Freitag, 13. Mai 2011

Ertappt: Mogel-Packung enttarnt

Der Beschluss der Rechtsstellungskommission des Ältestenrats im Bundestag, Nebeneinkünfte von Abgeordneten unterhalb von 10000 Euro pro Auftrag zukünftig zu verschleiern, ist vorerst vom Tisch. Das ist ein großer Erfolg für die selbstorganisierte "Bürgerbeteiligung von unten".

Das demokratische Netzwerk "Campact" teilte gestern mit, nachdem innerhalb kürzester Zeit mehr als 50000 Menschen den gemeinsamen Appell von "LobbyControl", "Transparency International", "Mehr Demokratie" und "Campact" gegen die geplante Verschleierung unterzeichnet hatten, sei der Beschluss gestern während der letzten Sitzung der Kommission wieder zurückgezogen worden. Bei der Übergabe der Unterschriften an die Abgeordneten Hermann Otto Solms (FDP), Michael Hartmann (SPD), Dagmar Enkelmann (Linke) und Volker Beck (Grüne) sie gestern Morgen deutlich geworden, wie viel Eindruck unser Protest hinterlassen habe.

"LobbyControl" schreibt dazu, das Thema sei allerdings keinesfalls erledigt. Die Rechtstellungskommission stelle die alte Formulierung lediglich als Missverständnis dar, habe sich gestern aber nicht auf eine Neuformulierung einigen können. In echtem "Politik-Sprech" habe sie der Presse gegenüber verkündet: "Die in der Öffentlichkeit diskutierte Interpretation der Jahresuntergrenze für entgeltliche Tätigkeiten in Höhe von 10000 Euro entspricht nicht der mit den Änderungsvorschlägen beabsichtigten Intention der Rechtsstellungskommission nach mehr Transparenz. Die Kommission hat deshalb heute übereinstimmend beschlossen, die Beratungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung fortzusetzen, die eine solche Interpretation nicht zulässt." Die Formulierung werde überarbeitet werden.

Herr Bäumel (Transparency International, Deutschland, Vorstandsmitglied) sagte dementsprechend, für Vorschusslorbeeren sei es noch zu früh: "Erst wenn wir die neue Regelung schwarz auf weiß sehen, werden wir beurteilen können, ob den jüngsten Worten die richtigen Taten folgen."

"Campact" schließt sich dem an und stellt die Forderung, eine Neuformulierung müsse die Transparenzlücke unter 10000 Euro schließen, dürfe aber in den anderen Punkten nicht wieder hinter den letzten Vorschlag zurückfallen.

Es deute sich immer mehr an, dass die Transparenzlücke unter 10000 Euro kein "Missverständnis" in der Beschlussfassung gewesen sei, sondern ein Kompromiss, den die Opposition geschluckt habe: 'Ihr kriegt die Transparenz bei den hohen Beträgen, wir die Schummelregel für Einkünfte unter 10.000 Euro'. Ein starkes Indiz dafür sei, dass sich die Rechtstellungskommission jetzt erst einmal Zeit für eine Neuregelung nehmen wolle. Wäre es nur ein Missverständnis gewesen, dann hätte es schon bei der gestrigen Sitzung klar gestellt werden können.

Wie auch immer: Ich denke, dieser Vorfall macht wieder einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass wir "denen da oben" auf die Finger schauen. Ohne Netzwerke wie "LobbyControl", "Transparency International", "Mehr Demokratie", "Campact" oder "AVAAZ", die dazu in der Lage sind, innerhalb von kürzester Zeit gemeinsame Forderungen so vieler Menschen zu bündeln und sichtbar zu machen, wäre eine dermaßen schnelle und eindrucksvolle Reaktion allerdings wohl kaum möglich. In diesem Falle wäre der von der Rechtsstellungskommission des Ältestenrats im Bundestag beschlossene Vorschlag ohne großes Aufsehen verabschiedet worden - und wir Bürger hätten wieder einmal das Nachsehen gehabt.


Zum Weiterlesen:


(Quellen: Spiegel vom 12.05.2011, LobbyControl vom 12.05.2011, Transparency International Deutschland vom 12.05.2011, Campact vom 12.05.2011, Pressemitteilung des Deutschen Bundestags vom 12.05.2011, Hamburger Abendblatt vom 11.05.2011, abgeordnetenwatch.de vom 10.05.2011)

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