Freitag, 22. August 2008

Das Atommüll-Endlager Desaster

Die Nordsee-Zeitung berichtete am 15.08.2008, dass im Atommüll "Versuchsendlager Asse-II" schon weit vor der Einlagerung salzhaltige Lauge geflossen sei, und zitiert Herrn Jüttner (SPD, Fraktionschef Niedersachsen): "Augenscheinlich haben diejenigen, die die politische Verantwortung tragen, ihre Hausaufgaben bisher nicht gemacht, um einen Untersuchungsausschuss zu umgehen. ... Mein Eindruck ist, dass sich die Zahl der offenen Fragen in den letzten Wochen eher erhöht hat."

Einen Tag später war in der Nordsee-Zeitung zu lesen, Herr Birkner (FDP, Umweltstaatssekretär Niedersachsen) habe gesagt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass von den Laugen Gefahr ausgehe. Die vom Atommülllager in andere Bergwerke transportierte Lauge sei nach Erkenntnissen des niedersächsischen Umweltministeriums nicht über die Grenzwerte hinaus radioaktiv belastet.
  • Hat das niedersächsischen Umweltministerium diese Erkenntnisse aus Messungen vor dem Abtransport der kontaminierten Salzlösung erlangt?
  • Wie sind die "Grenzwerte" definiert?
  • Wie hoch war die gemessene Radioaktivität?
  • Sind die Messwerte dokumentiert und von einer Aufsichtsbehörde gegengezeichnet worden?
Zuvor habe Herr Birkner Vertreter der Kommunen sowie der Landkreise Celle und Soltau-Fallingbostel über die umstrittenen Laugen-Transporte informiert. Ob er das wohl auch getan hätte, wenn die Transporte in das ehemalige Salzbergwerk "Maria-Glück" nicht bekannt geworden wären? Bisher ist das ja offensichtlich auch nicht für nötig gehalten worden.

Am 21.08.2008 gab Herr Birkner bekannt, die Radioaktivität der Lauge vor der Kammer 12 im Bergwerk stamme aus dem eingelagerten Abfällen. Das gehe aus einer Studie des Forschungszentrums Jülich und der Universität Clausthal im Auftrag des Bundesforschungsministeriums hervor. Nach dem Gutachten müsse die Salzlösung Kontakt mit dem Atommüll gehabt haben, Fässer in der verschlossenen Kammer sollen verrostet und Leck sein.

Die Meinung des Helmholtz-Zentrums München (Betreiber der Anlage), es werde sich wohl um Rückstände aus einem Unfall unter Tage beim Transport eines Fasses handeln, ist damit nicht mehr haltbar. Herr Haury (Helmholtz-Zentrums München, Sprecher) meinte, es müsse jetzt geprüft werden, welche Rolle die Erkenntnisse für den Langzeit-Sicherheitsnachweis spielen. Was soll es da denn jetzt wohl noch bezüglich des "Langzeit-Sicherheitsnachweises" zu prüfen geben? Wie soll die sichere Lagerung des Atommülls über unzählige Generationen unserer Nachkommen unfassende Zeiträume sichergestellt werden, wenn es bereits nach dieser geradezu lächerlich kurzen Zeit schon zu offenbar kaum noch lösbaren Problemen kommt?

Für mich stellt sich die Sachlage inzwischen folgendermaßen dar:
  1. Schon vor Beginn der Atommüll-Einlagerung ist entgegen früherer Behauptungen, der Salzstock sei trocken, Salz- lösung in die vorgesehenen Lagerstätten eingedrungen. Aufgrund dessen hätte mit der Einlagerung des Atommülls gar nicht erst begonnen werden dürfen.
  2. Erst wurde das Problem mit der eindringenden Salzlösung vom Helmholtz-Zentrum jahrelang verschwiegen, dann wurde versucht die Herkunft der radioaktive Lauge mit einem "denkbaren Transportunfall" zu verschleiern. Ein Nachweis für diese Theorie existiert nicht. Getan worden ist während all dieser Jahre nichts. Stattdessen wurde die lästige radioaktive Salzlösung heimlich in tiefer gelegene Stellen im "Versuchsendlager Asse-II" und in andere - bis dahin nicht radioaktiv kontaminierte - Bergwerke transportiert.
  3. Aufgrund des öffentlichen Drucks wurde endlich ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches zu dem Schluss kommt, dass die radioaktiven Substanzen aus von der eingedrungenen Salzlösung zerfressenen Atommüllfässern stammt. Zu dieser Erkenntnis hätte man schon Jahre früher kommen können, wenn das Gutachten rechtzeitig in Auftrag gegeben worden wäre. Das ist nicht geschehen, weil damit schon vor Jahren klar gewesen wäre, dass das Salz- bergwerk Asse-II nicht als Atommüll-Endlager geeignet ist. Die Versuche mit dem "Versuchsendlager" hätten dann nämlich sofort abgebrochen, und der bereits eingelagerte Müll hätte geborgen werden müssen, um den Schaden zu begrenzen.
  4. Die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger wurden getäuscht und in dem Glauben gehalten, die Einlagerung des Atommülls in einem Salzbergwerk sei über die für das Abklingen der Radioaktivität auf "ungefährliche" Werte notwendigen Zeiträume sicher. Die Atomkraftwerks- betreiber konnten unbehelligt weiter ihren strahlenden Abfall produzieren. Durch dieses unverantwortliche Taktieren wurde wertvolle Zeit verschwendet. Erkundungen alternativer Lager- stätten wurden deswegen nicht durchgeführt.

Alternativen scheitern unter anderem am Veto Bayerns

Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD verpflichtet die Bundesregierung eigentlich, Verfahrensfragen für die Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe im Interesse kommender Generationen zu klären. Dazu hätten auch Gespräche über die Erkundung alternativer Endlagerstätten zu Gorleben und Asse-II gehört. Die Nordsee-Zeitung zitiert dazu Herrn Gabriel (SPD, Bundesumweltminister) in ihrer Ausgabe vom 21.08.2008: "Das ist am Veto von Bayern und Baden-Württemberg gescheitert. Ich glaube, dass das eine verpasste Chance war."

Erst kürzlich habe Herr Huber (CSU) im bayerischen Landtagswahlkampf die Forderung Herrn Gabriels zurückgewiesen, als Alternative zum niedersächsischen Salzlager Gorleben ein bayerisches Endlager vorzuschlagen. Die Union setze einzig auf Gorleben, und verweigere die Prüfung alternativer Gesteinsformationen.

Mit dem Atommüll will man in Bayern nichts zu tun haben. Fast ein Drittel der Atomkraftwerke in Deutschland stehen in Bayern. Das lässt die bayrische Steuerkasser klimpern. Um den Müll dürfen sich aber andere Bundesländer kümmern - am besten solche, die möglichst weit von den Grenzen Bayerns entfernt liegen.

Herr Gabriel sieht die Endlager-Frage gerade als Aufgabe derjenigen an, die über 2022 hinaus verlängerte AKW-Laufzeiten wollen und damit zugleich noch mehr atomaren Müll produzieren. Da stimme ich ihm uneingeschränkt zu! Schon Ende 2007 gab es lt. Herrn König rund 12500 Tonnen abgebrannte Brennelemente. Bei der im Atomkonsens vereinbarten Außerbetriebnahme der 17 Atomkraftwerke nach 2020 steigt diese Menge noch auf 17100 Tonnen an. Bei einer Verlängerung der Laufzeiten um zehn Jahre würden weitere 4400 Tonnen anfallen.

Der Betrieb der Atomkraftwerke erfordert über kurz oder lang ein Endlager für stark strahlenden Atommüll. Zur immer noch ungelösten Frage der Endlagerung zitiert die Nordsee-Zeitung Herrn König (Bundesamtes für Strahlenschutz BfS, Präsident) am 21.08.2008: "Dennoch drängt die Zeit. Selbst wenn wir heute die Erkundung weiterführen, wüssten wir erst mit einem Planfeststellungsbeschluss in 15 Jahren, ob der Salzstock von Gorleben wirklich geeignet ist."


Kosten in Milliardenhöhe

Die Ereignisse um das Bergwerk Asse bei Wolfsburg haben die Gefahren unzureichender Endlager-Sicherung vor Augen geführt. Die Regierung spricht von bisher und künftig zu erwartenden Kosten der öffentlichen Hand von rund 850 Millionen Euro. Auch mit dem atomaren Bergwerks-Erbe der DDR, Morsleben in Sachsen-Anhalt, gibt es Probleme. Schätzungen für die Sicherung dieses Bergwerks gehen von 2,2 bis 2,5 Milliarden Euro aus. Die Erkundungen in Gorleben sollen bisher 1,5 Milliarden Euro gekostet haben.

Das sind allein für diese drei Lager, deren Sicherheit offensichtlich - vorsichtig ausgedrückt - noch lange nicht geklärt ist, 4.850.000 Euro(!) aus Steuermitteln, die nur für die Erkundung von Endlagerstätten anfallen - mit bisher völlig offenem Ergebnis!

Herr Tschimpke (Naturschutzbund NABU) fordert, statt bei den Bürgern unberechtigte Hoffnungen auf niedrigere Energiepreise zu schüren, müssten die Atomkonzerne endlich die vollen Kosten für Sicherheit, Betrieb und Entsorgung übernehmen.

Dazu hätte ich nur noch ergänzend hinzuzufügen, dass die Atomkonzerne bei der Gelegenheit gleich dazu verpflichtet werden sollten, die Bürger endlich darüber aufzuklären, dass wir schon jetzt über unsere Steuern höhere Preise für den Atomstrom zahlen, als auf ihren Stromrechnungen ausgewiesen ist. An Tanksäulen wird ja schließlich auch immer auf den hohen Steueranteil an den Treibstoffkosten hingewiesen. Im Falle eines GAU kämen dann noch einmal horrende Summen aus Steuermitteln hinzu. Die Versicherungen für diesen Fall sind eine Farce, da die Deckungssummen die zu erwartenden Schäden bei weitem nicht abdecken würden.

(Quellen: Nordsee-Zeitung vom 15.08., 16.08., und 21.08.2008)

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