Freitag, 15. August 2008

Zaubertrick: Radioaktive Salz-Lauge verschwinden lassen

Als wenn die schlechten Nachrichten über das "Versuchsendlager Asse-II" nicht schon schlimm genug wären: Seit vorgestern deutet offensichtlich einiges darauf hin, dass das Problem mit der radioaktiven Salzlauge in dem ehemaligen Salzbergwerk möglicherweise bereits über weite Teile der Bundesrepublik verteilt worden ist.

Die Nordsee-Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 13.08.2008, Herr Gabriel (SPD, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) habe am 12.08.2008 am Rande einer umweltpolitischen Sommertour in Niederbayern mitgeteilt, die Betreiber des Atommüll-Endlagers Asse in Niedersachsen hätten bereits seit Jahren mit Tritium sowie Uran 235 und 238 kontaminiertes Wasser aus dem "Atommüll Versuchsendlager" Asse-II in die Grube "Maria Glück" bei Celle transportiert, ohne dass Buch darüber geführt worden sei.

Der Betreiber des "Versuchsendlagers", das Helmholtz-Zentrum in München, habe der Darstellung von Herrn Gabriel widersprochen. Es sei zwar über einen Zeitraum von etwa zwölf Jahren Lauge aus der Anlage "Asse-II" an andere Orte gebracht worden, die jedoch nicht radioaktiv belastet gewesen sei. Das Landesumweltministerium in Hannover habe Herrn Gabriel deshalb "unverantwortliche Panikmache" vorgeworfen.

Da laut Nordsee-Zeitung darüber keine Buchführung vorliegt, und die Betreiber der Darstellung von Herrn Gabriel widersprechen, habe ich ihn in einem Schreiben gefragt, welche Verdachtsmomente auf die Verbringung von radioaktiv-verseuchtem Material aus Asse-II in die Grube "Maria Glück" bei Celle hinweisen. Für meine Anfrage habe ich gestern eine Eingangsbestätigung erhalten. Darin wird mir vom Leiter des Büros von Herrn Gabriel in Berlin mitgeteilt, er habe meine Nachricht an das Bundesumweltministerium weitergeleitet.

Jede Nachricht an Herrn Gabriel werde von ihm persönlich oder einem Mitarbeiter bzw. einer Mitarbeiterin gelesen. Mein Schreiben würde Herrn Gabriel also in jedem Fall erreichen. Der Leiter des Büros von Herrn Gabriel bittet mich um Verständnis, dass Herr Gabriel aufgrund der Vielzahl der täglich eingehenden Post nicht alle Schreiben persönlich beantworten kann. Meine Anregungen und Hinweise würden auf alle Fälle in die tägliche politische Arbeit von Herrn Gabriel einfließen. Ich möge Verständnis dafür haben, wenn die Beantwortung meines Anliegens aufgrund des hohen Anfrageaufkommens etwas mehr Zeit in Anspruch nähme als gewöhnlich.

Dass bei einem hohen Schriftverkehr-Aufkommen die Antworten manchmal etwas länger auf sich warten lassen, weiß ich aus meiner eigenen täglichen Arbeit. Also werde ich mal einige Zeit abwarten, und hoffe auf eine einfache Antwort auf meine Frage, ob in der Grube "Maria Glück" im Bereich der Lauge aus Asse-II Radioaktivität gemessen wurde, oder ob in Proben der Lauge in "Maria Glück" Tritium sowie Uran 235 und 238 analytisch nachgewiesen worden sind.


Am 14.08.2008 war in einem weiteren Artikel der Nordsee-Zeitung zu lesen, die Entsorgung der Salz-Lauge aus dem "Versuchsendlager" Asse-II in der Grube "Maria Glück" schüre das Misstrauen im Landkreis Gelle. Trotz der Aussage des niedersächsischen Umweltministeriums, es läge keinerlei Gefährdung vor, habe das Entsorgen der Lauge aus dem Atommülllager "Asse-II" in dem Bergwerk im Landkreis Celle viele skeptische Fragen aufgeworfen. Der darüber bis zu der Mitteilung von Herrn Gabriel am 13.08.2008 nicht informierte Landkreis Gelle dränge auf schnelle Unterrichtung. Herr Gruse (SPD, Bürgermeister der Gemeinde Höfer) sagte zu den Äußerungen des Ministeriums, er sei „da misstrauisch".

Das alte Salzbergwerk "Maria Glück" liegt in der Gemeinde Höfer bei Eschede. Es gehört dem Konzern K+S AG und ist 1977 stillgelegt worden. Seit 2001 wurde die Grube für eine endgültige Schließung geflutet. Nach Auskunft des niedersächsischen Umweltministeriums sind die Tritium- und Uranmengen in der Lauge, die zur Flutung in die Grube Mariaglückk kam, unbedenklich und liegen unterhalb der Freigabe Werte. Bisher wurden dort nach Unternehmensangaben 1,45 Millionen Kubikmeter Flüssigkeit eingebracht, davon 8800 Tonnen Lauge aus dem Atommülllager "Asse-II".

Zur gesundheitlichen "Unbedenklichkeit" im Umgang mit radioaktiven Stoffen bei Einhaltung von Grenzwerten gibt es inzwischen auch andere Erkenntnisse(Konrad Lorenz, Strahlentelex). Bestenfalls könnte man in diesem Zusammenhang von "Wahrscheinlichkeiten aufgrund statistischer Erfahrungswerte" sprechen.
  • Wenn das Niedersächsische Umweltministeruim am 14.08.2008 davon spricht, dass die Tritium- und Uranmengen in der Lauge aus der Asse-II, die zur Flutung in die Grube Mariaglück kam unbedenklich seien, dann bestätigt diese Aussage die Mitteilung von Herrn Gabriel vom 13.08.2008.
  • Die Aussage der Betreiber, die Salzlauge aus dem "Versuchsendlager", die in die Grube "Maria Glück" verbracht worden sei, sei nicht radioaktiv belastet gewesen (NZ, 13.08.2008), wird damit ebenfalls widerlegt.

Die Verdünnung macht's

Wenn 8800 Tonnen radioaktiver Salzlauge aus der Anlage "Asse-II" mit 1,45 Millionen Kubikmeter unbelasteter Flüssigkeit verdünnt wurden, dann will ich wohl gerne glauben, dass die Radioaktivität unterhalb der Freigabe Werte liegen wird, wenn man dort Messungen durchführen würde. Ein Kubikmeter Wasser wiegt eine Tonne. Ich kenne das spezifische Gewicht der Salzlauge nicht. Wenn man allerdings die 8800 Tonnen Salzlauge aus Asse-II mit 8800 Kubikmetern gleichsetzt, und vermutet, dass die 1,45 Millionen Kubikmeter unbelasteter Flüssigkeit in dem ehemaligen Salzbergwerk ebenfalls salzhaltig sind, dann kommt man ungefähr auf eine Vedünnung von 1 : 0,006.

Anders ausgedrückt:
Die ursprüngliche Radioaktivität eines Kubikmeters der SalzlLauge aus dem Atommüllager Asse-II ist in einem Kubikmeter "Flüssigkeit" im Bergwerk "Maria Glück" auf etwa 0,6% "verdünnt" worden!

Hellhörig werde ich auch bei der Formulierung des Helmholtz-Zentrums, "Es sei zwar über einen Zeitraum von etwa zwölf Jahren Lauge aus der Anlage "Asse-II" an andere Orte gebracht worden ...". Da stellt sich mir die Frage: "An welche anderen Orte ist denn noch mehr von dem strahlenden Zeug verschwunden?".


Die Nordsee-Zeitung berichtete, das Umweltministerium sehe keine Versäumnisse bei der Informationspflicht. Frau Kremer-Heye (Sprecherin des Ministeriums) habe am 14.08.2008 in Hannover gesagt, der Kreis sei nicht unterrichtet worden, "weil es eine ganz normale Angelegenheit ist". Es sei nicht ungewöhnlich, dass "solche Lauge" in einem Bergwerk entsorgt werde. Anfang dieses Monats sei das Bundesumweltministerium davon informiert worden.

Aha! Das ist ja sehr interessant!

Radioaktives Material seit 12 Jahren in irgendwelchen anderen Bergwerken oder sonstigen dunklen Ecken verschwinden zu lassen "ist nicht ungewöhnlich". Wahrscheinlich ist es auch deshalb nicht notwendig gewesen, das Bundesumweltministerium bereits vor Ablauf von 12 Jahren ("Anfang dieses Monats ...") darüber zu informieren! Für mich sieht das mehr nach "Angriff ist die beste Verteidigung" aus (da soll doch noch mal jemand sagen, man hätte das Bundesumweltministerium nicht informiert). Das sieht dann immerhin noch etwas besser aus, als wenn andere bei ihren Recherchen auf diese Ungereimtheiten gestoßen wären.


Herr Gruse (Bürgermeister der Gemeinde Höfer) kritisierte mangelnde „Transparenz". Die Nordsee-Zeitung zitiert ihn zur Reaktion des niedersächsischen Umweltministeriums: „Man wollte seine Ruhe haben und Fragen vermeiden." Herr Gruse hat im Umweltministerium "schnellstmöglich" um einen Gesprächstermin gebeten. Außerdem will er die Bevölkerung informieren. Viele Bürger seien beunruhigt.

  • Das kann ich gut verstehen!
    Wer kann denn bei den Praktiken, die da so langsam an's Tageslicht kommen, schon mit Sicherheit sagen, ob nicht möglicherweise auch in der Nordsee die eine oder andere Transportladung aus dem "Versuchsendlager Asse-II" probeweise verklappt worden ist?
(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 13. und 14.08.2008)


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