Atomkraft Schluss: Abschlusskundgebung in Bremen (28.05.2011, Teil 1/2)
Am Samstag, dem 28. Mai 2011, gingen bundesweit in 21 Städten rund 160000 Menschen auf die Straße, mehr als je zuvor, um stellvertretend für die Mehrheit der Bundesbürger den sofortigen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie einzufordern von der schwarz-gelben Bundesregierung. Zusammen mit vielen tausend weiteren Menschen war auch ich in Bremen dabei. In meinem Video sind drei der Redebeiträge von der Abschlusskundgebung zu sehen.
Mit eindringlichen Worten eröffnete Herr Weiger (BUND, Gründungsmitglied, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates) die Abschlusskundgebung auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof in Bremen. Im einleitenden Teil seiner Rede begrüßte er - auch im Namen derjenigen, die seit vielen Jahrzehnten gegen die Atomkraft kämpfen - insbesondere die vielen jungen Menschen 'auf diesem Platz und in ganz Deutschland': "Herzlich willkommen! Ihr seid die Zukunft unseres Landes."
In drastischen Worten verdeutlichte er noch einmal die Bedeutung des Begriffs "Restrisiko", wie er hierzulande im Zusammenhang mit dem Betrieb von Atomkraftwerken seit vielen Jahrzehnten von den Atomkonzernen und ihren politischen Handlangern verharmlosend verwendet wird. 25 Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl sei in Fukushima erneut genau das eingetreten, was auch das Bundesverfassungsgericht als "hypothetisches Restrisiko" bezeichnet habe: "Es ist eben kein 'hypothetisches Restrisiko' mehr, wenn alle 25 Jahre auf unserem Globus ein oder mehrere Atomkraftwerke einen GAU haben, wenn Hunderttausende, Millionen Menschen in ihrer Existenz gefährdet werden, wenn Milliarden Folgeschäden entstehen, meine Damen und Herren, dann ist das kein 'hypothetisches Restrisiko' sondern ein reales Risiko, welches uns zum Aussteigen zwingt. Und wir müssen aussteigen aus dieser Technologie, bevor es zu spät ist, bevor wir durch diese Risikotechnologie zum Austeigen aus unserem eigenen Lebensraum gezwungen werden."
Ich denke, er sprach für alle Anwesenden, als er weiter sagte, es werde keine Akzeptenz für einen Ausstieg 2020, 2021 oder 2022 geben. Wenn lediglich der alte rechtliche Zustand in Deutschland wiederhergestellt werden würde, dann wären die erneuten Opfer der Atomtechnologie in Fukushima umsonst gewesen. Notwendig sei jetzt ein "Sofortausstieg ohne schuldhaftes Zögern". Dazu sei es unter anderem auch notwendig, den verschwenderischen Umgang mit elektrischen Geräten zu beenden. Wenn in Deutschland allein für den Stand-by-Betrieb elektrischer Geräte die Leistung von zwei Atomkraftwerken gebraucht werden würde, dann würden wir damit nicht nur unserer Jugend die Zukunft wegnehmen, sondern darüber hinaus tausenden von Generationen die Folgekosten dieser Hirnrissigkeit auflasten. Das habe mit Ethik, mit Anstand, mit Respekt vor kommenden Generationen nichts zu tun. Das Gegenteil sei der Fall: Das sei maßlose Verschwendung zu Lasten kommender Generationen.
Es werde keinen gesellschaftliche Frieden geben, wenn nach Fukushima nichts anders sei als davor. In diesem Zusammenhang machte er deutlich, dass die "soziale Frage Strompreiserhöhung", die immer wieder als Drohgebärde missbraucht werde, jeder Grundlage entbehrt. Innerhalb von zehn Jahren sei der Strompreis nicht um wenige Prozente gestiegen, wie es beim Sofortausstieg der Fall wäre, sondern um 100 Prozent. Die "soziale Frage", dass dieser Umstand innerhalb dieses Zeitraums zur Vervierfachung der Gewinne der Atomkonzerne geführt habe, sie jedoch nie diskutiert worden. Wenn wir die soziale Frage wirklich ernst nehmen wollen, dann sei es notwendig, anstelle der Einkommen der sozial Schwachen, die Gewinne der Atomkonzerne zu verringern.
Ein Gruß aus Tschernobyl
Herr Blüthner (bremische evangelische Kirche, Umweltbeauftragter) begann seine Rede, indem er eine kleine Glocke vorstellte, die er mitgebracht hatte. Dazu erzählte er, die Glocke sei ein Gastgeschenk von Herrn Andrej Misko, einem der letzten überlebenden Hubschrauberpiloten von Tschernobyl, der anlässlich einer Ausstellung in Bremen zu Gast gewesen sei. Vor 25 Jahren habe Herr Herrn Andrej Misko zusammen mit seiner Besatzung Schüttmaterial über dem explodierten Atomreaktor von Tschernobyl abgeworfen, um nach der Explosion des Blocks noch schlimmeres für ganz Europa zu verhüten.
Das Glöckchen sei eine Miniaturausgabe einer Glocke aus der Sophienkathedrale in Kiew in der Ukraine. Die Originalglocke werde jeweils zum Jahrestag der Katastrophe geläutet, aber auch bei erfreulichen Anlässen. Herr Misko wäre am 28. Mai gerne in Bremen dabei gewesen, aber wegen der damaligen enormen Strahlenbelastung sei er heute Schwerinvalide und habe nicht schon wieder kommen können.
Auch im Namen der Bürger von Kiew habe er aber darum gebeten, den deutschen Atomkraftgegnern mit dem Glöckchen wenigstens seine Solidarität ausrichten zu lassen. Herr Misko spreche kein Wort Deutsch, aber eine Botschaft sei unüberhörbar auch die unsere: Atomkraft ist nicht beherrschbar und sie verzeiht keine Fehler ... - unabhängig davon, ob sie nun von Menschen ausgelöst werden, wie in Tschernobyl, oder durch die Natur, wie in Fukushima.
Drei Minuten Probesitzen
Frau Kleinheitz (x-tausendmal quer) sprach noch einmal aus, was allen Anwesenden inzwischen mehr als bewusst ist: "Schwarz-gelb wird freiwillig keinen einzigen Schritt in Richtung Atomausstieg tun." Für den (leider wohl wahrscheinlichen) Fall, dass die wespenfarbene Bundesregierung jetzt einknicke und den Ausstieg weiter hinauszögere, kündigte sie für ihre Organisation schon einmal an, dass ab Pfingsten die Zufahrtswege zu den Atomkraftwerken blockiert werden würden.
Wenn jetzt kein konsequenter Ausstieg in die Wege geleitet werde, dann bekämen die dafür verantwortlichen Politiker es mit dem Widerstand vieler tausend Menschen zu tun. Das meinte sie durchaus wörtlich, und lud die Anwesenden schon einmal zum Probesitzen ein: Symbolisch (wider)setzten sich zeitgleich für drei Minuten bundesweit in 21 Städten symbolisch mehr als 100000 Menschen - ein Bild, das sich leider mit keiner Kamera der Welt einfangen lässt.
Es ist noch lange nicht zu Ende ...
Nachdem, was gestern aus den Medien zu erfahren war, wird es seitens der wespenfarbenen Bundesregierung wohl darauf hinauslaufen, dass den Atomkonzernen für ihre Atomkraftwerke noch Betriebsgenehmigungen bis 2022 zugestanden werden sollen. Damit verschärfen die CSU, die CDU und die FDP noch einmal - und wieder einmal ohne zwingenden Grund - die Gefährdung des sozialen Friedens in Deutschland. Wie auch Herr Weiger in Bremen sagte, wird es keinen gesellschaftlichen Konsens mit der Mehrheit der Bundesbürger geben, der darauf abzielt, dass sich nach dem Super-GAU in Fukushima nichts an der Gesetzeslage ändert, die während der Jahre vor der Verlängerung der "Laufzeitverlängerung" der schwarz-gelben Bundesregierung in Kraft war.
Wäre der "Atomkonsens" aus dem Jahre 2000 im März dieses Jahres noch in Kraft gewesen, dann hätte man jetzt ohnehin über einen drastisch verkürzten Betrieb der Atommeiler diskutiert. Um den Ausstieg aus der Atomenergie innerhalb kürzester Zeit zu verwirklichen, sind deutlich ambitioniertere Maßnahmen notwendig, als diejenigen, die im rot-grünen Atomkonsens vereinbart worden waren. Alles andere wäre, wie Herr Weiger es in Bremen so treffend ausgedrückt hatte, ein "schuldhaftes Zögern" ... -zugunsten der kommerziellen Interessen der Atomkonzerne und gegen die grundlegenden Sicherheitsinteressen der Bürger unseres Landes.
Anders, als in den von der Atomlobby dominierten Kommissionen der Bundesregierung, haben Studien von Umweltschutzorganisationen schon vor langer Zeit Wege aufgezeigt, wie sich der Ausstieg aus der Atomenergie und die Umsetzung der aus Gründen des Klimaschutzes notwendigen Energiewende in erheblich kürzerer Zeit bewerkstelligen lassen. Es ist Zeit, dass unsere "Volksvertreter" endlich damit beginnen, den mehrheitlichen Willen "des Volkes" zu vertreten. Dafür wurden sie gewählt - nicht dafür, dass sie sich von den Atomkonzernen auf der Nase herumtanzen zu lassen.
Zum Weiterlesen:
"Atomkraft Schluss"
- Abschlusskundgebung, Teil 1
- Abschlusskundgebung, Teil 2
und Atomausstieg im besten aller Regionalblätter
(Quellen: Tagesschau vom 30.05.2011 und vom 28.05.2011)
1 Kommentar:
Ich denke leider auch, das das nicht unsere letzte Demo war. Wir überlegen schon, uns am 11. Juni an der Blockade von Brokdorf zu beteiligen, allerdings habe ich etwas Bauchschmerzen mit dem Aufruferkreis.
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