Mittwoch, 25. Mai 2011

Frau Merkels großer Wurf: Das Atom-Plagiat


Tepco verheimlichte Kernschmelzen (ARD-Tagesschau vom 24.05.2011, Ausschnitt)

Nach und nach sickern immer mehr Informationen über Vertuschungsversuche des Betreibers der japanischen Atomkraftwerksanlage "Fukushima-I" (Tepco) ans Licht der Öffentlichkeit. Wenn es auch anfangs den Anschein hatte, die Japaner würden - anders als damals in der Sowjetunion - offen mit den Folgen des Super-GAUs umgehen, so hat sich inzwischen herausgestellt, dass man das Spiel "nur gerade soviel zugeben, wie sich aktuell gerade überhaupt nicht mehr verheimlichen lässt",  auch in Japan perfekt beherrscht.

Aber auch im "Lande der sichersten Atomkraftwerke der Welt" sind die Atomkonzerne Meister in diesem gefährlichen Spiel. So belegen zum Beispiel interne Dokumente aus dem hessischen Atomkraftwerk "Biblis A", die Greenpeace von einem Mitarbeiter des Kraftwerkes zugespielt wurden, einen nicht gemeldeten gefährlichen Störfall. Demnach wurde die innere Reaktordruckbehälter-Dichtung beim Anfahren des Reaktors am 20. Oktober 2010 undicht, was in der Folge zu hohem Druck in der Reaktordruckbehälter-Doppelringdichtung führte. Nur die äußere Deckeldichtung des 37 Jahre alten Reaktors hatte das schlimmste noch verhindern können. Im Aktionsbericht liest sich das so:
"ACHTUNG!
Bei einer Leckage der "ÄUSSEREN" Deckeldichtung muss die Anlage mit max. möglichem Gradienten gemäß BHB Kap. 01.02 unter Beachtung des BHB Kap. 13.20 (kl. Leck) abgefahren werden. ... Wird an der äußeren Deckeldichtung KEINE Leckage festgestellt, muß die Hauptbereitschaft, Führungslinie und die zuständige Organisationseinheit verständigt werden um zu klären, ob ein Dichtungsaustausch erforderlich ist.

Ursachen
Innenliegende RDB-Deckeldichtung ist undicht."

Und wenn die "Hauptbereitschaft, Führungslinie und die zuständige Organisationseinheit" zu der Einschätzung gelangt wären, die Anlage könne auch ohne Dichtungsaustausch noch eine Weile weitergefahren werden (Zeit ist Geld!), dann wäre die Anlage mit lediglich einfacher Sicherheit weiterbetrieben worden. Aus dem zitierten Abschnitt entnehme ich, dass im Falle eines Versagens dieser letzten Sicherheit nur noch die sofortige Notabschaltung den GAU verhindern würde.

Derweil ist aus dem Lager der wespenfarbenen Bundesregierung zu hören, das Jahr 2022 sei ein gutes Jahr für das Abschalten der letzten Atomkraftwerke in Deutschland. 2022, das ist das Jahr, in dem entsprechend des von der damaligen rot-grünen Bundesregierung ausgehandelten Atomkonsens als letztes der deutschen Atomkraftwerke das Atomkraftwerk "Neckarwestheim 2" stillgelegt worden wäre.

Und genau diesen Konsens mit den Atomkonzernen hat die schwarz-gelbe Bundesregierung mit dem Ziel aufgekündigt, die Atomkraftwerke noch bis mindestens 2036 weiter zu betreiben. Die Verträge, die sie daraufhin mit den Atomkonzernen abschloss, wurden so gründlich formuliert, dass der mögliche Versuch einer späteren Bundesregierung, die "Laufzeitverlängerung" rückgängig zu machen, uns Steuerzahlern teuer zu stehen kommen würde.

Ob der Atomausstieg nun noch 31 Jahre oder 6 Jahre länger hinausgezögert wird, als unbedingt notwendig wäre: Bis dahin bliebe auf jeden Fall noch genug Zeit für weitere, vertuschte undichte Reaktordruckbehälter Dichtungen, von denen dann eine auch in Deutschland eines nicht mehr ganz so fernen Tages den atomaren Super-GAU auslösen könnte. Selbst wenn "Der Plan" von Greenpeace unverzüglich umgesetzt werden würde, wären wir diesen von deutschen Atomkraftwerken ausgehenden Gefahren noch für weitere vier Jahre ausgesetzt, bevor das letzte von ihnen stillgelegt werden würde.


Das Atom-Plagiat

Nach der Explosion des Atomreaktors im ukrainischen Atomkraftwerk "Tschernobyl" im April 1986 war erst der massive Druck von der Straße gegen die Atompolitik der Bundesregierung sowie ein weiterer Super-GAU im japanischen Atomkraftwerk "Fukushima-I" notwendig, um die Politiker der CSU, der CDU und der FDP zu der Erkenntnis gelangen zu lassen, dass es möglicherweise doch nicht so einfach ist, einen GAU in einem Atomkraftwerk zu beherrschen. Ein Atom-Moratorium wurde verkündet und in Kraft gesetzt, zwei "Experten"-Kommissionen wurden eingesetzt und die sieben ältesten Atomkraftwerke wurden vorübergehend für drei Monate abgeschaltet.

Aus der "Ethikkommission" war - offenbar etwas vorschnell - zu hören, man empfehle den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie bis 2021. Der Bericht dieser Kommission, der eigentlich erst am 28. Mai veröffentlicht werden sollte, ist jedoch nicht bindend für das zukünftige Handeln der Bundesregierung. Es handelt sich dabei lediglich um eine Empfehlung, die außerdem weit hinter den in Machbarkeitsstudien aufgezeigten Zeitrahmen - wie zum Beispiel in der Studie von Greenpeace - zurückbleibt. Daher wurde ich sofort hellhörig, als die Medien an den vergangenen Tagen berichteten, Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) halte den Atomausstieg bis 2022 für realistisch. Offenbar dürfte es auch noch etwas mehr sein, wenn es nach ihr ginge.

Während einer Wahlkampfveranstaltung in Bremerhaven für die Bremer CDU am 20.05.2011 habe ich das dann auch noch einmal persönlich aus ihrem Mund gehört. Von einer dichten Nebelwolke aus zahlreichen "Wenns" und "Abers" umhüllt umschrieb Frau Merkel  ihre angebliche Absicht, jetzt so schnell wie möglich aus der Atomenergie auszusteigen. Der Atomausstieg bis 2022 war im Rahmen des Atomkonsens aus dem Jahre 2000 bindend vereinbart worden. Frau Merkel und ihre Regierung hatten dafür gesorgt, dass dieser Atomkonsens außer Kraft gesetzt wurde. Jetzt will sie uns das darin zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den Atomkonzernen vereinbarte Ziel "Atomausstieg bis 2022" als ihren großen Wurf verkaufen. Wenn Frau Merkel heute sagt, sie wolle den schnellen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie, dann meint sie damit einen "neuen" Atomkonsens: Genauer gesagt, ein Plagiat des von ihrer Regierung außer Kraft gesetzten rot-grünen Atomkonsens aus dem Jahre 2000!

Glaubt die Frau Merkel eigentlich wirklich, nach ihrem tiefgreifenden Vertrauensbruch würden wir noch einmal auf einen Konsens mit den Atomkonzernen hereinfallen? Wohin das führt, das wurde uns im Verlauf der letzten Monate eindrücklich demonstriert. Wenn der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie innerhalb von vier Jahren über die Bühne gehen kann, dann ist das der "realistische" Zeitrahmen. Wenn Frau Merkel es mit dem schnellstmöglichen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie ernst meint, dann müsste sie also schon einen Zeitpunkt vor 2015 für die Stillegung des letzten deutschen Atomkraftwerks nennen.


28. Mai 2011:
Demonstrationen in 21. Städten



Strecke des Demonstrationszugs in Bremen auf einer größeren Karte anzeigen

Am kommenden Samstag, 28.05.2011, finden bundesweit in 21 großen Städten erneut Demonstrationen gegen die Atompolitik der Bundesregierung statt - unter anderem auch in Bremen.
Auftaktveranstaltung:
  • 13 Uhr, Goetheplatz
    Demonstrationszug vom Goetheplatz über "Am Wall" und "Herdentor" zum Bahnhofsvorplatz

Abschlusskundgebung:
  • 14 Uhr, Bahnhofsvorplatz

RednerInnen:
  • Hubert Weiger,
    Bundesvorsitzender des BUND
  • Dieter Reinken,
    IG Metall Bremen 
  • Friedhelm Blüthner,
    Umweltbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche 
  • Rebecca Kleinheitz,
    X-tausendmal quer 
  • Jürgen Janssen,
    Aktion Z


Atomkraft Schluss!


(Quellen: AntiAtomDemo, ARD Tagesschau vom 24.05.2011, contrAtom vom 10.05.2011 und vom 18.05.2011, Greenpeace vom 10.05.2011 und PDF-Dokument)

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