Donnerstag, 31. Januar 2013

Atomausstieg: Das geht auch schneller! - Teil 2

Atomkraft? Nein Danke!In einem Kommentar zu meinem Artikel "Atomausstieg: Das geht auch schneller!" vom 29.01.2013 wird die Ansicht vertreten, der Atomausstieg sei schon kurz nach dem Vorfall in Fukushima angekündigt und beschleunigt worden. Das brauche einfach seine Zeit. Der Schreiber befürchtet, dass wir im Falle eines beschleunigten Atomausstiegs teuren Atomstrom aus Frankreich beziehen müssten. Er meint weiter, der Bau von Windrädern in der Nordsee sei im vollen Gange. Das Risiko eines Atomunglücks in Deutschland, so wie in Fukushima, schätzt er bei weitem nicht so hoch ein, wie es mein Artikel vermittelt.

Ein Atomausstieg und die Umsetzung der Energiewende ist selbst nach der “unverdächtigen” - weil “sozusagen höchstoffiziellen” - Studie des Umweltbundesamtes bis 2017 möglich. Die Studien des BUND und von Greenpeace zeigen Wege auf, wie das Ziel auch auch bis 2015 erreichbar wäre. - Leider müsste es genaugenommen heißen: “.. eigentlich erreichbar gewesen wäre, wenn gleich zu Beginn des Jahres 2011 die notwendigen Schritte dafür eingeleitet worden wären.” Seitdem sind zwei Jahre sinnlos vertrödelt worden. Selbst wenn man eher etwas vorsichtiger an den Atomausstieg herangehen möchte und den möglichen Zeitrahmen "bis 2017" ansetzt, dann wäre das immer noch um fünf Jahre schneller, als der sogenannte “Atomausstieg” à la Schwarz/Gelb.


Atomausstieg ist schon beschleunigt worden?

Davon einmal abgesehen kann ich beim besten Willen nicht erkennen, inwiefern das voraussichtliche Ende der Atomkraftwerke in Deutschland “beschleunigt worden” sein soll. Gegenüber dem rot/grünen “Atomkonsens” aus dem Jahre 2000 sind nur die beiden Atomkraftwerke "Phillipsburg-I" und "Krümmel" eher vom Netz gegangen (ein bzw. fünf Jahre früher) - und das auch nur aufgrund des “Atommoratoriums”, das es ohne den öffentlichen Druck hunderttausender Atomkraftgegener auf die Bundesregierung und ohne die Eindrücke, die der Super-GAU in der japanischen Atomanlage “Fukushima-I” am 11.03.2011 hinterlassen hat, nie gegeben hätte. Wäre es bei der schwarz-gelben "Laufzeitverlängerung" geblieben, dann wären wir den von diesen beiden Atomkraftwerken ausgehenden Gefahren voraussichtlich noch bis 2033 (Atomkraftwerk "Unterweser") und 2032 (Atomkraftwerk "Phillipsburg-I") ausgesetzt gewesen.

Die ebenfalls vom “Atommoratorium” betroffenen Atomkraftwerke "Biblis B" und "Brunsbüttel" waren bis zu dessen Umsetzung schon jeweils zwei Jahre, "Neckarwestheim-I" drei Jahre und "Biblis A" vier Jahre länger in Betrieb gewesen. Die Atomkraftwerke “Isar-I” und “Unterweser” wären dem Atomkonsens entsprechend ohnehin im Jahre 2011 vom Netz gegangen. Unterm Strich sind also allein die “dem Atommoratorium zum Opfer gefallenen” Atomkraftwerke insgesamt schon 5 Jahre länger in Betrieb gewesen, als es im “Atomkonsens” einmal verabredet worden war.

Die restlichen neun in Deutschland noch betriebenen Atomkraftwerke werden nach dem Willen der derzeitigen Bundesregierung bis zum Jahre 2022 insgesamt 30 Jahre länger in Betrieb gewesen sein, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie nicht am “Atomkonsens” gerüttelt hätte. Also wirklich: Als einen “schon kurz nach dem Vorfall in Fukushima angekündigten und beschleunigten Atomausstieg” würde ich eine Laufzeitverlängerung gegenüber dem “Atomkonsens” um insgesamt 35 Jahre nun nicht gerade bezeichnen.

Eine übersichtlichere Darstellung der "Laufzeiten" in Form einer tabellarischen Gegenüberstellung der Daten des "Atomkonsens", der "Laufzeitverlängerung", des "Atommoratoriums" sowie der Ausstiegsszenarios des "UBA", des "BUND" und von "Greenpeace", gibt es in meinem Artikel "Getarnte Laufzeitverlängerung" vom 09.06.2011.


Atomstrom-Import aus Frankreich?

Das von der Atomlobby immer wieder gerne viorgeführte Schreckgespenst “Teurer Atomstrom-Import aus Frankreich” ist im Winter 2011/2012 wohl endgültig ad absurdum geführt worden: Weil die Leistungsfähigkeit der Atommeiler der “Grande Nation Nucléaire” aufgrund der anhaltenden Frostperiode am oberen Limit schrammten, musste Frankreich Ökostrom aus Deutschland importieren.

Trotz der Abschaltung von acht Atomkraftwerken infolge des "Atommoratoriums" hat sich nichts daran geändert, dass Deutschland mehr Strom exportiert als importiert. Das war insbesondere während der Wintermonate der Fall. In Anbetracht der Drohkulisse, die von den Atomkonzernen in Reaktion auf das “Atommoratorium” aufgebaut worden war, hätten während dieser Monate hierzulande eigentlich die Lichter ausgehen müssen. Das Gegenteil war jedoch der Fall: Deutschland war in der Lage, die Rolle der Ausfallreserve für benachbarte Länder in Europa - insbesondere aber für unseren atomsüchtigen Nachbarn Frankreich - zu übernehmen.

Der im vergangenen Jahr erzeugte Strom-Überschuss wird den ewig gestrigen Atomstrom Import-Ängsten endgültig den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die 23 Milliarden Kilowattstunden, die über den eigenen Verbrauch hinaus erzeugt und exportiert wurden, sind der bisherige Rekord. Der vorherige Spitzenexport war im Jahre 2008 mit 22,4 Milliarden Kilowattstunden erreicht worden. Nachlesen kann man das in der Online-Ausgabe der Badischen Zeitung vom 08.01.2013.


Windradbau in der Nordsee in vollen Gange?

Wenn “der Bau von Windrädern in der Nordsee” tatsächlich “im vollen Gange” wäre, dann wäre das zur Abwechslung einmal eine wirklich gute Nachricht. Viele der bei uns in Bremerhaven ansässigen Hersteller von Offshore-Windenergieanlagen sehen die Zukunft ihrer Branche angesichts der “Energiewende Wende-Politik” à la Schwarz/Gelb in eher in düsteren Farben. Sollte sich daran nicht ganz schnell etwas ändern, dann wird das über kurz oder lang auch die Hoffungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung unserer Stadt endgültig zerschlagen.

Erst gestern hatte die Nordsee-Zeitung auf ihrer Titelseite einen entsprechenden Bericht mit dem Titel “Offshore Industrie fürchtet um Aufträge” veröffentlicht. Ein Artikel in der Online-Ausgabe der Zeitung vom 30.01.2013 bekräftigt diese Befürchtungen noch einmal. In Anbetracht der neuesten Hiobsbotschaften aus Berlin spricht die Windagentur WAB darin von einem verheerenden Signal an die Investoren.

Auch die Statements von Verantwortlichen der in Bremerhaven ansässigen Hersteller “Weserwind” und “Repower” lassen nichts Gutes ahnen: In der Rotorblattfertigung von “Repower” würden bis Mitte des Jahres aufgrund fehlender Aufträge alle 400 Leiharbeiter entlassen werden müssen. Bei “Weserwind” sei die Beschäftigung infolge eines Zusatzauftrags über 20 Tripoden für den Windpark “Global Tech 1” noch bis in den Herbst sichergestellt.

Angesichts solcher Zukunftsaussichten werden bei so manchem Bremerhavener unterschwellig sicher wieder böse Erinnerungen an den Beginn der Niedergangs der Werften in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wach: Wenn die Offshore-Windkraftanlagen Hersteller in Deutschland keine Aufträge mehr bekommen, dann werden sie Konkurs anmelden oder sich rechtzeitig nach Produktionsstandorten und Absatzgebieten in anderen Teilen der Welt müssen.

Nebenbei bemerkt, lege ich meine Hoffnungen bezüglich einer erfolgreichen Energiewende in Deutschland allerdings ohnehin eher auf viele kleine und dezentrale regenerative Energiequellen in kommunaler- und in Bürgerhand, als auf ein weiteres Energie-Oligopol einiger weniger Großkonzerne, deren Macht wir dann wieder schutzlos ausgeliefert wären. Die Offshore Windparks der Energiekonzerne sähe ich da schon lieber in der Rolle eines zusätzlichen Standbeins im zukünftigen Energie-Mix.


Risiko nicht so hoch wie in Fukushima?

Was “das Risiko eines Atomunglücks in Deutschland” angeht, würde ich die möglichen Risiken und Ursachen für einen zukünftigen Super-GAU mal lieber nicht auf ein Erdbeben, “so wie in Fukushima”, beschränken. Zum einen behaupteten bis zum März 2011 auch die Verantwortlichen in Japan immer, ihre Atomkraftwerke seien absolut sicher (genaugenommen sogar “absolut erdbebensicher”!) und zum anderen setzt die Auslösung eines atomaren GAUs oder Super-GAUs nicht zwingenderweise ein Erdbeben voraus. Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne noch einmal an die Vorfälle in Windscale (Großbritanien 1957, menschliches Versagen, Graphitbrand im Reaktorkern infolge einer Überhitzung), Harrisburg (USA 1977, Ausfall der Kühlung infolge einer Ventil-Fehlfunktion, partielle Kernschmelze eines Drittels des Reaktorkerns), Tschernobyl (UDSSR/Ukraine 1986, menschliches Versagen, Explosion des Reaktors und Zerstörung des Reaktorgebäudes) und an den Atomunfall mit dem Versuchsreaktor Lucens (Schweiz, 1969, Überhitzung von Brennelementen und Bersten eines Druckrohrs beim Wiederanfahren des in einer unterirdischen Kaverne installierten Reaktors nach einer Revision, geschmolzenes radioaktives Material wurde durch die Reaktorkaverne geschleudert). Meine Phantasie reicht aus, um mir darüberhinaus auch noch andere mögliche Unfallursachen und -hergänge vorstellen zu können.


Schlussbemerkungen

Scheinbar glauben manche Menschen wirklich noch an das schöne Märchen, demzufolge die “sichersten Atomkraftwerke der Welt” in Deutschland stehen. Es mag ja sein, dass Menschen, welche die Gefahren, die von der sogenannten “friedlichen Nutzung der Atomkraft” ausgehen nicht sehen wollen, nachts besser schlafen können als diejenigen, die den Realitäten ins Auge sehen. Ich bleibe jedenfalls lieber wachsam und halte es für sinnvoller, “denen da oben” bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu demonstrieren, dass ich keinesfalls damit einverstanden bin, dass wir diesen Gefahren noch weitere zehn Jahre lang ausgesetzt sein sollen. Übrigens: Dass an der Nutzung der Atomkraft absolut nicht friedliches zu finden ist, wird eindrucksvoll durch die vielen Menschen belegt, die ihr schon zum Opfer gefallen sind. Selbstverständlich schließe ich diesbezüglich auch die Menschen in der gesamten Uran-Verarbeitungskette (Abbau, Verarbeitung zu “Yellow Cake”, Brennelementeherstellung, Aufbereitung “abgebrannter” Brennelemente etc.) und die Opfer der Atombombenversuche sowie der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki mit ein.


Anti-Atom-Demos am 9.03.2013



(Quellen: Nordsee-Zeitung vom 30.01.2013, Badische Zeitung vom 08.01.2013, Wikipedia)

3 Kommentare:

Eso-Policier hat gesagt…

Der Technologismus soll nicht ganz beseitigt, aber stark begrenzt werden. Es ist sinnvoll, Naturforschung gemäß C. G. Jung zu fördern. Mehr dazu auf meinem Blog.

juwi hat gesagt…

@Eso-Policier:
Ich vermute, du beziehst dich mit deinem Kommentar auf den ersten Eintrag in deinem Blog. Darin schreibst du (Zitat): "Es ist sinnvoll, die orthodoxe Wissenschaft durch Esoterik (z. B. Traumdeutung nach C. G. Jung), Bionik und Naturheilkunde zu ergänzen." | Soweit ich weiß war Carl Gustav Jung (1875-1961) ein Psychater dessen Erkenntnisse zu einem großen Teil auf den Aufzeichnungen seiner eigenen Träume und der Beschäftigung damit basieren. Nichts für ungut, aber ich frage mich, wie du mit Traumdeutung und Tiefenpsychologie die weltweite Außerbetriebnahme der Atomkraftanlagen erreichen willst.

Anonym hat gesagt…

Ich vermag eines NICHT zu verstehen: WARUM setzt man in D nur auf Wind und Sonnenkraft und lässt die Wasserkraft dabei völlig außen vor???? Der Pumpenhersteller KSB aus Frankenthal hat eine entsprechende Turbine entwickelt:
http://www.pressebox.de/pressemitteilung/ksb-ag-frankenthal/Flussturbinen-gehen-ans-Netz/boxid/372678
Im Gegensatz zu den Windrädern verschandeln Flußturbinen die Landschaft NICHT !!!

Salut
Helmut

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