Mittwoch, 20. April 2011

Ein teurer Sarg und jede Menge Müll


Atommüll: Geparkt und nicht abgeholt (WDR, "Quarks & Co" vom 09.11.2010)

"Tschernobyl ist eine Lektion für uns alle. Nach dem Unfall ist die Ukraine das einzige Land in der Geschichte der Menschheit, in dem ein 1000 Quadratkilometer große Territorium offiziell zum Sperrgebiet erklärt wurde. Das entspricht der Fläche eines kleinen europäischen Landes."

Viktor Janukowitsch (Ukraine, Präsident)

Der etwas grobe Vergleich des Herrn Janukowitsch trifft wohl am ehesten auf das 2586 Quadratkilometer große Luxemburg zu. Die Luxemburger werden also wohl am besten nachvollziehen können, was es hieße, wenn die Hälfte ihres Landes eine unbewohnbare Sperrzone wäre.


Ein teurer Sarg

Der Sarkophag um den explodierten Atomreaktor von "Tschernobyl", der die Radioaktivität weitgehend unter Verschluss halten soll, war 7 Monate nach dem Super-GAU fertiggestellt. Heute ist er jedoch bereits brüchig. Es gibt Risse und Löcher im Beton und sie gesamte Konstruktion hat sich gesenkt. Die Trümmer, auf denen der Sarkophag steht, geben nach. Jahre hat es gedauert, um ihn zu stabilisieren. Trotz aller Anstrengungen wird er aber wohl nur noch etwa 10 Jahre halten.

Deshalb wurde inzwischen mit dem Bau von Fundamenten begonnen, auf denen einmal eine neue Schutzkonstruktion stehen soll. Weiter ist man bisher allerdings noch nicht vorangekommen. Die Baurabeiter stießen auf Reste der hochradioaktiven Brennelemente und auf verstrahltes Baugerät von 1986. Derartige Ereignisse führten immer wieder zu Verzögerungen.

Auf den Fundamenten sollen einmal Schienen montiert werden, auf denen - in sicherer Entfernung vom Atomkraftwerk - eine Halle montiert werden soll. Der Plan: Nach ihrer Fertigstellung wird die 150 Meter lange und 93 Meter breite Halle dann auf den Schienen über das zerstörte Atomkraftwerk gefahren, so dass die gesamte Anlage darunter verschwindet und kein radioaktiver Staub mehr nach außen dringen kann. In der Halle wird die strahlende Ruine dann nach und nach abgebaut. Dabei werden 400000 Kubikmeter hochradioaktiven Atommülls anfallen - das ist mehr, als der gesamte Atommüll Deutschlands.

Für den Bau der Halle sind 2 Milliarden Euro kalkuliert worden. Die Teilnehmer an einer internationalen Konferenz in der Ukraine haben zugesagt, sich mit 550 Millionen Euro daran zu beteiligen. In Anbetracht der bisherigen Verzögerungen, und möglicher weiterer unvorhersehbarer Ereignisse wird das aber wohl kaum ausreichen. Man wird sich wieder und wieder treffen müssen, und die internationale Gemeinschaft wird möglicherweise noch mehrmals Geld für die Sicherheit der Ruine locker machen müssen. Und die Halle muss rechtzeitig fertig werden:
"Bei Sturm könnte das radioaktive Material in die beiden nahe gelegenen Flüsse gelangen und mit ihnen weiter bis ins schwarze Meer. Auf diese Weise würde sich die Strahlung über die ganze Ukraine verteilen."

Georgi Reichmann (Tschernobyl, Sicherheitsberater)

Gegen den pro-atomaren Starrsinn

Herr Reichmann, der lange Zeit als Ingenieur im Atomkraftwerk "Tschernobyl" beschäftigt war, fürchtet, es werde wohl noch mehr als 100 Jahre dauern, bis der Reaktor endgültig besiegt sei. Das heißt, dass die Kinder der Enkel noch mit der Beseitigung der Schäden zu kämpfen haben werden, die ihre Urgroßeltern in ihrer ebenso grenzenlosen wie auch naiven Fortschrittsgläubigkeit angerichtet haben. Während einer internationalen Konferenz in der Ukraine forderte Herr Ban Ki Moon eine tiefgreifende Debatte. Die Welt müsse sich fragen, wie man gleichzeitig die Nutzung der Atomenergie und eine maximale Sicherheit garantieren könne.

Es wird jedoch noch sehr viel Überzeugugsarbeit kosten, bis die politisch Verantwortlichen weltweit erkennen werden, dass nur das Abschalten aller Atomkraftwerke die notwendige Sicherheit vor weiteren Super-GAUs gewährleisten kann. Der Vertreter Deutschlands war einer der wenigen, die sich während der Konferenz für den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie aussprachen. Man sollte annehmen, dass Herr Janukowitsch angesichts der Folgen des Super-GAUs in seinem Land vor 25 Jahren ebenfalls auf ein Ende der Atomkraftwerke drängen würde. Die ARD-Tagesschau zitierte ihn jedoch in einem Bericht vom 19.04.2011 mit den Worten: "Die Forderungen, aus der Atomkraft auszusteigen, bedeuten ein Ausbremsen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Seien wir ehrlich, dass sind sinnlose Träume, die realitätsfremd sind".

Mit Verlaub, Herr Janukowitsch: Ich frage mich, wie realitätsfremd Sie eigentlich sein müssen, dass gerade Sie immer noch nicht realisiert haben, dass die Nutzung der Atomenergie sowohl technisch, wie auch in Anbetracht menschlicher Fehlbarkeiten, nicht beherrschbar ist! Wie viele Super-GAUs, wie viele Strahlentote, wie viel menschliches Leid, wie viele tausende von Quadratkilometern große radioaktiv kontaminierte Sperrzonen und wie viele zig-milliarden teure Sarkophage und Hallen über Atomruinen braucht es denn noch, bevor das auch Ihnen endlich bewusst wird?

Studien des Umweltbundesamtes (UBA) und auch von Nichtregierungsorganisationen (NGO, Non Government Organisation) wie der internationalen Umweltschutzorganisation "Greenpeace" oder dem "BUND" für Umwelt und Naturschutz Deutschland zeigen, dass eine rasche Stillegung der Atomkraftwerke und der fossil befeuerten Großkraftwerke möglich ist. Deshalb muss die Energiewende in Deutschland jetzt so schnell wie möglich umgesetzt werden. Das ist allein schon aufgrund der für den Klimaschutz notwendigen Maßnahmen notwendig. Wenn Deutschland der Welt noch rechtzeitig beweisen kann, dass eine autarke dezentrale Energieversorgung auf der Basis regenerativer Energiequellen möglich ist, dann ist das eine Chance dafür, dass auch die anderen Nationen der Welt noch rechtzeitig erkennen, welche Wege aus der atomaren und klimaschädlichen Sackgasse führen können.

Anderenfalls wird die Menschheit noch so lange mit ihren Super-GAUs konfrontiert werden, bis der bewohnbare Teil der Welt zu klein für die unter den Folgen der radioaktiven Kontaminierungen leidenden Menschen sein wird und sie die Folgen ihres atomaren Starrsinns nicht mehr bezahlen können. Wenn es dann zudem auch nicht mehr rechtzeitig gelingen sollte, die globale Erwärmung möglichst deutlich unterhalb der "plus 2 Grad" Marke zu stabilisieren, dann werden die nachfolgenden Generationen der Menschheit und ihre Mitgeschöpfe irgendwann keinen bewohnbaren Planeten mehr vorfinden.
"Einmal mehr müssen wir schmerzhaft feststellen, dass Nuklear-Unfälle keine Grenzen kennen. Sie stellen ein direktes Risiko für die Gesundheit der Menschen und für die Natur dar. Sie führen zu Wirtschaftkrisen, beeinträchtigen von der Landwirtschaft über den Warenhandel bis hin zu globalen Dienstleistungen alles"

Ban Ki Moon (UNO, Generalsekretär)

Atommüll - Made in Germany

Bisher sind durch den Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland rund 13400 Tonnen hochradioaktiver Atommüll angefallen. Jährlich kommen derzeit 400 bis 450 Tonnen hinzu. Weltweit produzierten die Atomkraftwerke bisher etwa 300000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll - und jedes Jahr kommen weitere 12000 Tonnen hinzu.

Dieser gigantische, hochradioaktive Atommüllberg muss für Jahrmillionen sicher von der Biosphäre abgeschlossen gelagert werden. Es gibt keinen einzigen heute lebenden Menschen, der über eine so lange Zeit hinweg dafür sorgen könnte, dass das auch gewährleistet ist. Also kann auch niemand die Garantie dafür übernehmen, dass der Atommüll über derart lange Zeiträume sicher gelagert werden kann.

Dabei ist es völlig unerheblich, wo die strahlenden Hinterlassenschaften der Atomkonzerne gelagert werden. Auch wenn es die Befürworter der Atomenergie noch nicht wahrhaben wollen: Infolge der bereits nach Ablauf weniger Jahrzehnte misslungenen Versuche mit der unterirdischen Lagerung schwach und mittelradioaktiver Abfälle im ehemaligen Salzbergwerk "Asse-II" und im ehemaligen Bergwerk "Morsleben" ist der Traum vom "End"-Lager, Marke "aus den Augen, aus dem Sinn", ausgeträumt.

Jeder Bürger muss in Deutschland nachweisen, dass er seinen Müll ordnungsgemäß entsorgen kann. Nur die Atomkonzerne durften und dürfen ihren höchst gefährlichen Müll produzieren ohne einen Nachweis für die sichere Entsorgung erbringen zu müssen. Das ist so, als würde es in unseren Häusern keine Toiletten geben: Innerhalb küzester Zeit würden wir in unseren eigenen Fäkalien erstickt sein, bevor wir auf die Idee kämen, welche nachzurüsten..

Die ungelöste Frage "wohin mit dem Atommüll" ist aus meiner Sicht die eigentliche Atomkatastrophe. Selbst wenn die Atomruinen "Tschernobyl" und "Fukushima" eines Tages keine große Gefahr mehr darstellen sollten, dann sind da immer noch hunderttausende Tonnen hochradioaktiven Atommülls - nach menschlichen Maßstäben für die Ewigkeit.


"Tschernobyl" mahnt:
Atomkraftwerke weltweit stilllegen


Aus Anlass des 25. Jahrestages des Super-GAUs im urainischen Atomkraftwerk "Tschernobyl" finden am Ostermontag, dem 25. April 2011, Demonstrationen an den Standorten deutscher Atomanlagen statt. So auch an den Standorten einiger Atommülllager und der Uran-Anreicherungsanlage:

"Braunschweiger Land"
Schacht Konrad, Asse-II, Morsleben

Wir demonstrieren am 25. April im Braunschweiger Land vor Schacht Konrad in Salzgitter ...weil wir für unser Leben gerne leben!

An den Haltestellen zum Atomausstieg treffen sich überall Menschen und machen sich auf den Weg.
  • 14.00-16.00 Uhr Familienkundgebung auf der Industriestraße Nord vor Schacht Konrad.
  • Kundgebung, Infostände, Musik. Viel Raum für Kleinkunst und eigene Aktivitäten.
Alle Informationen zur Aktion im
Braunschweiger Land gibt es hier.


Lubmin
Demonstration am Zwischenlager Nord unter dem Motto:

„Sonne, Strand und See – Atomkraft nee!“
  • ab 13.00 Uhr Treffen vor dem Zwischenlager Nord
  • 14.00 bis 14.20 Uhr Auftaktkundgebung
  • 14.20 Uhr Beginn der Demonstration nach Lubmin
  • ca. 15.30 Uhr Beginn Kundgebung an der Seebrücke in Lubmin
Alle Informationen zur Aktion
in Lubmin gibt es hier.


"Gronau/Ahaus"
Uran-Anreicherungsanlage/
Atommülllager

In Nordrhein-Westfahlen konzentrieren sich Anti-Atom- und Friedensproteste auf die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau. Mit dem Ostermarsch wird an die Opfer der Atomindustrie erinnert und gegen die militärische und sogenannte zivile Nutzung der Atomenergie demonstriert.
    • Beginn: 14:00 Uhr, Bahnhof Gronau
    • Anschließend Demonstration zur UAA
    Alle Informationen zur Aktion
    in Gronau gibt es hier.


    25  Jahre  Tschernobyl


    (Quellen: ARD-Tagesthemen vom 19.04.2011, Wikipedia - Radioaktiver Abfall, Ulmer Ärzteinitiative - 60 Jahre Produktion von Atommüll, Geparkt und nicht abgeholt - Quarks & Co vom 09.11.2010, Greenpeace - Auf die lange Bank geschoben)

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