Granatkutter am Wremer Tief |
Zunächst einmal ist das eine überaus erfreuliche Nachricht. Allerdings hat das Europäische Parlament in dieser Angelegenheit nicht das letzte Wort, dank des Reformvertrags von Lissabon aber ein Mitentscheidungsrecht in fischereipolitischen Angelegenheiten.
Jetzt werden die Abgeordneten der 27 im Ministerrat vertretenen EU-Staaten über die Reformvorlage beraten. Anschließend müssen das EU-Parlament und der Ministerrat sich auf einen Kompromiss verständigen. Der ARD Tagesschau gegenüber äußerte Frau Rodust (Fraktion Sozialdemokraten Europäisches Parlament) gestern Abend sie Hoffnung, dass dies bis Mitte des Jahres gelingt. Im Kern geht es dabei um folgende Punkte:
- Ab 2014, mit Übergangsfristen bis 2017, dürfen nach dem Einholen der Netze keine Fische mehr zurück ins Meer geworfen werden. Bisher werden jährlich ungefähr 1,9 Millionen Tonnen gefangener Fische tot oder sterbend über Bord "entsorgt". Nach Aussage von Frau Rodust entspricht das beinahe 40 Prozent des gesamten Fangs. Die über Bord geworfenen Fische tauchen aber in den Berechnungen der zugeteilten Quoten nicht auf. Daher werden die Fischbestände bisher also deutlich stärker dezimiert, als anhand der ohnehin schon zu hohen Fangquoten zu erwarten wäre.
- Ab 2015 sollen die Fischbestände mithilfe strengerer Fangquoten geschützt werden. Die Entscheidung über die Quotenvergabe soll künftig nicht mehr in die Zuständigkeit der EU-Agrarminister fallen. Stattdessen sollen die Vorgaben der Wissenschaftler bindend sein. Damit die Fischbestände in den europäischen Gewässern sich bis 2020 erholen können, sollen die nach den jeweils aktuellen Erkenntnissen größtmöglichen Fangquoten zunächst nicht voll ausgeschöpft werden.
- Denjenigen, die sich nicht an die Bestimmungen halten, soll in Zukunft die Förderung der EU verwehrt werden. Derartige Sanktionen würden nicht nur Fischer und Unternehmen betreffen. Auch die Mitgliedstaaten selbst würden Sanktionen riskieren, falls ihre Regierungen nicht für die nötigen Kontrollen in ihren Gewässern sorgen sollten.
- Fischer und Umweltschutzorganisationen sollen künftig in fischereipolitische Entscheidungen der EU eingebunden werden.
- Die Fischereiabkommen mit Staaten, die nicht der EU angehören - insbesondere diejenigen mit Entwicklungsländern - sollen überarbeitet werden. Auch in den Gewässern dieser Länder darf die EU künftig nicht mehr zur Überfischung beitragen.
Die taz schrieb am 06.02.2013, eine Mehrheit der Regierungen wolle die Reform abschwächen. Diesen ginge es beispielsweise darum, dass der Rückwurf von Beifang nicht vollständig verboten wird. Den Berichten mehrerer Medien zufolge gibt es vorzugsweise Gegenwind von Politikern aus dem "Konservativen Lager". Bei diesen stehen großzügigere Übergangsfristen, sowie Ausnahmeregelungen auf dem Wunschzettel und verpflichtende Strafen bei Verstößen soll es auch nicht geben.
Es könnte auch passieren, dass EU-Mitgliedstaaten, in denen es eine starker Fischerei-Lobby gibt, den neuen Regeln jetzt zustimmen, es dann aber später mit den Kontrollen nicht so genau nehmen. Einzelne EU-Staaten, unter anderem auch die zweitgrößte europäische Fischereination Spanien, stehen den Reformplänen des Europäischen Parlaments insgesamt ablehnend gegenüber. Kompliziert wird es beim Status der Reformgegner Island und Faröer. Island ist seit Juli 2010 EU-Beitrittskandidat, aber noch kein Mitglied der EU. Die Faröer gehören zu Dänemark und haben den Status eines Autonomiegebietes, gehören jedoch nicht der EU an.
Der Spiegel berichtet am 06.02.2013 in einem Online-Artikel, dass Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zufolge 47 Prozent der Fischbestände im Atlantik und 90 Prozent der Bestände im Mittelmeer als überfischt gelten. In der Folge sei der Fischfang in den EU-Ländern in den vergangenen 15 Jahren um nahezu 40 Prozent zurückgegangen. Herr Breckling (Deutscher Fischerei-Verband, Geschäftsführer) begrüße das Ergebnis der Abstimmung im Parlament. In Europa sei man auf einem guten Weg. Mit langfristigen Managementplänen und der Reduzierung der Fischereiflotten sei der Anteil der überfischten Bestände im Nordostatlantik innerhalb von sechs Jahren von 94 auf 47 Prozent gesenkt worden. Das habe dazu geführt, dass die Gesamtfangmenge für viele Bestände wieder angehoben werden konnte. Die Fischer hätten davon durch Mehreinnahmen in Höhe von 135 Millionen Euro profitiert.
Aus meiner Sicht bleibt zu hoffen, dass es den Reformbefürwortern gelingen wird, bei den Verhandlungen mit dem Ministerrat eine Mehrheit für die wesentlichen Punkte des Reformplans zu gewinnen. Immerhin geht es um nichts weniger, als um die Sicherung der Verfügbarkeit einer unserer wichtigsten Nahrungsquellen, insbesondere auch für die nachfolgenden Generationen, sowie um die Zukunft der Fischerei in Europa.
"In der Nordsee erholen sich die Bestände langsam. Es gibt aber immer noch eine Reihe überfischter Bestände. In der Ostsee sieht es ganz schlecht aus. Und im Mittelmeer haben wir noch nicht einmal genug Daten, um zu wissen, wie schlecht es aussieht. Aber man weiß, dass ein Großteil überfischt ist."
Uta Bellion
(Pew Environment Group, Leiterin des Europäischen Meeresprogramms)
"Nach 30 Jahren verfehlter Fischereipolitik durch die Minister hat das Parlament mit einem Paukenschlag für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Fischerei gestimmt."
Anna Holl
(WWF)
(Quellen: Tagesschau 06.02.2013, ZDF Heute vom 06.02.2013, Süddeutsche Zeitung vom 06.02.2013, taz vom 02.06.2013, WWF vom 06.02.2012, Spiegel vom 06.02.2013 und vom 19.01.2013, Wikipedia)
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