Sonntag, 1. Mai 2016

Rückbau AKW Esenshamm: 20 Dissens-Punkte


Buten un Binnen: Extra zum Atomkraftwerk Unterweser (Radio Bremen vom 24.08.2015)

Im Rahmen ihrer gemeinsam koordinierten Aktionswoche "5 Jahre Fukushima, 30 Jahre Tschernobyl" hatten der BUND-Unterweser, die Bremerhavener GRÜNEN und die "Fukushima-Mahnwache" für den 28.04.2016 zu einem Informationsabend in der Bremerhavener "Werkstatt 212" eingeladen.

Im Kern ging es dabei um 20 Dissens-Punkte zu EON und dem Umweltministerium des Landes Niedersachsen im Zusammenhang mit dem Rückbau des Atomkraftwerks "Unterweser" (bzw. AKW Esenshamm) und dem Bau eines neuen "Zwischen"-Lagers (Atommülllager). Referenten waren Herr Meyer-Ott (Die Grünen, Wesermarsch) und Herr Obermair. Beide sind im "Arbeitskreis Wersermarsch" (AkW) aktiv.

In seiner Einführung in das Thema verdeutlichte Herr Meyer-Ott, warum es auch für uns Bremerhavener wichtig ist, die Vorgänge rund um das nur etwa fünfzehn Kilometer von Bremerhaven entfernt gelegene Atomkraftwerk im Blick zu behalten:
Herr Meyer-Ott stellte unter anderem unmissverständlich klar, dass EON sich die Möglichkeit vorbehält, das Atomkraftwerk "Unterweser" wieder in Betrieb zu nehmen.

Seitens des Atomkonzerns heiße es, man bereite zwar alles für den Rückbau des Atomkraftwerks vor, halte aber an seiner Verfassungsbeschwerde gegen die im Rahmen des Atommoratoriums und dem "Atomausstieg" verfügte Stillegung fest. Um seine Rechtsposition zu wahren, beabsichtige EON, erst nach einer gerichtlichen Entscheidung gegebenenfalls mit den endgültigen Rückbauarbeiten zu beginnen. Das war so übrigens auch schon einem Bericht des "Weser-Kurier" aus dem Jahre 2013 zu entnehmen. Die Bremer Regionalzeitung zitierte diesbezüglich die Darstellung einer Sprecherin des EON-Konzerns.

Anhand einer Liste von 20 Dissens-Punkten erläuterten die Referenten dann im Wechsel ihre Kritik an den - wie schnell deutlich wurde, ziemlich planlosen - Rückbauplänen des Atomkraftwerk-Betreibers EON und an den Planungen für den Bau eines neuen Atommüllagers auf dem Gelände des Atomkraftwerks "Unterweser". EON habe bisher kein schlüssiges Konzept für einen Rückbauplan vorgelegt. Stattdessen gebe es nur eine zusammenhanglose Sammlung diverser Ideen dazu, wie man die Sache angehen könnte.

Der AkW fordere vom niedersächsischen Umweltministerium, dass es EON zur Vorlage eines schlüssig nachvollziehbaren Gesamtkonzepts für den Rückbau verpflichtet. Anderenfalls sei zu befürchten, dass es - mit Fokus auf die jeweils gerade billigste Variante - "von Schritt zu Schritt" zu Einzelabsprachen mit dem niedersächsischen Umweltministerium komme, eine unabhängige, öffentliche Kontrolle nicht möglich sei und die Bevölkerung mit ihren Sorgen und Ängsten außen vor bliebe.

Genaugenommen waren es deutlich mehr als die angekündigten "20 Dissens-Punkte", die an dem Abend zur Sprache kamen: Zu einigen dieser zwanzig Punkte wurden mehrere Unterpunkte abgehandelt, die den Umfang der Informationen erheblich vervielfachten. In Anbetracht dieser geballten Informationsflut, kann ich mich natürlich nicht all das erinnern, was gesagt wurde. Aber allein das, was mir in Erinnerung blieb, ist Grund genug, die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Rückbau des Atomkraftwerks "Unterweser" im Auge zu behalten.


Umweltverträglichkeitsprüfung

Mit der Umweltverträglichkeitsprüfung soll eine Arbeitsgemeinschaft aus mehreren TÜVs beauftragt werden. Dagegen hat der AkW erhebliche Vorbehalte. Als Beispiel dafür nannte Herr Meyer-Ott das Auftreten eines Vertreters des TÜV im Rahmen eines Anhörungstermins, der wider besseres Wissen exakt die Linie des EON-Konzerns vertreten habe. Der AkW fordere deshalb, dass ein unabhängiger Prüfer mit der Umweltverträglichkeitsprüfung beauftragt wird.


Rückbau

Im Atomkraftwerk gibt es noch Brennstäbe die bis zur Abschaltung 2011 im Reaktor betrieben wurden. Diese müssen noch bis etwa 2017 ständig gekühlt werden, bis sie soweit abgeklungen sind, dass sie zur weiteren Lagerung in Castor-Behältern verpackt werden können. Sie geben dann aber immernoch so viel Wärme und Strahlung ab, dass sie noch nicht transportiert werden können.

Überrascht war ich über die Information, dass im Abklingbecken des Atomkraftwerks zerbrochene Brennstäbe liegen, für deren Bergung und Handhabung es bisher kein sicheres technisches Verfahren gibt. Auf meine Frage, wie es zur Zerstörung der Brennstäbe kommen konnte, antwortete Herr Obermair, diese seien bei der "Entnahme" aus dem Atomreaktor zerbrochen, weil sie verklemmt waren. Die Bergung bereite auch deshalb Probleme, weil die Bruchstücke nicht für das Einbringen in die Castor-Behälter geeignet seien.

EON hat beantragt, mit dem Rückbau zu beginnen bevor die hochradioaktiven Brennstäbe aus dem Atomreaktor entfernt worden sein werden. Herr Meyer-Ott erklärte, dass dieses Ansinnen mit einem großen Risiko verbunden wäre, da die Brennelemente gekühlt werden müssen. Dafür aber müssten aktive Sicherheitssysteme (Pumpen, Kühlkreislauf, Abschirmung, ...) während des Rückbaus weiterhin in Betrieb bleiben. Der AkW fordert deshalb, dass erst dann mit dem Abrissarbeiten begonnen wird, wenn alle Brennstäbe entfernt worden sind. Das gelte ebenso auch für die zerstörten Brennstäbe.

Das vorhandene Atommüll-"Zwischen"-Lager sei für eine Einlagerung nicht geeignet - EON sieht das anders. Deshalb klagt der AkW vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen das Lager. In Brunsbüttel führte eine ähnlich begründete Klage gegen den Betrieb eines baugleichen "Zwischen"-Lagers zur Aufhebung der Betriebsgenehmigung durch das Oberverwaltungsgericht Schleswig.

Bezüglich der Lagerung und des Umgangs mit anfallendem mittel- und schwach radioaktivem Atommüll behält EON sich vor, den Rückbau von der Fertigstellung des Atommüll-"End"-Lagers "Schacht-Konrad" abhängig zu machen. Bis vor kurzen hieß es noch, das in einem ehemaligen Eisenerz-Bergwerk vorgesehene Lager werde im 2022 in Betrieb gehen. Ob der Zeitplan gehalten werden kann ist allerdings bisher noch gar nicht sicher. Im Jahre 2008 war noch davon ausgegangen worden, dass das Lager Ende 2013 seinen Betrieb aufnehmen kann. Im Oktober 2014 gab ein Sprecher des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) bekannt, dass er keinen konkreten Eröffnungstermin nennen könne. Der zuletzt geplante Termin (2022) sei ungewiss. Im Vordergrund stünde die Sicherheit. Erst wenn dieser Punkt geklärt sei, könne man über einen Zeitpunkt reden, ab dem mit der Einlagerung begonnen werden kann.

Der AkW kritisiert das Fehlen eines radiologischen Gesamtkatasters, anhand dessen die radiologischen Stoff- und Atomabfallstoffströme nachvollziehbar wären. Beispielsweise werden während des Rückbaus neben dem Atommüll weiterhin auch Emissionen radioaktiver Gase und Stäube über den Kamin anfallen. Für den Rückbau gibt es den Ausführungen der Referenten zufolge keine schlüssigen Strahlenminimierungskonzepte. Begründungen für die beantragten Abgabemengen lägen nicht vor. Auch sei beabsichtigt, während des Rückbaus mehr Abwasser als bisher in die Weser einzuleiten. EON habe beantragt, dafür die Grenzwerte für Radioaktivität im Wasser zu lockern.


Atommülllager

Bisher gibt es auf dem Betriebgelände drei Atommülllager. Derzeit sind darin 26 mit hochradioaktivem Atommüll beladene und sechs leere Castor-Behälter, sowie leicht und mittelradioaktiver Müll untergebracht. In einem der Lager werden den Referenten zufolge - in Zement gebunden - radioaktiv kontaminierte Arbeitsmittel (Putzlappen etc.) in Fässern gelagert. Biologische und/oder chemische Prozesse in den Zement-/Müll-Gebinden hätten zur Folge, dass einige der Fässer aufgebläht sind. Unter den Atomkraftgegnern in der Wesermarsch heißt dieses Lager deshalb "Blählager".

Da ein geeignetes "End"-Lager für hochradioaktiven Atommüll derzeit nicht in Sicht ist, hat EON einen Antrag für den Bau eines neuen Atommüll-"Zwischen"-Lagers gestellt (LUnA, Bauantrag von 2013). Das LUnA - eine achtzig Meter lange und siebenundzwanzig Meter breite Betonhalle - ist für die Lagerung von achtzig mit hoch radioaktivem Atommüll befüllten Castor-Behältern vorgesehen.

Die beantragte Halle ist für den voraussichtlich lokal anfallenden Atommüll überdimensioniert. Herr Meyer-Ott erklärte diesbezüglich, EON plane auch an anderen EON-Standorten anfallenden Atommüll auf dem Gelände des Atomkraftwerks "Unterweser" einzulagern.

Der AkW fordert, die Fremdeinlagerung zu untersagen - unter anderem auch deshalb, weil die Kriterien für einen "sicheren" Transport von anderen AKW-Standorten zum Atomkraftwerk "Unterweser" nicht erfüllt seien. Stattdessen solle das "Blählager" aufgelöst und in das LUaA integriert werden.

Wenn es nach EON ginge, würden die Atommüllbehälter im LUnA so eng wie möglich gestellt werden. Zur Kontrolle würde von jedem Behältertyp jeweils ein Referenzbehälter leicht zugänglich aufgestellt werden, der dann in gewissen zeitlichen Abständen auf mögliche Schäden untersucht werden würde.

Im Jahre 2012 war im stillgelegten Atomkraftwerk "Brunsbüttel" zufällig ein durch Korrosion schwer beschädigtes Atommüllfass gefunden worden. Der Schaden war lange Zeit nicht entdeckt worden, weil auch in Brunsbüttel nur Stichproben, nicht aber alle gelagerten Atommüllfässer kontrolliert worden waren. Zwei Jahre später war die Anzahl der bekannten, vor sich hinrostenden Fässer auf 102 gestiegen. Erst im Februar dieses Jahres konnte das erste Fass aus den schwer zugänglichen Lagerkavernen des Atomkraftwerks "Brunsbüttel" geborgen werden.

Der AkW fordert auch deshalb, dass alle Behälter im LUnA so aufgestellt werden, dass ihr Zustand jederzeit kontrollierbar ist und dass - unabhängig vom jeweiligen Stellplatz im Lager - beschädigte Behälter jederzeit geborgen werden können. Damit die Mitarbeiter keiner unnötigen Belastung durch Radioaktivität ausgesetzt werden, müsse die Überwachung und Kontrolle der Behälter mit Kameras erfolgen. Sollte einmal ein beschädigter Atommüllbehälter entdeckt werden, gäbe es allerdings keine "heiße Zelle" in der ein Reparatur vor Ort möglich wäre. Auch diesbezüglich fordert der AkW Nachbesserungen.

Ein weiterer Kritikpunkt des AkW betrifft die Sicherheit des LUnA gegen äußere Einwirkungen. Die Sicherheit gegen den Absturz eines Flugzeugs von der Größe eines Airbus A380 (Unfall, Terroranschlag) sei nicht gegeben. Einem Terrorangriff mit Panzerfäusten und anderen Angriffswaffen würde das Gebäude nicht standhalten. Auch gegen eine mögliche Überflutung (Sturmflut, Deichbruch) böte das geplante Atommülllager keinen ausreichenden Schutz.

Für das geplante neue "Zwischen"-Lager gibt es bisher keine verbindliche Festlegung für die Dauer der Betriebsgenehmigung. Befürchtungen, dass daraus im Laufe der Zeit ein "End"-Lager werden könnte, sind auch aus meiner Sicht nicht ganz unbegründet. Bis es in Deutschland ein "End"-Lager für hoch radioaktiven Müll geben wird, könnten wohl gut noch 30, 40 oder auch noch mehr Jahre ins Land gehen - falls hierzulande überhaupt jemals ein - nach Stand von Wissenschaft und Technik(!) - geeigneter Standort dafür gefunden werden sollte. Herr Wenzel (Die Grünen, Umweltminister) habe sich zwar bemüht zu versichern, dass tatsächlich nur ein "Zwischen"-Lager zur Diskussion steht, nicht aber eine dauerhafte Lösung in Form eines Atommüll-"End"-Lagers. Aber wirklich überzeugen konnte er damit wohl eher nicht.

Solange es kein wirklich sicheres "Endlager für hochradioaktiven Atommüll" gibt, das diese Bezeichnung auch verdient, macht die Unterscheidung zwischen "End"-Lager und "Zwischen"-Lager aus meiner Sicht ohnehin keinen Sinn. Ich würde die beiden Bezeichnungen daher der Kategorie "Neusprech" zuordnen. Davon, welche Aussicht besteht, weltweit überhaupt irgend einen sicheren(!) Standort für ein "Endlager für hochradioaktiven Atommüll" zu finden, vermittelt der Dokumentarfilm "Die Reise zum sichersten Ort der Erde", der zur Zeit noch in der arte-Mediathek zu sehen ist, einen Eindruck.


Freimessung

Die Teile eines Atomkraftwerks, die mit dem radioaktiven "Brennstoff" und seinen Zerfallsprodukten in Berührung kommen, werden im Laufe der Zeit so sehr radioaktiv kontaminiert, dass sie selbst als Atommüll gelagert werden müssen. Streit gibt es angesichts der großen Mengen an Gebäudeschutt im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Rückbau des Atomkraftwerks "Unterweser" darüber, ab welcher Radioaktivität es sich um radioaktive Abfälle handelt. EON beruft sich dabei auf die Strahlenschutzverordnung, derzufolge alles, was unter zehn Mikrosievert (µSv) liegt, für die Lagerung auf einer herkömmlichen Mülldeponie oder die Verwendung als Baumaterial, beispielsweise im Straßenbau, freigeben werden kann. Diese Vorgehensweise nennt sich dann "freimessen".

Die Maßeinheit Sievert ist ein Maß für die biologische Strahlenbelastung. Die genannten zehn Mikrosievert beziehen sich auf eine radioaktive Belastung, der ein Mensch über den Zeitraum eines Jahres ausgesetzt wäre. Zum Vergleich: In Deutschland sind wir infolge der "natürlichen" Strahlenbelastung einer mittleren effektiven Dosis in Höhe von 2,4 mSv (Millisievert) pro Jahr ausgesetzt.

Nun kann man zwar der Ansicht sein, dass 10 µSv gegenüber 2,4 mSv verschwindend gering sind, aber zum einen sind in der sogenannten "natürlichen" Strahlenbelastung Anteile aus dem Fallout während der Zeit der oberirdischen Atombombentests, radioaktive Stoffe aus dem "Normalbetrieb" von Atomkraftwerken etc. enthalten, denen unsere Vorfahren noch nicht ausgesetzt waren und zum anderen hat künstlich verursachte Radioaktivität in der Umwelt nichts zu suchen - schon gar nicht, wenn sie absichtlich dorthin entsorgt wird. Und jedes bischen Radioaktivität, was zusätzlich in die Umwelt gelangt, trägt letztlich zur Erhöhung unserer "natürlichen" Strahlenbelastung bei, die im Übrigen von Region zu Region durchaus unterschiedlich hoch ausfallen kann.

Nebenbeibemerkt gibt es genau genommen überhaupt keinen Gernzwert, ab dem Radioaktivität als ungefährlich angesehen werden könnte. Jedes herumfliegende Teilchen eines zerfallenen Atoms, jede noch so geringe Dosis Gammastrahlung kann eine Zelle so schädigen, dass sie zu einer Krebszelle mutiert. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die Ursache dafür auf die "natürliche" oder auf die Radioaktivität aus technischen Anwendungen zurückzuführen ist. Da unser Immunsystem in der Lage ist, eine gewisse Anzahl an mutierten Zellen zu eliminieren, ist es nicht vorhersehbar, ob oder wann jemand an Krebs erkrankt. Sicher ist aber, dass die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, in Abhängigkeit der Höhe der Dosis an Radioaktivität nach oben zunimmt. Grundsätzlich gilt deshalb beim Umgang mit radioaktiven Stoffen immer das Minimierungsgebot.

Der AkW hält deshalb den Freigabewert von zehn Mikrosievert pro Mensch und Jahr für viel zu hoch. Um das Krebsrisiko für die Umgebung zu minimieren, müsse dieser auf zwei Mikrosievert gesenkt werden. Das sei bereits seit 2007 Stand von Wissenschaft und Technik - auch wenn dieser Wert bisher nicht in die Strahlenschutzverordnung aufgenommen wurde. Die Freigabe als "normaler" Bauschutt sei von unabhängiger Seite jeweils zu ermitteln und zu überwachen.

In diesem Zusammenhang wäre vielleicht interessant zu wissen, wie es bezüglich des Freigabewertes ab 2018 aussieht. Bis dahin muss die europäische EURATOM-Richtlinie, die grundlegend überarbeitet wurde, in nationales Recht umgesetzt worden sein. Soweit mir bisher bekannt ist, sollen die bisherige Strahlenschutzverordnung und die Röntgenverordnung in einer neuen Verordnung zusammengefasst und einige Grenzwerte gesenkt werden.

Die geforderte Anwendung eines Grenzwerts von zwei Mikrosievert würde die Menge an Schutt, der nicht auf einer herkömmlichen Deponie gelagert oder im Straßenbau wiederverwendet werden könnte, erheblich erhöhen. Als Deponie für freigemessenen Bauschutt aus dem Rückbau des  Atomkraftwerks "Unterweser" ist eine Sandgrube nahe der zwischen Bremerhaven und Bremen gelegenen Ortschaft Driftsethe im Gespräch. Auch dort regt sich bereits Widerstand seitens der "Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe".

Herr Meyer-Ott führte aus, dass der Verbleib der "freigemessenen", aber immer noch radioaktiven Abfälle "noch nicht einmal im Ansatz beschrieben" ist. Auch läge dafür kein Handhabungs-, Überwachungs- und Strahlenminimierungskonzept vor. Anstatt diese Abfälle - frei nach dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn" - einfach aus der Welt zu schaffen, indem sie in Mülldeponien oder unter Straßen vergraben werden, müsse ein entsprechendes Konzept für den Umgang mit diesem schwach radioaktiven Abfall entwickelt werden.


Hochwasserschutz

Ein weiterer Kritikpunkt des AkW ist der unzureichende Hochwasserschutz, sowohl für das Atomkraftwerk, wie auch für die Atommülllager auf dessen Betriebsgelände. Wie Herr Obermair ausführte, sind die Deiche nördlich und südlich des Atomkraftwerks "Unterweser" niedriger als im Bereich davor. Im Gegensatz zu den Deichen auf der Bremerhavener Seite seien die Deiche am östlichen Ufer bisher nicht an die aktuellen Prognosen im Zusammenhang mit der Klimaänderung und der daraus resultierenden Häufung und Verschärfung von Extremwetterereignissen angepast worden.

Nur im Bereich des Atomkraftwerks läge die Höhe der Deichkrone bei etwa acht Metern. Davor und dahinter seien die Deiche ein bis zwei Meter niedriger. Zudem gäbe es kurz vor und kurz nach dem Atomkraftwerk zusätzliche Absenkungen in der Deichhöhe, die auf die Straßendurchführung zum ehemaligen Fähranleger bei Kleinensiel und einem Sielbauwerk südlich des Atomkraftwerks zurückzuführen seien.

Im Falle einer schweren Sturmflut könnte der Deich an diesen kritischen Stellen überspült werden. Bei einer länger anhaltenden Sturmflut könnte es hier, zusätzlich zur fortschreitenden Durchweichung des Deiches, infolge des aufgrund des auf der steilen Böschung an der Rückseite der Deiche mit hoher Geschwindigkeit abfließenden Wassers zur Erosion kommen. Der Deich würde instabil werden und könnte brechen. Den Vorgaben für den Hochwasserschutz zufolge böten Deiche bei einer Höhe von etwas mehr als acht Metern Schutz vor der höchsten zu erwartenden Sturmflut.

Grundlage für diese Angaben seien zudem Prognosen aus den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Aktuelle Prognosen gehen von einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegel aus. Eigentlich ist daher also eher von zunehmend höher auflaufenden, als von "normalen" Sturmfluten auszugehen. Trotzdem halte das niedersächsische Umweltministerium den Hochwasserschutz im Bereich des Atomkraftwerks für ausreichend. Ich mag mir lieber nicht ausmalen, wie es im Falle einer Überflutung um die Sicherheit des Atomkraftwerks bestellt ist und wo fortgespülte radioaktive Bestandteile des auf dem Gelände gelagerten Atommülls später wiedergefunden werden würden.


Rechtsstreitigkeiten sind vorprogrammiert

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Herr Herr Meyer-Ott darüber berichtet, dass er seinen Parteikollegen Herrn Wenzel (Die Grünen, Niedersachsen, Umweltminsister) darum gebeten hatte, im Rahmen eines Erörterungstermins zum Rückbau und dem Neubau eines Atommülllagers verbindlich mitzuteilen, ob er die von den im AkW aktiven Initiativen seit Monaten geforderte "Freiwillige Öffentlichkeitsbeteiligung" einrichtet. Hintergrund ist, dass Vertreter AkW, des Umweltministeriums und des Betreibers sich im Vorfeld auf ein gemeinsames Vorgehen einigen und Entscheidungen gemeinsam fällen würden. Anderenfalls müssten die Rechte der betroffenen Bürger und Einwände von Umweltschutzverbänden vor Gericht eingeklagt werden.

Ein Gerichtsstreit würde aber den Rückbau des Atomkraftwerks unnötig verzögern. Damit wäre weder den im AkW zusammengeschlossenen Initiativen, noch dem Betreiberkonzern und dem Umweltministerium des Landes Niedersachsen geholfen. Ein ähnliches Verfahren, mit dem die Träger des Vorhabens, die Träger öffentlicher Belange sowie die zuständigen Behörden und die Initiativen zu gemeinschaftlichen Beschlüssen kamen, habe im Zusammenhang mit dem Forschungsreaktor "Geesthacht" erfolgreich zur Vermeidung von Klagen beigetragen.

Das Umweltministerium habe eine solche Art der Öffentlichkeitsbeteiligung jedoch abgelehnt. In Anbetracht der umfangreichen Kritiken an den Rück- und Neubauplänen rund um das Atomkraftwerk ist damit bereits jetzt abzusehen, dass es unweigerlich zu Klagen kommen muss!

Herr Meyer-Ott nannte einen Betrag, der dem AkW derzeit für die Begleichung der Kosten von Gerichtsverfahren zur Verfügung steht. Es sei bereits jetzt abzusehen, dass dieser für die zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten nicht ausreichen werde. Herr Meyer-Ott nutzte daher die Gelegenheit, die Gäste der Veranstaltung darum zu bitten, bei der Werbung um Spenden zu helfen, damit der AkW auch künftig in der Lage ist, strittige Punkte im Zusammenhang mit dem Rückbau des Atomkraftwerks "Unterweser" einzuklagen. Dieser Bitte komme ich hiermit gerne nach.


(weitere Quellen: NDR vom 29.02.2016, Radio Bremen vom 23.02.2016, AkW - Brief an Umweltminister vom 18.02.2016, NWZ vom 16.10.2015 und vom 25.09.2015, umweltFAIRaendern vom 30.06.2015, SHZ vom 25.11.2014, Weser-Kurier vom 05.08.2013, SHZ vom 08.03.2012 , Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe, EURATOM-Richtlinie, Wikipedia )

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