Mittwoch, 16. Juli 2008

Derzeit keine neuen Atomkraftwerke

In der Auseinandersetung um die längere Nutzung der Atomenergie rückt die CDU/CSU scheinbar von Maximalforderungen ab und spricht sich jetzt gegen den Bau neuer Atomkraftwerke aus. Für die CDU habe Herr Pofalla (CDU, Generalsekretär) das am 14. Juli in Berlin als "einvernehmliche Auffassung des CDU-Präsidiums" dargestellt.

Herr Huber (CSU, Parteivorsitzender) sagte, ein Neubau von Atomkraftwerken stehe "derzeit nicht zur Debatte". Wenn nicht "derzeit": Wann denn dann? Das hört sich jetzt aber ganz so an wie: "Autsch! Jetzt haben wir uns den Mund verbrannt. Servieren wir's dem Wähler lieber in kleinen Häppchen. Dann können wir uns nach der Wahl wieder mit dem 'Auftrag des Wählers rechtfertigen' und jede Menge neue Atomkraftwerke fordern."

Aber immerhin kündigte er im gleichen Atemzug schon einmal an, die CSU werde mit der Forderung nach "Korrekturen am Atomausstieg" in den bayrischen Landtagswahlkampf ziehen. Na, dann sollten zumindest die Menschen in Bayern schon einmal wissen woran sie sind, wenn sie - wie jedes Mal - auch dieses Mal wieder die CSU wählen.

Wieviele Atomkraftwerke gibt es doch gleich noch einmal in Bayern?

Genau: Fünf Stück sind es (Grafenrheinfeld, Grundremmingen B und C, Isar 1 und 2). Die anderen 12 noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke sind auf andere Bundesländer verteilt.

Und wo schlummern in Bayern doch gleich noch einmal die ganzen Endlager für Atommüll unter der Erde?

Richtig: Nirgendwo! Die sind alle beide in Niedersachsen (Schacht Konrad & Gorleben), wobei nur für "Schacht Konrad" eine Betriebsgenehmigung zur Endlagerung schwach und mittelstark strahlender Atomabfälle ab 2013 vorliegt, und Gorleben offiziell bisher nur als "Erkundungsbergwerk" geführt wird. Ach ja: Dabei fällt mir ein, das "Forschungslager" für Atommüll Asse-II, das bislang aus Sicht der Atomkraftgegner im Wendland "der Prototyp für Gorleben" war, hätte ich jetzt fast übersehen. Auch das ist in Niedersachsen, und was davon zu halten ist, dass haben wir ja erst kürzlich erfahren. Und was ist mit Gorleben? Ein Salzstock im Untergrund bei Gorleben war bzw. ist als Endlager für alle Arten von radioaktiven Abfällen vorgesehen. Dass das Deckgebirge über dem Salzstock zuverlässig genug ist, um Wasser auf Hunderttausende von Jahren von darin eingelagertem Atommüll fernzuhalten, wurde von Fachleuten örtlicher Initiativen immer wieder bezweifelt. Trotzdem ist die weitere Erkundung, die von Kritikern als verdeckter Ausbau zum Endlager betrachtet wird, seit dem 1. Oktober 2000 lediglich ausgesetzt.

Aber um noch einmal auf die CSU und ihre bayrische Atompolitik zurückzukommen: In Bayern wird also von 29% aller Atomkraftwerke in Deutschland weiterhin fleißig Atommüll produziert; wenn es nach Herrn Huber & Co. ginge bis zum St. Nimmerleinstag. Allein das Atomkraft Gundremmingen produziert zum Beispiel täglich 75 Kilogramm höchststrahlenden Atommüll, also mehr als 27 Tonnen pro Jahr. Mit den dadurch entstehenden (immer noch ungelösten!) Entsorgungsproblemen dürfen sich jedoch gerne zu 100% die Niedersachsen herumschlagen. Ach ja: Fast hätte ich vergessen die in diesem Zusammenhang äußerst aufschlussreichen Besitzverhältnisse des Atommülllagers Asse-II zu erwähnen. Das Bergwerk in Niedersachsen ist im Besitz von Bund und Freistaat Bayern. Betrieben wird es vom "Helmholtz Zentrum München" (HZM).

Aus dem Betrieb aller derzeit 17 Atomkraftwerke in Deutschland fallen übrigens jährlich ungefähr 400 Tonnen hochradioaktiver Atommüll an.

Hoffnung macht eigentlich nur noch, dass Generalsekretär der SPD, Hubertus Heil, die Atomenergie weiterhin als eine "nicht beherrschbare und keineswegs billige Technologie" bezeichnet hat, und für die SPD bekräftigt, sie halte am geordneten Ausstieg aus der Atomkraft fest. Weiter sagte er, wegen der Risiken und der Kosten würden weltweit immer mehr Atomkraftwerke vom Netz genommen und es sei blanker Unsinn, die Atomenergie als Beitrag zum Klimaschutz ins Feld zu führen. Das Märchen von der Renaissance der Atomkraft werde also ein Märchen bleiben.

Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, dass er mit seiner Einschätzung Recht behält. Mit Blick auf die Atomkraftwerke in Deutschland müsste die SPD dafür aber als Sieger aus der nächsten Bundestagswahl hervorgehen. Danach sieht es zur Zeit allerdings nicht gerade aus. Es gibt also noch viel zu tun für die SPD - auch in Bezug auf die vielen anderen Dinge, die uns Bürgern das Leben immer schwerer machen.

(Quellen: Nordsee-Zeitung, 15.07.2008, Hamburger Abendblatt, 16.07.2008, Greenpeace, Wikipedia, FORUM, Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.)

2 Kommentare:

Dr. No hat gesagt…

Wieder ein sehr lesenswertes Posting! Aber darüber, dass die Hoffnungen auf ein mittelfristig AKW-freies Land ausgerechnet auf der SPD liegen, mag ich derzeit lieber nicht nachdenken... das ist einfach zu deprimierend.

Gruß

Anonym hat gesagt…

Danke!!

Ebenso übersichtliche wie erschreckende Aufstellung ... Werde ich allen empfehlen, die mit dem Argument "umweltfreundlich" und "technisch doch viel weiter als damals Tschernobyl" kommen.

Atomstrom zu befürworten, solange nicht geklärt ist, was mit dem Müll passiert, ist halt doch etwas kurz gedacht.

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