Freitag, 6. März 2015

Blogger Raif Badawi: Ein verzeifelter Hilferuf

Am 07.05.2014 wurde der Blogger Raif Badawi von einem Strafgericht in Dschidda (Saudi Arabien) zu 1000 Stockschlägen, zehn Jahren Haft, einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 200.000 Euro und einem zehnjährigen Reise- und Medienverbot verurteilt.

Seitdem Herr Badawi am 09.01.2015 mit den ersten fünfzig Stockschlägen traktiert wurde, erhob sich eine weltweite Welle des Protest gegen den - wie Amnesty International es ausdrückt - "Akt bösartiger Grausamkeit". In Deutschland fordern Menschenrechtsgruppen und die Opposition von der Bundesregierung, dass sie sich den Protesten anzuschließt. Das berichtete "Die Zeit" in einem Artikel auf ihrer Internetseite vom 19.01.2015.

Am kommenden Samstag wird Herr Gabriel (SPD, Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler) zu Wirtschaftsgesprächen nach Saudi-Arabien fliegen. Die internationale Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" hat ihn aufgefordert, sich dort persönlich für den inhaftierten Blogger einzusetzen. In ihrem Bericht zitiert "Die Zeit" dazu Frau Jüttner (Amnesty International) mit den Worten (Zitat): "Wir fordern die Bundesregierung und Minister Gabriel auf, die Menschenrechtsverletzungen öffentlich klar als Folter zu benennen." Saudi-Arabien habe die UN-Konvention gegen Folter unterschrieben und verstoße damit klar gegen das Völkerrecht. Herr Gabriel müsse das deutlich sagen und sich öffentlich für die Freilassung von Herrn Badawi einsetzen.

Heute ist in einem weiteren Bericht der "Zeit" zu lesen, dass Herrn Badawi ein neues Verfahren droht: Wegen Apostasie (Abfall vom Glauben). In Saudi-Arabien steht darauf die Todesstrafe!

In ihrer Verzweiflung hat sich deshalb jetzt die Frau Herrn Badawis, die seit ihrer Flucht aus Saudi-Arabien mit den drei kleinen Kindern der Familie in Kanada lebt, persönlich an Herrn Gabriel und - mit Hilfe des internationalen demokratischen Netzwerks AVAAZ - an die deutsche Öffentlichkeit gewandt. In einer E-Mail an den Verteiler des Netzwerks schreibt sie (Zitat):

Liebe Avaaz-Mitglieder,

die Hände und Füße in Fesseln, sein schmerzverzerrtes Gesicht für alle sichtbar. Die Vorstellung, dass sie meinen Mann auf diese Weise verprügelt haben, mit 50 Stockschlägen in aller Öffentlichkeit, ist unerträglich. Und jetzt höre ich, dass er sogar hingerichtet werden könnte - doch zusammen können wir ihn retten!

Ich heiße Ensaf Haidar und Raif ist mein Mann. Letztes Jahr wurde er zu 10 Jahren Gefängnis und 1000 Stockschlägen verurteilt, weil er in einem Blog den Islam beleidigt haben soll. Raif ist ein friedlicher Mann und ein liebevoller Vater - unsere drei Kinder und ich vermissen ihn sehr und fürchten um sein Leben.

Nun könnte Deutschland uns helfen, ihn zu befreien: In 48 Stunden reist Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Saudi-Arabien - wenn er sich dort für Raif stark macht und die Wirtschaftsbeziehungen als Druckmittel nutzt, könnte er die saudischen Entscheidungsträger zum Einlenken bewegen.

Ich habe Sigmar Gabriel persönlich um Hilfe gebeten. Doch meine Stimme allein ist nicht stark genug. Deshalb bitte ich Sie, meinen Appell zu unterstützen. So können wir Sigmar Gabriel einen gewaltigen Aufruf mit auf die Reise geben, damit er Raifs Freilassung aushandelt. Machen Sie mit und senden Sie die Aktion an alle, die Sie kennen.

Vor einigen Jahren hatte mein Mann Raif Badawi ein Internet-Forum mit dem Namen "Freie Saudische Liberale" gegründet. Über Politik und Religion wollte er schreiben, auf gesellschaftliche und politische Missstände hinweisen. Doch von der saudischen Justiz folgten harte Strafen wegen Beleidigung des Islams. Und diese gelten nicht nur meinem Mann: Seine öffentliche Prügel sendet ein Warnsignal an alle, die ähnliches Gedankengut zum Ausdruck bringen könnten.

Raif und ich lernten uns vor 15 Jahren kennen. Zwei Jahre später heirateten wir und kurz darauf war ich mit unserem ersten Kind schwanger. Als mein Mann 2008 Ärger mit den Behörden bekam, bat er mich, Saudi-Arabien zu verlassen: Von Ägypten reisten wir in den Libanon und von dort schließlich nach Kanada, wo mir und unseren Kindern Asyl gewährt wurde. Doch jetzt können wir nicht einfach hier sitzen und zuschauen - wir möchten Raif zurückhaben!

Die Menschen in meinen Land wünschen sich Reformen und weltweit erhält Raifs Notlage immer mehr Aufmerksamkeit. Sigmar Gabriel hat bereits gesagt, er werde das Thema Menschenrechte bei seinem Besuch ansprechen. Bitte unterstützen Sie meinen Appell - ein dringender Aufruf von uns allen könnte meinem Mann die Freiheit schenken.

Voller Dankbarkeit,

Ensaf und das gesamte Avaaz-Team

Wer sich für das Leben und die Freilassung Herrn Badawis einsetzen möchte, kann die an Herrn Gabriel gerichtete Petition auf der Internetseite von AVAAZ online unterzeichnen. Sie lautet:
An den deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel:

Als Bürgerinnen und Bürger aus aller Welt, die sich um den inhaftierten Blogger Raif Badawi sorgen, fordern wir Sie auf, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um seine sofortige und bedingungslose Freilassung und Ausreiseerlaubnis zu sichern. Deutschland ist ein wichtiger Waffenlieferant für Saudi-Arabien -- wir bitten Sie, keine Waffen an Länder zu liefern, die international anerkannte Menschenrechte nicht achten. Wenn Sie jetzt mit gutem Beispiel vorangehen, könnten Sie Raifs Freilassung bewirken und für stärkere Grundsätze in Handelsbeziehungen sorgen.


Recht und Freiheit?

"Einigkeit und Recht und Freiheit" heißt es in der ersten Zeile der deutschen Nationalhymne. Vor dem Hintergund der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien finde ich es beschämend, dass  deutsche Bundesregierungen das erzkonservative Königreich immer wieder mit Waffen beliefern. Zwar wurde die letzte Lieferung im Januar "wegen der unsicheren Lage in der Region" (IS-Terror) vorerst zurückgehalten, aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.

Ich hoffe, dass die Ankündigung Herrn Gabriels, er wolle "die Menschenrechtslage in Saudi Arabien ansprechen", mehr als eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit ist. Wer mit einem solchen Regime, das fortwährend gegen das allgemeine Menschenrecht der freien Meinungsäußerung und das Folterverbot verstößt, unbeschränkt Handel treibt, wertet auch dessen Ansehen auf.

Wer sich wie Deutschland ".. Recht und Freiheit" auf die Fahnen schreibt, macht sich unglaubwürdig, wenn er aus reiner Profitgier Geschäfte mit Staaten macht, die ebendiese Werte fortwährend mit Füßen treten. Wiederholte Verletzungen der Menschenrechte müssen deshalb in letzter Konsquenz auch wirtschaftliche Folgen haben.


Zum Weiterlesen
juwi's welt:
Amnesty International:

  • "Die Verschiebung der Stockschläge aus medizinischen Gründen macht nicht nur die unglaubliche Brutalität dieser Bestrafung deutlich, sondern zeigt auch auf, wie unmenschlich diese Strafe tatsächlich ist. Die Tatsache, dass Raif Badawis Wunden zunächst verheilen müssen, damit er dann in der Lage ist, diese brutale Strafe erneut über sich ergehen zu lassen, ist einfach nur makaber und empörend. Die Prügelstrafe sollte prinzipiell unter keinen Umständen angewendet werden."

    Said Boumedouha
    (Amnesty International, geschäftsführender Direktor des Programms für den Nahen Osten und Nordafrika)



(Quellen: AVAAZ - E-Mail vom 05.03.2015, Die Zeit 06.03.2015 und vom 19.01.2015, Deutsche Welle vom 04.03.2015, Die Welt vom 30.01.2015, Amnesty International vom 29.01.2015 und vom  19.01.2015, Der Spiegel vom 25.01.2015 )

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