Samstag, 19. März 2011
Wilhelm-Kaisen-Platz wird bebaut
Ignoriert: Bedenken und Existenzängste Bremerhavener Bürger
Der Widerstand der Bremerhavener Bürger und Verbände gegen die Entscheidung der beiden OBI-Parteien, die sich in Bremerhaven seit knapp vier Jahren als Große Koalition über den Willen der Bürger hinwegsetzen, anstatt sich mit ihnen auseinander zusetzen, war am Ende erfolglos.
Die SPD, die sich - wie in der Ausgabe der Nordsee-Zeitung vom 17.03.2011 zu lesen war - in einer internen Abstimmung zuvor noch mit klarer Mehrheit gegen die Zustimmung ausgesprochen hatte machte in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 17. März 2011 den Weg frei für die Ansiedlung des "OBI-Baumarkts mit Gartencenter", die abzusehende Vernichtung bestehender Arbeitsplätze in den beiden benachbarten Baumärkten "Max Bahr" und "Bauhaus" mit seinem Gartencenter, Die Gefährdung von Einzelhändlern in der benachbarten Hafenstraße, die Vertreibung von Gärtnereien vom Leher Wochenmarkt auf dem benachbarten Ernst-Reuter-Platz und für die Abwertung des Stadtbilds im Süden Lehes. Der Stimmungswandel am Vortag der Sitzung sei auf die eindringliche Einschwörung der Abgeordneten durch den Parteivorstand zurückzuführen.
Herr Tsartilidis (SPD, Fraktionsvorsitzender) erklärte, unterm Strich sei man zu dem Schluss gekommen, der "OBI-Baumarkt" werde den Stadtteil Lehe stärken. Scheinbar hat er das im Zusammenhang mit der Projektplanung angefertigte Verträglichkeitsgutachten für die Hafenstraße nicht gelesen. Darin heißt es, Einbußen unter 10 Prozent seien von den dort ansässigen Einzelhändlern zu akzeptieren, und dass Umsatzeinbußen in Höhe von 8 Prozent zu erwarten sind. Falls Herr Tsartilidis das Gutachten aber doch gelesen haben sollte, dann würde das bedeuten, dass er bewusst die Schädigung der Einzelhändler der Hafenstraße, die Bedrohung von Existenzen, Ladenleerstände und den Verlust bestehender Arbeitsplätze in Kauf nimmt. Wie Herr Tsartilidis dann trotzdem unter dem Strich zu dem Schluss kommen konnte, seine Entscheidung stärke Lehe, das soll er dann später einmal den Familien erklären, die ihren Lebensunterhalt nach dem Verlust ihrer Arbeitsplätze mit Hartz-IV Mitteln bestreiten müssen!
Zukünftige Bürgernähe
Aber schön zu hören, dass Herr Tsartilidis sich für die Zukunft angeblich "einen ordentlichen Schlag mehr Bürgernähe" wünscht. Hätte er das ernst gemeint, dann wäre die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 17. März genau der richtige Ort und die richtige Zeit dafür gewesen, um den Beweis dafür vorzulegen. Die Chance hat er mit der eindringlichen Einschwörung der Abgeordneten seiner Partei leider gründlich versaut. Und welchen Wert "mehr Bürgernähe" für die OBI-Parteien "in der Zukunft" hat, das haben wir in der Vergangenheit mehr als oft genug erfahren.
Planlose Planer
Die Nordsee-Zeitung berichtete weiterhin, Herr Bödeker (CDU, Fraktionsvorsitzender) sei der Ansicht, die Einwände von Bürgern und Architekten bezüglich der "schlechten Architektur", die dürfe man an dieser Stelle nicht so genau nehmen. Will heißen: Anstatt den Süden des Stadtteils Lehe städtebaulich aufzuwerten kann man - wie schon ein bis zwei Kilometer weiter südlich in Geestemünde praktiziert - auch hier ruhig noch alles mit hässlichen Baumärkten, Discountern und Supermärkten vollstopfen. Die Bremerhavener werden's schon schlucken.
Auch auf die Frage, wie auf dem verbleibenden Drittel des ehemaligen Bremerhavener Festgeländes zukünftig der Freimarkt noch funktionieren soll, meint Herr Bödeker eine Antwort zu haben. Das passe schon. Die Schausteller müssten ihren Fuhrpark ja nicht auf dem Festgelände parken. Hallo? Wo denn sonst? Auf dem nicht vorhandenen Seitenstreifen der Stresemannstraße vielleicht? Oder mitten auf der Melchior-Schwoon-Straße? Und der Platz zwischen den Marktbuden und Fahrgeschäften, wo die Zugmaschinen und Wohnwagen der Schausteller bisher standen? Bleibt der dann ungenutzt?
Darüber, dass es in Bremerhaven zukünftig keine Open-Air-Konzerte mehr geben wird, weil der verbleibende Rest des ehemaligen Veranstaltungsgeländes Wilhelm-Kaisen-Platz dafür zu klein sein wird, macht sich Herr Bödeker ebenfalls keine Sorgen. Die seien auf der Seebäderkaje sowieso besser aufgehoben.
Wie bitte? Wenn Herr Bödeker sich auf der Seebäderkaje stehend einmal umsehen würde, dann würde er gewiss auch die hohe Mauer an der östlichen Grenze der Seebäderkaje nicht übersehen können, die den dahinterliegenden "Zoo am Meer" gegen Sturmfluten schützen soll. Und wenn er sich dann vielleicht einmal mit Tierschützern über seine grandiose Idee unterhalten würde, dann würden die ihm sicher so einiges darüber erzählen, was der vom Lärm eines Rock-Konzerts erzeugte Stress für die Gesundheit der daneben lebenden Tiere bedeutet.
Ignorierter Protest
Immerhin hat die Demonstration vor den Türen der Stadtverordnetenversammlung am 17. März den OBI-Parteien aber gezeigt, dass es bedeutend mehr Vertreter derjenigen Menschen in Bremerhaven gibt, die den Sch.. OBI-Baumarkt auf dem Wilhelm-Kaisen-Platz nicht haben wollen, als es Stadtverordnete und Parteibonzen gibt, die sich darüber hinwegsetzen. Und das, obwohl die Mehrheit derjenigen, die gerne an der Demonstration teilgenommen hätten, mitten in der Woche und mitten am Tag aus beruflichen Gründen keine Gelegenheit dazu hatten. Außerdem hat die Demonstration gezeigt, dass das genannte Mengenverhältnis auch dafür steht, dass die Bürger von den beiden OBI-Parteien die Nase voll haben. Und es ist völlig egal, wieviele Demonstranten dort waren: Auch 500 oder 1000 hätten nichts geändert, weil das alles von vornherein ein abgekartetes Spiel war!
Wehrloser Tanzbär
Hinzu kommt, dass die Zustimmung der SPD zu den "Wünschen" der CDU sich innerhalb der SPD scheinbar überwiegend auf die paar Leute an der Spitze der Partei beschränkt, während ein großer Teil der Parteibasis eigentlich nichts davon hält. Das hat schon der Kampf um das Phillips-Field gezeigt, und auch Informationen über die Diskussion innerhalb der SPD, über die vorgestern in der Nordsee-Zeitung berichtet wurde, und die in krassem Beispiel zur Zustimmung ihrer Stadtverordneten zu OBI auf dem Wilhelm-Kaisen-Platz steht, spricht Bände.
Die SPD hatte ja unter den Wahlberechtigten "traditionell" eigentlich immer eine recht solide Basis in Bremerhaven. Ob das immer noch so ist, kann ich schlecht beurteilen. Während der letzten Legislaturperiode hat sie jedenfalls alles in ihrer Macht stehende dafür getan, ihre Position zu schwächen. Ob ihr das gelungen ist, wird sich bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung am 22. Mai 2011 zeigen. Als Partei mit den meisten Sitzen in der Stadtverordnetenversammlung (16 von insgesamt 48 Sitzen) hat sie sich von der CDU (12 von insgesamt 48 Sitzen) wie ein wehrloser Tanzbär gehörig an der Nase herumführen lassen.
(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 17.03.2011)
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1 Kommentar:
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