86 Prozent der Befragten verlangen die Stillegung der deutschen Atomkraftwerke. Während 43 Prozent sich so schnell wie möglich von der unverantwortlichen Energieerzeugung der letzten 60 Jahre verabschieden wollen, plädieren ebenfalls 43 für einen Ausstieg um das Jahr 2020. Nur noch 13 Prozent der Umfrageteilnehmer halten die von der schwarz-gelben Bundesregierung im Herbst beschlosse Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die deutschen Atomkraftwerke bis etwa 2040 für richtig.
67 Prozent der Befragten sprechen sich für die Dauerhafte Stillegung aller acht Atomkraftwerke aus, die derzeit aufgrund des Atommoratoriums abgeschaltet sind, und 28 Prozent wollen zumindest einen Teil der abgeschalteten Meiler stillgelegt sehen. Lediglich drei Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass alle acht betroffenen Meiler wieder Strom liefern sollten.
Abgesehen von den Anhängern der CDU und der CSU fordert die überwiegende Mehrheit der jeweiligen Parteianhänger die endgültige Stillegung der zur Zeit im Rahmen des Atommoratoriums abgeschalteten Atomkraftwerke. Aber selbst unter den Anhängern der CDU und der CSU halten 47 Prozent die endgültige Stillegung dieser Atomkraftwerke für richtig und nur 7 Prozent unter den Anhängern des schwarzen Lagers wollen, dass alle derzeit abgeschalteten Atomkraftwerke nach dem Ende des Atommoratoriums ihren Betrieb wieder aufnehmen.
Und nicht nur atompolitisch, sondern auch insgesamt muss sich die Bundesregierung so langsam fragen, ob sie überhaupt noch die Legitimation für die alleinherrliche Entscheidung über derart tiefgreifende Systemveränderungen wie sie zum Beispiel die Durchsetzung ihrer Atompolitik oder das Außerkraftsetzen der Solidarischen Krankenversicherung darstellen. Die gelben Streifen der wespenfarbenen Regierungskoalition sind im freien Fall bei 5 Prozent der Zustimmung unter den Befragten angekommen, und im Gegensatz zum rot-grünen Lager, dessen Politik anteilig nahezu gleichauf die Zustimmung vom 50 Prozent der Befragten findet, kommen die Wespen gerade noch auf 38 Prozent.
Das nicht zu verantwortende Risiko
In Anbetracht des noch weiter wachsenden Atommüllbergs und des permanenten Risikos einer atomaren Katastrophe erscheint mir ein Ausstiegszeitraum, der sich noch über weitere 10 Jahre hinzieht, jedoch als deutlich zu lang. Belege für meine Sorgen finden sich unter anderem in einer aktuellen Zusammenfassung von Vorfällen aus der jüngsten Vergangenheit bei contrAtom, und dass selbst abgeschaltete Atomkraftwerke noch eine unberechenbare Gefahr darstellen, wurde nach dem schweren Nachbeben vom 7. April 2011 und den dadurch ausgelösten Problemen im japanischen Atomkraftwerk Onagama deutlich:
- Nach einem Brand in einer Umspannanlage des abgeschalteten Atomkraftwerk "Biblis A" versagte die Umschaltung auf das Reservenetz.
- Im Atomkraftwerk "Brunsbüttel" wurde ein Leck im Kühlsystem des Antriebs einer Kühlpumpe entdeckt.
- Am Block B des Atomkraftwerks "Gundremmingen" kam es im konventionellen Teil der Anlage zu einer Schutzabschaltung der Turbine.
- Im Umkreis des Atomkraftwerks "Grafenrheinfeld" finden zum Entsetzen vieler Menschen weiterhin mit Übungsflüge mit Kampfjets statt.
- Aus dem Forschungsreaktor "Jülich" sind rund 2300 radioaktive Brennelementkugeln "verschwunden" - Recherchen des ARD Magazins "Monitor" weisen unter anderem auf eine Spur in das havarierte Atommülllager "Asse-II" hin.
- Infolge einer Unterbrechung der Spannungsversorgung im stillgelegten Atomkraftwerk "Lingen" kam es zu einer automatischen Abschaltung der Lüftungsanlage.
Neben vielen anderen Menschen in Deutschland hat auch ein stets kritischer Leser meiner Artikel darauf hingewiesen, dass die Gefahr mit der Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke in Deutschland noch lange nicht gebannt ist. Auch das lässt sich durch die ContrAtom-Zusammenfassung belegen:
- Bedienfehler in Frankreichs ältesten Atomkraftwerk "Fessenheim" führte zu einer Schnellabschaltung.
- Die zulässige Aufheizung des Wassers des Ebro wird von Spaniens ältestem Atomkraftwerk "Garona" um das fünffache überschritten - es blieben keine Reserven für Notkühlmaßnahmen wie in Fukushima.
- Bulgarien will seine Pläne bezüglich des Neubaus des mitten in einem Erdbebengebiet gelegenen Atomkraftwerks "Belene" für drei Monate aufschieben - und dann?
Da den Gefahren, die von den Atomanlagen in den Nachbarländern im Falle eines Super-GAUs ausgehen, die Grenzen zu Deutschland unbekannt sind, werden dann auch wir darunter zu leiden haben. Daher müssen auch unsere Nachbarn ihre Atomkraftwerke schnellstmöglich stilllegen. Wenn wir diese dazu drängen wollen, müssen wir jedoch mit gutem Beispiel vorangehen. Andernfalls würden wir uns eindeutig unglaubwürdig machen.
Die Tagesschau schrieb am 07.04.2011, es sei überraschend, dass - anders als bei früheren Befragungen - die große Mehrzahl der Befragten sich auch dann gegen längere Laufzeiten ausspräche, wenn dadurch die Strompreise steigen sollten, den Energiekonzernen Entschädigungen gezahlt werden müssten oder die CO2-Belastung ansteigt.
Finanzielle Einbußen und andere Einschränkungen sind auch aus meiner Sicht weitaus "besser zu verkraften", als der Verlust der Heimat, der Gesundheit und des Lebens infolge eines atomaren Super-GAUs, unter dessen Folgen auch noch viele Generationen unserer Kinder und Kindeskinder zu leiden hätten. Der Schaden für die nachfolgenden Generationen, der durch die fahrlässige Anhäufung der über jahrmillionen strahlenden Atommüllberge bereits angerichtet wurde, ohne dass es eine Lösung für deren sichere Deponierung gäbe, ist ohnehin schon nicht mehr wieder gut zu machen.
Im Zusammenhang mit den Gefahren der Nutzung der Atomkraft ist der Begriff "Rest"-Risiko völlig fehl am Platze. In Anbetracht der möglichen Folgen kann man hier nur von einem "nicht zu verantwortenden Risiko" sprechen.
Der Teufel und der Belzebub
Wer aber für die Stilllegung der Atomkraftwerke den weiteren Betrieb fossil befeuerter Großkraftwerke in Kauf nehmen will, oder - wenn man versucht, der Logik der Bundesregierung mit ihrer "Laufzeitverlängerung" zu folgen - umgekehrt, der versucht jeweils nur den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Die Technologien aus der Zeit der Dinosaurier und des Atomzeitalters sind nicht zukunftsfähig. Im Gegenteil: Sie stellen eine existentielle Bedrohung für die Zukunft des Lebens auf unserem Planeten dar.
Damit es aber bei einem schnellen Ausstieg aus der Atomenergie nicht zu einem längerfristigen Anstieg der CO2-Beslastung kommen kann, ist es heute dringender denn je, dass die seit mehr als vier Jahren von der Bundesregierung verschlafene Förderung und Installation der dezentralen Energieerzugung mit Hilfe jeglicher verfügbarer regenerativer Energiequellen, sowie des dafür notwendigen Auf- und Ausbaus eines intelligenten Energieverteilernetzes, endlich mit aller Kraft angepackt und vorangetrieben wird.
(Quellen: contrAtom vom 08.04.2011, Spiegel vom 08.04.2011, ARD Tagesschau vom 07.04.2011)
5 Kommentare:
Hallo Juwi
hast du gestern zufälligerweise um 20 Uhr und irgendwas Arte geschaut?
Die Somnolenz der Menschen in Bezug auf die atomaren Gefahr ist unglaublich!!
Mit herzlichen Grüssen und heb's guät!
Brigitte
In Fessenheim hat es auch einen Störfall gegeben.... steht heute in der taz.
Und bei dem Video, das ich bei uns eingestellt habe, wird mir eh ganz anders...
Es ist und bleibt ein Wahnsinn.
Wir werden am 25. in Brunsbüttel sein.
@Smilla: Ich war beim Weiterschalten durch die Programme zufällig über die Reportage "gestolpert", die ich dann zu Ende geschaut habe. Dein Ausdruck "Somnolenz" war mir nicht geläufig. Nachdem ich im Internet danach gescucht habe, könnte man ihn vielleicht mit "Abstumpfung" oder auch "Ignoranz" übersetzen?
@Frau Momo: Der Monitor-Bericht hatte bei mir bereits vor dem Fernsehgerät ungläubig-entsetztes Kopfschütteln hervorgerufen. Was ich dann gestern Abend noch bei Arte gesehen habe (Arte Reportage, siehe auch Kommentar von Smilla), lässt mich so langsam ernsthaft an der Zukunftsfähigkeit der Industrienationen zweifeln.
Ja Juwi eigentlich ist Abgestumpftheit und Ignoranz bezeichnender. Schlâfigkeit als leichte Form von Bewusstseinstrübung wäre ja weckbar... und das ist es offensichtlich nicht!! Ich habe diesen Nachmittag meinen Sorgen und meiner Taurigkeit im Bezug auf das allgemeine Stillschweigen der Bevölkerung in einer Frauenrunde thematisiert.... und stand auch danach wieder allein da... Ich glaube die waren einfach platt, dass ich sowas ûberhaupt ansprach und wussten nicht wie damit umgehen. Das nächste Mal werde ich mein heutiges Gefûhl beschreiben....
Wûnsche dir einen schônen Abend!
Habe mich heute mit "Frau Weserkrappe" getroffen.... war lustig!!
herzlich und bbbbb
@Smilla: Die Welt ist ein Dorf. Manchmal jedenfalls: Ich wusste zwar, dass Brigitte verreist ist, aber dass sie sich bei euch in der Gegend herumtreibt war mir nicht bekannt. | Auch wenn in Deutschland die große Mehrheit das Ende der Atomkraft sowie der fossil-basierten Energieerzeugung und die schnelle Umsetzung der "Energiewende" fordert, so gibt es doch auch bei uns immer noch einige Unbelehrbare. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man solchen Leuten mit dem Hinweis darauf, dass und das "weiter so wie bisher" in die Sackgasse führt und mit darauf aufbauenden Sachargumenten zumindest Nachdenklichkeit erzeugen kann - vorausgesetzt, die Leute sind bereit zuzuhören (wichtig ist aber: Man muss auch selbst bereit sein zuzuhören). Wenn mein Gegenüber aber - wie du sagst - einfach platt ist, vielleicht auch unangenehm berührt - in der Art von "darüber spricht man doch nicht", dann ist es natürlich schwierig, eine Kommunikation zustande zu bringen. | Ich höre gelegentlich die Meinung, es sei doch sinnlos, dass wir und in Deutschland von der Atomkraft verabschieden, wenn in den Nachbarländern die Atomkraftwerke weiterhin in Betrieb bleiben oder sogar neue in Planung sind. Ich sage dann: Wenn alle so denken würden, dann werden wir uns niemals von dieser unverantwortbaren Technologie befreien können. Ich gebe der Argumentation aber insoweit recht, dass die Gefahr für uns in Deutschland mit dem Ende der deutschen Atomkraftwerke nicht vorüber sein wird (sie radioaktiver Fallout nach Tschernobyl!) und stelle dann klar, dass der Widerstand gegen die Atomenergie nicht nur in Deutschland, sondern darüber hinaus auch in Europa und weltweit stattfinden muss. | Es gibt auch bei euch in Frankreich Atomkraftgegner (z.B. das Netzwerk "Sortir du Nucléaire"). Woran es in Frankreich aber zu fehlen scheint ist eine landesweite Vernetzung einzelner Gruppen und eine erst dadurch mögliche Mobilisierung der Bevölkerung in Frankreich. | Menschen, die ihre Sorgen - so wie du in deiner Frauenrunde - öffentlich machen sind es, die mich immer wieder hoffen lassen. | Aus dem "alten" China stammt das Sprichwort: "Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt." Daran ist viel Wahrheit. Davon, dass man manchmal einen langen Atem braucht, zeugt die Geschichte des inzwischen mehr als 30 Jahre währenden Widerstands der Atomkraftgegner in Deutschland. Aber auch eine lange Reise geht irgendwann einmal zu Ende.
Kommentar veröffentlichen
Eigene Meinungen, konstruktive Kritik, Anregungen etc. sind jederzeit willkommen.
Nettikette
Bitte achtet auf den »guten« Ton.
Beschimpfungen und ähnliches werden im Papierkorb veröffentlicht.
Anonyme Kommentare:
Wenn ihr "Anonym" bei "Kommentar schreiben als" auswählt, dann lasst mich und die anderen Leser bitte wissen, wer ihr seid.
Um faire Diskussionen zu gewährleisten, werde ich Kommentare ohne "Identität" in Form einer E-Mail-Adresse, einem Namen oder zumindest einem Nicknamen nicht veröffentlichen!
Zum Schutz vor Spammern müssen die Kommentare erst von mir freigeschaltet werden. Ich bitte dafür um euer Verständnis.