Nach den Erfahrungen aus der Reaktorkatastrophe im Atomkraftwerk "Tschernobyl" und den Informationen, die inzwischen über die Situation in der Atomanlage in Japan bekannt sind, muss man wohl davon ausgehen, dass den meisten von ihnen Krankheit und ein früher Tod bevorstehen.
Erschreckende Parallelen
Auch wenn die Ereignisse nicht die gleichen Ursachen haben, so sind die Parallelen zwischen "Tschernobyl" und "Fukushima" im weiteren Verlauf erschreckend. Herr Rosen (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs) sagte gestern Nachmittag in der ARD-Tagesschau, von den 800000 jungen Menschen, die in Tschernobyl - quasi im Zwangsdienst - versuchten die Folgen des Super-GAUs zu bekämpfen, seien mehrere 10000 - vielleicht 100000 - bereits verstorben. Diese Menschen wurden damals von den Behörden der Sowjetunion über das wahre Potential der von der Strahlung ausgehenden Gefahren im Unklaren gelassen. - Sie wurden quasi "verheizt".
So gesehen scheint sich der Betreiber der Atomkraftanlage "Fukushima" gegenüber seinen Mitarbeitern, die sich im Gegensatz zu ihren sowjetischen Kollegen über das Schicksal, das sie erwartet, wahrscheinlich im klaren sein werden, verantwortungsvoller zu verhalten. Die sich daraus ergebenden Folgen für das um ein vielfaches dichter besiedelte Japan und seine Bevölkerung könnten sich aber noch als weitaus verheerender erweisen.
Herr Pflugbeil (Gesellschaft für Strahlenschutz, Präsident) sagte gestern Nachmittag in der ARD-Tagesschau, der kritische Punkt in der Atomkraftanlage "Fukushima" sei das Abklingbecken des Atomreaktorblocks 4. Es enthalte offensichtlich kein Wasser mehr, so dass die darin gelagerten Brennelemente aus mehreren Jahren trocken liegen. Diese müssten dringend gekühlt werden. Anderenfalls würden die Brennelementehüllen bersten und der ganze "radioaktive Dreck" gelange in die Umwelt. Dann könne niemand mehr dort arbeiten, und aufgrund der ausgefallenen Kühlung werde ein Atomreaktor der Anlage nach dem anderen "schlimm enden" - und das radioaktive Potential in der Atomkraftanlage sei gigantisch.
In Tschernobyl dauerte es bis zum 3. Mai 1986, bevor nach den Einwohnern der nahe am explodierten Atomreaktor gelegenen Stadt Prypjat weitere Menschen aus einem Umkreis von 10 km um das Atomkraftwerk herum evakuiert worden waren. Am 4. Mai 1986 wurden dann weitere 116000 Menschen aus einem 30 Kilometer Radius evakuiert. Hinzu kamen 210000 Menschen, die in den darauf folgenden Jahren noch umgesiedelt wurden. Heute umfasst die Sperrzone eine Fläche von 4300 Quadratkilometern.
Im Umkreis der Atomkraftanlage "Fukushima" galt Anfangs ein Evakuierungsradius von 10 Kilometern. 60000 Menschen wurden aufgefordert, diese Zone zu verlassen. Die Menschen in einem 30 Kilometer Radius sollten in ihren Häusern bleiben. Inzwischen wurde die Evakuierungszone in Japan auf 30 Kilometer um die havarierten Atomreaktoren erweitert. In der ARD-Tagesschau war gestern Abend zu sehen, wie der Direktor der US-Atomaufsicht vor einem Kongressausschuss die Vermutung äußerte, die japanische Betreiberfirma (Tepco) der Atomkraftanlage "Fukushima" verheimliche den Ernst der Situation. Im Abklingbecken des Reaktorblocks 4 sei kein Wasser mehr vorhanden. Die Strahlung sei daher dort extrem hoch und beeinträchtige die Arbeiten zur Eindämmung der Folgen der Atomreaktor Havarien auf dem Gelände der Anlage. Die Strahlendosis, der die Arbeiter vor Ort ausgesetzt sind, sei in einem relativ kurzem Zeitraum potentiell tödlich und er halte einen deutlich größeren Evakuierungsradius von 80 Kilometern für erforderlich ...
Ein Fall von Kindesmissbrauch
Wenn ich sehe, in welche Lage die wespenfarbene Bundesregierung uns mit der Aufkündigung des Atomkonsens gebracht hat, auch bezüglich der mit ihrem Deal mit den Atomkonzernen verbundenen juristischen Fallstricke, dann platzt mir der Kragen! Da sitzen sie jetzt - die Damen und Herren Politiker von der CDU, der CSU und der FDP - in den verschiedensten Talk-Runden der ARD, des ZDF und einiger privater Fernsehsender, und verteidigen "ihre Atompolitik" mit dem gewohnten bla-bla-bla gegen die Kollegen der Opposition und die Vertreter von Umweltverbänden etc.
Wie sie sich winden, wenn sie nicht sagen wollen, dass sie die Risiken nicht sehen wollen und dass sie beabsichtigen, uns weiterhin den Gefahren auszusetzen, die vom Betrieb ihrer Atomkraftwerke ausgehen, und wie sie deshalb versuchen, ihre Botschaft nett in leere Worthülsen zu verpacken. So wie Herr Teyssen (Eon, Vorstand) gestern Abend in der ZDF-Sendung "Maybrit ILLNER" ... - als er von seinen Kindern sprach, die für ihn das wichtigste auf der Welt seien. Gleich zu Beginn der Sendung stellte Frau Illner Herrn Teyssen die Frage: "Sind und bleiben sie ein überzeugter Befürworter der Kernenergie?"
Nach einleitenden Worten über die Naturkatastrophe in Japan, über Energiearten im allgemeinen, und seiner Verantwortung für die Sicherheit der Kraftwerke im besonderen, fuhr er fort: "... Für mich ist das auch eine ganz menschliche, eine ganz private Frage. Ich habe vier Kinder. Das ist das Wichtigste was ich habe, die wohnen 20 Kilometer von einem Kernkraftwerk entfernt. Und sie können sicher sein, dass ich ab Freitag kein Kernkraftwerk zugelassen hätte, zu betreiben, wenn ich an dessen aktueller Sicherheit irgendeinen Zweifel hätte. Dazu brauchen wir keine behördliche Anordnung und keine Regierung. Wir haben uns vergewissert, aber, es kann nicht einfach alles sein wie vorher, wir müssen die Konsequenzen abwägen, wir müssen genau verstehen was passiert ist, und das kann Änderungen bedingen, nur, äh, wir müssen prüfen ..." An diese Stelle wurde er von Frau Illner unterbrochen, die das Wort an einen anderen Gast ihrer Gesprächsrunde weitergab.
Und das war gut so, weil ich merkte, wie wieder einmal - wie schon so oft in den letzten Tagen - die Übelkeit in mir aufstieg.
Seit Freitag, dem Tag der Naturkatastrophe und der ersten Probleme in den Atomkraftwerken in Japan, hätte Herr Teyssen also "kein Kernkraftwerk zugelassen .., zu betreiben" wenn er "an dessen aktueller Sicherheit irgendeinen Zweifel hätte." Und wie hielt er es vorher damit, wenn er jetzt die Betonung auf seit Freitag legt? Wenn er seit dem 26. April 1986 etwas dazu gelernt hätte, dann hätte Herr Teyssen sich längst nach einem anderen Job umgesehen. Der Lernerfolg seit dem dem letzten Freitag war allerdings auch gleich Null: "... wir müssen genau verstehen was passiert ist, und das kann Änderungen bedingen ..." Hallo?
Die Ursache zu verstehen sollte ja wohl nicht allzu schwer sein: Aufgrund eines Erdbebens mit anschließendem Tsunami wurden für den Betrieb der Atomkraftanlage wichtige Teile, unter anderem Teile der Kühlsysteme zerstört, und die für die Aufrechterhaltung der Sicherheit benötigte Notstromversorgung funktionierte nur bedingt und nicht lange genug. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Atomkraftwerk in Deutschland durch ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami beschädigt wird. Wenn es aber aufgrund irgendeiner anderen Ursache zum Ausfall der Kühlung und der Sicherheitseinrichtungen in einem Atomkraftwerk in Deutschland kommen sollte, dann werden die Folgen die gleichen sein, wie in den Atomkraftwerken "Tschernobyl" und "Fukushima". Auf die Frage, welche Änderungen das gegebenenfalls bedingen könnte, gibt es nur eine einzige Antwort:
Atomkraftwerke abschalten!
Wer sagt, seine Kinder, die 20 Kilometer von einem Atomkraftwerk entfernt wohnen, seien das wichtigste für ihn, und angesichts der Situation in der Atomanlage "Fukushima" nicht dafür sorgt, dass der Atommeiler in der Nachbarschaft seiner Kinder umgehend vom Netz geht ... - aber das kann man ja eigentlich schlecht machen, weil man sich mit seinen Atomkraftwerken schließlich schon so manche goldene Nase verdient hat ... - der missbraucht seine Kinder zur Durchsetzung seiner Geschäftsinteressen!
Tschernobyl, Fukushima, ... - Grohnde?
Was muss noch alles passieren, bevor Phrasen wie "wir müssen prüfen", "wir müssen verstehen", "sichere Kernkraftwerke" oder "CO2 freie Brückentechnologie" endlich aus dem Vokabular der Atomkonzerne und ihrer politischen Handlanger verschwinden?
Muss es dafür zuerst zu einem Super-GAU in einem der deutschen Atomkraftwerke kommen? Vielleicht in Grohnde? Mitten in Deutschland?
- Würde das vielleicht ausreichen, um die von den geldgierigen Atomkonzernen ferngesteuerten Polit-Marionetten dazu zu bewegen, wenigstens etwas ernsthafter die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass es vielleicht doch keine so schlechte Idee wäre, die Atommeiler auf der Stelle abzuschalten?
Die infolge des Super-GAUs von 1986 im Atomkraftwerk Tschernobyl verstrahlte Fläche in der Ukraine, Belarus und Russland ist fast 150000 Quadratkilometer groß. Das entspricht etwas weniger als der dreifachen Fläche der Schweiz (41285 Quadratkilometer). Vor einem Jahr hatte ich mir einmal die Mühe gemacht, dreimal die Fläche der Schweiz mit dem Atomkraftwerk "Grohnde" im Zentrum auf das Territorium der Bundesrepublik zu projizieren. Es braucht wohl nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was ein Super-GAU mitten in Deutschland für unsere Gesellschaft bedeuten würde.
Was der Beginn einer zusammenbrechenden Infrastruktur in einer hochtechnisierten Industriegesellschaft bedeutet, kann man zur Zeit jeden Tag in den Nachrichten über das von der dreifachen Katastrophe gebeutelte Japan beobachten. Die Leute frieren bei winterlichen Temperaturen, die Ärzte in den Krankenhäusern sind gezwungen die Patienten auszuwählen, bei denen die Chancen auf Heilung am größten sind und die anderen warten zu lassen - oder wegzuschicken. Strom wird rationalisert und steht nur stundenweise zur Verfügung ...
Wenn es nach mir ginge, wäre es besser, wir würden uns jetzt etwas einschränken, um weniger Strom zu verbrauchen, als dass wir eines Tages in einer Strahlenwüste vor dem Nichts stehen. Noch ist es für uns nicht zu spät. Noch haben wir die Gelegenheit zu handeln. Noch können wir die Atomkraftwerke in Deutschland abschalten. Anschließend müssen wir uns dann aber auch um diejenigen in der Schweiz, in Frankreich, in Belgien, in den Niederlanden und in Tschechien kümmern.
Atomausstieg in die eigenen Hände nehmen
Jetzt, wo die Atomkonzerne in Deutschland plötzlich ihre Felle davonschwimmen sehen, drohen sie mit teuerem Strom und Schadenersatzansprüchen. Dabei sind sie nicht einmal ansatzweise ausreichend versichert, um im Falle eines Super-GAUs auch nur einen Hauch von Schadenersatz an die Bürger der Bundesrepublik zahlen zu können. Von den offiziellen und versteckten Subventionen für Forschung und Entwicklung sowie für den Betrieb der Atomkraftwerke und die gigantischen Kosten und Probleme, die im Zusammenhang mit der sicheren Verwahrung des Atommülls schon angefallen sind und mit denen noch unzählige Generationen unserer Nachfahren belastest sein werden, einmal ganz abgesehen. Wenn hier in diesem Zusammenhang irgendjemand das Recht hat, Schadenersatz zu fordern, dann sind es die kommenden Generationen, denen die heute lebenden Generationen zu Schadenersatz verpflichtet sind. Da das nicht möglich ist, stehen wir ihnen gegenüber in der Pflicht, den Schaden der schon angerichtet ist, wenigstens zu begrenzen. Die Lösung dafür lautet:
Atomkraftwerke abschalten!
Aber wenn die Betreiber ihre Atomkraftwerke heute nicht freiwillig abschalten, dann überlegen sie es sich vielleicht ja doch noch einmal, wenn niemand mehr ihren Atomstrom haben will. Die Tagesschau berichtete gestern Nachmittag, ein Online Vergleichsportal habe einen starken Zuwachs bei Nachfragen nach einem Wechsel zu Ökostrom-Anbietern verzeichnet, die keinen Vertrag mit Atomkraftwerksbetreibern für den Bezug ihres Stroms abgeschlossen haben: In den letzten Tagen sei die Nachfrage bei Ökostromanbietern um 60 Prozent gestiegen. Allerdings ist dort, wo "Öko" drauf steht, nicht unbedingt ausschließlich "Öko" drin.
Zum einen ist daran der Handel mit den CO2-Zertifikaten schuld. Unter dem Deckmantel zugekaufter CO2-Zertifikate kann schon leicht die eine oder andere Kohlekraft-Kilowattstunde grün gewaschen werden. Zum anderen sollte man sich auch die Bezugsquellen und die Investitionspolitik der Anbieter von Strom aus regenerativen Energiequellen etwas genauer ansehen.
Einen guten Anbieter erkennt man an seinen Investitionen in den Ausbau neuer regenerativer Energiequellen. Dazu sagte Herr Krawinkel (Verbraucherzentrale, Bundesverband) im Filmbeitrag der Tagesschau, viele Ökostromanbieter würden es sich zu einfach machen. Sie würden lediglich den ohnehin vorhandenen Wasserkraftstrom aus Norwegen oder Österreich importierten. Da die Kapazität der Stromerzeugung jedoch gleich bleibe, sei das nichts weiter als eine Umverteilung. Wenn mehr Strom aus Norwegen oder Österreich nach Deutschland exportiert würde, dann müssten die Versorgungslücken in diesen Ländern durch "schmutzigen" Strom ergänzt werden.
(Quellen: Maybrit Illner vom 17.03.2011, Tagesschau vom 17.03.2011, Tagesthemen vom 17.03.2011)
3 Kommentare:
Aloha!
Ich weiß nicht, ob ich Dich das schon'mal gefragt habe - aber hast Du zufällig "Thank you for smoking" gesehen / gelesen?
Die Haltung eines Hrn. Teyssen erinnert stark an den Protagonisten während er versucht zu erklären, dass ein Warnsymbol auf jeder Schachtel Zigaretten schlecht für die Entwicklung seines Sohnes ist...
lG,
Daniel
Das beste neben einem Stomanbieterwechsel ist im Moment aber wirklich der Gang auf die Straße. So labil war diese Regierung schon lange nicht mehr und ich glaube mit genug Druck von allen Seiten könnte man sie wirklich in die Ecke treiben und zum Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg bewegen und noch ein paar drauf setzen!
@Daniel: Nee, aber ich hatte in deiner Antwort an einen deiner Kommentatoren davon gelesen, und habe mal im Internet gestöbert. Die Inhaltsangabe und die Kritiken machen neugierig.
@Alex H.: Du hast Recht. Ich werde deshalb, sofern ich die Möglichkeit dazu habe, bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Atompolitik der Bundesregierung auf die Straße gehen. Wir müssen den Druck jetzt wirklich aufrecht erhalten.
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