Mittwoch, 4. Mai 2016

Deshalb: Religionsfreiheit

Während ihres Parteitags am vergangenen Wochenende hat die AfD ihr beabsichtigtes Vorgehen gegen den Islam in Deutschland in ihr neues Grundsatzprogramm aufgenommen. Herr Tillschneider (AfD, Sachsen, Mitglied des Landesvorstands) sagte während des Parteitags (Zitat): "Der Islam ist 'uns' fremd. .."

Welch eine Erkenntnis. Einem Menschen, der an das glaubt, was ihm die Religion vermittelt, der er sich zugehörig fühlt, wird das eine oder andere dessen, woran Menschen glauben, die sich einer anderen Religion oder einer anderen Weltanschauung verbunden fühlen, wohl immer etwas "fremd" vorkommen.


Deshalb?

Aus seiner wenig überraschenden Erkenntnis leitet Herr Tillschneider in seinem darauf folgenden Satz her (Zitat): ".. Deshalb kann er sich nicht in gleichem Umfang auf die Religionsfreiheit berufen wie das Christentum."

Damit spricht sich Herr Tillschneider eindeutig gegen die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Religionsfreiheit aus. Diese Tatsache müsste zumindest denjenigenen durchaus bekannt sein, die am vergangenen Wochenende einem ihrer Parteikollegen zugehört haben. Die "Zeit" berichtet auf ihrer Internetseite in einem Beitrag vom 01.05.2016, ein Parteivertreter habe darauf hingewiesen, dass sich die AfD mit ihren Aussagen zum Islam gegen das Grundgesetz stellt.

Möglicherweise werden die meisten Parteitagsteilnehmer diesen "nicht ganz unwichtigen Hinweis"
aber erfolgreich ignoriert haben. Jedenfalls hatten die wenigen moderaten Stimmen nicht die geringste Chance, zu ihren "Parteifreunden" durchzudringen. So wurde beispielsweise ein Delegierter, der zum Dialog mit muslimischen Gemeinden vor Ort aufrief, ausgepfiffen. Ein Antrag, der zwischen einem abzulehnenden "politischen Islam" und einem "rein religiösen" Islam unterschied, wurde mit Buhrufen beantwortet.

Die AfD hat offensichtlich überhaupt nicht die geringste Absicht, in einen Dialog mit Vertretern des Islam in Deutschland einzutreten. Stattdessen setzt sie radikal auf Konfrontation. Große Zustimmung fand daher ein Antrag, der alle Glaubensrichtungen des Islam (Charidschiten, Schiiten, Sunniten, Sufis, Aleviten, Salafisten etc.) über einen Kamm schert, indem er behauptet, dass eine Aufklärung im Islam nicht realistisch und nicht wünschenswert ist. Der vom Bundesvorstand unterstützte Leitantrag, sogenannte "Islamkritiker" bei ihren Bemühungen um Aufklärung und Reformen des Islam zu unterstützen wurde damit abgelehnt.

Im Artikel 4, Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes heißt es unmissverständlich (Zitat):
  1. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
     
  2. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Die Garantie der Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens, des Gewissens, der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses und des Rechts der ungestörten Religionsausübung ist einer der Grundpfeiler für das friedliche Miteinander und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.


Deshalb!

Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit verpflichtet Angehörige aller Religionen in Deutschland zum respektvollen Umgang miteinander und zur Toleranz gegenüber Angehörigen einer jeweils anderen Religion. Nur die AfD nimmt für sich in Anspruch, gegen diesen fundamentalen Grundsatz für ein friedliches Miteinander verstoßen zu dürfen. Damit besteht die Gefahr, dass auch Andere dieses "Recht" für sich beanspruchen.

Während ihres gestern in Stuttgart zu Ende gegangenen Parteitags hat die AfD die - rechtlich wohl kaum haltbare - Ausgrenzung des Islam in ihrem Grundsatzprogramm festgeschrieben. Der Artikel 4 des Grundgesetzes gilt jedoch gleichermaßen für alle Religionen und weltanschaulichen Bekenntnisse. Jeder, der das infrage stellt und die Menschen ausgrenzt, die sich einer anderen Religion verbunden fühlen, sägt an diesem Grundpfeiler unserer Gesellschaft.
  • Deshalb sind die Herleitung Herrn Tillschneiders und das auf einem derartigen Weltbild aufbauende Grundsatzprogramm der AfD eine Gefahr für den sozialen Frieden in Deutschland.

Im Übrigen irrt Herr Tillschneider, wenn er meint, der Islam sein "uns" fremd. Da die muslimischen Gemeinden in Deutschland - im Gegensatz zu den christlichen Kirchen - keine Steuern erheben, kann die Zahl der hier lebenden Muslime zwar nur auf Grundlage anderer Quellen eingeschätzt werden, aber einer Grafik des Statistik Portals "Statistika" zufolge bekannten sich im Jahre 2010 hierzulande etwa vier Millionen Menschen zum Islam.

In einem Artikel auf der Internetseite des "Tagesspiegels" vom 13.11.2014 wird die Anzahl der Muslime in Deutschland mit 3,8 bis 4,3 Millionen angegeben. Diese Zahl entspreche der weithin anerkannten Hochrechnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Demnach lag die Anzahl der Muslime in Deutschland im Jahre 2014 bei etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung.

Zumindest diesen etwa 3,8 bis 4,3 Millionen gemeinsam mit "uns" in Deutschland zusammen lebenden Menschen ist der Islam also keineswegs fremd. Darüberhinaus gibt es viele Christen, die - im Gegensatz zur AfD - den Dialog mit ihren muslimischen Mitbürgern suchen. Wenn man erst einmal miteinander ins Gespräch gekommen ist, dann ist man sich irgendwann nicht mehr fremd.

Wenn Herr Tillschneider also behauptet, der Islam sei "uns" fremd, dann spricht er vielleicht im Namen der AfD, ihrer Wähler und der Menschen, deren Ängste die AfD auszunutzen versucht, nicht aber in meinem  Namen und im Namen der Christen, die den Dialog mit ihren muslimischen Mitbürgern aufgenommen haben.


(Quellen: Die Zeit vom 01.05.2016, Frankfurter Rundschau vom 01.05.2016, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 01.05.2016, Tagesschau vom 01.05.2015, Tagesspiegel vom 13.11.2014, Gesetze im Internet, Statistik Portal "Statistika", Wikipedia )

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