich nicht weiter von den Rechentricks der Autokonzerne hinters Licht führen! Sowohl die Möglichkeit der Mehrfachanrechnung von verkauften Autos mit geringem CO2-Verbrauch, als auch die Möglichkeit diese »virtuellen Fahrzeuge« über mehrere Jahre ansparen zu können, geht in die vollkommen falsche Richtung. Denn Rechentricks zugunsten von Autos mit hohem Spritverbrauch, verhindern die Entwicklung und den Verkauf von spritsparenden Fahrzeugen.
Als Bundeskanzlerin sind Sie den Interessen der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet und nicht allein denen der Automobilindustrie. Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach und setzen Sie sich in der EU für ambitionierte CO2-Grenzwerte ein - ohne Schlupflöcher und Schönrechentricks! Jedes verkaufte Auto muss selbstverständlich mit seinem tatsächlichen CO2-Ausstoß berechnet werden.

Sorgen Sie bitte dafür, dass der Autoverkehr der Umwelt und dem Klima so wenig wie möglich schadet. Damit Neuwagen in Zukunft weniger Sprit verbrauchen und Mobilität bezahlbar bleibt.
Handeln Sie jetzt!
Mit freundlichen Grüßen


Heute noch ein Tropfen auf dem heißen Stein

Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Elektrofahrzeuge liegt derzeit im vierstelligen Bereich. In Anbetracht der aktuell rund 43,4 Millionen zugelassenen Pkw (Stand: Januar 2013) frage ich mich, ob sich Herr Ramsauer (CSU, Bundesverkehrsminister) angesichts des verschwindend geringen Anteils von einigen tausend  Elektrofahrzeugen nicht selbst etwas albern vorgekommen ist, als er während einer Konferenz zum Thema Elektromobilität in Berlin öffentlich die Ansicht vertrat, dass "in den vergangenen Jahren viel erreicht worden" ist.

Selbst eine Anzahl von "einer Million Elektrofahrzeugen", die dem Wunsch der Bundesregierung zufolge im Jahre 2020 hierzulande auf den Straßen unterwegs sein sollen, wäre mit Blick auf die CO2-Bilanz des Individualverkehrs wohl kaum der Rede wert. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, steht derzeit aber noch völlig in den Sternen. Herrn Zetsche (Daimler-Benz, Geschäftsführer) zufolge haben es Elektroautos im Wettbewerb mit herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor derzeit nämlich noch "verdammt schwer". Dies liege vor allem an den hohen Kosten und der geringen Reichweite.

Da hat Herr Zetsche sicherlich nicht unrecht. Allerdings hat wohl auch niemand ernsthaft damit gerechnet, in welchem Umfang Autos einmal unser Leben beeinflussen würden, als Gottlieb Daimler 1868 seine ersten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf die Straße schickte. Laut Wikipedia hieß es in "Brockhaus‘ Konversationslexikon" von 1894-1896, dass mit dem Daimler-Motor Type "Phönix" ausgerüstete Petroleummotorwagen bei Geschwindigkeiten "in den Grenzen zwischen 5 und 25 km pro Stunde" auf eine Reichweite von 200 Kilometern kamen.

Demgegenüber ist beispielsweise die Reichweite eines aktuellen französischen Elektro-Kleinwagens mit 210 Kilometern angegeben - allerdings bei einer Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h. Und was den Komfort angeht dürften zwischen den "Petroleummotorwagen" das Herrn Daimler und den heutigen Elektrofahrzeugen wohl Welten liegen.

Ein bedeutenderer Grund für die Absatzprobleme bei Elektrofahrzeugen dürfte aber wohl die mangelhafte Infrasruktur für den Betrieb solcher Fahrzeuge sein (fehlende Ladestationen und /oder Akku-Wechselstationen, ...). Im übrigen haben die deutschen Automobilhersteller den Zeitpunkt für die Einführung CO2-neutraler Antriebe meines Erachtens schlicht verschlafen. Hersteller in Japan oder Frankreich haben bei Elektro- und Hybridfahrzeugen eindeutig die Nase vorn.

Als es in der Folge der Weltwirtschaftskrise 2008 darum ging, eine als "klimaschutz-fördernde Öko-Prämie" verkaufte Abwrackprämie für Gebrauchtwagen umzusetzen, die allerdings lediglich der Automobilindustrie zugute kam, war das für die damalige Bundesregierung kein Problem. Wenn es jetzt aber um die vorübergehende Einführung von Kaufanreizen in Form von Prämien für den Austausch von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Pkw gegen Elektrofahrzeuge geht, dann lehnt die schwarz-gelbe Bundesregierung das strikt ab. Auch diesbezüglich sind andere Länder uns in Sachen Elektromobilität um Längen voraus.


(Quellen: ZDF Heute vom 28.05.2013, Spiegel vom 27.05.2013, Greenpeace Pressemitteilung vom 27.05.2013, Spiegel vom 21.05.2013, FAZ vom 21.05.2013, Handelsblatt vom 21.05.2013, Greenpeace vom 21.05.2013, Spiegel vom 24.04.2013, Autokiste vom 18.02.2013, Auto Motor Sport vom 18.02.2013, Kraftfahrtbundesamt vom 01.01.2013, VCD, Wikipedia)

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