Dienstag, 23. Juni 2009

Gestörtes Verhältnis

Der Schreiber eines Kommentars zu meinem Artikel "Bremerhavener Politiker spielen mit dem Feuer" von gestern meint, die Versuche der Bremer Landesregierung, in Bremerhaven mehr Einfluss zu gewinnen, gäbe es schon seit 1947. Bremerhaven sei eigentlich die freieste Gemeinde Deutschlands. Daran würden sich die Bremer "Pfeffersäcke" seit der Gründung des Landes Bremen stören.

Er hat wohl recht, wenn er sagt, dass Bremerhaven eine der freiesten Gemeinden Deutschlands ist. Es mag auch sein, dass während der Zeit der gemeinsamen Bremer und Bremerhavener Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg auch immer wieder einmal der Eindruck entstand, diese Tatsache sei den Bremer Landespolitikern ein Dorn im Auge.


Tatsache ist jedoch auch, dass Bremerhaven als Stadtgemeinde im Bundesland Bremen finanziell vom Land abhängig ist. Da das nun einmal so ist, macht die Große Koalition nicht einfach nur einen "groben Fehler", wenn sie wider jeden gesunden Menschenverstand und trotz Androhung finanzieller Konsequenzen aus Bremen mit "weniger als Nichts" in der Kasse eine zig-millionen Euro teure Eissporthalle bauen will, nur damit ein Bremerhavener Eishockeyclub und seine Fans ihren Willen bekommen und endlich Ruhe geben. Es ist wirklich nicht so, dass ich denen keine neue Eissporthalle gönne, aber vielleicht ist es an der Zeit, dass die Bremerhavener Eishockeygemeinde sich nach privaten Sponsoren dafür umsieht. Die öffentlichen Kassen sind nämlich offensichtlich endgültig leer. Außerdem kann auch dem Eishockeyclub eigentlich ja wohl nicht daran gelegen sein, dass die Stadt Bremerhaven ihre Freiheiten einbüßt, nur damit er seine neue Eissporthalle bekommt.Wenn der Neubau so wichtig für den Eishockeyclub ist, und es ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept dafür gibt, dann wird sich sicherlich ein privater Investor dafür finden lassen.

Was die Kostenexplosion bei den Havenwelten angeht, bin ich mir nicht so sicher, ob die Große Koalition diese allein zu verantworten hat. Dort spielten, soweit es bisher bekannt geworden ist, sehr viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Der eigentliche Auslöser für die Kostenexplosion war wohl, soweit ich das beurteilen kann, die Klage des Stahlbauunternehmens gegen die Vergabe des Auftrags an einen Konkurenten. Der dadurch verzögerte Baubeginn zog weitere Verzögerungen durch andere am Bau beteiligte Firmen nach sich, die natürlich nicht so lange Däumchen drehen konnten, sondern ihre Kapazitäten zwischenzeitlich anders einsetzen mussten. Auch der teurere Einkauf des Stahls infolge der inzwischen gestiegenen Stahlpreise wurde durch die aufgrund der Klage entstandene Verzögerung beim Bau verursacht. Inwieweit die Große Koalition mögliche Verfahrensfehler bei der Ausschreibung zu verantworten hat, sollte aus meiner Sicht von einem unabhängigen Untersuchungsausschuss geklärt werden. Die gestern im Bremerhavener Blog "Cappuccino & Meer" veröffentlichte Kritik an den Kosten der nichtöffentlichen Eröffnungsfeier mit geladenen Gästen für das Klimahaus geht allerdings sehr wohl in Richtung Große Koalition wenn dort gesagt wird, dass wieder einmal die Bremerhavener Steuerzahler für die Kosten aufkommen müssen. Auch diese Kosten werden letztlich aus dem Kassenbestand von "weniger als Nichts" finanziert werden müssen.

Wenn vor diesem ganzen Hintergrund ein hochrangiger Bremerhavener Politiker aber meint, er könne die Bremer Landesregierung damit brüskieren, dass er seine Teilnahme an einem zur Klärung der Sachlage anberaumten Spitzengespräch aufkündigt, dann ist das nicht einfach ein "Grober Fehler", sondern er setzt damit in grob fahrlässiger Weise die Freiheiten der Stadt Bremerhaven aufs Spiel.


Dass die Verhältnisse zwischen Bremen und Bremerhaven so sind, wie sie sind, hat wohl nicht zuletzt auch etwas damit zu tun, dass die Zugehörigkeit Bremerhavens zum Land Bremen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund einer Entscheidung der amerikanischen Militärregierung zustande kam, die mit Wirkung vom 1. Januar 1947 das Verwaltungsgebiet Bremen und das Stadtgebiet der ehemals eigenständigen Stadt Wesermünde zum selbstständigen Land Bremen erklärt hatte. Die Eingliederung des Stadtgebietes von Wesermünde in das Land Bremen erfolgte in einer feierlichen Sitzung der Wesermünder Stadtvertretung, die am Ende der Sitzung einstimmig beschloss der Stadt Wesermünde den Namen "Bremerhaven" zu geben. Im Zuge der Eingliederung der Stadt in das Land Bremen, wird die Wesermünder Stadtvertretung damals sicher auch darauf geachtet haben, dass sie nicht ihre gesamten Rechte an die die Landesregierung in Bremen abtritt.

Es hat immer den Anschein, als profitiere vor allem Bremerhaven von den Arbeitsplätzen in den Bremer Häfen, die ja seit jeher bremisches Hoheitsgebiet sind. Aber auch die umliegenden Gemeinden im Landkreis Cuxhaven profitieren von diesen Arbeitsplätzen, da viele im Hafen Beschäftigte nicht aus Bremerhaven, sondern aus dem Bremerhavener Umland kommen. Die umliegenden Gemeinden verweigern allerdings jede Zusammenarbeit mit Bremerhaven, um das steigende Verkehrsaufkommen des wachsenden Hafenbetriebs auch zukünftig bewältigen zu können, während Bremerhaven die gesamten Lasten im Zusammenhang mit dem Ausbau der Hafenanbindung an das bundesweite Verkehrsnetz tragen muss. Die Steuereinnahmen aus dem Betrieb der stadtbremischen Häfen "bei Bremerhaven" sowie die erwirtschafteten Gewinne fließen jedoch nicht in die Bremerhavener Stadtkasse, sondern nach Bremen. Lediglich ein Teil davon wird an Bremerhaven zur Deckung laufender Kosten zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens in der Stadt weitergegeben.


(Quellen: TAZ von 30.05.2009, Weser Kurier vom 14.05. und 09.06.2009)

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