Dienstag, 8. März 2011

Neckarwestheim 1: Eine atomare Zeitbombe

Atomkraft? Nein Danke!Im Atomkonsens wurde im Jahre 2002 zwischen der Bundesregierung und den Atomkraftwerksbetreibern vereinbart, welche Reststrommengen ein Atomkraftwerk, ausgehend von einer Regellaufzeit von etwa 32 Jahren, noch produzieren darf. Dementsprechend hätte das Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" (Betreiber: EnBW, Energie Baden-Württemberg AG), das seit 1976 in Betrieb ist, etwa Anfang 2009 stillgelegt werden müssen.

Dass der Uraltmeiler überhaupt noch läuft, und nach dem Willen der wespenfarbenen Bundesregierung infolge der Verlängerung der Betriebszeiten für die deutschen Atomkraftwerke wohl auch trotz gravierender Sicherheitsmängel noch bis 2019 weiterlaufen soll, verdankt er der "weitsichtigen Geschäftspolitik" der EnBW, den Mauscheleien zwischen der CDU und den Atomkonzernen, sowie dem "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie" der Herren Koch und Oettinger (beide CDU und damals Ministerpräsidenten der Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg) vom 14.08.2009. Auf der Seite 14 ihres Papiers ist im Abschnitt 5.1 zu lesen, eine Laufzeitverlängerung erfordere die Änderung des Atomgesetzes. Aufgrund der damaligen Rechtslage würden entsprechende Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden müssen. Zitat:
"Da Änderungen des Atomgesetzes möglicherweise in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht realisierbar sind, sind neben verschiedenen Varianten von Atomgesetzänderungen (Abschnitt 5.3) auch Maßnahmen im Rahmen des derzeit geltenden Atomgesetzes zu diskutieren (Abschnitt 5.2)."

Im Abschnitt 5.2.1 (Betriebsweise der Atomkraftwerke) wird dann auf die Möglichkeit hingewiesen, dass mit der Drosselung der Leistung der Kernkraftwerke die produzierte Strommenge geringer ausfällt - die im Atomkonsens zugebilligte Restmenge also später erreicht wird - womit sich der Zeitpunkt der Abschaltung auf die Zeit nach der angestrebten Änderung des Atomgesetzes zugunsten längerer Laufzeiten verlängern lässt. Zitat:
"... ist eine Drosselung der Leistung der Kernkraftwerke mit dem Ziel ins Auge zu fassen, den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Änderung des Atomgesetzes zu erreichen."
  • Will heißen:
    "Wenn wir die Bundestagswahl im September 2009 gewonnen haben werden, dann werden wir den Atomkonsens kippen, damit eure veralteten Atomöfen noch bis zum St. Nimmerleinstag unbhelligt weiterlaufen können."

Bis zur Bundestagswahl war es der EnBW mit diesem billigen Taschenspielertrick bereits gelungen, den Abschaltzeitpunkt für ihren Atommeiler bis in das Jahr 2010 zu hinauszuzögern. Ein, von den Atomkonzernen und den Atom-Wespen wohl eher unerwünschter Nebeneffekt, der im Zusammenhang dieser Betriebsweise auftrat, ist ein erneuter Beleg dafür, dass ein großer Teil der deutschen Atomkraftwerke heute schon überflüssig, und daher umgehend abzuschalten ist.


Ineffizient, störanfällig und veraltet

"Neckarwestheim 1" ist diesbezüglich einer der entbehrlichsten Atommeiler und steht nicht nur deshalb ganz oben auf der Liste der Abschalt-Kandidaten der Atomkraftgegner. Mit seiner schwachen Leistung von 840 Megawatt*), von der es außerdem auch noch etwa ein Fünftel für seinen eigenen Betrieb benötigt, gehört es ohnehin zu den Schlusslichtern der deutschen Atomkraftwerke. Treffend beschrieb das die Badische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 12.07.2010. Zitat: "Das AKW Neckarwestheim I verbraucht knapp ein Fünftel des erzeugten Stroms selbst. Effizient ist das nur politisch betrachtet."

Außerdem gehört "Neckarwestheim 1", zusammen mit den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Biblis B, die ebenfalls im Jahre 1976 damit begannen, Atommüll zu produzieren, zu den drei zweitältesten Atommeilern, die in Deutschland noch in Betrieb sind. Älter ist nur noch das Atomkraftwerk Biblis A, das 1974 in Betrieb genommen wurde. Gleichzeitig liegt "Neckarwesthein 1" in der Leistungskategorie "Anzahl meldepfichtiger Eignisse" mit 425 solcher Ereignisse auf Platz 2 aller 17 in Deutschland noch betriebenen Atommeiler*). Übertroffen wird seine "Leistung" nur noch vom Atomkraftwerk Brunsbüttel mit mit 462 meldepfichtigen Ereignissen*). Auf den Rängen 3 und 4 folgen dann auch schon die beiden Blöcke Biblis A und B mit 418 bzw. 417 meldepfichtigen Ereignissen*).


Eine atomare Zeitbombe

Aktuell ist das Atomkraftwerk "Neckarwesthein 1" erneut in die Schlagzeilen geraten, weil es nach Erkenntnissen der Umweltschutzorganisation "Greenpeace" und der "Deutschen Umwelthilfe" gravierende Sicherheitsmängel aufweist, die jedoch seit 2007 nicht behoben worden sind. Der Nachrichtensender "N24" berichtete am 21.01.2011, Herr Baake (Deutsche Umwelthilfe, Bundesgeschäftsführer) habe gesagt, der Betreiberkonzern EnBW habe die von ihm selbst 2007 beantragten Nachrüstungen nicht umgesetzt. Niemals hätte Block I des Atomkraftwerks Neckarwestheim in die Laufzeitverlängerung gehen dürfen. Der Reaktorblock gehöre zu den störanfälligsten in Deutschland.

Eine gewichtige Rolle in dieser Affäre spielt aber wohl auch das Umweltministerium des Landes Baden-Würtemberg. Im Zusammenhang mit der geplanten Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die sichernsten Atomkraftwerke der Welt durfte es hierzulande natürlich keine Pannenreaktoren geben. "N24" berichtete, ein Sprecher von Frau Gönner (CDU, Baden-Würtemberg, Landesumweltministerin) habe gesagt, die Behauptung der Umwelthilfe, es habe im Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" mehr meldepflichtige Ereignisse gegeben habe als in anderen Anlagen, sei falsch. Vielleicht sollte die Dame beim nächsten Mal vorher lieber einmal einen Blick auf die Internetseite des Bundesamts für Strahlenschutz werfen, bevor sie sich mit derartigen Äußerungen in der Öffentlichkeit lächerlich macht. Dort gibt es eine Karte mit den Standorten der Atomkraftwerke in Deutschland, und darunter eine Tabelle, der ich die oben genannten Daten entnommen habe.

Aus den Reihen der Landtagsfraktion der Grünen hieß es, dass die Atomaufsicht keinerlei Wert auf die Durchsetzung der von der EnBW selbst beantragten Sicherheitsmaßnahmen gelegt habe, sei völlig unakzeptabel, und für den Fall, dass sie an der kommenden Regierung beteiligt sein sollte, hat die SPD in Baden-Würtemberg bereits angekündigt, sie wolle die Abschaltung des Blocks 1 des Atomkraftwerks durchsetzen, da eine Nachrüstung sinnlos und zu teuer sei.


Atomausstieg in die Hand nehmen

Vielleicht erreichen wir ja am nächsten Samstag mit der Menschenkette zwischen dem Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" und der baden-würtembergischen Landeshauptstadt Stuttgart, dass mehr Menschen in diesem Bundesland auf die genannten Missstände aufmerksam werden, und dass sie deshalb ihre Stimme bei der Landtagswahl an eine andere Partei als ausgerechnet an die Handlanger der der Atomkonzerne CDU und FDP vergeben.


Zum Weiterlesen:


Atomausstieg in die Hand nehmen!

*) "Das Juwiversum", Tabelle: "Atomkraftwerke in Deutschland"

(Quellen: Greenpeace Nachrichten vom 23.02.2011, N24 vom 21.01.2011, Badische Zeitung vom 12.07.2010, Presseerklärung der Deutschen Umwelthilfe vom 12.01.2010, Bundesamt für Strahlenschutz)

3 Kommentare:

Gudrun hat gesagt…

Danke für deinen umfassenden Beitrag, lieber Juwi.
Irgendwie ist das alles erschreckend, was da läuft. Wie kann man denn solche Gefahren als Politiker verantworten?

Liebe Grüße an dich

juwi hat gesagt…

@Gudrun: Ich glaube, das geht nur, wenn einem die Welt seiner Kinder und Kindeskinder sch..egal ist. Mir ist die Zukunft meiner Kinder und derjenigen aller anderen Eltern auf dieser Welt nicht egal ...

Anonym hat gesagt…

Heute mit zeitlichem Abstand ist diese Seite ein historisches Dokument.
3 Tage nach Veröffentlichng dieses Artikels Reaktorkatastrophe von Fukoshima.
Weitere 3 Tage später verkündete Merkel die Abschaltung des Reaktors Nekarwestheim I.
Das läßt heute noch erschauern.

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