Sonntag, 29. November 2009

Über den Dächern der Stadt


Bremerhaven: Wasserturm im Stadtpark Lehe

Dieser Blick bietet sich von der Aussichtsgallerie am Turm der Pauluskirche in 35 Metern Höhe. Als einer von drei ehrenamtlichen Turmführern habe ich dort oben schon viele schöne Momente erlebt. Im Vordergrund liegt der Stadtpark Lehe mit dem Leher Wasserturm. Dahinter geht der Blick weiter über den Leher Ortsteil Klushof. Links ist in Höhe des Horizonts die grüne Kirchturmspitze der Alten Kirche zu erkennen. In der Mitte überragt das Hochhaus an der Hans-Böckler-Straße im Stadtteil Leherheide den Horizont (zum vergrößern bitte auf das Foto klicken).

Der Blick vom Turm, gerade auch in diese Richtung, ist je nach Jahreszeit und Wetter immer wieder neu. Jetzt, im November, kann man durch die kahlen Bäume hindurch bis auf den Rasen blicken. Im Frühling und im Sommer zeigt sich das Laub der Bäume in verschiedenen Schattierungen von üppigem Grün, und im Herbst leuchtet einem von unten bei sonnigem Wetter ein buntes Farbenmeer entgegen.

Die Aussichtsgallerie der Pauluskirche ist übrigens der einzige Aussichtspunkt in Bremerhaven, zu dem man im Rahmen einer Turmführung gelangt. Damit auch weniger sportliche Gäste die 144 Stufen der Turmtreppen problemlos bewältigen können, legen wir auf jeder Turmebene eine kurze Pause ein und erzählen etwas über die Geschichte der Kirche und ihrer Umgebung im Bremerhavener Stadtteil Lehe.


Der weit über 150 Jahre alte Wasserturm im Stadtpark Lehe erinnert an die Frühzeit der Wasserversorgung in den Unterweserorten. 1852 begann Herr Melchior Schwoon mit der Errichtung des Wasserturms im heutigen Stadtpark Lehe. In der Nachbarschaft des neuen Turms stand damals der Wasserturm des Maurermeisters Eits, den dieser bereits seit 1838 betrieb.

Zu jener Zeit war Lehe ein eigenständiger Flecken. Im benachbarten Bremerhaven war es bis dahin nicht gelungen, einen eigenen Brunnen zu bohren. Wegen der Nähe zur Weser war man dort immer nur auf Brackwasser gestoßen. Deshalb hatten die Leher den Hafenort bis 1838 mit Wasser in Fässern versorgt, die mühseelig mit Pferdefuhrwerken von Lehe nach Bremerhaven transportiert wurden. Was die Pferde und die Spediteure damals geleistet haben, und was das Material der hölzernen Fuhrwerke aushalten musste, kann man sich sehr leicht vor Augen führen, wenn man bedenkt, dass ein Kubikmeter Wasser eine Tonne wiegt. Der Transportweg des Wassers für die Schiffe im Hafen der Bremer Exklave Bremerhaven war sogar noch erheblich länger. Die Schiffe wurden von einem Tankkahn mit Wasser aus Rönnebeck beliefert. Die bis 1866 noch zu Hannover, und danach zu Preußen gehörende Gemeinde Rönnebeck ist heute ein Ortsteil des Bremer Stadtteils Blumenthal in Bremen-Nord.

Der Wasserturm der Firma Eits war daher versorgungstechnisch eine überragende Verbesserung. Gemeinsam mit dem Spediteur Claussen verlegte Herr Eits die erste Wasserleitung vom Brunnen auf seinem Grundstück in Lehe nach Bremerhaven und nahm sie am 8. August 1838 in Betrieb. Das Wasser wurde mit Hilfe einer von Zugtieren betriebenen Pumpanlage in den Tank auf dem Wasserturm in 15 Metern Höhe befördert und von dort durch die neue Wasserleitung nach Bremerhaven gedrückt. Seit dem konnten sich die Bremerhavener Haushalte aus einer Zapfstelle am Ende der Wasserleitung versorgen. Für die Schiffe wurden zur Wasserentnahme bewegliche Röhren und Rinnen zum heutigen Alten Hafen gelegt. Von dort gelangte das Wasser durch einen Lederschlauch in die Schiffsfässer.

Durch die Eheschließung der Kinder der Familien Eits und Schwoon kam es 1870 zum Zusammenschluss der beiden Wasserversorger.

Die Wasserleitung wurde zu einem Leitungsnetz in Bremerhaven ausgebaut. An verschiedenen Straßenecken gab es Zapfstellen zur Versorgung der Haushalte in der Nachbarschaft. Für die Versorgung der Schiffe wurde ein Hydrant an der Ostseite des Alten Hafens installiert. Der Turm der Familie Eits, der an der Stelle stand, an der sich heute das Gebäude mit der Sparkasse befindet, und in dem bis vor kurzem auch die Leher Filiale der Post ihre Räume hatte, wurde später aufgegeben.

Um 1870 begann man mit der Installation von Wasserleitungen in den Bremerhavener Häusern. Der Leher Wasserturm war jetzt zu niedrig zur Erzeugung eines ausreichenden Wasserdrucks für die oberen Stockwerke der neuen, mehrstöckigen Gründerzeithäuser. Lehe erhöhte deshalb im Jahre 1902 gemeinsam mit der Fa. Schwoon den Wasserturm an der Hafenstraße auf seine jetzige Größe.


(Quelle: Harry Gabcke, Bremerhaven in 2 Jahrhunderten)

2 Kommentare:

Cloudy hat gesagt…

Ein sehr schöner Bericht aus Höhe des Turmes. Und ja, leider kann man nur in gnaz wenigen von ihnen einmal hoch steigen...
Servus und so long
Kvelli

Katinka hat gesagt…

Hallo Juwi,
ein sehr interessanter und schöner Bericht!

Liebe Grüße
Katinka

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