Mittwoch, 10. November 2010

Atommüll "End"-Lager: Sofortiger Vollzug

Atomkraft? Nein Danke!Die "Hannoversche Allgemeine" berichtet in ihrer Online Ausgabe vom 09.11.2010, nur Stunden nach dem den massivsten Protesten der Atomkraftgegner im Wendland gegen den jüngsten Castortransport habe das zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie den sofortigen Vollzug der Genehmigung für die Wiederaufnahme der Arbeiten zur Erkundung des Salzstocks bei Gorleben angeordnet.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte bei seinem Antrag zur Wiederaufnahme der Erkundung vergessen, die sofortige Vollziehung der Genehmigung zu verlangen. Mehrere im Oktober eingereichte Klagen hatten daher aufschiebende Wirkung und die Wiederaufnahme der Arbeiten im Salzstock verhindert. Die Kirchengemeinde Gartow, der ein Grundstück neben dem Bergwerk gehört, und Greenpeace kündigten an, Widerspruch gegen die Anordnung des Sofortvollzugs beim Verwaltungsgericht einzulegen.

Die SPD und die Linken im niedersächsischen Landtag bezeichneten das Vorgehen Herrn Sanders (CDU, Niedersachsen, Umweltminister) als Provokation und den Zeitpunkt für die Anordnung des Sofortvollzugs - direkt im Anschluss an die größte Anti-Atom-Demonstration in der Geschichte des Wendlandes - als dreist. Dem schließe ich mich uneingeschränkt an!


Volkspartei?

Die Bundesregierung gefährdet mit ihrer Atompolitik mehr und mehr den sozialen Frieden in unserem Land. Sie wurde vom "Volk" dafür gewählt, die Interessen des Volkes zu vertreten. Das bedeutet nämlich der Begriff "Volksvertreter" (nur mal so zwischendurch ... - sozusagen zur Erinnerung). Statt dessen vertritt die Bundesregierung die Interessen der vier Atomkonzerne. Um deren Interessen gegen den Willen des Volks durchzusetzen, bekämpft sie es mit den Schlagstöcken und den Wasserwerfern der Polizei (natürlich nicht das gesamte Volk, sondern nur diejenigen, die nicht aus Angst vor der Staatsgewalt zu Hause gebleiben sind). Auch wenn es bei den Aktionen gegen den Castor-Transport mit zivilem Ungehorsam immer wieder zu unschönen Zwischenfällen zwischen einzelnen Polizisten und Demonstranten kam, waren im Wendland letztlich sowohl die Atomkraftgegner als auch die Polizisten Opfer der Atompolitik der Bundesregierung.

So hagelt es denn auch seitens der Gewerkschaft der Polizei (GdP) entsprechende Kritik. Reuters schreibt in seiner Online-Ausgabe vom 09.10.2010, Herr Freiberg (GdP, Vorsitzender) habe gesagt, die Polizei sehe sich immer mehr als Erfüllungsgehilfe zum politischen Machterhalt. Es sei ein politischer Fehler gewesen, den mühsam errungenen Atomkonsens aufzukündigen. Zudem sei die Polizei in den vergangenen Jahren personell geschwächt worden. Er fordere von der Bundesregierung und den Ländern, diese fatalen Irrfahrten zu korrigieren. Ein Einsatz in dieser Größenordnung müsse einmalig bleiben.

Die Politiker der CDU und der CSU bezeichnen ihre Parteien ja immer als "die großen Volksparteien". Wie weit müssen sich diese beiden Parteien eigentlich noch vom Volk entfernen, bevor sie merken, das ihr Handeln in der Bundesregierung den Begriff "Volkspartei" ad absurdum führt?


Sanders in die Augen

Mit seiner Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs, er habe damit sicherstellen wollen, dass in Gorleben endlich Klarheit geschaffen werde, ob der Standort für ein Endlager geeignet sei oder nicht, versucht Herr Sanders der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. Vielleicht sollte er etwas mehr Zeit mit Literatur-Recherche verbringen, bevor er derart fadenscheinige Gründe vorschiebt, um im Dunkel des Salzstocks ungehindert mit dem Ausbau des "Erkundungsbergwerks" zum "Endlager für hochradioaktiven Atommüll" fortfahren zu können.

In den Erkundungsunterlagen wird er auf die gleichen bisher unter Verschluss gehaltenen Forschungsergebnisse stoßen, die jetzt nach hartnäckigem Bohren der Atomkraftgegner so nach und nach an die Öffentlichkeit gelangen. Herr Sanders müsste sich allerdings schon die Mühe machen, die Originalberichte der Geologen zu studieren. Wie inzwischen ebenfalls bekannt wurde, ist von deren brisantem Inhalt ja auf dem Weg "bis ganz nach oben" immer weniger übrig geblieben.

Gegenüber dem ZDF-Magazin "Frontal 21" sagte Herr Nickel (Physiker, Spezialist für Salzstock-Analyse), in der Vergangenheit seien der Öffentlichkeit wichtige Forschungsergebnisse vorenthalten worden. Er habe im Auftrag der Bundesregierung ab 1979 die Eignung des Standorts Gorleben als Atommüll-Endlager untersucht und sei zu dem Schluss gekommen, es gebe Sicherheitsbedenken die in der Struktur des Salzstocks begründet seien. Die Eignung Gorlebens als Atommüllendlager habe er schon damals in Zweifel gezogen. Die kritischen Passagen des Geowissenschaftlers seien jedoch aus dem entscheidenden Abschluss-Bericht der Physikalischen Bundesanstalt, die Gorleben dann 1983 als Erkundungsort empfahl, herausgehalten worden. "Frontal 21" zitiert Herrn Nickel in einer Pressmappe mit den Worten:

"Ich empfinde das noch heute als Zensur. Wenn man als Wissenschaftler das, was man mit Messwerten belegen kann, nicht mehr schreiben darf, dann weiß ich nicht, wie man das anders nennen soll."



In den Originalen der Untersuchungsergebnisse und Berichte der Geologen würde Herr Sanders also ausreichend viele Gründe finden, die gegen ein "End"-Lager im Salz bei Gorleben sprechen, und könnte somit viel Geld für weitere "Erkundungsarbeiten" sparen. Von dem eingesparten Geld könnte er dann die Summe von mehr als 20 Millionen Euro berappen, die der Castor-Transport seinem Bundesland laut einem Bericht des "Spiegel" vom 08.11.200 gekostet hat. Schließlich kann Herr Sanders ja weder von der Bundesregierung noch von den anderen Bundesländern finanzielle Unterstützung für die Begleichung der Castor-Rechnung erwarten. Vielleicht würde von dem eingesparten Geld - nach Abzug der durch den Castor-Transport entstandenen Kosten - ja sogar noch etwas Geld für Investitionen in die Erschließung regenerativer Energiequellen übrig bleiben.





(Quellen: Hannoversche Allgemeine vom 09.11.2010, Reuters vom 09.11.2010, Greenpeace vom 09.11.2010, ZDF Spiegel vom 08.11.2010, Pressemappe vom 02.11.2010, Greenpeace "Die Akte Gorleben")

6 Kommentare:

Frau Momo hat gesagt…

Denk Link hat heute jemand bei mir gepostet:

http://www.gorleben-archiv.de/Lilo-Wollny-Kartenhaus.htm

Ansonsten kann ich nur die BI Lüchow Dannenberg zitieren: Atompolitischer Amoklauf.
Und der nächste Castor steht bevor.....
Wir werden auf alle Fälle auch nach Lubmin fahren im Dezember.

Jan-Schungit hat gesagt…

Ich meine, bis es ein Endlager gibt, soll der Müll da bleiben wo er ist. Aber ein Endlager muss da aufgebaut werden wo sich eine Erdplatte unter eine andere schiebt. So kommt der Atommühl in das Innere der Erde und nicht zu uns nach Oben.Haben Sie Meinungen dazu, wo man den Atommühl lagern soll?

juwi hat gesagt…

@Frau Momo: Besten Dank für die Info. Den Link hatte ich allerdings gerade schon in Aprils Kommentar bei euch entdeckt. Ich habe große Hochachtung vor den Wendländern, die seit über 30 Jahren gegen diesen Irrsinn zu Felde ziehen. Wenn die sagen: "Niemals aufgeben!", dann meinen die auch NIEMALS. Bei Politikern kann man sich da nicht immer so sicher sein.

juwi hat gesagt…

@Jan-Schungit: Kein Mensch kann heute vorhersagen, wie die Erde in Einer-, Drei- oder Zehn-Millionen Jahren aussehen wird. Wenn du meinst, du packst den Müll an die Stelle der Kontinentalplatte, an der er irgendwann unter der anderen verschweindet, dann bricht vielleicht genau das Stück, an dem dein Müll vergraben ist, nach oben auf, spuckt den aus dem inzwischen demolierten Castor befreiten strahlenden Schiet wieder aus, und deine was-weiß-ich-wie-viele Ur's-Enkel haben dann in vielleicht 1,2 Millionen Jahren ein ernsthaftes Problem, von dem sie fatalerweise nicht einmal ahnen, dass sie es haben. Die krepieren dann elendiglich an der Strahlenkrankheit. Einfach so! Ein weiteres Problem bei deiner Idee, den Atommüll an der Kante einer nach unten gleitenden Kontinentalplatte zu deponieren sehe ich darin, dass die Anzahl der Stellen, die dafür geeignet wären, begrenzt ist, und sich keine davon in der Bundesrepublik befindet. Die EU drängt jedoch darauf, das jedes Land seinen Müll auf dem eigenen Grund und Boden entsorgt. - Die Antwort auf deine Frage wie ich mit dem Atommüll umgehen würde, findest du in meinem Artikel "Die Castoren sind im 'Zwischen'-Lager" von gestern.

Anonym hat gesagt…

wie kann ich dich/Sie verfolgen?

juwi hat gesagt…

@Alicia: In privaten Blogs sind wir eigentlich alle "per du". "Du" und "dich" sind also voll in Ordnung. Bei deiner Anfrage ist mir aufgefallen, dass mein Feed-Button unten in der Seitenleiste abhanden gekommen war. Er ist jetzt wieder da. Falls du einen Feed-Reader verwendest, könntest du "juwi's welt" damit abonnieren. Die Möglichkeit, "Blogger" Blogs zu "verfolgen", habe ich selbst bisher nie in Betracht gezogen. Da es zu viele Blogs auf anderen Plattformen gibt, habe ich mir stattdessen die Link-Liste angelegt um schnellen Zugriff auf Blogs zu haben, die mich interessieren. Wegen der Sache mit der Verfolgung musste ich mich erst einmal schlau machen, und habe jetzt das Gadget unten in der Seitenleiste eingebaut. Weitere Fragen und Anregungen sind jederzeit willkommen.

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