Donnerstag, 28. August 2008

Heim in's russische Reich?

Nachdem es die Welt mit einem Vertrag über den Rückzug seines Millitärs aus Südossetien, den es unter immer neuen Vorwänden nicht erfüllt, zum Narren gehalten hat, erkennt Russland die Unabhängigkeit Südossetiens, und weil es gerade schon einmal dabei ist, gleich auch noch die Unabhängigkeit Abchasiens an. Dabei schert es die russische Regierung einen feuchten Kericht, wie der Rest der Welt darüber denkt. Der "Kölner Stadtanzeiger" meint, Georgiens Präsident Saakaschwili sei von Rusland in eine geschickt getarnte Kriegsfalle gelockt worden, die im Kreml seit Monaten vorbereitet worden sei.

Die EU verurteilt Russlands Vorgehen auf das schärfste und mahnt eine friedliche Lösung der Konflikte in Georgien an. Die staatliche Anerkennung der georgischen Provinzen stehe im Widerspruch zur Unabhängigkeit, Souverinität und territorialen Integrität Georgiens, sowie zur Charta der Vereinten Nationen, zur 1. Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und zu Resolutionen des UN-Sicherheitsrates.

Auf die Frage in einer russischen Nachrichtensendung, ob er eine Verschlechterung der Beziehungen zum Westen befürchte, antwortete der russische Präsident Medwedjew man habe "schon andere Zeiten überlebt. ... Wir haben vor nichts Angst, auch nicht vor der Aussicht auf einen Kalten Krieg". Waleri Galtschenko ("Kremlpartei Geeintes Rusland", Vorstandsmitglied) wurde nach seiner Meinung darüber befragt, wie der Westen auf eine Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Provinzen reagieren werde, und antwortete: "Der Westen wird gar nichts machen. Und sollte er es doch versuchen, bekommt er selbst Sanktionen. Zum Beispiel werden wir das Gas abdrehen."

So ist das also.
Jetzt weiß die Welt, woran sie mit Russland ist!

Damit scheinen diejenigen Recht zu behalten, die schon früher vor der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gewarnt haben.

Und wie soll es jetzt weiter gehen? Fraglich ist aus meiner Sicht, wie zwei Staaten mit einer Bevölkerung von geschätzten 150.000 bis 200.000 (Abchasien) bzw. 50.000 bis 100.000 (Südossetien) Einwohnern aus eigener Kraft wirtschaftlich in der Welt bestehen will. Fakt ist, dass Russland mit dieser Aktion zwei Happen aus dem Territorium eines Souveränen Staates herausschneidet. Jedenfalls ist das aus russischer Sicht so. Der Rest der Welt betrachtet das Territorium Georgiens weiterhin als unverändert, und sagt, Russland versuche die georgische Landkarte widerrechtlich zu verändern.

Georgien kann es als souveräner Staat eigentlich nicht hinnehmen, dass Russland zwei große Stücke aus seinem Staatsgebiet herausschneidet, kann aber auch nichts dagegen unternehmen, wenn es nicht riskieren will, selbst mit einem weiteren militärischen Handstreich in Russland eingegliedert zu werden. Wenn es so weit käme, hätte es sich wahrscheinlich mit der staatlichen Unabhängigkeit Südossetiens, und möglicherweise auch mit der Abchasiens sehr schnell wieder erledigt.

Auch der Rest der Welt kann daran nichts ändern. Sanktionen gegen Russland werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in einen neuen Kalten Krieg führen. Militärische Gewaltanwendung könnte die Welt in den Abgrund eines Dritten Weltkrieges manövrieren. Wenn Russland seinen Kurs nicht ändert, wird es zumindest im Kaukasus auf lange Sicht keine Aussicht auf Frieden geben.

Nach russischer Auffassung ist die staatliche Anerkennung der abtrünnigen georgischen Provinzen eine gerechte Reaktion auf die Anerkennung des Kosovos und die fortwährende Ignorierung russischer Interessen durch die NATO und die EU. Bezüglich der Aufrüstung Polens mit amerikanischen Raketen im Rahmen des sogenannten "Raketenschilds gegen Schurkenstaaten" kann ich die russische Sorge sogar nachvollziehen ... - besonders jetzt, wo es gerade auf dem besten Weg ist, sich selbst in diesen zweifelhaften Club aufzunehmen.

Die Annerkennung der Unabhängigkeit Kosovos mit derjenigen von Südossetien vergleichen zu wollen, halte ich allerdings für etwas abenteuerlich. Das ehemalige Jugoslawien gehörte einmal zum Einflussbereich der früheren Sowjetunion und war ein Gebilde aus vormals souveränen Staaten, die vom ursprünglichen Jugoslawien beherrscht wurden. Dieses Staatsgebilde ist nach dem Ende des kalten Krieges aufgrund der Unabhängigkeitsbestrebungen der vormals souveränen Staaten zerfallen, weil diese den jugoslawischen Führungsanspruch nicht mehr anerkennen wollten. Russland scheint zu vergessen, dass es nicht die Sowjetunion ist - die ist Vergangenheit -, und Kosowo ist ebensowenig ein Teil Russlands, wie die zum Staatsgebiet Georgiens gehörenden Provinzen Südossetien und Abchasien. Russlands Interessen richten sich somit in diesen Fällen gegen innere Angelegenheiten souveräner Staaten. Dass ich die Anwendung militärischer Gewalt innerhalb dieser Staaten gegen Bevölkerungsminderheiten verurteile steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Die gewalttätige Unterdrückung von Minderheiten hat bisher immer nur zu menschlichem Leid und Blutvergießen geführt. Dafür ist das ehemalige Jugoslawien ein gutes Beispiel, und ich fürchte, Georgien könnte das gleiche Schicksal bevorstehen.

Möglicherweise schneidet Russland sich mit seinem derzeitigen Vorgehen auf längere Sicht aber auch in's eigene Fleisch. Jedenfalls sieht es der georgische Justizminister Nika Gvaramia so. Er meint, Russland untergrabe durch die staatliche Anerkennung der georgischen Provinzen seine eigene Staatlichkeit, da der Separatismus auch innerhalb Russlands immer noch ein Problem sei. Aufgrund dessen sagt er Russland den totalen Kollaps voraus, "wenn nicht heute, dann sicher morgen". Damit erinnert er daran, dass - wie damals zum ehemaligen Staatengebilde "Jugoslawien" - auch zum Territorium des heutigen Russlands vormals souveräne Staaten gehören, deren Unabhängigkeitsbestrebungen Russland mit militärischen Mitteln zu unterdrücken versucht. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte wohl der seit Jahren andauernde blutige Krieg in Tschetschenien sein.

Ich hoffe nur, dass Russland nicht neben Südossetien auch in anderen Staaten, die an Russlands Grenzen stoßen, noch weitere russische Landsleute entdeckt, die es heim in's Reich, bzw. zurück in den russischen Machtbereich zu holen gilt.

2 Kommentare:

Weserkrabbe hat gesagt…

Hallo Jürgen,
ich finde es klasse, dass Du immer versuchst auch die Hintergründe zu erklären, denn vielen ist dieses sicher alles nicht bekannt. Trotzdem weiss ich immer noch nicht, ob es richtig ist, dass der Westen sich dort einmischt. Genau wie in Afghanistan oder Irak. Jedenfalls gehen überall die Kämpfe weiter und ich meine, dass unsere Soldaten dort nichts zu suchen haben. Hoffentlich weitet sich das jetzt nicht auch auf Georgien aus. lieben Gruss Brigitte

Anonym hat gesagt…

Hola juwi,
ich weiß, die Sache ist viel zu ernst als dass man sich darüber lustig machen könnte, aber meine Schalker müssten dann noch schnell auf Zahlung ihrer Werbeeinnahmen drängen bevor Gazprom den Hahn nicht nur am Gas zudreht;-)
Der russische Präsident Dimitri Medwedjew übt sich nach dem siegreichen Fünf-Tage-Krieg mit dem Nachbarn Georgien in rhetorischer Hochrüstung. Doch davon, eine ökonomische Weltmacht zu sein, ist das Land weit entfernt. Das Durchschnittsgehalt liegt bei 476 Euro, die Lebenserwartung sinkt dramatisch und die Infrastruktur zerfällt, vor allem auf dem Land. Der Kaukasuskonflikt verschärft die Lage.

Ein sommerliches Wochenende wünscht Dir
Lucki

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