Montag, 7. November 2011

Ein klein wenig schizophren

Vielleicht...? (Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg 2011)

Man höre und staune: Auf der Titelseite des Bremerhavener Sonntagsjournals war gestern überraschenderweise zu lesen, Widerstand gegen weitere Castor-Transporte in das Atommülllager bei Gorleben rege sich jetzt auch im wespenfarbenen Lager.

Beim Weiterlesen mochte ich zunächst kaum glauben, was Herr Sander (FDP, Niedersachsen, Umweltminister) gesagt haben soll. Das Sonntagsjournal zitiert ihn mit den Worten: "Der nächste Castor-Transport ist politisch absolut falsch und wird uns in der neuen Diskussion um einen wirklich guten Standort für ein atomares Endlager erheblich belasten. Das Beste wäre ein Castor-Moratorium." Doch auch das "Bündnis gegen den Castor 2011" berichtet auf seiner Internetseite darüber und ergänzt das Zitat des Herrn Sander aus dem Sonntagsjpournal: "Für eine vorurteilsfreie Erkundung Gorlebens und die Suche nach anderen Standorten brauchen wir endlich Ruhe und keine neuen Transporte."

Dabei ist es gerade einmal sieben Tage her, seit er grünes Licht für den Ende November 2011 geplanten Castor-Transport aus der Atommüllaufbereitungsanlage bei La Hague (Frankreich) gegeben hatte.
Ist das nicht ein klein wenig schizophren?

Oder sind Herr Sander und sein Ministerium
etwa plötzlich zu Atomkraftgegnern mutiert?

Ich glaube kaum. Ich denke, Herr Sander und seine wespenfarbenen Mitstreiter versuchen sich vielmehr hinter bundespolitischen Zwängen zu verstecken. Ähnlich sieht das auch die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). Die TAZ zitierte am 06.11.2011 einen Sprecher der BI mit den Worten: "Erst rechnet das Umweltministerium die Strahlenwerte in Gorleben herunter, um den vorerst letzten Transport aus La Hague annehmen zu können, und jetzt weint Sander Krokodilstränen."

Zu diesem falschen Spiel passt auch die Kritik Herrn Sanders an Herrn Röttgen (CDU, Bundesumweltminister). Herr Sanders wirft seinem Kollegen vor, er habe noch immer keinen Entwurf für ein "Endlagergesetz" vorgelegt, weshalb der Atommüll weiterhin durch die gesamte Bundesrepublik nach Niedersachsen gefahren werde, obwohl die Entsorgung des Atommülls eine gesamtstaatliche Aufgabe sei.

Aha: Jetzt ist also Herr Röttgen schuld daran, dass das niedersächsische Umweltministerium die Transportgenehmigung für den Atommüll aus La Hague mit mathematischen Taschenspielertricks und unglaubwürdigen Messberichten ermöglicht hat. Herr Röttgen ist atompolitisch mit Sicherheit kein Unschuldsengel, aber die auf dubiose Zahlenspielereien gestützte Transportgenehmigung liegt ganz allein der Verantwortung des Herrn Sander und seines Ministeriums in Hannover.


"Aus vertraglichen Gründen"

Auch Frau Flachsbarth (CDU, Bezirkschefin der CDU in Hannover, Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Gorleben-Untersuchungsausschussses des Bundestages) versteckt sich hinter politischen Floskeln. Sowohl das gestrige Sonntagsjournal, als auch die "Hannoversche Allgemeine" vom 05.11.2011 berichten, Frau Flachsbarth habe gesagt, der bevorstehende Atommülltransport aus La Hague nach Gorleben sei aus "vertraglichen Gründen" nicht zu verhindern. Der vertragliche Rahmen für die Rücknahme der Castoren im November lasse sich kurzfristig nicht mehr ändern.


Man hat immer eine Wahl

Die internationale Umweltschutzorganisation "Greenpeace" hat vorgerechnet und stichhaltig begründet, warum die Daten, mit denen das Umweltministerium des Landes Niedersachsen hantiert, fehlerhaft sind und der Jahresgrenzwert am Atommülllager "Gorleben" mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon ohne den erneuten Atommülltransport überschritten werden. Aufgrund dieser berechtigten Bedenken hätte Herr Sander den Castor-Transport im November stoppen können.
  • Er hat eine andere Wahl getroffen:
    Er hat den Transport genehmigt.

Man hat immer eine Wahl. Und was die Wahl ihres atompolitischen Schlingerkurses betrifft war die CDU während der laufenden Legislaturperiode ja nun wirklich nicht gerade zimperlich. Schließlich sind es doch gerade die CDU, die CSU und die FDP, die keinerlei Skrupel gezeigt haben, gleich mehrere Verträge aufzukündigen bzw. zu "ignorieren". Da käme es auf die "Aussetzung" eines weiteren Vertrags doch nun wirklich nicht mehr an.

Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) und die Minister der Bundesregierung haben einmal geschworen, "Schaden vom deutschen Volk abzuwenden". Mit dem erneuten Atommülltransport nach Gorleben und der zu erwartenden Überschreitung der Grenzwerte am Atommülllager nehmen sie bewusst die Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der dortigen Bevölkerung in Kauf ... - oder betrachtet die wespenfarbene Bundesregierung die Wendländer etwa nicht als Bürger des Deutschen Volkes?

Aufgrund der zu erwartenden Überschreitung des Jahresgrenzwertes wäre die Bundesregierung meines Erachtens in der Pflicht gewesen, das von Herrn Sander angeregte "Transpotmoratorium" zu verhängen und die Genehmigung für den Atommülltransport nach Gorleben zu widerrufen.
  • Sie hat eine andere Wahl getroffen:
    Sie wird den Transport nicht absagen.

Inzwischen sollte wohl auch dem letzten klar geworden sein, dass "Gorleben" von Beginn an ein politischer Fehler war. Das belegen eine große Anzahl im Laufe der Jahre bekanntgewordener Dokumente.

Das Lügengebäude bezüglich der angeblichen Eignung des Salzstocks als Lager für hochradioaktiven Atommüll ist inzwischen weitgehend in sich zusammengebrochen. Daran ändert auch der als "weitere Erkundung" getarnte Ausbau zum Atommüll-"End"-Lager nichts.

Sinn und Zweck des Festhaltens an "Gorleben" ist einzig und allein der für den weiteren Betrieb der verbliebenen neun Atomkraftwerke notwendige "Entsorgungsnachweis". Würde die Bundesregierung die Arbeiten am unterirdischen Atommülllager im Salz bei Gorleben beenden, dann könnte sie nicht einmal mehr auf dem Papier ein Atommüll-"End"-Lager vorzuweisen und müsste die restlichen Atommeiler umgehend stilllegen.
  • Ich kann zwischen "Resignation" und "Protest" wählen. Auch ich habe meine Wahl getroffen: Ich werde so lange gegen diesen atomaren Irrsinn protestieren, bis das letzte deutsche Atomkraftwerk endgültig und unwiderruflich stillgelegt worden ist und bis es einen breiten gesellschaftlichen Konsens über den weiteren Umgang mit dem Atommüll gibt.


Gorleben Castor 2011

(Quellen: Bremerhavener Sonntagsjournal vom 06.11.2011, Bündnis gegen den Castor 2011 vom 06.11.2011, Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, TAZ vom 06.11.2011, Hannoversche Allgemeine vom 05.11.2011)

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