Phoenix vom 15.03.2011: Atomunfall in Japan (Ausschnitt aus der Pressekonferenz)
Herr Mappus und Frau Merkel bestätigen die bösen Ahnungen derjenigen Bundesbürger, die sich von dem "Atom Moratorium" der Bundesregierung irgendwie veräppelt fühlen. In dem Video sagen sie überraschend deutlich (oder hat sich da wieder jemand nur verplappert?), das Moratorium sei natürlich keine Kehrtwende ("Wie kommen Sie nur darauf, Herr Wonka?") - und selbstverständlich schon gar keine wegen der anstehenden Landtagswahlen ... - Nee, schon klar! Die abschließende Frage, ob die während des Moratoriums abgeschalteten Uralt-Meiler auch anschließend abgeschaltet bleiben, hat Herr Röttgen zwar äußerst wortreich, aber leider irgendwie nicht wirklich abschließend beantwortet ... - dafür sagte Frau Merkel abschließend, der Bundesumweltminister habe im Namen der gesamten Bundesregierung gesprochen. - Weest Bescheed?
Von den unbelehrbaren Befürwortern der Atomkraft hört man dieser Tage immer wieder: "In Deutschland gibt es keine starken Erdbenen und Tsunamis, wie sie sich am 11. März 2010 in Japan ereigneten." Da haben sie wohl recht - bisher jedenfalls. Aber eine derart verheerende Naturkatastrophe ist in Deutschland auch gar nicht notwendig, um eine menschengemachte Katastrophe auszulösen, die einem sich möglicherweise anbahnenden Atom Super-GAU in Japan in nichts nachstehen würde.
Auch in Deutschland hat in der Vergangenheit immer wieder die Erde gebebt. Eine Erdbeben angepasste Konstruktionsweise, wie die der Atomkraftwerke in Japan, gibt es in Deutschland jedoch nicht. Über die auf wackeligem Untergrund stehende Atomkraftanlage "Neckarwestheim" des Betreibers EnBW in Baden-Würtemberg hatte ich ja schon am 9. März einige besorgniserregende Fakten zusammengetragen, die selbst einigen der Menschen bisher nicht bekannt waren, mit denen ich mich am letzten Samstag in der Menschenkette unterhalten hatte.
Es ist nicht ...
Wer aber meint, es seien nur die Uralt-Meiler, von denen hierzulande eine ernstzunehmende Gefahr ausgeht, der irrt sich leider gewaltig. "Gelegentlich" braucht es dazu nichts weiter als einen technischen Defekt in einem acht Jahre jüngeren Atomkraftwerk und eine atomsüchtige Landesregierung. So kam es nach Angaben der Anti-Atom-Organisation ".ausgestrahlt" im Atomkraftwerk "Philippsburg 2" (Baden-Würtemberg, Betreiber: EnBW) in den vergangenen zwei Jahren zu mindestens drei sicherheitsrelevanten Ereignissen, die in Absprache mit dem Umweltministerium Baden-Württembergs bis heute nicht gemeldet worden seien. Die schwarz-gelbe Landesregierung unter den Ministerpräsidenten Herrn Oettinger (seit dem 10.02.2010 EU-Kommissar für Energie) und Herrn Mappus (beide CDU) habe statt dessen mit dem Betreiber des im Dezember 1984 erstmals in Betrieb genommenen Atomkraftwerks (EnBW) vereinbart, die folgenden Störfälle zu vertuschen:
- 12.-13.05.2009
Über 12 Stunden hinweg standen mehrere Armaturen offen, die bei einem Störfall den Austritt von Radioaktivität aus dem Sicherheitsbehälter verhindern sollen. Die Armaturen waren in dieser Zeit nicht mehr ansteuerbar. Der Sicherheitsbehälter hatte damit seine Schutzfunktion verloren.
- Bei einem Störfall wäre Radioaktivität ungehindert ins Freie gelangt.
- 19.01.2010
Für drei Tage fiel die komplette Kühlung der Systeme zur Notkühlung des Atomreaktors aus. Bei einem Unfall hätten sich die Notkühlsysteme daher binnen kurzer Zeit überhitzt und wären nicht mehr funktionsfähig gewesen. Damit hätte der Atomreaktor, so wie es jetzt im Atomkraftwerk "Fukushima" der Fall ist, nicht mehr gekühlt werden können.
- Im Falle eines schweren Unfalls - etwa eines Flugzeugabsturzes - wäre in dieser Zeit eine Kernschmelze in Philippsburg wohl nicht mehr zu verhindern gewesen.
- 19.06.2010
Ein Stopfen in einer Abflussleitung des Brennelementebeckens hatte sich verklemmt. Über eine fälschlicherweise offenstehende Armatur flossen 270000 Liter Reaktorwasser in das Reaktorgebäude. Weitere 10000 Liter flossen durch Entwässerungsleitungen aus dem Reaktorsicherheitsbehälter heraus. In der Folge setzte die Kühlung der im Becken lagernden abgebrannten Brennelemente zur Hälfte aus.
- Bei einem weiteren Abfall des Füllstands im Brennelementebecken um nur 6 Zentimeter wäre die komplette Kühlung der im Becken lagernden Brennelemente ausgefallen.
Herr Stay (Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, Sprecher) sagte dazu in einer Presseerklärung vom 15.03.2010:
"Die Beispiele zeigen, dass auch die modernsten Atomkraftwerke (Philippsburg-II ging 1984 ans Netz) nicht sicher sind – weil die Menschen, die dort arbeiten, immer wieder Fehler machen. Wäre in jenen Tagen ein Unfall passiert, hätten die Sicherheitssysteme des Reaktors nicht wie vorgeschrieben zur Verfügung gestanden.
Um die Laufzeiten der AKW zu verlängern, war der schwarz-gelben Landesregierung in Stuttgart offenbar jedes Mittel recht – selbst die Gefährdung der Bevölkerung. Anstatt ihre gesetzliche Aufsichtspflicht wahrzunehmen, deckte sie skandalöse Sicherheitsmängel in Philippsburg und die Inkompetenz des AKW-Betreibers EnBW. Sie verhinderte damit auch, dass andere AKW vor demselben Fehler gewarnt werden konnten. Umweltminsterin Gönner und Ministerpräsident Mappus müssen jetzt erklären, warum ihnen längere Laufzeiten für AKW wichtiger als die Sicherheit der Reaktoren sind."
... was nicht sein darf
Den Herren Oettinger (Mitverfasser des "Strategie- und Schrittfolgepapiers Kernenergie", in dem die notwendigen Schritte für die von der wespenfarbenen Bundesregierung vorangetriebene "Laufzeitverlängerung" vorab skizziert wurden) und Mappus wird wohl daran gelegen gewesen sein, das Programm ihrer Partei zur Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die "sicheren" deutschen Atomkraftwerke nicht zu gefährden. Meldepflichtige Ereignisse hätten da - gerade während dieser Phase - natürlich denkbar schlecht ins Bild gepasst.
Damit der japanische Atom-GAU nicht auch noch für ihn zum GAU bei der Landtagswahl am 27. März 2011 wird, hat Herr Mappus sich jetzt wohl notgedrungen zu einem "vorübergehenden Kurswechsel" entschlossen, um erst einmal während der drei Monate des Atomkraft Moratoriums im vermeintlich ruhigeren Kielwasser der Bundesregierung zu segeln. Dazu bezog Herr Stay in einer weiteren Presseerklärung vom 15.03.2010 wie folgt Stellung:
"Es ist eine Wählertäuschung ohne Gleichen, jetzt radikale Entscheidungen vorzuspielen und dann nach den Wahlen doch alles beim alten lassen zu können. Wir verlangen von der Bundesregierung noch vor den Landtagswahlen die endgültige Stilllegung der Atomkraftwerke. Alles andere ist unglaubwürdig.
Angesichts der Ereignisse in Japan ist es nicht nachvollziehbar, wieso nur sieben Reaktoren abgeschaltet werden. Auch die anderen Kraftwerke sind 25 bis 30 Jahre alt und nicht geschützt vor einer Kernschmelze.
Der radikale Umbau der Energieversorgung ist nötig und möglich. Selbst wenn es zu kurzfristigen Einschränkungen käme, wäre die Bevölkerung dazu im Augenblick gerne bereit, weil jeder mit den Bildern aus Japan vor Augen hat, was die Alternative wäre.
Wir werden unsere Proteste fortsetzen, bis wirklich ernsthafte Konsequenzen aus den Ereignissen in Japan gezogen werden. Am 26. März wird es in vier bis fünf Großstädten, darunter Berlin, Hamburg und Köln, Massendemonstrationen für die endgültige Stilllegung der Atomkraftwerke geben."
- Das spiegelt genau die Stimmungs- und Meinungslage wieder, wie ich sie in vielen Gesprächen während der letzten Tage erlebt habe. Der Erklärung des Herrn Stay habe ich deshalb nichts hinzuzufügen.
An der Schwelle zum Super-GAU
Inzwischen hat die französische Atomsicherheitsbehörde (ASN) den GAU im Block 1 des Atomkraftwerks "Fukushima I" auf Stufe 6 der "Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES)" eingestuft. Bisher hat nur der Super-GAU von 1986 im Atomkraftwerk "Tschernobyl" die INES-Stufe 7 erreicht. Ausschlaggebend für die Beurtilung der ASN war die Beschädigung des Schutzmantels des Blocks 2 während der Nacht zum Dienstag. Nach der Ukraine steht damit jetzt auch Japan an der Schwelle zu einem nicht mehr beherrschbaren GAU, dem Super-GAU.
(Quellen: Tagesschau vom 16.03.2011, .ausgestrahlt, "G. Oettiger, R. Koch - Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie")
2 Kommentare:
Hallo Jürgen,
die derzeitige Berliner Regierung muss jetzt weiter unter Druck gesetzt werden, damit dieser wahltaktische Rückzug vom Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie auch nach drei Monaten bleibt. Die Atomkraftwerke müssten schneller als nach dem ursprünglichen rotgrünen Fahrplan abgeschaltet werden.
Gruß
Holger
Auch in Krümmel hat es Störfälle ohne Ende gegeben, deren wahre Ursachen und Auswirkungen vom Betreiber Vattenfall mehr als widerwillig preisgegeben wurden. Dazu eine deutlich erhöhte Krebsrate in der Elbmarsch, die natürlich nichts mit dem AKW zu tun hat..... ein renommierter russischer Atomwissenschaftler behauptet etwas deutlich anderes und belegt das auch.
Dazu die immer noch nicht geklärte Frage der Zwischen - und Endlagerung, die absaufenden Fässer in der Asse.....
Ich werde solange auf die Montagsdemos gehen, bis wir hier eine wirkliche Energiewende haben und keine nur wahltaktischen Spielchen gespielt werden.
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