Donnerstag, 3. Januar 2013

Vom Bürgerprotest zum Bürgerkrieg

FriedenstaubeDie Gegner Herrn Assads (Syrien, Präsident) waren bislang davon ausgegangen, dass dem Bürgerkrieg in Syrien seit März 2011 bis zu 45000 Tote zum Opfer gefallen sind. Zur Erinnerung: Angefangen hatte der Konflikt, nachdem das Regime auf die Teilnehmer anfangs friedlicher Demonstrationen schießen ließ. Aus der anfänglichen Polizeigewalt wurde innerhalb kurzer Zeit ein Militäreinsatz gegen Dörfer und Städte, der keinen Unterschied mehr zwischen Gegnern des Assad-Regiemes und unbeteiligeten Zivilisten machte und gegen den sich die Opposition in Syrien ihrerseits mit Waffengewalt zu verteidigen versuchte.

Jetzt hat die UN einen Bericht veröffentlicht, demzufolge die Zahl der Toten im syrischen Bürgerkrieg weitaus höher liegt, als bisher angenommen wurde. In der Statistik aus dem Zeitraum zwischen dem 15. März 2011 und dem 30. November 2012 tauchen nur die Todesopfer auf, deren Vornamen, Familiennamen und Todesdatum sicher bestimmt werden konnten. Demnach starben bis Ende November 2012 59648 Menschen bei Armeeangriffen auf Dörfer und Städte, sowie bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Armee und Gegnern des Assad-Regimes. Wie die Tagesschau gestern berichtete, waren ungefähr drei Viertel der Toten Männer. Dieser Angabe zufolge hat Herr Assad bisher 15000 tote Frauen und Kinder auf dem Gewissen! Während im Sommer 2011 monatlich etwa 1000 Menschen ums Leben kamen sind es seit Juli 2012 etwa 5000 Tote. Sollte sich daran nichts ändern, dann wären infolge des Bürgerkriegs bis Ende dieses Jahres rund 120000 Todesopfer zu beklagen.


Statistiken, Tragödien und Verantwortung

Derartige Statistiken mit ihren nackten Zahlen sind allerdings niemals in der Lage, die Schicksale und Tragödien darzustellen, die sich hinter jedem einzelnen der bisher rund 60000 Toten verbergen. Das gleiche gilt für diejenigen Menschen, die bei Armeeangriffen auf Dörfer und Städte verletzt wurden. Da die Gewalt anfangs nicht von den Demonstranten ausging, sondern von Polizeikräften und Militär, sehe ich ursächlich Herrn Assad und sein Regime in der Verantwortung für die Entwicklung in Syrien. Heute ist es unabhängigen Beobachtern jedoch kaum noch möglich festzustellen, von welcher Seite die Gewalt bei den einzelnen bewaffneten Auseinandersetzungen jeweils ausgegangen ist.

In der Verantwortung sehe ich aber auch die Regierungen der Länder, auf deren Unterstützung Herr Assad sich bisher sicher verlassen konnte - allen voran diejenigen Russlands und Chinas, die bisher jede Resolution für wirksame Sanktionen gegen das syrische Regimes mit ihrem Veto verhindert haben. Dass der Diktator in Damaskus sich vom großen "Rest" der Staatengemeinschaft nicht beeindrucken lässt, der mehrmals versucht hat, auf diplomatischem Wege eine politische Lösung des Konflikts herbeizuführen, führt die gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderungen aus Moskau, der Bürgerkrieg solle politisch gelöst werden, ad absurdum. Ohne den notwendigen Druck, bis hin zur völligen Isolierung und Sanktionen, die ihm keinerlei Spielraum für die Versorgung "seiner" Armee lassen, wird Herr Assad nicht zögern, ganz Syrien in Schutt und Asche zu legen und auch noch den Rest "seiner" Bürger umbringen lassen.


Vom Bürgerkrieg zum Weltkrieg?

Da die Angriffe der syrischen Armee inzwischen vereinzelt auch über die Grenzen des Landes hinausgegangen sind, fordert das NATO-Mitglied Türkei die militärische Unterstützung der Bündnispartner ein. Sollte aus dem Rasseln der Türkei mit dem Säbel "NATO" in dieser Angelegenheit ein weiterer Konflikt entstehen, dann könnte sich auch Deutschland unversehens in der Rolle einer Kriegspartei wiederfinden. Die Grundlage dafür hatte der Bundestag Mitte Dezember gelegt. Am kommenden Dienstag sollen in Travemünde zwei "Patriot"-Raketenabwehrstaffeln der Bundeswehr für den Einsatz an der türkisch/syrischen Grenze für den Seetransport verladen werden.

Das Regime in Syrien wird wohl kaum die Absicht haben, die Türkei anzugreifen. Unter den Gegnern Herrn Assads gibt es aber auch solche, die - sollten sie die Gelegenheit dazu erhalten - aus Syrien einen islamistischen "Gottesstaat" machen würden. Die Verlockung für die türkischen Militärs könnte daher groß sein, eine solche Entwicklung mit militärischen Mitteln unterbinden zu wollen. Das könnte eine von vielen möglichen unvorhersehbaren Ursachen sein, die von einem Grenzkonflikt der Türkei mit Syrien unter Umständen zu einem Krieg führen könnten, in den am Ende ein großer Teil der Welt verwickelt wäre. Dazu hätte dann auch Deutschland seinen Teil beigetragen.

Die Verlegung deutscher Raketen an die türkisch-syrische Grenze ist nicht nur überflüssig: Sie könnte sich eines Tages auch als fataler Fehler erweisen.


(Quellen: Tagesschau vom 02.01.2013, Stern vom 22.12.2012, dradio vom 17.12.2012, Focus vom 17.11.2012)

1 Kommentar:

Wasserfrau hat gesagt…

Lieber Juwi

Das beschäftigt mich manchmal auch sehr, was da für ein Elend auf diese Bevölkerung zugekommen ist. Fast wie aus heiterem Himmel, Angst, Demütigung, Gewalt mit allen Folgen und und und..

Wenn ich so Bilder von Kindern sehe, die sich ganz verschreckt und verloren plötzlich in diesem Kriegsgetümmel finden, könnte ich nur weinen.
Liebe Grüsse
Elfe

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