Dienstag, 10. Mai 2011

Als "transparent" getarnte Mogel-Packung

Der Bundestag plant eine Neuregelung der Veröffentlichungspflicht für Politiker-Nebeneinkünfte. Im Vorfeld hat die Rechtstellungskommission des Ältestenrates im Bundestag am 14.04.2011 die Neuregelung der Angaben zu Nebeneinkünften der Abgeordneten beschlossen.

Da die Nebenverdienste umfassender und genauer aufgeschlüsselt werden sollen, sah es auf den ersten Blick danach aus, als würde es für die Wähler sichbarer werden, ob viele Aufträge an einen Abgeordneten aus einer bestimmten Branche kommen und deshalb der Verdacht nahe liegt, dass seine Unabhängigkeit in Frage steht.

Bereits im September 2009 hatte "Lobby-Control" kritisiert, dass die Nebeneinkünfte nur in drei Stufen angegeben werden: Stufe 1 von 1000 bis 3500 Euro, Stufe 2 von 3501 bis 7000 Euro und Stufe 3 über 7.000 Euro. Unabhängig davon, ob es sich um monatliche, jährliche oder einmalige Einkünfte handelt sei bisher nicht zu erkennen gewesen, ob ein Abgeordnete ein Honorar von 7001, 50000 oder 500000 Euro oder mehr erhält, da die Stufe 3 nach oben hin offen ist.

Mit seinem Beschluss empfiehlt der Ältestenrat im Bundestag jetzt, dass die Abgeordneten zukünftig in sieben Stufen Auskunft über ihre jährlichen Nebeneinkünfte bis 150000 Euro geben sollen.

Das demokratische Netzwerk "Campact" fordert auf seiner Internetseite, eine konsequent transparente Neuregelung sollte dafür sorgen, dass auch Großbeträge über 150000 Euro beziffert werden müssen und alle Angaben mindestens in 10000-Euro-Schritten erfolgen.

Statt dessen sieht der Beschluss des Ältestenrates im Bundestag vor, dass Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten unter 10000 Euro zukünftig nicht mehr veröffentlichungspflichtig sein sollen. 9999 Euro pro Auftraggeber sind kein Pappenstiel: Bei nur einem Auftrag pro Monat würden jährliche Nebeneinkünfte in Höhe von "119988 Euro nebenbei" unbemerkt bleiben. Niemand erführe welcher Politiker von welcher Lobby mit welchen Gesamtbeträgen "geschmiert" wird.
  • Aus meiner Sicht ist eine Neuregelung, die einzelne Nebeneinkünfte unterhalb von 10000 Euro pro Auftraggeber verschleiert, auch wenn sie in der Summe zu hohen Nebeneinkünften führen ist kein Fortschritt, sondern eine Mogelpackung.

Dieser Ansicht ist offensichtlich auch Herr Bäumel (Transparency International Deutschland). Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Nichtregierungsorganisationen (NGO) "Campact", "Mehr Demokratie", "Lobby Control" und "Transparency International Deutschland" sagte er: "Die geplante Neuregelung, die der Ältestenrat des Bundestags im April vorgeschlagen hat, würde zwar mehr Transparenz für Einzelzahlungen über 10.000 Euro und hohe regelmäßige Nebeneinkünfte schaffen. Diesem begrüßenswerten Erkenntnisgewinn steht jedoch die gravierende Verschleierung der Einkünfte aus Einzeleinnahmen unter 10.000 Euro gegenüber. Viele der Angaben, die Abgeordnete heute veröffentlichen müssen, blieben nach der neuen Regelung im Dunkeln. Man könnte fast denken, hier soll der Öffentlichkeit hinsichtlich bestimmter Einkünfte Sand in die Augen gestreut werden."

Herr Efler (Mehr Demokratie) stellte während der Pressekonferenz klar: "Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch darauf zu wissen, von wem und in welcher Größenordnung ihre Vertreter und Vertreterinnen Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zu den Nebeneinkünften 2007 bestätigt." Bezüglich der nach dem Beschluss des Ältestenrates des Bundestages fehlenden Transparenz bei Einkünften oberhalb vom 150000 Euro sagte er: "Nur durch umfassende Transparenz können Wählerinnen und Wähler Interessenkonflikte und Abhängigkeiten erkennen und ihre Wahl danach ausrichten. Zu einer solchen Transparenz gehört auch, dass es keine Deckelung der Transparenzpflicht nach oben geben darf."


Appell gegen Tranzparenzlücke

Gut bezahlte Vorträge oder Beratungsaufträge sind heute schon ein beliebtes Lobbyinstrument. Darauf weist Campact auf seiner Internetseite hin. Die Transparenzlücke unterhalb von 10000 Euro pro Auftraggeber mache dieses Instrument noch attraktiver.

Bisher lag die Veröffentlichungsgrenze für solche einmaligen Einnahmen bei 1000 Euro. Um zu verhindern, dass diese Grenze auf 10000 Euro angehoben wird, haben die NGOs "Campact", "Mehr Demokratie", "Lobby Control" und "Transparency International Deutschland" einen Online-Appell mit folgendem Text initiiert:
Sehr geehrte Damen und Herren,

wir Bürger/innen wollen erfahren, von wem Abgeordnete Nebeneinkünfte erhalten. Denn über gut bezahlte Nebentätigkeiten kann politische Einflussnahme erfolgen. Nur Transparenz schafft hier Vertrauen!

Deswegen lehne ich entschieden den Plan ab, die Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte von 1.000 Euro auf 10.000 Euro pro Auftraggeber zu erhöhen.

Mit freundlichen Grüßen

Der Appell kann auf den Internetseiten von Campact oder LobbyControl online unterzeichnet werden.


Update 13.05.2011:
Der Protest war erfolgreich! Weiterlesen ...

(Quellen: Lobby Control vom 09.05.2011, Pressemitteilung von "Transparency International Deutschland" vom 09.05.2011, Pressemitteilung von "Mehr Demokratie" vom 09.05.2011, Pressemitteilung von "Lobby-Control" vom 15.04.2011, Spiegel vom 14.04.2011, Pressemitteilung des Bundestags vom 14.04.2011, "Lobby Control" vom 23.09.2009, Campact)

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