Mittwoch, 5. Januar 2011

Atomkraftfreie Zone?

Atomkraft? Nein Danke!Die Menschen im Land Bremen wähnen sich
scheinbar im gelobten (Bundes)-Land. Proteste
gegen die Verlängerungen der Betriebsgeneh-
migungen für die Atomkraftwerke regen sich
anderswo, kaum jedoch in Bremen oder
Bremerhaven. Lediglich, als kurz vor Weihnachten ein Atommüll-
Transport über die Bremerhavener Seehäfen nach Russland drohte,
flackerte kurzeitig auch im kleinsten Bundesland ein kleiner
Funke des Widerstands.


Allzuleicht wird hier ausgeblendet, dass auf der anderen Seite der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven bei Kleinensiel eine dieser latenten radioaktiven Zeitbomben unter ihrer Reaktorkuppel lauert. Sollte es dort einmal zu einem Super-GAU kommen, dann würde es sich an der deutschen Nordseeküste bis weit hinein ins niedersächsische Hinterland für niemanden mehr lohnen, noch ernsthaft über Pläne für die Zukunft nachzudenken.


Lubmin, Klappe: Die Zweite!

Proteste regen sich anderswo ... - Zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit bereits zum zweiten Mal an der Ostseeküste bei Greifswald. Voraussichtlich in der Zeit um den 16./17. Februar herum soll im ursprünglich ausschließlich ostdeutschem Atommüll vorbehaltenen Atommülllager Nord (Zwischenlager Nord, ZLN) schon wieder ein neuer Castor-Transport aus dem Westen der Republik eintreffen - dieses Mal direkt aus Karlsruhe.

Merkwürdigerweise verwenden die Energiewerke Nord (EWN, bundeseigener Betreiber des Atommülllagers) immer noch den Begriff  "Zwischen"-Lager, wenn sie von ihrem Atommülllager in der Lubminer Heide sprechen. Dabei hat der Haushaltsausschuss des Bundestags nach Aussage des Herrn Rittscher (EWN, Geschäftsführer) inzwischen eine bis 2080 reichende Finanzplanung bestätigt, derzufolge von 2013 bis 2080 eine weitere Milliarde Euro für den Betrieb des Atommülllagers nötig sein wird. Nach meiner Einschätzung wird das noch lange nicht der letzte Nachschlag für das Lager bei Lubmin gewesen sein (das trifft im übrigen auch auf alle anderen sogenannten Atommüll-"Zwischen"-Lager zu). Eigentlich hätte der Atommüll nur noch bis 2029 im ZLN gelagert werden dürfen.

Um die Versprechen und Beteuerungen der Politiker von gestern schert sich heute niemand mehr! Dabei wissen die schon jetzt nicht mehr, wo sie mit dem radioaktiven Schiet bleiben sollen. Wie denn auch! Es gibt dafür keine technisch und ethisch/moralisch vertretbare Lösung. Ich frage mich, wie es an der Atommüllfront wohl nach der zweiten und der was-weiß-ich-wie-vielten Laufzeitverlängerung ausehen wird? Ob sie dann noch immer geschäftige Betriebsamkeit vortäuschen werden, indem sie den Atommüll immer wieder von einem Atommülllager in das nächste verschieben? Ich werde das in meinem Leben mit Sicherheit nicht mehr erfahren.


Was niemand weiß macht niemanden heiß


Todeszone "AKW Unterweser" auf einer größeren Karte anzeigen.
Für weitere Details bitte in der Karte auf Ortsmarkierungen und "Luftlinien" klicken.


Proteste regen sich anderswo. "Störfälle" in Atomkraftwerken ereignen sich Harrisburg, im Atomkraftwerk Krümmel oder damals in demjenigen bei Tschernobyl, aber doch nicht in Bremerhaven. Das ist alles so weit weg ...
  • Während einer Revision wurden im Atomkraftwerk Unterweser am 29.08.2010 drei Leckagen festgestellt (meldepflichtiges Ereignes, Meldekategorie "N", INES-Skala Stufe 0). Der Zeitplan für das Wiederanfahren konnte deshalb nicht eingehalten werden.
  • Am 28.12.2010 wurden um 13 Uhr zwei von drei Reaktorschutzgrenzen erreicht, woraufhin sich die Anlage selbsttätig abschaltete (meldepflichtiges Ereignes, Meldekategorie "N", INES-Skala Stufe 0). Der Reaktor stabilisierte sich daraufhin im Anlagenzustand "unterkritisch heiß".


Wenn während einer Revision drei Leckagen entdeckt werden, dann heißt das im Umkehrschluss, dass das Atomkraftwerk Unterweser vorher während einer unbekannten Zeit mit mindestens drei undichten Stellen in Betrieb war. Mindestens deshalb, weil es in der Vergangenheit nicht nur einmal vorkam, dass Mängel bei Kontrollen übersehen wurden.

"Die Anlage hat bestimmungsgemäß reagiert" heißt immer wieder es in Fällen, in denen die Notfallsysteme eines Atomkraftwerks gerade noch einmal das Schlimmste verhindern konnten. Am 28.12.2010 hätte es offensichtlich nur noch eine weitere Schutzmaßnahme gegeben, falls eine oder beide Schutzmechanismen bei den vorhergehenden Grenzereignissen nicht ordnungsgemäß funktioniert hätten. Zumindest in diesem Fall wäre es dann nicht bei einer Meldung der Kategorie "N" geblieben. Ein "störungsfreier Betrieb" sieht jedenfalls anders aus.


Das Atomkraftwerk Unterweser liegt in einer Entfernung von 22 km von der nördlichen Stadtgrenze Bremens und 15 km vom dichtbesiedelten Stadtzentrum der Stadt Bremerhaven entfernt. Das ist alles andere, als "weit weg"! 2012 wäre es - wie im Atomkonsens von 2000 vereinbart - stillgelegt worden. Dank der ignoranten politischen Handlanger der Atomkonzerne werden wir möglicherweise noch bis mindestens 2020 neben diesem potentionellen atomaren Pulverfass sitzen - es sei denn, die wespenfarbene Bunderegierung scheitert mit ihrem Projekt "Laufzeitverlängerung" am Ende doch noch vor dem Bundesverfassungsgericht, oder die nächste Bundesregierung macht endlich Nägel mit Köpfen und widerruft alle Betriebsgenehmigungen für die Atomkraftwerke in Deutschland.

Es wäre so langsam an der Zeit, dass die Menschen an der Unterweser endlich aus ihrer Gleichgültigkeit erwachen. Bremen ist - wie auf der Karte eindrucksvoll zu sehen ist - keine atomkraftfreie Zone ... - auch wenn seine Bürger den Anschein erwecken, als lebten sie, was die Atomindustrie betrifft, im Land der Glückseeligen. Die möglichen Folgen der sogenannten "friedlichen" Nutzung der Atomenergie sind eine ständige Bedrohung unserer Gesellschaft.

Ich nehme die Entscheidungen der Bundesregierung, die sich im übrigen gegen die Mehrheit der Bundesbürger richtet, nicht einfach so hinnehmen. Wenn nicht wieder etwas dazwischen kommen sollte, werde ich im Februar zur Demonstration nach Greifswald fahren.


Lubmin niX da!


(Quellen: Anti-Atom Bündnis NordOst, Contratom, Wikipedia, Norddeutsche Neueste Nachrichten vom 26.12.2010, Goslarsche Zeitung vom 01.11.2010)

3 Kommentare:

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

als ich gestern im Radio vom "Notfall" im Atomkraftwerk Unterweser hörte wurde mir wieder klar, wie schnell die tötlichen Strahlen mich treffen können. Alle paar Monate rege ich mich über die ganzseitige "Reportage" über "unser" Atomkraftwerk in der Nordsee-Zeitung auf. Über dieser Seite ist kleingedruckt "Anzeige" vermerkt. Das am 29.08.2010 drei Leckagen festgestellt wurden, habe ich gar nicht mitbekommen. Wenn eine Meldung in der Nordsee-Zeitung stand, dann war sie bestimmt so klein, dass ich sie übersehen habe. Laut Wikipedia soll "Unterweser" in 2013 abgeschaltet werden. Das war aber noch vor der schwarz-gelben Koalition. Weißt Du wie lange das AKW noch laufen soll?

Tschüss
Holger

Frau Momo hat gesagt…

Nach Lubmin kann ich nun leider nicht. Urlaub kann ich ja schlecht schon nehmen.
In Hamburg formiert sich jetzt sowas wie Widerstand gegen das Wiederanfahren von Krümmel. Mit Mahnwachen, Demos und einer Internetkampagne.

juwi hat gesagt…

@Holger: Glücklicherweise gibt es zum Thema Atomkraft noch viele andere Informationsquellen, als die Nordsee-Zeitung. Deine Frage, sowie fast alle derjenigen, von denen du noch gar nicht wusstest, dass du sie stellen wolltest, habe ich heute mit einem neuen Artikel beantwortet. Auch ich habe dabei wieder etwas dazu gelernt ;)

@Frau Momo: Schade für die Greifswalder, aber gut zu wissen, das sich das Daumendrücken gelohnt hat :) Vielleicht könntest du ja - wenn du gerade etwas Zeit zwischendurch haben solltest - schon mal damit anfangen, mir die Daumen zu drücken, damit es im Februar mit der Fahrt nach Greifswald klappt.

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